Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria W***, Hausfrau, Wien 12., Reschgasse 23, vertreten durch den Beistand Dr. Ingeborg R***, Rechtsanwalt in Wien, vertreten durch Dr. Otto Philp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Robert W***, Wien 12., Helfertgasse 26, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung eines Schenkungsvertrages (S 320.000,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. März 1986, GZ 18 R 313/85-61, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25. September 1985, GZ 54 Cg 156/83-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 978,75) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ficht den mit dem Beklagten am 3.2.1983 abgeschlossenen Schenkungsvertrag über ihre Liegenschaft EZ 1320 des Grundbuches Meidling als nichtig unter anderem mit der Begründung an, sie sei damals nicht in der Lage gewesen, zu begreifen, was mit ihr geschah.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren; insbesondere die von der Klägerin behauptete Unzurechnungsfähigkeit sei nicht gegeben. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sprach aus, daß der zwischen der Klägerin Maria W*** und dem Beklagten Robert W*** am 3.2.1983 geschlossene Schenkungsvertrag, mit welchem die Klägerin dem Beklagten die in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft EZ 1320 des Grundbuches der KG Meidling, Gerichtsbezirk Fünfhaus, schenkte, nichtig ist. Es legte seiner Entscheidung die Feststellung zugrunde, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages (3.2.1983) an seniler Demenz gelitten hat. Sie war aus diesem Grunde nicht fähig, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Das Erstgericht stützte sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Heinz C*** und verwarf den Antrag des Beklagten auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen. Rechtlich stützte es seine Entscheidung auf § 865 erster Satz ABGB.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es sprach auf der Grundlage des Einheitswertes der Liegenschaft aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 300.000 übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Mängelrüge des Beklagten, die dagegen gerichtet war, daß das Erstgericht nicht noch einen weiteren Sachverständigen beigezogen hatte. Weiters verwies das Berufungsgericht darauf, daß der beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten nicht nur eine Darlegung der allgemeinen Symptome seniler Demenz gibt, sondern unmißverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, daß er dieses Krankheitsbild bei der Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Schenkungsvertrages für gegeben erachtete, und zwar auf Grund seiner eigenen Untersuchung der Klägerin im Zusammenhang mit der sie betreffenden, von ihm studierten Krankengeschichte aus dem Jahre 1977. Das Berufungsgericht erachtete daher das vorliegende Sachverständigengutachten als nachvollziehbar und überzeugend. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Sachverständige die Angaben der Klägerin über ihre Vermögensverhältnisse - nämlich den Mangel anderen Vermögens als das verschenkte Haus - nicht verifizierte, sondern von dieser Tatsache als gegeben ausging und dies als weiteres Indiz für ihre mangelnde Geschäftsfähigkeit wertete. Es sei nicht die Aufgabe des Sachverständigen, eine solche - im übrigen mit der Aktenlage durchaus übereinstimmende - Angabe der Klägerin weiter "von Amts wegen" auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Auch der Beklagte habe es unterlassen, konkrete Behauptungen über ein anderes Vermögen der Klägerin aufzustellen.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben oder diese als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte wendet sich zunächst dagegen, daß das Berufungsgericht seine Verfahrensrüge auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen verworfen habe. Er macht damit geltend, daß das Gericht zweiter Instanz das Vorliegen eines Mangels des erstgerichtlichen Verfahrens verneint hat. Dies ist aber nach ständiger Rechtsprechung nicht revisibel (§ 510 Abs3 ZPO). Im übrigen ist die Beurteilung der Frage durch das Berufungsgericht, ob es eines weiteren Sachverständigengutachtens bedarf, als Akt seiner Beweiswürdigung vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpfbar (vgl. JBl 1972, 572; 8 Ob 16/80; 8 Ob 259,260/80; 8 Ob 122/81 uza). Der Beklagte vertritt weiters den Standpunkt, daß das eingeholte Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar sei. "Für Pauschalurteile, die einer Überprüfung mangels Begründung nicht standhielten, benötige man keinen Sachverständigen". Dazu ist zunächst auszuführen, daß die Anfechtung der Würdigung der Tatsachenfeststellungen des Gutachtens und der zur Gewinnung der Tatsachenfeststellungen vom Sachverständigen angewendeten Regeln der Wissenschaft, Sachkunde und Kunstfertigkeit, die ihrerseits Erfahrungssätze zur Gewinnung des Sachverhaltes darstellen, nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß der Sachverständige bei seinen Schlußfolgerungen gegen zwingende Denkgesetze oder gegen die objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdruckes verstoßen hat, soweit ein solcher Verstoß die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge haben muß (Fasching, Kommentar IV 336 und die dort angeführte Rechtsprechung; 8 Ob 95/81; 8 Ob 152/82 ua). Die Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes könnte nur dann, und zwar als Verfahrensmangel, bekämpft werden, wenn das Sachverständigengutachten unter Verletzung wesentlicher prozeßrechtlicher Vorschriften zustandegekommen wäre (2 Ob 116/76; 8 Ob 95/81 ua). Keinen dieser Umstände zeigt der Beklagte auf. Schon das Berufungsgericht verwies darauf, daß das Sachverständigengutachten eindeutig die schwere geistige Demenz der Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages zum Ausdruck bringt, die sie außerstande setzte, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen.
Die Feststellung des Geisteszustandes der Klägerin gehört dem Tatsachenbereich an, diese Frage ist daher nicht revisibel. Ob der festgestellte Zustand die Geschäftsunfähigkeit zur Folge hatte, ist allerdings eine Rechtsfrage. Bei Lösung dieser Frage ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die Klägerin aufgrund ihres psychischen Zustandes nicht in der Lage war, den Sinn des bezogenen Schenkungsvertrages in seiner Konsequenz zu verstehen. Sie war außerstande, die Tragweite des Vertrages zu beurteilen und ist daher jedenfalls in Ansehung dieses Vertrages als handlungsunfähig zu behandeln, was die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge hat (vgl. JBl1977,537; 6 Ob 665/82 ua).
Dies haben die Vorinstanzen richtig erkannt. Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E09424European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00629.86.0918.000Dokumentnummer
JJT_19860918_OGH0002_0080OB00629_8600000_000