TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/1 2005/20/0327

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2005
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §10;
AVG §37 impl;
AVG §39 Abs2;
AVG §67d;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des K in W, geboren 1976, vertreten durch Dr. Michael Velik, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alserstraße 14, gegen den am 26. Jänner 2005 verkündeten und am 1. Februar 2005 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 213.234/28- II/04/05, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2003, Zl. 2000/20/0419, und vom 4. November 2004, Zl. 2004/20/0216, zu verweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 26. Jänner 2005 - die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. September 1999 erneut gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie ging diesmal davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht der Wahrheit entspreche.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Thema des letzten der genannten Vorerkenntnisse in der Asylangelegenheit des Beschwerdeführers war u.a. die Praxis des mit dem Fall befassten Mitgliedes der belangten Behörde, eine größere Zahl von Berufungswerbern zu meist ganztägigen gemeinsamen Berufungsverhandlungen zu laden, in denen die einzelnen Berufungswerber nach dem Inhalt der Niederschriften jeweils nur kurz zu Wort kamen. Dies wurde "vor allem" unter dem "für den Rechtsschutz wesentlichen Gesichtspunkt" kritisiert, dass es den betroffenen Asylwerbern dadurch erschwert werde, sich in der Berufungsverhandlung eines Rechtsbeistandes zu bedienen (Punkt 3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 4. November 2004). In Bezug auf einen nicht unwesentlichen Teil des Vorbringens des Beschwerdeführers - Behauptung, er sei "auch in Delhi bedroht worden" - wurde der belangten Behörde auch vorgehalten, der in der Verhandlung anwesende Beschwerdeführer wäre zu den konkreten Umständen, unter denen er in Delhi einem Angehörigen der ihn angeblich verfolgenden Gruppierung begegnet bzw. - seinen Behauptungen zufolge - "auch in Delhi bedroht worden" sei, zu befragen gewesen (Punkt 1. der Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses).

Die belangte Behörde lud den Beschwerdeführer und dessen Vertreter im fortgesetzten Verfahren für den 26. Jänner 2005,

10.45 Uhr, ohne Angabe der voraussichtlichen Dauer zu einer Berufungsverhandlung, die sich - nach der unwidersprochenen Darstellung in der Beschwerde - zunächst so gestaltete, dass der Verhandlungsleiter gemeinsam mit dem Sachverständigen dessen Konzept für das zu erstattende mündliche Gutachten am Computer überarbeitete, während der Beschwerdeführer und sein Vertreter (weitere Asylwerber waren diesmal nicht geladen) dem Geschehen als stumme Zuschauer beizuwohnen hatten. Diese Phase der Verhandlung soll bis 12.40 Uhr gedauert haben. Dem Protokoll ist - ohne Hinweis auf die im Vorlageschreiben bestätigte Beteiligung der belangten Behörde an der Überarbeitung des Konzepts des Sachverständigen in der Verhandlung - nur zu entnehmen, dass der Sachverständige (ab einem nicht genannten Zeitpunkt) das auf den Seiten 2 ff des Protokolls Wiedergegebene "gutächtlich ausgeführt" habe.

Zuvor wurde der Beschwerdeführer - dem Protokoll zufolge - kurz befragt, ob er seiner früheren Aussage, er sei in Delhi einem der Männer aus der ihn verfolgenden Gruppe begegnet, etwas hinzuzufügen habe, was er im Wesentlichen verneinte. Die nahe liegende Anschlussfrage, worin dann die behauptete "Bedrohung" in Delhi bestanden habe, wurde ihm nicht gestellt.

Nach Erörterung des Gutachtens - von dem es auf Seite 6 unten des Protokolls in einer dort wiedergegebenen Stellungnahme des Vertreters des Beschwerdeführers auch heißt, es sei ausgedruckt und ihm schriftlich übergeben worden, wobei er auf eine "Verlesung" des (laut Protokoll mündlichen) Gutachtens verzichtet habe - und nach Abweisung eines Antrages auf Einräumung einer vierwöchigen Stellungnahmefrist entfernte sich der Vertreter des Beschwerdeführers dem Protokoll zufolge um 17.00 Uhr. Die Verhandlung wurde erst um 19.00 Uhr geschlossen, ohne dass dem Protokoll bis zur Bescheidverkündung weitere Vorgänge zu entnehmen sind. Ein Großteil der verbliebenen Zeit verging demnach offenbar mit dem Konzipieren der schließlich im Protokoll festgehaltenen, verhältnismäßig ausführlichen Begründung des am Schluss der Verhandlung verkündeten Bescheides.

Mit dieser in der Beschwerde beanstandeten, im Protokoll etwas unscharf dokumentierten Gestaltung der Berufungsverhandlung hat die belangte Behörde den oben erwähnten Ausführungen in Punkt 3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 4. November 2004 im Ergebnis nicht Rechnung getragen. Sie hat, wenngleich diesmal nur in der Angelegenheit des Beschwerdeführers, eine mehr als achtstündige Berufungsverhandlung abgehalten, in der der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter stundenlang auf die Rolle von Zuschauern bei konzeptiven Tätigkeiten des Sachverständigen und des Verhandlungsleiters verwiesen wurden. Eine solche Verhandlungsgestaltung ist dem Asylwerber schon wegen der dadurch entstehenden Vertretungskosten ebenso unzumutbar und mit den Grundsätzen des § 37 AVG genauso wenig in Einklang zu bringen wie die im Vorkenntnis erörterten "Massenverhandlungen" des hier betroffenen Mitgliedes der belangten Behörde.

Die Missachtung von Grundbedingungen für eine die Vertretung der Interessen der Partei nicht unnötig behindernde Verfahrensgestaltung führt im vorliegenden Fall aber nicht zur Aufhebung des Bescheides, weil die Beschwerde - soweit es um die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geht - nicht ausreichend konkret versucht, dem gemeinsamen Elaborat des Sachverständigen und der belangten Behörde im Nachhinein inhaltlich entgegenzutreten und Mängel in der Schlüssigkeit der darauf gestützten Glaubwürdigkeitsbeurteilung aufzuzeigen.

Ist nicht von den Behauptungen des Beschwerdeführers auszugehen, so kommt auch den zehn Seiten langen Rechtsausführungen in Punkt IV. der schriftlichen Bescheidausfertigung, in denen es - hypothetisch - um Fragen der "relativen Irrelevanz eines selbst als wahr unterstellten, vergangenheitsbezogenen Tatsachenvorbringens" geht, keine Bedeutung für die Entscheidung des Falles zu. Der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob das Verhältnis dieser Ausführungen zur sonstigen Spruchpraxis der belangten Behörde und zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Befassung eines Senates der belangten Behörde erfordert hätte, muss schon deshalb nicht nachgegangen werden.

Im Gegensatz zu diesen - wie hinzuzufügen ist - falschen, aber nicht entscheidungswesentlichen Rechtsausführungen der belangten Behörde kann ihrer den angefochtenen Bescheid tragenden Ansicht, bei Zugrundelegung der nunmehrigen Annahmen zum Sachverhalt sei die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG abzuweisen, gefolgt werden. Gründe dafür, dass dem Beschwerdeführer auch unabhängig vom Wahrheitsgehalt seines Vorbringens Asyl oder Abschiebungsschutz zu gewähren wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Kosten waren dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, weil die belangte Behörde keinen darauf abzielenden Antrag gestellt hat. Wien, am 1. September 2005

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005200327.X00

Im RIS seit

02.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten