Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Hedwig LIEDL, Pensionistin, 2.) Johann KATTNER, Pensionist, beide Winzendorf Nr. 119, beide vertreten durch Dr. Jörg Beirer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die Antragsgegnerin Hermine HECHER, Fleischhauermeisterin, Urschendorf 22, wegen Einräumung eines Notweges infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 25.November 1985, GZ R 390/85-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 27.Juli 1985, GZ 1 Nc 31/82-38, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Rechtssache war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8.Oktober 1984, 1 Ob 649/84, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
Der Erstrichter wies das Begehren der Antragsteller auf Einräumung eines Notweges (durch Begründung der Dienstbarkeit des Fahrweges) über die Liegenschaft der Antragsgegnerin ab. Er stellte fest:
Die Antragsteller hätten am 24.April 1975 beim Gemeindeamt der Gemeinde St. Egyden am Steinfeld um die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Hauses auf ihrem Grundstück laut dem Einreichplan des Baumeisters Ing. Georg K*** angesucht. Die Situierung des zu errichtenden Gebäudes sei so geplant gewesen, daß im Bereich des Erdgeschoßes des Hauses eine Durchfahrt mit einer lichten Breite von 2,5 m vorgesehen gewesen sei. Bei der Bauverhandlung vom 23.Mai 1975 sei den Bauwerbern vom Amtssachverständigen aus Gründen des Landschaftsschutzes vorgeschrieben worden, die Lage des Wohnhauses ca. 13,5 m in Richtung Nordwesten zu verschieben; den Antragstellern sei aufgetragen worden, einen Auswechslungsplan vorzulegen. Eine Verlegung der Abwässeranlage sei nicht vorgeschrieben worden, weil diese Anlage das Landschaftsbild nicht beeinträchtigen habe können. Die Bauwerber hätten auch die Abwässeranlage so verschoben, daß sie im hinteren Teil des Hauses zu liegen gekommen sei. In der Folge hätten sie nicht entsprechend der Baubewilligung gebaut, sondern ohne Einholung der Bewilligung der Baubehörde die im Plan des Baumeisters Ing. K*** vorgesehene Durchfahrt weggelassen, so daß eine Zufahrt zum hinteren Gebäudeteil und damit zu den Abwässeranlagen nicht mehr gesichert gewesen sei. Am 1.Oktober 1982 habe die Antragsgegnerin dem Bürgermeister der Gemeinde angezeigt, daß die vorgesehene Durchfahrt nicht errichtet worden sei und die Antragsteller ihr Grundstück widerrechtlich benützten, um zum hinteren Teil der Liegenschaft zu gelangen. Die Antragsteller hätten in der Folge der Baubehörde einen Änderungsplan vorgelegt, aus dem die Abmauerung der Durchfahrt ersichtlich gewesen sei; dieser Änderungsplan sei vom Bürgermeister der Gemeinde St. Egyden am Steinfeld mit Bescheid vom 21.Juni 1983 ohne Anberaumung einer Bauverhandlung genehmigt worden. Bei dem vom Notwegebegehren betroffenen Teil der Grundstücke 651/2 und 645/3 der Antragsgegnerin handle es sich nicht um einen öffentlichen Weg. Die Antragsteller hätten es vor Errichtung des Hauses, insbesondere aber vor der Abmauerung der Zufahrt unterlassen, sich zu vergewissern, ob der über das Grundstück der Antragsgegnerin führende Weg ein öffentlicher Weg sei. Die Antragsgegnerin habe zunächst der Benützung dieses Weges im Zuge der Bauführung zum Zwecke der Zufuhr von Baumaterialien nicht widersprochen und erst im Frühjahr 1982 nach Fertigstellung des Hauses die Antragsteller aufgefordert, die weitere Benützung ihres Grundstückes zu unterlassen. Der von der Antragsgegnerin gegen die Antragsteller zu C 259/82 des Erstgerichtes erhobenen Eigentumsfreiheitsklage sei rechtskräftig stattgegeben worden.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der Mangel der Wegeverbindung sei auf eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller zurückzuführen, so daß das Begehren auf Einräumung des Notweges nicht gerechtfertigt sei. Die Antragsteller hätten sich über die Auflagen des Baubescheides hinweggesetzt und eigenmächtig die im Bauplan vorgesehene Durchfahrt verbaut; sie hätten auch die Abwässeranlage so verändert, daß sie nicht vor dem Hause, sondern hinter dem Hause zu liegen gekommen sei. Es gereiche den Antragstellern zum Verschulden, daß sie es unterlassen hätten, sich zu erkundigen, ob ihnen die Benützung des über die Grundstücke der Antragsgegnerin verlaufenden Weges gestattet werde. Aus der stillschweigenden Gestattung der Antragsgegnerin, ihr Grundstück zum Zwecke der Zufuhr von Baumaterialien zu benützen, könne nicht auf eine Berechtigung zur dauernden Benützung geschlossen werden. Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es stellte ergänzend fest, der in der Natur vorhandene Weg, in Ansehung dessen die Antragsteller die Einräumung der Dienstbarkeit des Fahrweges begehren, sei nie im Gemeingebrauch gestanden. Er habe seit jeher nur als Zufahrt für jene Grundstückseigentümer gedient, deren Liegenschaften links vom Weg gelegen gewesen seien, nicht aber für die rechts vom Weg gelegene Liegenschaft der Antragsteller. Von den Antragstellern bzw. ihren Rechtsvorgängern sei der Weg im allgemeinen nicht benützt worden. Josef BAUER, der die Liegenschaft von 1949 bis 1959 bewohnt habe, habe nur einmal im Jahr Brennmaterial über den Weg zu seinem Haus zugeführt; daß dies mit Wissen und Willen der Antragsgegnerin geschehen sei, könne nicht festgestellt werden. Nur während der Bauarbeiten am Haus der Antragsteller hätten diese den erforderlichen Baustellenverkehr über den gegenständlichen Weg abgewickelt, wogegen die Antragsgegnerin keinen Einwand erhoben habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die Rekurswerber hätten zunächst aus gutem Grund die Errichtung einer Durchfahrt, die die Erschließung des hinteren Grundstücksteiles ermöglicht hätte, geplant, diese Planung dann aber nicht verwirklicht und die ursprünglich vorgesehene Durchfahrt verbaut, ohne sich darum zu kümmern, ob die von ihnen zur Erschließung des hinteren Grundstücksteiles in Aussicht genommene Wegeverbindung tatsächlich auf Dauer benützbar sein werde. Werde in Erwägung gezogen, daß die Antragsteller trotz des Verbauens der Durchfahrt die Abwasseranlagen hinter dem Haus situierten, obwohl vor dem Haus dafür ausreichend Platz zur Verfügung gestanden wäre, so müsse insgesamt in ihrem Verhalten ein hohes Maß an Sorglosigkeit erblickt werden. Dazu komme noch, daß die Antragsteller jene Vorschriften, welche die Bauordnung im Falle einer derartig tiefgreifenden Änderung eines bereits bewilligten Bauvorhabens vorschreibe, völlig außer Acht gelassen hätten. Sie hätten keinen entsprechenden Auswechslungsplan vorgelegt, was dazu geführt habe, daß vor der Bauführung eine Bauverhandlung an Ort und Stelle unterblieben und damit der Antragsgegnerin jede Möglichkeit genommen worden sei, vor Baubeginn gegen eine Bauführung Einspruch zu erheben, was schließlich dazu geführt habe, daß der in ihrem Eigentum stehende Weg die einzige Zufahrt zum hinter dem Haus gelegenen Grundstücksteil der Antragsteller geworden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist unzulässig.
Der von den Antragstellern erhobene Revisionsrekurs ist nach § 16 AußStrG zu beurteilen, da diese Bestimmung auch im Verfahren über die Einräumung von Notwegen anzuwenden ist (SZ 49/99; RZ 1964, 142 u.a.). Der Revisionsrekurs ist daher nur aus den Rechtsmittelgründen der Aktenwidrigkeit, der offenbaren Gesetzwidrigkeit oder Nichtigkeit zulässig. Die Rechtsmittelwerber erachten sich zunächst dadurch beschwert, daß das Rekursgericht auf Grund der Aussagen der vom Erstrichter vernommenen Zeugen Johann RUMPLER, Johann MAIZ, Wilhelm P*** und Johann S*** ergänzende Feststellungen getroffen hat. Den Rechtsmittelausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Grundsätze der Mündlichkeit und Öffentlichkeit im Verfahren außer Streitsachen nicht in solcher Weise verankert sind wie in der Zivilprozeßordnung. Die Rechtsprechung hat wiederholt die Auffassung vertreten, daß das Rekursgericht in außerstreitigen Sachen das entscheidungswesentliche Tatsachenmaterial selbst sowohl ergänzen als auch berichtigen und zu diesem Zweck eine Beweiswiederholung durchführen darf, der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt und eine Beteiligung der Parteien an Beweisaufnahmen nicht vorgeschrieben ist (SZ 54/124; SZ 39/101; SZ 25/223 u.a.). Das Rekursgericht kann daher ergänzende Feststellungen auch auf Grund der Aktenlage treffen (EvBl. 1956/90 u. a.). Die relative Formlosigkeit des außerstreitigen Verfahrens darf nur nicht zu einer Verschlechterung des Rechtsschutzes der Parteien führen. Ein der Nichtigkeit gleichkommender Verfahrensverstoß wurde dann angenommen, wenn das Rekursgericht Verfahrensergebnisse verwertete, zu denen die Parteien nicht Stellung nehmen konnten und die erkennbar wesentliche Tatsachen betrafen (SZ 54/124). Die Aussagen der Zeugen, die vom Rekursgericht zu ergänzenden Feststellungen verwertet wurden, wurden im Verfahren vor dem Erstgericht abgelegt; den Antragstellern war damit die Möglichkeit gegeben, hiezu Stellung zu beziehen, so daß ein Verfahrensverstoß, vom Gewicht einer Nichtigkeit, nicht vorliegt. Mit ihren Ausführungen bekämpfen die Antragsteller vielmehr in Wahrheit die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes.
Die geltend gemachte unrichtige rechtliche Beurteilung bildet nur unter der Voraussetzung einer offenbaren Gesetzwidrigkeit einen zulässigen Rechtsmittelgrund. Eine derart qualifizierte Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 44.642, 42.327; SZ 49/99; SZ 44/180 u.a.). Die Frage, unter welchen Umständen die Notwendigkeit der Einräumung eines Notweges auf auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller zurückzuführen ist (§ 2 Abs. 1 NWG), ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, so daß in der Annahme des Rekursgerichtes, es liege eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller vor, eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht erblickt werden kann (SZ 49/99; zuletzt 4 Ob 523/84). Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E07459European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00509.86.0128.000Dokumentnummer
JJT_19860128_OGH0002_0010OB00509_8600000_000