TE OGH 1987/9/2 14ObA70/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Erich Reichelt als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sylvia C***, kaufmännische Angestellte, Wien 2., Novaragasse 40/28, vertreten durch Dr. Tobias Reinisch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Jovan C***, Installateurmeister, Wien 2., Tandelmarktgasse 5, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wegen 154.938,03 S brutto sA abzüglich 55.000 S netto, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 30. Oktober 1986, GZ 44 Cg 147/86-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 5. Dezember 1985, GZ 7 Cr 655/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 4.243,80 S (darin 385,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit März 1976 im Installationsunternehmen des Beklagten, ihres Ehemannes, als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Sie führte die gesamte Buchhaltung und war über die Geschäftskonten zeichnungsberechtigt. Für einen zu Unternehmenszwecken aufgenommenen Kredit in Höhe von 500.000 S hatte sie die Mithaftung als Bürgin übernommen. Am 17. Juli 1985 wurde sie vom Beklagten entlassen.

Mit der Behauptung, ihre Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt, verlangte sie an restlichem Gehalt, Kündigungsentschädigung, jeweils mit anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung insgesamt 154.938,03 S brutto sA abzüglich von Akontozahlungen in der Höhe von 55.000 S netto. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Entlassung der Klägerin sei zu Recht erfolgt. Sie habe den auf dem Kreditkonto vorhandenen Betrag abgehoben und diesen über Aufforderung erst nach einiger Zeit wieder zurückgezahlt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Die Klägerin erhielt keine regelmäßigen Gehaltszahlungen, sondern entnahm jene Beträge, die sie für die Haushalts- und Wirtschaftsführung benötigte, im Einverständnis mit dem Beklagten jeweils jenem Konto, das gerade ein Guthaben aufwies. Als sich das eheliche Verhältnis verschlechterte und gegenseitiges Mißtrauen wuchs, wollte sie sich vor allfälligen Regreß- oder sonstigen Ansprüchen absichern. Auf Rat ihres Rechtsanwaltes hob sie im Juni 1985 von dem Konto des Beklagten, das über den Kredit geführt wurde und für den sie mithaftete, das restliche Guthaben ab und überwies dieses auf ein nur ihr zugängliches Konto. Davon machte sie dem Beklagten umgehend Mitteilung. Der Beklagte nahm den Vorfall zum Anlaß, sie zu entlassen. Über Aufforderung des Beklagtenvertreters zahlte die Klägerin den abgehobenen Betrag dann wieder zurück. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das zwischen den Streitteilen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ehelichen Beziehungen überlagert sei. Der Eingriff der Klägerin sei aus Sicherheitsüberlegungen erfolgt, da sie für den aufgenommenen Kredit persönlich mithafte, und habe daher nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gestanden. Berücksichtige man, daß sie den restlichen Kreditbetrag über anwaltlichen Rat abhob, den Beklagten sofort davon verständigte und den Betrag wieder zurückerstattete, dann erscheine ihr Verschulden so geringfügig, daß die Entlassung nicht zu rechtfertigen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht folge. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Es billigte auch dessen Rechtsansicht und führte ergänzend aus, daß die Klägerin nicht heimlich vorgegangen sei, sondern in ihrer Besorgnis durch Verschlechterung der finanziellen Situation zur Haftung herangezogen zu werden, über anwaltlichen Rat vermeintlich zu Recht eine Absicherung mit Wissen des Beklagten beabsichtigt habe. Sie habe den Beklagten nicht hintergangen, sondern ihn von der Sicherungsmaßnahme sofort verständigt. Zufolge der engen privaten und beruflichen Verflechtung müsse an das Verhalten der Klägerin ein besonderer Maßstab angelegt werden. Es komme ihr ein begreiflicher Rechtsirrtum zugute, der in Verbindung mit ihrer Stellung als Ehegattin und Bürgin ihrem Verhalten nicht das Gewicht eines Entlassungsgrundes zukommen lasse. Ihr stünden daher die geltend gemachten und im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Ansprüche zu. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem sinngemäßen Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Revisionsantrag, die angefochtenen "Bescheide" abzuändern, entgegen der Meinung der Klägerin nicht unschlüssig ist, weil den Revisionsausführungen eindeutig entnommen werden kann, daß mit den "Bescheiden" die Entscheidungen der Vorinstanzen gemeint sind.

Das Verhalten eines Ehegatten, das bei einem familienfremden Arbeitnehmer als Entlassungsgrund zu werten wäre (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht 85 f und 88 f; Arb. 5.813, 9.091, 9.624, 10.146; ZAS 1981/1 = DRdA 1979/6 ua), ist bei einem Zusammentreffen ehelicher Rechte und Pflichten mit Rechten und Pflichten aus einem zwischen Ehegatten begründeten Arbeitsverhältnis in der Regel anders zu bewerten und muß mit Rücksicht auf das Eheverhältnis nicht in allen Fällen den sofortigen Abbruch der dienstlichen Beziehungen rechtfertigen (4 Ob 64/85; 14 Ob 171/86). Ein Ehegatte hat schon nach § 98 ABGB einen Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung am Erwerb des anderen. Unbestritten ist, daß zwischen den Streitteilen ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Angestelltengesetzes bestand. Dies hätte aber nichts daran geändert, daß auch bei einem solchen Vertragsverhältnis der Klägerin der ihr zustehende Anspruch nach § 98 ABGB gewahrt geblieben wäre, soweit dieser ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis überstiegen hätte (§ 100 zweiter Satz, zweiter Halbsatz ABGB). Schon daraus und aus den Bestimmungen der §§ 90 und 91 ABGB folgt, daß das Vorgehen der Klägerin nicht vom Eheverhältnis isoliert und lediglich als gegen die Interessen ihres Arbeitgebers gerichtet gesehen werden kann.

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Klägerin die Bürgschaft für den Kredit des Beklagten nicht als dessen Angestellte, sondern als dessen Ehefrau übernommen hat. Es war auch nicht das Arbeitsverhältnis, sondern die eheliche Beziehung der Streitteile, die sich verschlechterte und gegenseitiges Mißtrauen hervorrief. Die Klägerin befürchtete auch nicht als Angestellte benachteiligt zu werden, sondern aus diesem Kredit, der mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun hatte, zu einer ihre Versorgung gefährdenden Haftung herangezogen zu werden. Auch wenn die Vertrauensbasis der Streitteile keiner funktionellen Zurechnung unterlag, kann daher nicht gesagt werden, die Klägerin habe sich durch die Abhebung eines Restbetrages vom Kreditkonto des Beklagten gerade des dienstlichen Vertrauens ihres Ehemannes unwürdig gemacht. Dazu kommt, daß die Klägerin den über anwaltlichen Rat entnommenen Betrag wieder rückerstattet hat. Auch bei einer Verschlechterung der ehelichen Beziehungen, wozu allerdings nähere Feststellungen fehlen, hätte es für den Beklagten nichts verschlagen, die Klägerin noch vor der Entlassung aufzufordern, die Überweisung rückgängig zu machen. Es ist daher den Vorinstanzen darin zuzustimmen, daß die Vorgangsweise der Klägerin, die nur bestrebt war, ihre eigene Haftung als Bürgin zu mindern, infolge der durchgreifenden Überlagerung des Arbeitsverhältnisses durch das Eheverhältnis nicht ausreicht, die Entlassung zu rechtfertigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

Anmerkung

E11793

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00070.87.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19870902_OGH0002_014OBA00070_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten