Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Februar 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ferudun K*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Sabettin K*** als gesetzlichem Vertreter des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 16.Dezember 1987, GZ 1 c Vr 1032/87-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerde seines gesetzlichen Vertreters verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.August 1970 geborene - demnach noch jugendliche - Ferudun K*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 14.Juni 1987 in Wien den Manfred I*** durch Versetzen eines kräftigen Faustschlages ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich einen doppelten Kieferbruch, ferner ein Hämatom am linken Auge und eine Platzwunde oberhalb des linken Auges, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, zur Folge hatte. Er wurde hiefür nach § 11 JGG, § 84 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Dieses seitens des Angeklagten unangefochten gebliebene Urteil wird vom (Vater und) gesetzlichen Vertreter mit einer (nominell auf die Z 5, 5 a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Strafausspruch mit Berufung bekämpft. Bei dem im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Vorwurf, das Urteil lasse die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er habe I*** deshalb einen "so heftigen" Schlag versetzt, weil er Angst gehabt habe, unberücksichtigt und bleibe demzufolge in Ansehung der Frage, ob "allenfalls die Voraussetzungen des § 3 bzw 10 (gemeint wohl § 8: Putativnotwehr) StGB" vorgelegen seien, "dunkel und unbestimmt", übergeht die Beschwerde, daß die - die Annahme einer Notwehrsituation wie auch die etwaige irrtümliche Bejahung einer solchen durch den Angeklagten
ausschließende - Feststellung des Jugendschöffengerichts, wonach sich der Angeklagte aus bloßer Verärgerung über I***, der sich ihm (durch wiederholtes Anfassen des eigenen Gliedes) in eindeutiger Weise als homosexuell veranlagt zu erkennen gab, zur Schlagführung hinreißen ließ (vgl S 79 f), in seiner eigenen geständigen Verantwortung sowohl vor der Polizei (S 15) als auch in der Hauptverhandlung, wo er den auf diesen Angaben aufbauenden Inhalt der Anklageschrift gleichfalls als richtig anerkannte (S 73), volle Deckung findet. Die als Mängelrüge deklarierten Ausführungen enthalten demnach ausschließlich einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Gegen diese bestehen auf Grund der gesamten Aktenlage übrigens keinerlei Bedenken, was im Hinblick auf die (dahin unsubstantiiert gebliebene) bloße Zitierung des noch gar nicht in Kraft befindlichen (neuen) Nichtigkeitsgrundes der Z 5 a (des § 281 Abs 1 StPO) nur der Vollständigkeit halber bemerkt sei. Aber auch das weitere als Mängelrüge bezeichnete - der Sache nach jedoch den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO relevierende - Beschwerdevorbringen, das Erstgericht hätte auf die rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten durch den Jugendgerichtshof Wien vom 11.August 1987, AZ 4 c Vr 589/86, gemäß § 31 StGB Rücksicht nehmen und demzufolge nur eine Zusatzstrafe verhängen dürfen bzw von einer Zusatzstrafe überhaupt absehen müssen, läßt, weil eine Strafsatzüberschreitung nicht einmal behauptet wird, eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des (inhaltlich) geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 11) vermissen (vgl Leukauf-Steininger Kommentar2 § 31 RN 27).
Nicht gesetzmäßig ausgeführt schließlich ist auch die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Beschwerdeführer im wesentlichen unter Wiederholung seines Vorbringens zur Mängelrüge ins Treffen führt, "die Annahme, daß sich der Angeklagte im Zeitpunkt, als der Erwachsene (I***) in seine körperliche Nähe kam, lediglich mit einem Faustschlag vor einem tätlichen Angriff wehren wollte", rechtfertige die Annahme einer Notwehr oder notwehrähnlichen Situation; denn die Beschwerde setzt sich dabei über jene - bereits eingangs dargelegten - Urteilskonstatierungen hinweg, wonach der Angeklagte aus bloßer Verärgerung über die unsittlichen Andeutungen des Manfred I*** den (heftigen) Faustschlag gegen dessen Gesicht geführt hat. Solcherart vergleicht die Beschwerde nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Ausführung des angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln) erforderlich wäre, den im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Daraus folgt, daß die Akten zur Entscheidung über die Berufung des gesetzlichen Vertreters in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs 6 StPO dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten sind.
Dem jugendlichen Angeklagten fallen ungeachtet des Umstandes, daß er auf Rechtsmittel verzichtete, die aus Anlaß der von seinem gesetzlichen Vertreter erfolglos erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde entstandenen Verfahrenskosten zur Last (ÖJZ-LSK 1978/178).
Anmerkung
E13481European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00038.88.0226.000Dokumentnummer
JJT_19880226_OGH0002_0140OS00038_8800000_000