TE OGH 1985/7/11 6Ob20/85

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Veröffentlicht am 11.07.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Riedler, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als Richter in der Handelsregistersache zu HRB 31.789 des Handelsgerichtes Wien über die Verhältnisse der ISP-City Leasing Gesellschaft m.b.H. in Wien 12., Wiederhofgasse 23, wegen Ablehnung der von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Wien beantragten Einleitung eines Verfahrens zur amtswegigen Löschung der Firma, infolge Rekurses der genannten Kammer gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9.Mai 1985, GZ.5 R 125/84-12, womit der von der Rechtsmittelwerberin gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2.August 1984, GZ.7 HRB 31.789-8, erhobene Rekurs zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird   s t a t t g e g e b e n .   Der angefochtene

Beschluß wird   a u f g e h o b e n .   Dem Rekursgericht wird

aufgetragen, über den gegen den registergerichtlichen Beschluß vom 2. August 1984 erhobenen Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Text

Begründung:

Die mit dem Gesellschaftsvertrag vom 26.Jänner 1984 gegründete und gemäß der Eintragungsverfügung vom folgenden Tag in das vom Landesgericht Salzburg geführte Handelsregister eingetragene Gesellschaft m.b.H. beschloß bereits am 23.Februar 1984, ihren gesellschaftsvertraglich festgelegten Sitz von Salzburg nach Wien zu verlegen und meldete diese Sitzverlegung zur Eintragung in das Handelsregister an. Die entsprechende Eintragungsverfügung wurde auch der Kammer der gewerblichen Wirtschaft zugestellt. Diese vertrat die Ansicht, daß die Firma mit dem Bestandteil 'City' infolge der Sitzverlegung unter Benützung einer Geschäftsadresse im

12. Wiener Gemeindebezirk täuschungstauglich im Sinne des § 18 Abs.2 HGB und damit - nachträglich - unzulässig geworden sei. Die Kammer stellte aus diesem Grunde gemäß § 126 FGG den Antrag, die Firma gemäß den §§ 142 ff.FGG von Amts wegen zu löschen.

Das Registergericht beschloß, von der Einleitung des Verfahrens zur amtswegigen Löschung Abstand zu nehmen.

Das Rekursgericht wies den dagegen von der Kammer erhobenen Rekurs zurück. Es wertete ungeachtet der Bestimmung des § 126 FGG das Einschreiten der Kammer lediglich als Anregung, die keine Beteiligtenstellung und keine Anfechtungsbefugnis vermittle.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Wien gegen den rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß erhobene Rekurs ist, soweit er sich gegen die nach der zweitinstanzlichen Formalentscheidung derzeit allein erhebliche Verweigerung der Rechtsmittelbefugnis wendet, berechtigt.

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist als ein im § 126 FGG genanntes Organ des Handelsstandes nicht nur verpflichtet, die Registergerichte unter anderem 'beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch zu unterstützen', sondern ausdrücklich als berechtigt erklärt, 'zu diesem Zwecke Anträge bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen der Registergerichte das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben'.

Das nach § 126 FGG den Organen des Handelsstandes im öffentlichen Interesse eingeräumte Mitwirkungsrecht beschränkt sich im Falle eines Einschreitens gegen unzulässigen Firmengebrauch nicht auf das Ordnungsstrafverfahren nach § 37 Abs.1 HGB, § 140 FGG, sondern umfaßt im Rahmen des im § 126 FGG umschriebenen Aufgabenbereiches (der dort erwähnten 'Zwecke') auch ein registergerichtliches Vorgehen nach § 142 FGG. Ob diese Gesetzesbestimmung über ihren Wortlaut hinaus auch eine amtswegige Löschung von Eintragungen rechtfertigt, die erst durch Änderung der Verhältnisse nachträglich unzulässig geworden sind, ist eine für den Rekursgegenstand unerhebliche Frage der Sachentscheidung; die einschreitende Kammer hat ihr Begehren auf Einleitung des Löschungsverfahrens nach § 142 FGG zumindest vertretbarer Weise auf eine ihrer Ansicht nach zwar nicht bereits im Eintragungszeitpunkt gegebene, aber infolge zwischenzeitiger Änderungen nachträglich eingetretene Unzulässigkeit der eingetragenen Firma gestützt.

Ein im Rahmen des nach § 126 FGG umschriebenen Aufgabenkreises von einem Organ des Handelsstandes gestelltes Verlangen um registergerichtliches Vorgehen nach § 142 FGG ist zum Unterschied eines Einschreitens einer anderen, nicht durch § 126 FGG oder eine vergleichbare Norm zum Formalbeteiligten berufenen Person nicht bloß als Anregung aufzufassen, die als solche keine verfahrensrechtliche Beteiligungsstellung mit Rekursrecht zu verschaffen vermöchte, sondern als formelle Antragsstellung mit verfahrensrechtlichem Anspruch auf Erledigung; eine solche Verfahrensstellung verleiht Beteiligtenstellung mit Anfechtungsbefugnis im Sinne des § 9 AußStrG. Die Organe des Handelsstandes sind zur Wahrung öffentlicher Interessen nicht nur zur Unterstützung der Registergerichte, sondern auch zur Ermöglichung einer Kontrolle der pflichtgemäßen Ermessensübung im Instanzenzug durch die Regelung nach § 126 FGG auch in das - im übrigen - amtswegige Verfahren nach § 142 FGG eingeschaltet.

Wegen dieser gesetzlich angeordneten Sonderstellung ist die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung (SZ 21/81, SZ 24/49, GesRZ 1983, 36; siehe auch NZ 1952, 124 u.v.a.) über die Unanfechtbarkeit einer gerichtlichen Erledigung, mit der die Anregung auf Einleitung eines amtswegigen Verfahrens nach § 142 FGG abgelehnt wird, auf entsprechende Anträge einer nach § 126 FGG hiezu berufenen Kammer nicht anwendbar. Diese Auslegung stimmt mit der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Auffassung überein (vgl.Jansen FGG 2 § 126 Rz 13; Schlegelberger FGG 7 § 126 Rz 4 in Verbindung mit § 141 Rz 6;

Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit Teil A 11

§ 126 Rz 24; Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan § 8 Rz 11;

Hüffer in Großkomm.HGB 4 § 8 Rz 14).

§ 126 FGG räumt in dem dort umschriebenen Bereich den Organen des Handelsstandes auch in den einem amtswegigen Einschreiten des Registergerichtes nach § 142 FGG vorbehaltenen Fällen die formelle Beteiligtenstellung nach § 9 AußStrG mit Anspruch auf Antragserledigung und Rechtsmittelbefugnis ein.

Der rekursgerichtliche Zurückweisungsbeschluß war aus diesen Erwägungen aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung über den von der Kammer gegen die registergerichtliche Erledigung eingebrachten Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Anmerkung

E06271

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00020.85.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19850711_OGH0002_0060OB00020_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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