TE OGH 1986/5/13 4Ob303/86

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Veröffentlicht am 13.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Kuderna und Dr.Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hammerwerk S*** KG, Plettenberg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Rudolf Jahn und Dr.Harald Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "S***" Apparatebaugesellschaft m.b.H., Wien 14., Reinlgasse 5-9, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Patenteingriffes (Streitwert im Provisorialverfahren 600.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 25.November 1985, GZ 4 R 180/85-17, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 31.Juli 1985, GZ 19 Cg 16/85-8, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem Pkt. 2. dahin abgeändert, daß der Rekurs der Klägerin gegen Pkt. III. der einstweiligen Verfügung vom 31.Juli 1985 zurückgewiesen wird. Die Klägerin hat die Kosten dieses unzulässigen Rechtsmittels selbst zu tragen; sie ist schuldig, der Beklagten die mit 16.122,15 S (darin 1.465,65 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Der Antrag der Beklagten auf Zuspruch von Kosten für die Rekursbeantwortung ON 13 wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Inhaberin des österreichischen Patentes Nr. 339.365, betreffend einen "Bremsklotz-Schuh für Schienenfahrzeuge" (Beilage A).

Mit der Behauptung, daß die Beklagte seit Jahren Bremsklotzschuhe für Schienenfahrzeuge vertreibe, die alle Merkmale der Ansprüche 1, 2 und 5 dieses Patentes aufwiesen, beantragte die Klägerin, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr das Feilhalten und Vertreiben solcher Erzeugnisse zu untersagen.

Die Beklagte sprach sich gegen den Antrag der Klägerin aus. Das Sicherungsbegehren sei schon mangels "Eilbedürftigkeit" abzuweisen; im übrigen liege auch kein Eingriff in das Patent der Klägerin vor. Es werde daher beantragt, die einstweilige Verfügung, wenn überhaupt, dann nur gegen Erlag einer hohen Sicherheit durch die Klägerin zu bewilligen und außerdem eine "Gegenkaution" (§ 391 Abs. 1 EO) von maximal 600.000 S festzusetzen.

Mit Beschluß vom 31.Juli 1985 (ON 8) erließ das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung (Pkt. I.); zugleich sprach es aus, daß (Pkt. II.) die Entscheidung über die Kosten des Provisorialverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache vorbehalten und (Pkt. III.) die einstweilige Verfügung auf Antrag der Beklagten aufgehoben werde, wenn diese zur Sicherung aller der Klägerin durch die Aufhebung drohenden Schäden einen Betrag von 600.000 S bei Gericht erlege (§ 147 Abs. 2 PatG).

Dieser Beschluß wurde den Parteien am 7.August 1985 zugestellt. Schon am übernächsten Tag (9.August 1985) stellte die Beklagte den Antrag, eine von ihr gleichzeitig vorgelegte Bankgarantie der C***-B*** vom 8.August 1985 über 600.000 S "als

angemessene Sicherheitsleistung zuzulassen und entgegenzunehmen" und die einstweilige Verfügung ON 8 aufzuheben (ON 9). Mit Beschluß vom 12. August 1985 (ON 10) erkannte das Erstgericht im Sinne dieses Antrages. Die Entscheidung wurde den Parteien am 14.August 1985 zugestellt und von keiner Seite bekämpft.

Die einstweilige Verfügung (ON 8) ihrerseits wurde sowohl von der Klägerin als auch von der Beklagten mit Rekurs angefochten; beide Rechtsmittel wurden am 20.August 1985 beim Erstgericht überreicht. Während im Rekurs der Klägerin (ON 11) nur die Festsetzung des Befreiungsbetrages (Pkt. III. des erstgerichtlichen Beschlusses) bekämpft und die ersatzlose Streichung dieser Anordnung unter Aufrechterhaltung des übrigen Teils der einstweiligen Verfügung beantragt wurde, wandte sich das Rechtsmittel der Beklagten (ON 12) gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung selbst, aber auch dagegen, daß der Vollzug dieser Maßnahme nicht vom Erlag einer Sicherheit von 600.000 S durch die Klägerin abhängig gemacht wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluß (ON 17) hat das Rekursgericht zwar nicht dem Rekurs der Beklagten, wohl aber dem Rekurs der Klägerin Folge gegeben und in Abänderung des Pkt. III. des erstgerichtlichen Beschlusses den Antrag der Beklagten auf Festsetzung eines Befreiungsbetrages von 600.000 S abgewiesen; zugleich hat es ausgesprochen, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Zur Begründung des abändernden Teils seiner Entscheidung führte das Rekursgericht folgendes aus: Ebenso wie es der Beklagten trotz des rechtskräftigen "Aufhebungsbeschlusses" ON 10 unbenommen geblieben sei, gegen die Bewilligung der einstweiligen Verfügung selbst ein Rechtsmittel zu erheben, müsse auch die Zulässigkeit des Rekurses der Klägerin gegen die Festsetzung eines "Befreiungsbetrages" bejaht werden. Durch den "Aufhebungsbeschluß" des Erstgerichtes sei ja nicht die einstweilige Verfügung selbst aufgehoben, sondern nur ihr (weiterer) Vollzug abgewendet worden und an die Stelle des zunächst ausgesprochenen Unterlassungsgebotes die von der Beklagten erlegte Bankgarantie getreten (ÖBl. 1984, 85). Infolge der Anfechtung des den "Befreiungsbetrag" betreffenden Teiles der einstweiligen Verfügung sei die Wirksamkeit dieses Ausspruches insofern in Schwebe geblieben, als die Möglichkeit bestehe, daß dem Rekurs der Klägerin Folge gegeben und die "Gegenkaution" beseitigt werde. Der Beschluß ON 10 sei somit ungeachtet seiner Rchtskraft mit dem im Rahmen der einstweiligen Verfügung festgesetzten "Befreiungsbetrag" im Sinne einer Voraussetzung logisch verknüpft. Werde der Ausspruch über den "Befreiungsbetrag" vom Rekursgericht beseitigt, dann sei damit die einstweilige Verfügung ohne diese Bedingung und ohne Rücksicht auf den "Aufhebungsbeschluß" (wieder) wirksam. Mangels eines tiefgehenden Eingriffes in schutzwürdige Interessen der Beklagten sei aber der Rekurs der Klägerin auch sachlich gerechtfertigt.

Gegen die Abweisung ihres Antrages auf Festsetzung eines "Befreiungsbetrages" richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes in diesem Umfang wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Mit dem am 20. August 1985 beim Erstgericht überreichten Rekurs (ON 11) hat die Klägerin nur Pkt. III. der einstweiligen Verfügung vom 31.Juli 1985 bekämpft, nicht aber auch den - ihrem Vertreter schon am 14.August 1985 zugestellten - "Aufhebungsbeschluß" ON 10; daß die letztgenannte Entscheidung tatsächlich nicht Gegenstand des Rechtsmittels der Klägerin war, zeigt neben der völlig eindeutigen, auf Pkt. III. der einstweiligen Verfügung beschränkten Anfechtungserklärung vor allem auch der auf die ersatzlose Streichung (nur) dieses Punktes unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der übrigen Teile der einstweiligen Verfügung gerichtete Rechtsmittelantrag. Obgleich somit der von keiner Seite angefochtene "Aufhebungsbeschluß" ON 10 im Zeitpunkt der Rekursentscheidung (25.November 1985) bereits in Rechtskraft erwachsen war, hat das Rekursgericht die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin gegen die in Pkt. III. des Beschlusses vom 31.Juli 1985 enthaltene Ankündigung, die einstweilige Verfügung beim Erlag eines "Befreiungsbetrages" von 600.000 S aufzuheben, dennoch bejaht und dies vor allem damit begründet, daß die Beschlüsse ON 8 und ON 10 "im Sinne einer Voraussetzung logisch verknüpft" seien, so daß mit der Beseitigung des Ausspruches über den "Befreiungsbetrag" die einstweilige Verfügung ohne diese Bedingung und ohne Rücksicht auf den "Aufhebungsbeschluß" (wieder) wirksam sei. Dieser Auffassung kann der erkennende Senat nicht folgen:

Daß ein Erfolg des Rechtsmittels der Klägerin zur Beseitigung des Pkt. III. der einstweiligen Verfügung führen würde, bedeutet entgegen der Meinung des Rekursgerichtes noch nicht, daß damit auch die Wirksamkeit des "Aufhebungsbeschlusses" ON 10 in Schwebe geblieben ist; das träfe nur dann zu, wenn mit dem Wegfall des angefochtenen Teils der einstweiligen Verfügung auch dem Beschluß ON 10 die rechtliche Grundlage entzogen, mit anderen Worten: nach dem Wegfall der bekämpften Ankündigung in Pkt. III. des Beschlusses ON 8 auch ein Fortbestehen des "Aufhebungsbeschlusses" ON 10 rechtlich ausgeschlossen wäre. Ein solcher "logischer Zusammenhang" der beiden Beschlüsse ist aber hier nicht gegeben; die rechtliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit des nach dem Erlag der "Gegenkaution" ergangenen "Aufhebungsbeschlusses" von der vorangegangenen Ankündigung dieser Maßnahme folgt schon aus § 399 Abs. 1 Z 3 EO, wonach die einstweilige Verfügung nicht nur beim Erlag der "dem Gegner der gefährdeten Partei vorbehaltenen Sicherheit" (§ 391 Abs. 1 Satz 2 EO) aufzuheben ist, sondern auch dann, wenn der Antragsgegner - ohne daß ihm eine solche Möglichkeit im Spruch der einstweiligen Verfügung vorbehalten wurde - "eine anderweitige, dem Gericht genügend erscheinende Sicherheit" leistet. Damit kann aber entgegen der Meinung des angefochtenen Beschlusses nicht gesagt werden, daß die nachträgliche Beseitigung des in die einstweilige Verfügung aufgenommenen Ausspruches nach § 391 Abs. 1 EO notwendigerweise zum Wiederaufleben der in der Zwischenzeit auf Antrag des Gegners der gefährdeten Partei aufgehobenen einstweiligen Verfügung führen müßte; das rechtliche Schicksal des "Aufhebungsbeschlusses" ON 10 hängt vielmehr weder rechtlich noch logisch vom Fortbestehen der vorausgegangenen Ankündigung ab. Für die gegenteilige Auffassung des Rekursgerichtes ist auch aus den im angefochtenen Beschluß angeführten Vorentscheidungen nichts zu gewinnen: Daß durch den "Aufhebungsbeschluß" nicht die einstweilige Verfügung als solche aufgehoben, sondern nur ihr (weiterer) Vollzug abgewendet und das zunächst ausgesprochene Unterlassungsgebot durch die von der Beklagten beigebrachte Bankgarantie ersetzt wurde, trifft zwar zu (ÖBl. 1984, 85), hat aber mit der hier zu beantwortenden Rechtsfrage nichts zu tun. Auch die Entscheidung ÖBl. 1983, 70 hatte einen ganz anderen Sachverhalt betroffen: In ihr war es nämlich - ebenso wie in ÖBl. 1983, 117 und mehreren anderen, nicht veröffentlichten Entscheidungen - darum gegangen, daß die gefährdete Partei den Auftrag des Erstgerichtes zum Erlag einer Sicherheit nach § 390 EO angefochten hatte, noch vor der Entscheidung über dieses Rechtsmittel aber die einstweilige Verfügung mit Ablauf der Monatsfrist des § 396 EO ihre Wirksamkeit verloren hatte. Es hatte also damals überhaupt nur einen einzigen anfechtbaren Ausspruch des Gerichtes gegeben, welcher die rechtliche Grundlage der Verpflichtung der Klägerin zum Erlag der Sicherheit und damit - für den Fall ihres Nichterlages - auch des Außerkrafttretens der einstweiligen Verfügung gemäß § 396 EO gebildet hatte; die Beseitigung dieses Ausspruches durch den Obersten Gerichtshof mußte dann aber folgerichtig dazu führen, daß die einstweilige Verfügung ohne Erlag einer Sicherheit und ohne Rücksicht auf den Ablauf der Frist des § 396 EO wieder in Wirksamkeit gesetzt wurde.

Bei dieser Sachlage hätte sich die Klägerin nicht mit der Anfechtung (nur) des Pkt. III. der einstweiligen Verfügung vom 31. Juli 1985 begnügen dürfen, sondern auch (oder nur) den Beschluß ON 10 und damit die Ausführung der in der einstweiligen Verfügung angekündigten Maßnahme mit Rekurs bekämpfen müssen. Da sie das nicht getan und auch die Beklagte gegen den Beschluß vom 12.August 1985 kein Rechtsmittel erhoben hat, war die "Aufhebung" der einstweiligen Verfügung - genauer gesagt: die Ersetzung des ursprünglichen Unterlassungsgebotes durch die von der Beklagten erlegte Bankgarantie - im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes bereits in Rechtskraft erwachsen. War damit aber der Vollzug der in Pkt. III. der einstweiligen Verfügung in Aussicht gestellten Maßnahme bereits unabänderlich geworden, dann konnte sich die Klägerin durch die ihm vorangegangene Ankündigung nicht mehr beschwert erachten; ihr Rekurs hätte vielmehr vom Rekursgericht als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

Dem auf Wiederherstellung des Beschlusses erster Instanz abzielenden und daher im Ergebnis gerechtfertigten Revisionsrekurs der Beklagten war somit Folge zu geben und in Abänderung des Pkt. 2. der angefochtenen Entscheidung der Rekurs der Klägerin gegen Pkt. III. des Beschlusses vom 31.Juli 1985 als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 41, 50, 52 ZPO, iVm §§ 78, 402 Abs. 2 EO. Für die Rekursbeantwortung ON 13, in welcher auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Klägerin nicht hingewiesen wurde, konnten der Beklagten keine Kosten zuerkannt werden.

Anmerkung

E08173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00303.86.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19860513_OGH0002_0040OB00303_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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