TE OGH 1987/8/27 6Ob553/86

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Veröffentlicht am 27.08.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Bauer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate H***, Krankenschwester, Ottobrunn, Röntgenstraße 22, vertreten durch Dr. Rudolf Volker, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei G*** T***, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 91.285,-- samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitwert S 5.000,--), welchem Rechtsstreit auf Seite der klagenden Partei die M*** Wechselseitige Versicherungsanstalt Graz, Neutorgasse 57, vertreten durch Dr. Elfriede Kropiunig, Rechtsanwalt in Leoben, als Nebenintervenientin beigetreten ist, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Dezember 1985, GZ 4 R 215/85-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21. September 1985, GZ 4 Cg 284/82-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben und das angefochtene Urteil derart abgeändert, daß das Begehren auf Zahlung eines Betrages von S 91.285,-- samt 4 % Zinsen seit 5. September 1984 und 4 % Zinsen aus S 61.285,-- vom 11. Mai 1982 bis 4. September 1984 sowie auf Feststellung, daß die Beklagte der Klägerin für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 28. Februar 1982 auf der Merkur-Meile in der Nähe des Trabochersees voll schadenersatzpflichtig sei, abgewiesen wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 53.018,82 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen S 7.488,-- und an Umsatzsteuer S 4.139,17) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die damals fast 23 Jahre alte Klägerin benützte am 28. Februar 1982 (in den im Akt erliegenden Fotokopien der Krankengeschichte des Landeskrankenhauses Leoben ist als "Eintrittstag" der Klägerin der 26. Februar 1982 angegeben) einzelne Übungsgeräte einer frei zugänglichen sogenannten Fitneßstrecke. Bei dem Versuch, sich zu er als "Beugehang" bezeichneten Übung an einer etwa in Kopfhöhe beiderseits an Baumstämmen befestigten Eisenstange hochzuziehen, wurde diese Stange aus ihrer Befestigung gerissen, die Klägerin stürzte mit dem Hinterhaupt und dem Rücken auf den unebenen, mit Wurzeln durchzogenen Waldboden und zog sich schwere Verletzungen zu.

Die Fitneßstrecke war im Jahre 1973 aus Werbegründen von einer Versicherungsgesellschaft errichtet worden. (Diese Versicherungsgesellschaft ist dem Rechtsstreit auf seiten der Klägerin als Nebenintervenientin beigetreten.) Die Versicherungsgesellschaft hatte mit den betroffenen Grundstückseigentümern entsprechende Absprachen getroffen. Sie hatte auch an die nunmehr beklagte Gemeinde wegen der Errichtung der Fitneßstrecke am 9. Februar 1972 eine schriftliche Anfrage gerichtet und auf die Auswirkung der Anlage für den nahe gelegenen, von der beklagten Partei genutzten Badesee hingewiesen. Der Bürgermeister der nun beklagten Gemeinde teilte in seinem Antwortschreiben vom 7. März 1972 mit, daß der Gemeinderat einstimmig beschlossen habe, dem Anbot zur Errichtung der Fitneßstrecke näherzutreten. Der Landesinspektor der Versicherungsanstalt wurde gebeten, das Vorhaben an Ort und Stelle zu erklären. In einem im Auftrag des Bürgermeisters verfaßten Schreiben des Gemeindeamtes vom 5. Juni 1972 teilte die nunmehr beklagte Gemeinde der Versicherungsanstalt die Bereitschaft mit, die notwendigen Flächen für die vorgesehene Fitneßstrecke zur Verfügung zu stellen. Die Versicherungsanstalt errichtete die Fitneßstrecke auf ihre Kosten. Sie lud auch am Vorabend der Eröffnung zu einer Pressekonferenz. Nach dem Bericht einer lokalen Wochenzeitung mit einem Bild über die Pressekonferenz sollte die Fitneßstrecke, am Sonntag dem 1. Juli 1973, von der Versicherungsanstalt in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Fremdenverkehrsverein eröffnet werden und dann frei zugänglich sein. Nach diesem Zeitungsbericht hätten der Versicherungsdirektor, der Bürgermeister der nun beklagten Gemeinde und der Obmann des örtlichen Fremdenverkehrsvereines erklärt, daß die nun beklagte Gemeinde für die Verwirklichung der Idee der geeignetste Ort gewesen sei. (Nach dem weiteren Inhalt dieses Zeitungsartikels sollte "die Erhaltung der Anlage nach dem 1. Juli" der Fremdenverkehrsverein tragen.) Die Versicherungsanstalt sandte auch von ihrer eigenen Druckerei hergestellte Einladungen zur Eröffnungsfeier aus. Nach dem Text dieser Drucksache luden der örtliche Fremdenverkehrsverein und die Versicherungsanstalt zur Eröffnung ein. Unter den Rednern bei der Eröffnungsfeier war allerdings nicht nur ein Vertreter der Versicherungsanstalt und eine Funktionärin des örtlichen Fremdenverkehrsvereines, sondern auch ein Gemeinderatsmitglied als Vertreter des Bürgermeisters der nun beklagten Gemeinde. Dieses Gemeinderatsmitglied durchschnitt anläßlich der Eröffnung das bei einer Verkehrsfreigabe traditionelle Band. Damals wurde über die Erhaltung und Betreuung der Strecke nichts gesagt. Der Obmann des Fremdenverkehrsvereines hatte seiner Vertreterin angekündigt, daß die Strecke im Zuge ihrer Eröffnung dem Fremdenverkehrsverein und der Gemeinde übergeben werden sollte.

Die Versicherungsanstalt stellte am Beginn der Fitneßstrecke eine Tafel auf, auf der unter anderem vermerkt ist, daß die Fitneßstrecke von der Versicherungsanstalt in Zusammenarbeit mit der nun beklagten Gemeinde nach einem von einem Universitätsinstitut entwickelten System verwirklicht worden sei. Daran knüpft sich der Hinweis: "Die Benützung ist frei, erfolgte jedoch auf eigene Gefahr."

In den folgenden Jahren veranlaßte der Gemeindesekretär, der gleichzeitig auch Vorstandsmitglied des örtlichen Fremdenverkehrsvereines war, daß die beiden Arbeiter der Gemeinde die Fitneßstrecke betreuten. Wenigstens zweimal erteilte der Gemeindesekretär den beiden Gemeindearbeitern den ausdrücklichen Auftrag, die bei einer Übungsstation der Fitneßstrecke fehlenden Holzteile zu ergänzen und die übrigen Geräte auf ihre Funktionstüchtigkeit und Haltbarkeit zu überprüfen. Einige Jahre nach der Eröffnung der Fitneßstrecke ersuchte der Obmann des Fremdenverkehrsvereines den Bürgermeister, Säuberungsarbeiten auf der Strecke durch Gemeindebedienstete durchführen zu lassen. Daraufhin wies der Bürgermeister den bereits erwähnten Gemeindesekretär an, die Gemeindearbeiter, wenn diese am Badesee zu arbeiten hätten, damit zu beauftragen, auch die Fitneßstrecke zu besichtigen. Der erwähnte Gemeindesekretär beging im Zuge von Wanderungen selbst etwa einmal im Monat die Fitneßstrecke und achtete dabei auf deren Zustand, um erforderlichenfalls Arbeiter zur Säuberung der Anlage zu entsenden. Wenn der Bezirksstellenleiter der Versicherung die Fitneßstrecke beging und dabei Schäden feststellte, wandte er sich an den Bürgermeister oder an den Gemeindesekretär, die dem Bezirksstellenleiter der Versicherung erklärten, daß die angegebenen Mängel durch Gemeindebedienstete behoben würden. Derartige Instandsetzungen wurden dann auch tatsächlich ausgeführt. Wenn sich Benützer der Fitneßstrecke beim Bezirksstellenleiter der Versicherung über den Zustand der Anlage beschwerten, ging dieser der Bemängelung nach und ersuchte die Gemeinde um Behebung der Mängel. Weder der Bürgermeister noch der Gemeindesekretär haben Instandsetzungsersuchen des Bezirksstellenleiters der Versicherung jemals zurückgewiesen. Deshalb wandte sich dieser immer an die nunmehr beklagte Gemeinde.

Im Herbst 1981 stellte der Bezirksstellenleiter der Versicherung einen Windbruch des Baumes fest, an dem das spätere Unglücksgerät befestigt war. Er teilte seine Beobachtung der Gemeinde mit der Bemerkung mit, daß der Baum abgeschnitten gehörte.

Es ist nicht mehr feststellbar, wer daraufhin den Stamm des beschädigten Baumes abgeschnitten und die vordem seitlich mittels eines sogenannten U-Eisens an den Stamm angeklammerte Eisenstange auf die neue Schnittfläche oben aufgelegt und dort mittels einer sogenannten "U-Klampfe" befestigt hat.

Nach dem Unfall ließ die Versicherungsanstalt anläßlich des zehnjährigen Bestandes der Fitneßstrecke diese Anlage auf ihre Kosten instandsetzen. Aus diesem Anlaß übernahm der Fremdenverkehrsverein die Fitneßstrecke, beaufsichtigt sie seither und hat auch eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Am Unfallstag lag auf der als Auflagefläche der Stange dienenden Schnittfläche des abgeschnittenen Baumstammes eine Schneehaube. Der Waldboden unterhalb der Stange war teilweise mit Schneeflecken bedeckt, die dort verlaufenden Baumwurzeln aber waren sichtbar. Die Klägerin überprüfte vor der als "Beugehang" bezeichneten Übung die Befestigung der Stange nicht. Als sie im Sinne der beschriebenen Übung mit ihrem vollen Gewicht die Stange belastete, löste sich diese aus ihrer Befestigung.

Die Klägerin erhob ihre Schadenersatzansprüche wegen der Unfallsfolgen mit der am 6. Juli 1982 angebrachten Klage gegen die Ortsgemeinde. Sie warf dieser eine grob fahrlässige Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, ein Organisationsverschulden und ein Auswahlverschulden in Ansehung der zur Errichtung und Haltung der Anlage eingesetzten Personen vor. Die Klägerin behauptete, die beklagte Gemeinde sei nach der Übergabe im Jahre 1973 Eigentümerin, Besitzerin und Halterin der Sportanlage geworden und habe diese auch regelmäßig durch ihre Arbeitskräfte, wenn auch nur unzulänglich, betreut.

Die als Streithelferin der Klägerin beigetretene Nebenintervenientin behauptete - ohne daß die Klägerin diesen ihrem zuvor erstatteten eigenen Vorbringen widersprechenden Behauptungen entgegengetreten wäre - sie habe die Fitneßstrecke mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1973 offiziell dem örtlichen Fremdenverkehrsverein übergeben. Die beklagte Gemeinde habe sich aber im Zuge der Besprechungen ausdrücklich verpflichtet, die Fitneßanlage auf ihre Kosten zu erhalten und für deren ordnungsgemäßen Zustand zu sorgen. Abgesehen von einer rechtsgeschäftlich übernommenen Instandhaltungsverpflichtung hafte die Beklagte schon deshalb, weil ihre Arbeitskräfte eine vollkommen unsachgemäße Befestigung der Stange des Unfallgerätes vorgenommen hätten.

Die beklagte Gemeinde bestritt vor allem jeden, sie zum Schadenersatz für den Sportunfall der Klägerin verpflichtenden Haftungsgrund. Sie behauptete, sie habe nicht zur Errichtung und unmittelbar auch nichts zur Aufrechterhaltung der Fitneßstrecke, die auf fremdem Grund in einer benachbarten Ortsgemeinde angelegt worden sei, beigetragen. Sie betreibe lediglich in der Nähe der Sportanlage einen Badesee. In diesem Zusammenhang habe sich der örtliche Fremdenverkehrsverein um periodische Reinhaltemaßnahmen der Strecke bemüht. Die Gemeinde habe zur Förderung des örtlichen Fremdenverkehrsvereines diesen bei seinen Bemühungen unterstützt. Die Versicherungsanstalt, die die Fitneßstrecke aus Werbegründen zur allgemeinen Benützung errichtet habe, habe durch die Ankündigungstafel am Beginn der Strecke darauf hingewiesen, daß die Benützung auf eigene Gefahr erfolge und offenbar deshalb nicht selbst für eine regelmäßige Wartung gesorgt. Die Beklagte habe kein Verhalten gesetzt, aus der sie eine solche Wartungspflicht getroffen hätte.

Hilfsweise machte die beklagte Partei geltend, daß ihr in der Jahreszeit des Unfallgeschehens eine regelmäßige Überprüfung der einzelnen auf der Fitneßstrecke aufgestellten Geräte nicht zumutbar gewesen wäre. Überdies wendete die beklagte Partei ein ausschließliches Eigenverschulden der Klägerin ein. Das Prozeßgericht erster Instanz bejahte die Haftung der beklagten Gemeinde und gab sowohl dem Leistungsbegehren auf Zahlung eines Betrages von S 91.285,-- samt Zinsen als auch dem Feststellungsbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden statt. Zum Haftungsgrund führte es aus, bei dem von der Klägerin benützten Turngerät habe es sich um ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB gehandelt. Die beklagte Partei sei als dessen Besitzerin im Sinne der genannten Gesetzesstelle anzusehen. Sie habe nicht nur auf Betreiben des Obmannes des örtlichen Fremdenverkehrsvereines, sondern auch auf Ersuchen dritter Personen Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Das von der Klägerin benützte Gerät sei am Unfallstag infolge unsachgemäßer Befestigung der Stange an einem Baum mangelhaft beschaffen gewesen. Der beklagten Partei sei der ihr oblegene Schuldlosigkeitsbeweis nicht gelungen. Die Haftungsausschließungserklärung auf der Tafel befreie nicht von der Haftung für Schadensfolgen, die auf eine nicht ordnungsgemäße Errichtung der Anlage zurückzuführen seien. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Es sprach weiters aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Zur Haftungsfrage teilte das Berufungsgericht die erstrichterliche Beurteilung über das Vorliegen eines Werkes und die Besitzereigenschaft der Beklagten im Sinne des § 1319 ABGB und führte aus: Die von der beklagten Partei unwidersprochen gelassene Ankündigungstafel am Beginn der Fitneßstrecke und die tatsächliche Übernahme von Erhaltungsarbeiten hätten die Haltereigenschaft der beklagten Partei begründet. Damit habe die beklagte Partei nicht nur ihren Willen kundgetan, die Anlage auf eigene Rechnung in Gebrauch zu nehmen, sondern auch zum Ausdruck gebracht, daß sie die Verfügungsgewalt über die Anlage besitze, die ein solcher Gebrauch voraussetze. Das Berufungsgericht billigte auch die erstrichterliche Ansicht, die beklagte Partei habe nicht durch eine Ankündigungstafel ihre Halterhaftung ausschließen und die Kontrolle der benützten Geräte auf die Benützer überwälzen können.

Die beklagte Partei ficht das bestätigende, über einen im sogenannten Zulassungsbereich liegenden Streitgegenstand ergangene Berufungsurteil wegen (qualifiziert) unrichtiger Lösung der für den Haftungsgrund wesentlichen Frage nach der Besitzereigenschaft im Sinne des § 1319 ABGB mit einem auf Klageabweisung zielenden Aufhebungsantrag an.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreites von der materiellrechtlichen Frage abhängt, durch welches Verhalten eine vom Errichter einer zur allgemeinen Benützung hergestellten Sportanlage verschiedene Person den Anlagebenützern gegenüber, sei es im Rahmen einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, sei es im Rahmen der besonderen Sorgfaltspflicht eines Werkbesitzers nach § 1319 ABGB für Schäden haftbar werden kann, die auf einen gefährlichen Zustand oder eine mangelhafte Beschaffenheit der Anlage oder einzelner Teile zurückzuführen sind, allenfalls welche Besonderheiten im Falle einer Ortsgemeinde beachtlich sein könnten.

Die Revision ist auch berechtigt.

Im Falle einer von einer Versicherungsanstalt geförderten und einer Ortsgemeinde errichteten Fitneßanlage, auf der sich ein Benützer beim Sprung in eine Sprunggrube verletzte, anerkannte das Revisionsgericht die Haftung dessen, der eine Fitneßanlage zur allgemeinen (unentgeltlichen) Benützung zur Verfügung stellt, nach den Grundsätzen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (JBl 1980, 590 = EvBl 1980/111).Mit dieser Beurteilung steht es keinesfalls im Widerspruch, daß die Vorinstanzen nach der besonderen Art des Sportgerätes, nämlich einer einerseits am Stamm eines lebenden Waldbaumes und andererseits auf dem Strunk eines abgeschnittenen Baumes etwa in Kopfhöhe über dem Erdboden fix montierten Eisenstange, an der sich der Benützer nach der Übungsanleitung in einer bestimmten Weise hochziehen soll, als ein "auf einem Grundstück aufgeführtes Werk" im Sinne des § 1319 ABGB gewertet und daher das Vorliegen der besonders geregelten Verkehrssicherungspflicht eines Werkbesitzers untersucht haben.

Ob die beklagte Ortsgemeinde Besitzerin (gegebenenfalls auch bloß Mitbesitzerin) im Sinne des § 1319 ABGB der Fitneßstrecke geworden war oder ob sie die Verantwortung dafür zu tragen hat, daß die jedem Interessenten unentgeltlich offenstehende Möglichkeit zur Benützung der Anlage ungeachtet einer erkennbaren und mit zumutbaren Mitteln zu beseitigenden Gefährlichkeit aufrechterhalten wurde, läuft im gegebenen Zusammenhang auf die Beurteilung derselben Zurechnungskriterien hinaus. Es steht fest, daß die beklagte Gemeinde an der Errichtung der Anlage nicht beteiligt war. Ihr nach den getroffenen Feststellungen zum Ausdruck gebrachtes wohlwollendes Interesse an einer von der Nebenintervenientin aus Werbegründen organisierten und finanzierten Errichtung der Fitneßstrecke stellt sich nicht als Teilnahme an der Planung und Herstellung der Anlage dar.

Die Nebenintervenientin hat als alleinige Errichterin der frei zugänglichen Sportanlage diese im Zusammenhang mit der Eröffnung zur allgemeinen Benützung nicht der beklagten Partei übergeben (ein bestimmter Rechtsgrund wurde nicht behauptet) oder sonst zur Betreuung überantwortet. Die Durchtrennung eines Bandes als Zeichen der Freigabe zum allgemeinen Gebrauch anläßlich der Eröffnungsfeier durch ein Mitglied des Gemeinderates der beklagten Partei ist für die rechtliche Beurteilung, wer den Verkehr auf der Sportanlage eröffnete und wer die Wartungspflicht für diese Anlage übernahm, für sich allein ohne Einfluß.

Ebensowenig machte der Hinweis auf der von der Nebenintervenientin am Beginn der Fitneßstrecke aufgestellten Tafel, daß die Anlage von der Nebenintervenientin "in Zusammenarbeit mit der Gemeinde....verwirklicht" worden sei, zur Miterrichterin oder (Mit-)Betreiberin der Sportanlage.

Soweit aber auf Weisung des Bürgermeisters der beklagte Gemeinde deren Sekretär den beiden Gemeindearbeitern in konkreten Einzelfällen oder auch allgemein aufgetragen hatte, Säuberungsarbeiten in der Anlage vorzunehmen und Kontrollbeobachtungen mitzuteilen und auch fehlende Teile zu einzelnen bestimmten Sportgeräten zu ersetzen, waren diese Verrichtungen der Gemeinde durch ein entsprechendes grundsätzliches Ersuchen des Obmannes des örtlichen Fremdenverkehrsvereines ausgelöst, so daß sich die von den Gemeindearbeitern ausgeführten Tätigkeiten als Gehilfenschaft für den ersuchenden Fremdenverkehrsverein darstellen, nicht aber als Übernahme einer - sei es dem Fremdenverkehrsverein, sei es der Nebenintervenientin oder beiden zugekommenen - Stellung als Betreiber der Sportanlage im unmittelbaren Verhältnis zu dem an der Benützung interessierten Publikum.

Daß die beklagte Partei auf Veranlassung eines hiezu befugten Organes durch ihre Arbeitskräfte an dem in der Folge von der Klägerin benützten Sportgerät eine sachwidrige und daher gefährliche Veränderung vorgenommen hätte, ist ebensowenig erwiesen worden, wie eine dem örtlichen Fremdenverkehrsverein gegenüber rechtsgeschäftlich zugesagte Übernahme der Obsorge für die Erhaltung der einzelnen Sportgeräte als solche. Es bedarf daher keiner Prüfung, welche nach der Gemeindeordnung erforderlichen Organe an einem rechtsgeschäftlichen Handeln der Gemeinde mitzuwirken gehabt hätten, um eine gültige Verpflichtung der Gemeinde zu begründen. Aus diesen Erwägungen ist eine Haftung der beklagten Partei für die Folgen des Sportunfalles der Klägerin mangels Betreibereigenschaft und Ausübung eines Besitzes im Sinne des § 1319 ABGB an der Sportanlage, mangels rechtsgeschäftlicher Übernahme einer Obsorgeverpflichtung für die Erhaltung der allgemein zugänglichen Anlage in einem für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungefährlichen Zustand und mangels erwiesener Ausführung einer unzweckmäßigen und gefährlichen Befestigung der zur Ausführung eines Beugehanges bestimmten Stange durch Bedienstete der beklagten Partei dem Grunde nach zu verneinen.

Der Revision war daher in Abänderung des angefochtenen Berufungsurteiles im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens stattzugeben.

Entgegen der von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht ist der erstinstanzliche Feststellungsausspruch nicht in Rechtskraft erwachsen: Die beklagte Partei hat das dem Leistungs- und dem Feststellungsbegehren stattgebende Urteil erster Instanz nach der Anfechtungserklärung in der Berufung ausdrücklich "seinem gesamten Umfange nach" angefochten, die Rechtsmittelausführungen haben sich der Sache nach in gleicher Weise auf das Leistungs- und auf das Feststellungsbegehren bezogen. Daß im Rechtsmittelantrag auf Abweisung des Klagebegehrens die Zitierung des Feststellungsbegehrens unterblieb, ist als offenkundige Flüchtigkeit, nicht aber als eine Beschränkung der Anfechtung zu verstehen. Das Berufungsgericht hat zutreffend auch über den Feststellungsausspruch sachlich entschieden. Auch dieser Ausspruch ist Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E11594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00553.86.0827.000

Dokumentnummer

JJT_19870827_OGH0002_0060OB00553_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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