Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Jänner 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Herbert P*** wegen des Verbrechens nach § 133 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 25.Juni 1987, GZ. 9 a Vr 2944/87-131, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Kern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 18.März 1946 geborene Industriekaufmann Herbert P*** ist des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt worden. Darnach hat er spätestens im Oktober 1981 in Wien ein ihm anvertrautes Gut, nämlich einen Personenkraftwagen der Type Oldsmobile Starfire und ein Speicheroszilloskop mit Zubehör in einem insgesamt 100.000 S übersteigenden Wert dadurch, daß er diese Gegenstände nicht der Eigentümerin A***-M***-G***-V*** GesmbH laut den Mietverträgen
vom 20. und 27.Februar 1981 zurückstellte, sondern sie auf einen Lagerplatz in Wien 2. und den Kraftwagen sodann in eine Garage in Trumau verbrachte, sich mit einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz zugeeignet.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In der Verfahrensrüge (Z. 4) wendet er sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 25.Juni 1987 gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Einvernahme des Rechtsanwalts Dr.M*** über die rechtlichen Ratschläge, die dieser dem Beschwerdeführer erteilt habe (S. 505/I). Der Antrag wurde insbesondere deshalb abgewiesen, weil das Beweisthema für die subjektive Tatseite ohne Relevanz, das äußere Verhalten des Angeklagten aber geklärt sei. Der Beschwerdeführer bringt gegen dieses Zwischenerkenntnis vor, durch die beantragte Vernehmung hätte, seiner wiederholten Verantwortung entsprechend, bewiesen werden können, daß er die Mietzinszahlung wegen des entstandenen Rechtsstreits über die ihm mündlich zugesicherte Kaufoption gemäß der Empfehlung seines Rechtsberaters eingestellt habe. Indes wird dem Angeklagten aber nicht die unterlassene Zahlung an die Leasingfirma vorgeworfen, sondern die Zueignung der gemieteten Gegenstände trotz Nichtzahlung. Eine Empfehlung des Rechtsanwalts Dr.M***, für die Dauer des Rechtsstreits die gemieteten Sachen nicht herauszugeben, ist in dem Beweisantrag gar nicht behauptet worden; er ist daher zu Recht der Ablehnung verfallen.
Die Ausführungen zur Mängelrüge (Z. 5) betreffen keine entscheidenden Tatsachen. Allerdings ergab das Beweisverfahren deutliche Hinweise auf eine mündliche Zusage der Angestellten der Leasingfirma, die gemieteten Gegenstände nach Ablauf der 36-monatigen Vertragsdauer gegen Zahlung einer 37. Rate als Eigentum erwerben zu können. Vom Erstgericht wurde die Verantwortung des Angeklagten, der sein Verhalten damit motivierte, daß diese mündliche Zusage nicht schriftlich festgelegt worden ist, im Urteil erörtert (S. 517 f./I), über die behauptete mündliche Vereinbarung aber keine Feststellung getroffen. Doch begründet dies keine Unvollständigkeit des Urteils, denn nach den übereinstimmenden Angaben der aus dem Bereich der Leasingfirma vernommenen Zeugen einerseits und des Angeklagten andererseits kam eine solche Kaufoption jedenfalls erst nach dem Ablauf des Leasingvertrags in Betracht. Folglich konnte selbst dann, wenn der Beschwerdeführer wirklich wegen des Ausbleibens der schriftlichen Optionsbestätigung vom Vertrag zurücktreten wollte, damit für ihn ein Anspruch auf die Rückbehaltung der bloß gemieteten Gegenstände nicht entstehen. Daß eine vertragswidrige Verweigerung der Zahlungen und die Zurückbehaltung der gemieteten Gegenstände mit dem abgeschlossenen Vertrag selbst unter Berücksichtigung der angeblichen mündlichen Zusatzvereinbarung unvereinbar waren, ist so eindeutig, daß es keiner näheren Erörterung dieses Umstands bedurfte. Die behaupteten Willensmängel bei der Vertragserrichtung hätten somit, selbst wenn sie als erwiesen angenommen worden wären, weder ein Recht des Angeklagten auf Zueignung der Mietgegenstände noch einen Irrtum desselben über die gegebene Rechtslage begründen können. Auch die Rüge des Beschwerdeführers gegen die Feststellung seines Zueignungsvorsatzes greift nicht. Eine "Einschränkung" der Verfügungsberechtigung durch Abmeldung des Personenkraftwagens von der Zulassung zum Straßenverkehr sowie durch das Unterbleiben einer Verwendung des Oszilloskops war keine Maßnahme im Interesse des anvertrauenden Eigentümers, sondern widersprach diesem und den im Mietvertrag übernommenen Pflichten in nahezu gleichem Maß wie eine Weiterverwendung. Ist es doch gerichtsbekannt, daß die Wertminderung eines Kraftfahrzeugs schon durch Zeitablauf eintritt und daß technische Geräte ständiger Weiterentwicklung und Vervollkommnung unterliegen, weshalb sie mehr durch das Aufkommen verbesserter Produkte als durch den tatsächlichen Gebrauch ihren Wert einbüßen. Nur der Eigentümer wäre berechtigt gewesen, in diesem Maß unwirtschaftlich - und somit zu seinem eigenen Nachteil - mit dem Kraftwagen und dem Oszilloskop zu verfahren, nicht aber ein vertraglich zur Wahrung der Interessen des Eigentümers verpflichteter Mieter.
Unbekämpft geblieben ist im Einklang mit allen Verfahrensergebnissen, daß die beiden Gegenstände dem Angeklagten nicht ins Eigentum übertragen, sondern nur auf Zeit anvertraut worden sind. Sonach bedurfte es keiner Feststellung der angeblichen Erwartung des Täters, durch Zahlung von 37 Monatsraten für das Oszilloskop (von denen er keine bezahlt hat) sowie weiterer 33 Raten für den Personenkraftwagen ein Anrecht auf Übertragung des Eigentums zu erwerben.
Von den relevanten Tatsachenfeststellungen des Gerichts entfernt sich die Rechtsrüge (Z. 9 lit a), die daher nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Daß nämlich die gemieteten Gegenstände dem Angeklagten bei der Übergabe anvertraut und nicht ins Eigentum übertragen worden sind, hat er selbst mit der Unterzeichnung der Mietverträge anerkannt.
Die bloß hypothetische Frage, ob es sittenwidrig ist, wenn mit den abgeschlossenen Verträgen der Mieter die Verpflichtung übernimmt, bei Terminverlust sowohl alle Raten zu bezahlen als auch die Mietgegenstände zurückzustellen, bedarf keiner Erörterung, denn tatsächlich hat der Angeklagte nach den - insofern unbestrittenen und unbestreitbaren - Urteilsfeststellungen lediglich für den Kraftwagen vier Monatsraten (vorschußweise) bezahlt, in welcher Zeit er das Fahrzeug auch benützt hat, für das Oszilloskop aber keine einzige Rate. Eine Prüfung des Punkts 6 des Mietvertrags auf seine "Gesetzmäßigkeit", die der Beschwerdeführer begehrt, erübrigt sich bei dieser Sachlage.
Wie schon in der Erledigung der Mängelrüge gesagt, sind für die Tatbestandsmäßigkeit der dem Beschwerdeführer angelasteten Zueignung - die sich von einem jetzt nicht mehr tatbildlichen bloßen Vorenthalten (§ 183 StG 1945) dadurch unterscheidet, daß die Gegenstände nicht nur nicht zurückgestellt, sondern dem Zugriff des Eigentümers dadurch entzogen worden sind, daß sie auf vom früheren Unternehmenssitz entfernten Plätzen versteckt wurden - die Abmeldung des Fahrzeugs und die unterlassene Verwendung des Oszilloskops ohne Belang. Unter Zueignung ist die Überführung des Guts bzw. des in ihm verkörperten Werts in das freie Vermögen des Täters oder eines Dritten zu verstehen, wozu schon eine widerrechtliche Verfügung, welche die Sicherheit des Berechtigten, je wieder zur Sache zu gelangen, in Frage stellt, genügt (Leukauf-Steininger2 RN 14 zu
§ 133 StGB mit Judikaturnachweisen; Mayerhofer/Rieder2 E 74 zu
§ 133 StGB). Diese Zueignungshandlungen sollten aber hier nicht mit
einer Schädigung des Eigentümers ihr Bewenden haben (was allenfalls eine Tatbeurteilung nach § 135 StGB zur Folge hätte), sondern zur unrechtmäßigen Bereicherung des Angeklagten führen. Das hat das Erstgericht eindeutig festgestellt und auch mängelfrei begründet (siehe oben).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht hat über den Angeklagten gemäß § 133 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Dabei waren erschwerend "jedenfalls eine einschlägige Vorstrafe", mildernd hingegen, daß der Angeklagte mit seiner Verantwortung, wenn diese auch nicht als Geständnis bezeichnet werden könne, doch zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Z. 17 StGB) und die Rückstellung der Mietgegenstände an den Eigentümer durch deren Sicherstellung im Strafverfahren (S. 527/I). Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und deren bedingte Nachsicht an.
Auch der Berufung bleibt der Erfolg versagt.
Der Angeklagte rückt eine der Charakterisierung seiner Persönlichkeit gewidmete Urteilspassage (S. 527/I) in eine (allerdings nur vermutete: S. 9 oben/II) gedankliche Beziehung zu der die Frage der Vorwerfbarkeit eines Rechtsirrtums erörternden Urteilsbegründung (S. 523), was auf eine teilweise Wiederholung seines Vorbringens zur Nichtigkeitsbeschwerde hinausläuft. Gleiches gilt, wenn er auch im Rahmen der Berufung die Beratung seines Anwalts releviert, wozu er gleichfalls auf die diesbezügliche Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde hinzuweisen ist (siehe oben).
Das Schöffengericht hat dem Angeklagten durchaus zugebilligt, daß bei ihm noch keine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung anzunehmen ist, vielmehr nur der Befürchtung Ausdruck verliehen, daß seine Charakterhaltung zu einer solchen negativen Einstellung führen könnte (S. 527/I). Es hat mit der gesetzlichen Mindestestrafe das Auslangen gefunden, dies trotz einer Vorabstrafung wegen schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs 3 StGB) mit fast zwei Jahren (6 c Vr 8765/77 LG Wien). Die Einschätzung der Tatrichter findet die Billigung des Obersten Gerichtshofs. Da das getrübte Vorleben des Angeklagten keine Gewähr für dessen künftiges Wohlverhalten bietet, wurde ihm auch die bedingte Strafnachsicht zu Recht versagt.
Anmerkung
E12930European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00174.87.0121.000Dokumentnummer
JJT_19880121_OGH0002_0130OS00174_8700000_000