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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der UA in G, geboren 1985 (auch: OPO, geboren 1981), vertreten durch Mag. Christof Korp, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. August 2004, Zl. 248.598/0-V/13/04, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, reiste gemäß ihren Angaben am 28. November 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte noch am selben Tag die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete sie bei ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass sie von Mitgliedern eines Geheimkults ("Black Axe") bedroht worden sei. Dieser Geheimkult sei an der auch von ihr besuchten Universität tätig. Sie (Beschwerdeführerin) sei Zeugin eines von Mitgliedern der Kultgesellschaft begangenen Mordes geworden, habe einen der Täter erkannt und sei daraufhin, weil sie dies der Universitätsleitung mitgeteilt habe und in der Folge als Zeugin hätte aussagen sollen, mit dem Tod bedroht worden. Deshalb sei sie geflohen, im Falle ihrer Rückkehr rechne sie damit, von Mitgliedern der Geheimgesellschaft getötet zu werden.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 25. März 2004 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig. Dabei ging es davon aus, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kein Glauben geschenkt werden könne.
Die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. August 2004 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab.
Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin während ihres Studiums an einer nigerianischen Universität Zeugin eines Mordes geworden und in der Folge von unbekannten Personen - "maßgeblich wahrscheinlich von Angehörigen der Täterschaft aus dem Kreis der 'Kultorganisation' der Black Axe" - bedroht worden sei, um vor staatlichen Behörden eine die Täter identifizierende Zeugenaussage zu verhindern. Die belangte Behörde stellte weiter fest, dass an nigerianischen Universitäten eine Vielzahl von Studentenkulten aktiv sei, darunter der von der Beschwerdeführerin angesprochene "Black Axe"- Kult. Aus näher genannten Länderdokumentationsunterlagen einerseits und einer "internetweiten Suchabfrage" andererseits ergebe sich jedoch kein Hinweis, dass diese Gesellschaft landesweit über ein dergestalt effizientes Netzwerk von Mitgliedern und Anhängern verfüge, dass für von ihr verfolgte Personen eine reale landesweite Gefahr bestehe. Dem Nigeria Country Report des British Home Service vom Oktober 2003 sei zu entnehmen, dass sowohl lokale Polizeibehörden als auch universitäre Autoritäten gegen Übergriffe und kriminelle Handlungen von Kultorganisationen vorgingen und hiefür verantwortliche Personen einer Bestrafung zuführten. Angesichts dessen, dass für die Beschwerdeführerin kein landesweites Verfolgungspotenzial von Seiten der Anhänger des "Black Axe"- Kultes bestehe, dass die Behörden gegen kriminelle Aktivitäten von Kultorganisationen effizient vorgingen und dass die Beschwerdeführerin sich durch einen ihr zumutbaren Domizilwechsel dem Zugriff "solcher meist lokal bzw. regional agierender Gruppierungen" entziehen könnte, ergäbe sich - so die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht - in einer "Gesamtschau", dass die Beschwerdeführerin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsse, einer Bedrohung von Seiten privater Kultanhänger schutzlos ausgeliefert zu sein "bzw." stehe ihr jedenfalls eine so genannte inländische Fluchtalternative offen, weshalb ihr keine wohlbegründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung "zusinnbar" sei.
Nach Überlegungen zu § 8 AsylG schließt der Bescheid der belangten Behörde mit folgenden Absätzen:
"Der Unabhängige Bundesasylsenat schließt sich der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz vollinhaltlich an und wird festgehalten, dass das Bundesasylamt dem Grunde nach ein mängelfreies bzw. ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Antragstellerin durchgeführt hat, nach Würdigung des Vorbringens Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat.
Der Unabhängige Bundesasylsenat schließt sich sohin der rechtlichen Subsumtion der nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Begründung des bekämpften Bescheides ist in sich widersprüchlich und genügt damit nicht den Anforderungen des § 60 AVG. Während die belangte Behörde nämlich zunächst dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgende Feststellungen traf und dazu - wie hier zu ergänzen ist - ausdrücklich ausführte, dass ihren Angaben bezüglich ihres Fluchtmotivs Glauben zu schenken gewesen sei, verwies sie abschließend auf die gegenteilige Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und erklärte, sich dieser "vollinhaltlich" anschließen zu wollen. Wie die Beschwerde zutreffend moniert, ist damit nicht ersichtlich, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Unterstellt man aber, die belangte Behörde hätte Feststellungen im Sinn des Vorbringens der Beschwerdeführerin treffen wollen, deren Asylantrag jedoch deshalb abgewiesen, weil sie nicht befürchten müsse, einer Bedrohung von Seiten privater Kultanhänger schutzlos ausgeliefert zu sein bzw. weil sie eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung habe - so ausdrücklich die belangte Behörde im Rahmen ihrer oben wiedergegebenen "Gesamtschau" -, so ergäbe sich Folgendes: Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer Einvernahme in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt, der Gouverneur ihres Heimatstaates Edo sei auch Mitglied "bei dieser Organisation", diese sei in ganz Nigeria tätig und sei mächtig, sie treibe ihr Unwesen an Universitäten und Schulen nicht nur in Edo State und es gäbe ein weit verbreitetes Netz von Mitgliedern. Mit diesen Angaben hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, sondern schlichtweg auf letztlich ihrer Ansicht nach zum gegenteiligen Ergebnis führende "Länderdokumentationsunterlagen" bzw. eine "internetweite Suchabfrage" verwiesen. Was Ersteres anlangt, so wurden diese Unterlagen im Übrigen nicht vorgelegt und fehlt es jedenfalls an einer konkreten Anführung jener Berichtspassagen, aus denen entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden sollen; die "internetweite Suchabfrage", deren Ergebnisse ebenfalls nicht aktenkundig sind, entzieht sich in noch größerem Ausmaß einer Überprüfbarkeit. Zusammenfassend leidet der angefochtene Bescheid mithin auch unter diesem Gesichtspunkt (wenn er so zu lesen wäre, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Fluchtgeschichte zu Grunde gelegt werden sollen) an einem Begründungsmangel. Bezüglich der Annahme einer internen Flucht- oder Schutzalternative sei im Übrigen der Vollständigkeit halber darauf verwiesen, dass sich deren Voraussetzungen - entgegen einem so deutbaren Verständnis der belangten Behörde - nicht im bloßen Fehlen einer "landesweiten Verfolgung" erschöpfen (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2002/01/0414, mwN).
Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Kosten konnten allerdings nur im ausdrücklich verzeichneten Umfang zuerkannt werden.
Wien, am 30. August 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004010448.X00Im RIS seit
22.09.2005