TE OGH 1986/3/6 12Os14/86

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Veröffentlicht am 06.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Renate S*** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Beschwerdegericht vom 12.November 1985, AZ 4 Bl 359/85 (GZ U 440/85-12 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und des Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Renate S*** wegen Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB, AZ U 440/85 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau, verletzt der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Beschwerdegericht vom 12.November 1985, AZ 4 Bl 359/85 (= U 440/85-12), das Gesetz in der Bestimmung des § 381 Abs. 1 Z 1 StPO.

Text

Gründe:

I. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 22. Juli 1985, GZ U 440/85-6, wurde Renate S*** auf Grund der Privatanklage des Matthias M***, für welche die Eingabengebühr von 600 S in Gerichtskostenmarken entrichtet worden war, des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Geldstrafe sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Die Beschuldigte meldete noch in der Hauptverhandlung Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe an, wofür sie die Eingabengebühr von 700 S sogleich in Gerichtskostenmarken entrichtete (S 27). In der Folge zog sie jedoch die Berufung zurück (ON 7), sodaß das Urteil in Rechtskraft erwuchs. Das Bezirksgericht Spittal/Drau bestimmte hierauf mit Beschluß vom 21.August 1985, ON 9, die Pauschalkosten mit 1.000 S.

Gegen diesen Beschluß erhob die Verurteilte durch ihren ausgewiesenen Verteidiger (ersichtlich rechtzeitig) Beschwerde, in welcher sie vorbrachte, daß die Eingabengebühr für das erstinstanzliche Verfahren vom Privatankläger, jene für das zweitinstanzliche Verfahren hingegen von ihr entrichtet wurden und weitere Gerichtsgebühren nicht aufgelaufen seien, weshalb die Vorschreibung eines Pauschalkostenbetrages nicht zu Recht bestehe. Das Landesgericht Klagenfurt als Beschwerdegericht gab mit Beschluß vom 12.November 1985, AZ 4 Bl 359/85 (= U 440/85-12), dieser Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf. Es schloß sich der Argumentation der Beschwerdeführerin an, wonach sämtliche gemäß dem Tarif V des Gerichtsgebührengesetzes angefallenen Gebühren entrichtet wurden und daher ein "weiterer Pauschalkostenbetrag im Sinn des § 381 Abs. 1 Z 1 StPO nicht zu entrichten" sei.

II. Gegen den bezeichneten Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt richtet sich die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, zu deren Begründung folgendes ausgeführt wird:

"Nach dem GJGebGes 1962 in der zuletzt geltenden Fassung (siehe Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren, S 161 ff) waren in Strafverfahren auf Grund von Privatanklagen (IV des einen Bestandteil dieses Gesetzes bildenden Tarifs) die in den Tarifposten 15 bis 17 vorgeschriebenen Gebühren zu entrichten, im einzelnen für Eingaben (Anträge des Privatanklägers auf Einleitung des Strafverfahrens, Berufungen und andere Eingaben - Tarifpost 15), Protokolle (Tarifpost 16), mündliche Verhandlungen über eine Nichtigkeitsbeschwerde (Tarifpost 16) und Urteile ohne Unterschied der Instanz (Tarifpost 17).

Das Gerichtsgebührengesetz 1985, BGBl 1984/501, ersetzte diese Tarife, der allgemeinen Tendenz dieses Gesetzes zur Vereinfachung folgend (vgl die Erläuterungen der Regierungsvorlage in Hofmeister-Rechberger, Gerichtsgebührengesetz und Gerichtliches Einbringungsgesetz, S 55) durch den Tarif V. Dieser sieht lediglich in Tarifpost 13 die Entrichtung einer Eingabengebühr für Anträge des Privatanklägers auf Einleitung des Strafverfahrens sowie für Rechtsmittel gegen Urteile vor. In der Anmerkung 1 hiezu wird normiert, daß neben diesen Eingabengebühren in Strafverfahren auf Grund von Privatanklagen keine weiteren Gerichtsgebühren zu entrichten sind. Die Regierungsvorlage zu diesem Gesetz stellte in ihren Erläuterungen klar, daß die Eingabengebühr an die Stelle der bisherigen Gebühren, die gesondert für jede Eingabe und für jedes Protokoll zu entrichten waren, tritt (sog. "Phasenpauschalierung") und daß weitere Einzelgebühren im Anwendungsbereich der Tarifpost 13 nicht mehr anfallen (zitiert nach Hofmeister-Rechberger, S 51). Die K o s t e n des Strafverfahrens, die nach § 381 StPO von der zum Kostenersatz verpflichteten Partei zu ersetzen sind, umfassen auch derartige Gerichtsgebühren (§ 381 Abs. 1 Z 7 StPO); andere Gebühren sind in Strafsachen gemäß § 380 StPO nicht zu entrichten. Die Neufassung der Bestimmungen über die in Strafverfahren auf Grund einer Privatanklage zu entrichtenden Gerichtsgebühren (Eingabengebühr) berührt somit die davon unabhängige Regelung in der StPO über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens nicht. Demgemäß sind im Strafverfahren weiterhin auch dann wenn es auf Grund einer Privatanklage eingeleitet worden ist, die im § 381 Z 1 bis 6 StPO angeführten Kosten, so insbesondere wie im Anlaßfall ein Pauschalbetrag nach Z 1, vom Gericht zu bestimmen und nach den Bestimmungen des GEG bei den zum Kostenersatz Verpflichteten einzuheben. Dieses GEG 1962 (idF BGBl 1984/501) unterscheidet bei den vom Gericht von Amts wegen einzubringenden Beträgen zwischen Gebühren (Z 1) Geldstrafen (Z 2), Kosten des Strafverfahrens etc. (Z 3) sowie anderen Kosten und Beträgen (Z 4 bis 7). Auch in den folgenden Bestimmungen des zitierten Gesetzes werden Gebühren und Kosten jeweils unterschieden und die Kosten des Strafverfahrens teilweise auch einer besonderen Regelung unterworfen (vgl etwa §§ 8, 13 Abs. 1 und Abs. 2; 17 Z 1). Bei dieser an sich eindeutigen Rechtslage sei nur der Vollständigkeit halber noch darauf verwiesen, daß die Anführung der im Strafverfahren auf Grund einer Privatanklage zu entrichtenden Gerichtsgebühren im § 381 Z 7 StPO (ebenso wie die der Kosten der Verteidiger und anderer Parteienvertreter in Z 8 leg cit) Bedeutung nur für deren Ersatz durch den Kostenpflichtigen nach den §§ 389 Abs. 3, 390 Abs. 1, 393 Abs. 3 StPO (nicht an das Gericht, sondern) an den jeweils Berechtigten hat. Für die gegenständliche Frage macht dies abermals deutlich, daß K o s t e n der übergeordnete Begriff ist, der allenfalls aufgelaufene Gebühren mitumfaßt.

Rechtliche Beurteilung

Über diesen grundsätzlichen Unterschied zwischen Gebühren und Kosten des Strafverfahrens irrte das Beschwerdegericht somit und verletzte mit der zitierten Entscheidung, mit welcher ausgesprochen wurde, daß neben den Eingabengebühren nach Tarifpost 13 in Strafverfahren auf Grund von Privatanklagen keine weiteren Gerichtsgebühren - insbes kein weiterer Pauschalkostenbetrag - zu entrichten seien, das Gesetz in der Bestimmung des § 381 Abs. 1 Z 1 StPO. Da diese Gesetzesverletzung sich aber nicht zum Nachteil der Verurteilten auswirkte, muß es mit ihrer Feststellung sein Bewenden haben, die aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der behandelten Rechtsfrage geboten ist."

III. Die Beschwerde ist berechtigt. Gemäß § 381 Abs. 1 StPO umfassen die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatz verpflichteten Partei zu ersetzen sind, unter anderem (Z 1) "einen Pauschalbetrag als Anteil an den im folgenden nicht besonders angeführten Kosten der Strafrechtspflege einschließlich der Kosten von Amtshandlungen der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe im Dienste der Strafjustiz (Pauschalkostenbeitrag)" und (Z 7) "die im Strafverfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren". Schon aus dem Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung folgt demnach, daß der Pauschalkostenbeitrag einerseits und die im Strafverfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren andererseits zwei voneinander grundsätzlich unabhängige Arten von Kosten sind, die zusammen mit den übrigen in den Z 2 bis 6 und 8 des § 381 Abs. 1 StPO angeführten anderen Arten von Kosten die "Kosten des Strafverfahrens" (als Oberbegriff) bilden und die daher - soweit das Gesetz nicht selbst eine Ausnahme normiert - prinzipiell auch nebeneinander der zum Kostenersatz verpflichteten Partei aufzuerlegen sind. Als Ausnahme von diesem Grundsatz bestimmt § 381 Abs. 4 zweiter Satz StPO, daß im Verfahren vor den Bezirksgerichten auf Grund einer Privatanklage ein Pauschalkostenbeitrag nicht zu bestimmen ist, wenn keine Hauptverhandlung stattgefunden hat und auch keine Zeugen- oder Sachverständigengebühren aufgelaufen sind. Diese Ausnahme kommt aber im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Demnach hat das Erstgericht - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichtes - zu Recht einen Pauschalkostenbeitrag bestimmt. Dem steht nicht entgegen, daß die Gerichtsgebühren nunmehr auf Grund des Gerichtsgebührengesetzes 1985, BGBl 1984/501, und nicht mehr auf Grund des (bis zum 31.Dezember 1984 geltenden) Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962, BGBl 1962/289, zu entrichten sind, wodurch sich aber an der eingangs dargestellten strafprozessualen Rechtslage nichts geändert hat, und daß § 1 Abs. 1 des Gerichtsgebührengesetzes 1985 nunmehr ausdrücklich klarstellt, daß die in diesem Gesetz vorgesehenen Gerichts-(und Justiverwaltungs-)gebühren für die konkrete Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte (und Justizverwaltungsbehörden) einschließlich der Behandlung der an diese gerichteten Eingaben zu entrichten sind (vgl auch EBRVzGGG, 26), womit den Gerichtsgebühren insoweit dieselbe Zielsetzung zugrunde liegt wie dem Pauschalkostenbeitrag, der (gleichfalls) dazu bestimmt ist, die (allgemeine) Belastung der im Strafverfahren tätigen Behörden und Dienststellen abzugelten (§ 381 Abs. 1 Z 1 iVm § 381 Abs. 5 StPO). Denn soweit im Strafverfahren Gerichtsgebühren zu entrichten sind, wird damit der mit jedem derartigen Verfahren stets (und generell) verbundene (Mindest-)Aufwand der Strafgerichte mit einem von vornherein feststehenden Betrag (vorab) abgegolten, während der Pauschalkostenbeitrag dazu dient, die (darüber hinausgehenden) Kosten der Strafrechtspflege in einem bestimmten Strafverfahren mit einem von vornherein nicht feststehenden, lediglich nach oben hin begrenzten (Pauschal-)Betrag abzudecken. Das bestätigt die bereits erwähnte Bestimmung des § 381 Abs. 4 zweiter Satz StPO: Sind nämlich in einem der Gerichtsgebührenpflicht unterliegenden bezirksgerichtlichen Strafverfahren im konkreten Fall keine (weiteren) Kosten der Strafrechtspflege aufgelaufen, weil keine Hauptverhandlung stattgefunden hat und auch keine Zeugen- oder Sachverständigengebühren angefallen sind, dann darf ein Pauschalkostenbeitrag nicht bestimmt werden. Andernfalls ist aber ein Pauschalkostenbeitrag unabhängig davon zu bestimmen, daß die nach dem Gerichtsgebührengesetz 1985 vorgeschriebenen Gerichtsgebühren entrichtet worden sind.

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als

Beschwerdegericht vom 12.November 1985, 4 Bl 359/85, verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des § 381 Abs. 1 Z 1 StPO, sodaß über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen war.

Anmerkung

E07961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00014.86.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19860306_OGH0002_0120OS00014_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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