TE OGH 1987/9/1 5Ob353/87

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Veröffentlicht am 01.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Konkurssache des Gemeinschuldners Dr. Rudolf H***, Geschäftsführer, Wels, Rosenau 18 (S 36/84 des Kreisgerichtes Wels) infolge Antrages des Oberlandesgerichtes Linz vom 17.Juli 1987, 2 R 227/87-190, über den Gemeinschuldner wegen des unzulässigen Revisionsrekurses S 36/84-183 gemäß § 528 Abs. 4 ZPO eine Mutwillensstrafe zu verhängen, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag des Oberlandesgerichtes Linz vom 17.7.1987, 2 R 227/87-190, über den Gemeinschuldner wegen des unzulässigen Revisionsrekurses S 36/84-183 gemäß § 528 Abs. 4 ZPO eine Mutwillensstrafe zu verhängen, und die Äußerung des Gemeinschuldners zu diesem Antrag werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Am 9.4.1987 stellte der Gemeinschuldner den Antrag (ON 174) auf amtswegige Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichtes vom 5.6.1984, mit welchem über sein Vermögen der Anschlußkonkurs eröffnet worden war. Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück (ON 175). Gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes (ON 182) erhob der Gemeinschuldner Revisionsrekurs (ON 183). Das Erstgericht wies diesen Revisionsrekurs unter Hinweis auf die §§ 171 KO, 528 Abs. 1 Z 1 ZPO als unzulässig zurück (ON 184). Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Gemeinschuldners (ON 187) nicht Folge und legte aus Anlaß dieses Rekurses die Akten dem Obersten Gerichtshof mit dem Antrag vor, über den Gemeinschuldner wegen des unzulässigen Revisionsrekurses ON 183 gemäß § 528 Abs. 4 ZPO eine Mutwillensstrafe zu verhängen. Es führte im wesentlichen aus:

Es sei bedauerlich, daß der Gemeinschuldner, der Jurist und ehemaliger Richter ist, eine derart klare Rechtslage nicht zur Kenntnis nehmen wolle. Sein neuerlicher Rekurs, der sich über eine völlig einwandfrei begründete Entscheidung erster Instanz hinwegsetze und offenbar auch die Ausführungen in der oberstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 308/87 ignoriere, die ihm in seiner eigenen Sache am 29.5.1987 zugestellt worden sei, müsse daher als mutwillig angesehen werden. Dies sollte seitens der Gerichte schon allein deshalb nicht sanktionslos hingenommen werden, weil es gerade solche Rechtsmittel seien, welche die ohnehin überlasteten Rechtsmittelgerichte völlig unnütz beschäftigten, sie bei der Erledigung anderer und möglicherweise dringlicher Rechtsmittel aufhielten und im übrigen auch die Abwicklung des gegenständlichen Konkursverfahrens verzögerten.

Zusammenfassend könne daher gesagt werden, daß ein krasserer Fall an Mutwilligkeit als der Revisionsrekurs ON 183 und der Rekurs ON 187 kaum denkbar erscheine. § 528 Abs. 4 ZPO ordne an: "Findet das Rekursgericht, daß ein gegen den Beschluß eines Gerichtes zweiter Instanz erhobener Rekurs mutwillig oder nur zur Verzögerung der Sache eingebracht wurde, so ist gegen den Beschwerdeführer auf eine Mutwillensstrafe zu erkennen." Fasching vertrete in seinem Kommentar IV 468 die Meinung, daß das Recht auf Verhängung der Mutwillensstrafe nur dem Obersten Gerichtshof, nicht aber den Untergerichten zustehe, und begründe diese Ansicht mit der Gleichartigkeit mit der Bestimmung des § 512 ZPO, wo ausdrücklich vom Revisionsgericht die Rede sei. An dieser hinsichtlich der früheren Fassung des § 528 ZPO zweifellos zutreffenden Lehrmeinung habe Fasching in seinem Lehr- und Handbuch des Zivilprozeßrechts in Rz 2029 auch nach der Novellierung des § 528 ZPO durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 festgehalten. Dabei sei aber möglicherweise übersehen worden, daß sich der gesetzliche Ausdruck "Rekursgericht" in Absatz 4 nunmehr mit demselben Ausdruck in Absatz 2 derselben Gesetzesbestimmung decke, wobei unter Rekursgericht im Sinne des Absatzes 2 völlig klar und unmißverständlich das Gericht zweiter Instanz gemeint werde. Konnte es also bei der früheren Fassung des § 528 ZPO noch unklar und daher vertretbar sein, unter jenem "Rekursgericht", welches gegen den Beschwerdeführer auf eine Mutwillensstrafe zu erkennen hat, den Obersten Gerichtshof zu verstehen, so schienen durch die derzeit geltende Fassung des § 528 ZPO diesbezügliche Zweifel ausgeräumt, sofern nicht ein legistischer Redaktionsfehler vorliege. Immerhin spreche für die Annahme, daß unter "Rekursgericht" im § 528 Abs. 4 ZPO das Gericht zweiter Instanz und nicht der Oberste Gerichtshof zu verstehen sei, der ganze Sinn und Zweck dieser Bestimmung, wie gerade der vorliegende Fall beweise: Die Untergerichte seien auf Grund des Gesetzes verpflichtet, unzulässige Revisionsrekurse zurückzuweisen (§ 523 ZPO). Komme das Erstgericht dieser seiner Verpflichtung nach und bestätige das Rekursgericht pflichtgemäß eine solche Zurückweisung, dann käme in Anbetracht der Bestimmung des § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO der Oberste Gerichtshof überhaupt nie in die Lage, aus Anlaß eines mutwilligen unzulässigen (oder verspäteten) Revisionsrekurses eine Mutwillensstrafe zu verhängen. Gerade dies widerspreche aber den Intentionen des Gesetzgebers und auch der Lehre, die durch Fasching wortführend bedauere, daß der Oberste Gerichtshof trotz des Gesetzesauftrages ("ist") zuwenig Gebrauch von seinem Recht und seiner Pflicht mache, Mutwillensstrafen zu verhängen (Kommentar IV 468).

Es könne allerdings auf Grund der obigen Erwägungen auch nicht ausgeschlossen werden, daß es den Untergerichten anheimgestellt sei, bei Annahme der Voraussetzungen der Verhängung einer Mutwillensstrafe die Akten dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, damit eben dieser überhaupt in die Gelegenheit versetzt werde, gemäß § 528 Abs. 4 ZPO tätig zu werden. Das Rekursgericht halte im vorliegenden Fall eine solche Vorgangsweise deshalb für zweckmäßig, weil die Rechtslage, wie oben dargelegt worden sei, unklar erscheine und gegen einen Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem eine Mutwillensstrafe bis zu einem Betrag von 15.000,-- S verhängt werden würde, kein Rechtsmittel zulässig wäre (§ 528 Abs. 1 Z 5 ZPO). Es gehe hier nicht nur um die Mutwilligkeit des Rekurses ON 187, sondern auch um die Mutwilligkeit des bereits zurückgewiesenen Revisionsrekurses ON 183, sodaß auch für den Fall, daß der Oberste Gerichtshof an seiner in der Entscheidung GlUNF 3696 ausgesprochenen Rechtsansicht über die Zivilverfahrensnovelle 1983 hinaus festhalten sollte, die Kompetenz des Höchstgerichtes gegeben wäre. Das Rekursgericht beschließe daher vorerst aus Anlaß des Rekurses ON 187, die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Verhängung einer Mutwillensstrafe wegen des Revisionsrekurses ON 183 vorzulegen, behalte sich aber für den Fall, daß der Oberste Gerichtshof seine Zuständigkeit zur Behandlung dieses Antrages verneinen sollte, eine weitere Beschlußfassung ausdrücklich vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Gemeinschuldner beantragte die Abweisung des Antrages des Obeberlandesgerichtes Linz und die Behandlung seines Revisionsrekurses ON 183 als außerordentlichen Revisionsrekurses im Sinne des § 504 Abs. 2 ZPO.

Der Antrag des Oberlandesgerichtes Linz und die Äußerung des Gemeinschuldners hiezu sind als im Gesetz nicht vorgesehen zurückzuweisen.

Lehr- und Rechtsprechung zu § 528 Abs. 2 ZPO in der Fassung vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß die Verhängung von Mutwillensstrafen im Rekursverfahren auf den Fall beschränkt werden sollte, daß ein Rekurs gegen den Beschluß eines Gerichtes zweiter Instanz dem allein zur Entscheidung hierüber berufenen Obersten Gerichtshof vorliegt, und daraus abgeleitet, daß wegen der Mutwilligkeit des Rekurses gegen einen Beschluß erster Instanz eine Mutwillensstrafe überhaupt nicht verhängt werden kann und überdies zur Verhängung einer solchen Strafe nur der Oberste Gerichtshof berufen ist (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4, 1404; Fasching, Kommentar IV 468; GlUNF 3696; 2 Ob 550/51). Diese Bestimmung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers wie § 512 ZPO ein Abwehrmittel gegen die Überlastung des Höchstgerichtes bilden und außerdem vor Prozeßverschleppung schützen (Fasching, Kommentar IV 468 in Verbindung mit 368). Der Oberste Gerichtshof konnte die Mutwillensstrafe von Amts wegen nicht nur aus Anlaß der Zurückweisung unzulässiger Revisionsrekurse, sondern auch bei Abweisung unbegründeter Revisionsrekurse verhängen, soweit deren Einbringung die Voraussetzungen des § 528 Abs. 2 ZPO verwirklichte (Fasching, Kommentar IV 468). Wurde ein unzulässiger Revisionsrekurs bereits von den Vorinstanzen rechtskräftig zurückgewiesen (und damit einer Überlastung des Höchstgerichtes sowie einer Prozeßverschleppung vorgebeugt), dann konnte wegen dessen Erhebung über den Rechtsmittelwerber weder von den Vorinstanzen - weil ihnen diese Befugnis nach dem Gesetz nicht zustand - noch vom Obersten Gerichtshof - weil diesem der Revisionsrekurs nicht zur Entscheidung vorlag - eine Mutwillensstrafe verhängt werden. In einem solchen Fall war auch ein Antrag des Gerichtes erster oder zweiter Instanz an den Obersten Gerichtshof, dieser möge eine Mutwillensstrafe verhängen, nicht vorgesehen.

An dieser Rechtslage hat sich, wie Fasching beizupflichten ist (Lehrbuch Rz 2029 in Verbindung mit Rz 1960), durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 nichts geändert. Aus dem Umstand allein, daß in § 528 Abs. 1 und 3 ZPO nF vom Gericht zweiter Instanz, in § 528 Abs. 2 und 4 ZPO nF aber vom Rekursgericht die Rede ist, kann mangels jeglicher diesbezüglicher Anhaltspunkte in den Materialien zu der genannten Novelle nicht geschlossen werden, daß in § 528 Abs. 4 ZPO nF unter "Rekursgericht" das Gericht zweiter Instanz und nicht der Oberste Gerichtshof zu verstehen ist. Daß in § 528 Abs. 2 ZPO nF der Ausdruck "Rekursgericht" und nicht wie in § 528 Abs. 1 ZPO nF der Ausdruck "Gericht zweiter Instanz" verwendet wird, ist darauf zurückzuführen, daß sich die in der erstgenannten Gesetzesstelle normierte Rechtsmittelbeschränkung nur auf Entscheidungen des Rekursgerichtes, mit denen über ein an das Rekursgericht gerichtetes Rechtsmittel abgesprochen worden ist, bezieht (EvBl. 1986/139 ua), während die zweitgenannte Gesetzesstelle alle in Beschlußform ergehenden Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz betrifft, möge dieses Gericht nun als Berufungsgericht oder Rekursgericht oder als Vorlage- und Durchlaufgericht in bezug auf ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel eingeschritten sein (SZ 57/42 ua). Wurde eine Revision von den Vorinstanzen rechtskräftig als verspätet oder aus einem anderen Grund als dem nach § 502 Abs. 4 ZPO unzulässig zurückgewiesen (§ 507 Abs. 1 ZPO), dann kommen nach wie vor weder die Vorinstanzen noch der Oberste Gerichtshof in die Lage, über den Revisionswerber eine Mutwillensstrafe zu verhängen. Der Antrag des Oberlandesgerichtes Linz und die Äußerung des Gemeinschuldners hiezu waren daher zurückzuweisen.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß § 528 Abs. 1 Z 5 ZPO einer Anfechtung der Verhängung einer Mutwillensstrafe, die 15.000,-- S nicht übersteigt, nicht entgegensteht (Fasching, Kommentar IV 466 mit weiteren Nachweisen; ebenso nach Inkrafttreten der Zivilverfahrensnovelle 1983, 6 Ob 564/84).

Gegen einen bestätigenden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz ist auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs unzulässig (§ 171 KO, § 528 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ZPO).

Anmerkung

E11804

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00353.87.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19870901_OGH0002_0050OB00353_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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