TE OGH 1988/3/15 2Ob525/88

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Christina P***, geboren am 7. Juni 1974, infolge Revisionsrekurses ihrer Eltern DDr. Otto P***, Botschafter, und Tuulikki P***, Private,

Beatrixgasse 26, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Jänner 1988, GZ 43 R 35/88-50, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. Dezember 1987, GZ 7 P 152/86-46, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die mj. Christina P***, geboren am 7. Juni 1974, wurde im Testament der am 21. Juni 1986 verstorbenen, zuletzt in Zürich wohnhaft gewesenen österreichischen Staatsbürgerin Dr. Luise K*** zur Hälfte des Nachlasses als Erbin eingesetzt. Die Eltern der Minderjährigen legten in der Folge dem Pflegschaftsgericht Urkunden des Bezirksgerichtes Zürich (Erbbescheinigung, Willensvollstreckerzeugnis) und des Steueramtes der Stadt Zürich (Steuerinventar) vor, aus welchen Geld- und Depotguthaben der Erblasserin bei Banken in der Schweiz und in Österreich und sonstiges bewegliches Vermögen (Wohnungseinrichtung, Schmuck, Bargeld usw) von insgesamt rund 743.000 sfr sowie Schulden von ca.

1.400 sfr hervorgehen.

Vom Bezirksgericht Feldkirch wird zu A 484/86 ein Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Luise K*** geführt. In diesem Verfahren legten die beiden Erben, die mj. Christina P*** vertreten durch ihren Vater, ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis über das in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin (Bankguthaben und Wertpapierdepots) im Werte von insgesamt rund 95.000 S vor, gaben auf das Testament der Erblasserin gegründetes unbedingte Erbserklärungen zu dem in Österreich gelegenen Nachlaßvermögen ab und stellten die Schlußanträge. Am 7. Mai 1987 beantragten die Eltern der mj. Christina P*** die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Abgabe der vorgenannten unbedingten Erbserklärung. Das Pflegschaftsgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung über das in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin liege nicht im Interesse des Kindes, welches sich dadurch in eine nachteiligte Rechtsposition begebe, weil nicht "hundertprozentig" gesagt werden könne, ob nicht doch Nachlaßpassiven auftreten.

Das Rekursgericht gab dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß gerichteten Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Den gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung vom 13. Oktober 1987, 2 Ob 665/87, mangels Vorliegens der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe der Nichtigkeit oder der offenbaren Gesetzwidrigkeit als unzulässig zurück.

Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1987 wurde folgender Antrag gestellt:

"Unter Bedachtnahme auf die oberstgerichtliche Entscheidung, ON 43, geben wir, DDr. Otto P***, aber auch ich, Rechtsanwalt Dr. Gerhard E***, die unwiderrufliche Erklärung ab, daß wir zur ungeteilten Hand die volle Haftung für die den Wert des der Minderjährigen zukommenden Nachlaßvermögens allenfalls übersteigenden Forderungen von Nachgläubigern der verstorbenen Dr. Luise K*** übernehmen.

Auf Grund dieses geänderten Sachverhaltes beantragen wir sohin (neuerlich) die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Abgabe der unbedingten Erbserklärung zum Nachlaß der Dr. Luise K*** (Verlassenschaftsverfahren A 484/86 des Bezirksgerichtes Feldkirch)."

Das Erstgericht wies den neuerlichen Antrag auf Genehmigung der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung durch die mj. Christina P*** ab; nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung würde die Minderjährige weiterhin mit ihrem Vermögen für den Nachlaß übersteigende Verbindlichkeiten haften und die Gläubiger könnten weiterhin auf das Vermögen der Minderjährigen greifen. Der Rekurs der Minderjährigen blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, ob eine Haftungsübernahme, sei es nun in Form einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitrittes, als ausreichend sicher anzusehen sei, könne nur dann beurteilt werden, wenn der mögliche Haftungsumfang und die bei den Garantiegebern vorhandene Wertsubstanz feststellbar seien. Der mögliche Haftungsumfang lasse sich nur erkennen, wenn festgestellt werden könne, was Gegenstand des Erbganges sei, insbesondere auch die im Verlassenschaftsverfahren angeführten Schulden und dort verzeichneten Objekte, die für eine dahingehende Beurteilung relevant sein könnten. In diesem Zusammenhange sei festzustellen, daß nicht dargelegt wurde, was in der Schweiz abgehandelt werde. Auch gebe die gegebene Haftungserklärung keinen Aufschluß über die Vermögensverhältnisse derjenigen, die behaupteten, eine wirksame Garantie abzugeben. Es könne nicht übersehen werden, daß die vorliegende Erkärung eher die Außenhaftung gegenüber möglichen Gläubigern betone und nicht zweifelsfrei einen Rückgriff auf die Minderjährige ausschließe. Eine allfällige Garantieerklärung dürfe über diesen entscheidenden Punkt keine Zweifel aufkommen lassen. Durch eine solche Haftungserklärung könnten zwar die Gläubiger gewinnen, worin die Entlastung für die Minderjährige gelegen sein könnte, sei nicht erkennbar. Die Wertungsgrundsätze, von welchen auszugehen sei, seien in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 665/87 (ON 43 des Aktes) dargelegt worden. Die Rekursausführungen rechtfertigen nicht, von den dort zum Wohle des Kindes dargelegten Grundsätzen, abzugehen. Nach wie vor bleibe unbeantwortet, warum der nach der Aktenlage nicht als verfahrensaufwendig anzunehmende Vorgang einer Inventarisierung mit dem Erfolg einer beschränkten Haftung auf die vorhandenen materiellen Werte im Hinblick auf nach der derzeitigen Verfahrenslage fragwürdige Garantieerklärungen aufgehoben werden sollten. Die Sicherheit der Minderjährigen habe nach wie vor Vorrang. Die wieder in den Vordergrund gestellten Kosten für die Inventarisierung habe der Oberste Gerichtshof im aufgezeigten Zusammenhange bereits für belanglos erklärt.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Genehmigung der Abgabe der unbedingten Erbserklärung durch die Minderjährige; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Die Rechtsmittelwerberin führt aus, der Oberste Gerichtshof habe mit seiner Entscheidung 2 Ob 665/87 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß unter Umständen "die beantragte pflegschaftsbehördliche Genehmigung im Falle einer Haftungsübernahme der Eltern oder eines Elternteiles für die den Wert des der Minderjährigen zukommenden Nachlaßvermögens allenfalls übersteigenden Forderungen von Nachlaßgläubigern" allenfalls zu erteilen wäre. Nunmehr hätten der Vater der Minderjährigen und der gefertigte Rechtsfreund eine solche Haftungserklärung abgegeben, und zwar ausdrücklich "im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes". Da der Oberste Gerichtshof gewiß nicht an eine Bürgschaftserklärung zugunsten der - unbekannten und in Wahrheit nicht existierenden - Gläubiger gedacht habe, könne es sich nur um eine Garantieerklärung zugunsten der Minderjährigen gehandelt habe, die der gefertigte Rechtsfreund und der Vater den Minderjährigen abgegeben hätten. Soweit das Rekursgericht eine Vollmachtsüberschreitung annimmt, sei ihm entgegenzuhalten, daß die vorgelegte Prozeßvollmacht Garantieerklärungen von der Vollmacht nicht ausnehme, überdies vom Rekursgericht hätte geklärt werden müssen, ob nicht eine mündliche ausdrückliche Vollmacht gegeben worden sei. Selbstverständlich habe der gefertigte Rechtsfreund doch nicht ohne Rückfrage beim Vater der Minderjährigen die Erklärung abgegeben. Die Nichtabgabe der entsprechenden Erklärung durch die Mutter der Minderjährigen ergebe sich daraus, daß sie kein nennenswerte Vermögen und kein Einkommen besitze. Soweit das Rekursgericht nähere Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters der Minderjährigen, unstrittig Botschafter der Republik Österreich in Tel Aviv, und derartige Angaben des gefertigten Rechtsfreundes vermisse, hätte es die Sache an das Erstgericht zurückverweisen müssen, um nähere Aufklärungen einzuholen. Selbstverständlich wäre es aber disziplinär für den gefertigten Rechtsfreund, eine Haftung einzugehen, für die er nach seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen nicht einstehen könne. Die Zweifel des Rekursgerichtes an seinen Einkommens- und Vermögenverhältnissen seien daher von vornherein unbegründet. Bereits in der Eingabe vom 8. April 1987 sei darauf hingewiesen worden, daß irgendwelche Schulden der Erblasserin nicht zu erwarten seien. Sowohl der Vater der Minderjährigen als auch der gefertigte Rechtsfreund hätten die Verstorbene gekannt, weshalb sie auch ruhigen Herzens die Garantieerklärung - allenfalls auch in einer vom Rekursgericht offenbar gewünschten, noch deutlicher präzisierten Form - vollkommen unbedenklich abgeben könnten. Das Rekursgericht hätte daher unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes dem Rekurse stattgeben müssen, allenfalls im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages. Die Mißachtung der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes stehe einer Nullität des Verfahrens gleich und sei auf eine rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zurückzuführen, die eine offenbare Gesetzwidrigkeit darstelle. Der Obersten Gerichtshof führte in seiner dieselbe Pflegschaftssache betreffenden Entscheidung 2 Ob 665/87 aus, nach der Rechtsprechung könne der gänzlichen Außerachtlassung des Kindeswohles in einer pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung das Gewicht einer Nullität zukommen. Auch vermöge die Mißachtung dieses Grundprinzips des Pflegschaftsverfahrens selbst bei Ermessensentscheidungen eine offenbare Gesetzwidrigkeit darzustellen. Von der Verletzung dieses Grundsatzes der Beachtung des Kindeswohles könne indes vorliegendenfalls nicht die Rede sein. Die Erwägung des Rekursgerichtes, daß die Möglichkeit des Auftretens von Gläubigern der im Ausland wohnhaft gewesenen Erblasserin nicht völlig von der Hand gewiesen werden könne, sei durchaus zutreffend. Die Inventierung des Nachlasses liege daher im Interesse der minderjährigen Erbin. Im Hinblick auf die Beschaffenheit des in- und ausländischen beweglichen Nachlaßvermögens sei hier zweifellos keine besonders umfangreiche Inventarisierung oder Schätzung erforderlich. Die Frage der diesbezüglichen Kosten trete demgemäß bei der hinsichtlich des Kindeswohles vorzunehmenden Gesamtbeurteilung offenbar in den Hintergrund. Ob die beantragte pflegschaftsbehördliche Genehmigung im Falle einer Haftungsübernahme der Eltern oder eines Elternteiles für die den Wert des der Minderjährigen zukommenden Nachlaßvermögens allenfalls übersteigenden Forderungen von Nachlaßgläubigern zu erteilen wäre, sei im Hinblick auf die durch § 16 AußStrG beschränkte Rechtsmittelzulässigkeit hier nicht zu erörtern.

Dieser Entscheidung ist entgegen der Auffassung des außerordentlichen Revisionsrekurses keineswegs zu entnehmen, der Oberste Gerichtshof hätte darin zum Ausdruck gebracht, "daß unter Umständen die bentragte pflegschaftsbehördliche Genehmigung im Falle einer Haftungsübernahme der Eltern oder eines Elternteiles für die den Wert des der Minderjährigen zukommenden Nachlaßvermögens allenfalls übersteigenden Forderungen von Nachlaßgläubigern zu erteilen wäre." Vielmehr wurde - als "obiter dictum", also nebenher - ausgesprochen, daß diese Frage im Hinblick auf die durch § 16 AußStrG beschränkte Rechtsmittelzulässigkeit nicht zu erörtern sei. An dieser Beurteilung hat sich durch die nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erfolgte Abgabe der Erklärung ON 45 nichts geändert. Da der Obersten Gerichtshof mithin in dieser Richtung keine Rechtsansicht ausgesprochen hat, konnte eine solche auch vom Rekursgericht nicht berücksichtigt werden. Eine Nichtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung durch "Mißachtung der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes" scheidet daher schon begrifflich aus. Eine im gegebenen Zusammenhang in Betracht kommende Nichtigkeit könnte vielmehr vorliegen, wenn die Vorinstanzen das Wohl des Kindes gänzlich außer acht gelassen hätten (EFSlg. 35.061 u.a.). Der Oberste Gerichtshof hat nun schon in seiner Vorentscheidung 2 Ob 665/87 darauf hingewiesen, daß die Inventierung des Nachlasses im Interesse der minderjährigen Erbin liege, weil die Möglichkeit des Auftretens von Gläubigern der im Ausland wohnhaft gewesenen Erblasserin nicht völlig von der Hand gewiesen werden könne. Im Hinblick auf die Beschaffenheit des in- und ausländischen beweglichen Nachlaßvermögens sei hier zweifellos keine besonders umfangreiche Inventarisierung oder Schätzung erforderlich. Die Frage der diesbezüglichen Kosten trete demgemäß bei der hinsichtlich des Kindeswohles vorzunehmenden Gesamtbeurteilung offenbar in den Hintergrund. In der Auffassung des Rekursgerichtes, daß der nach der Aktenlage nicht als verfahrensaufwendig anzunehmende Vorgang einer Inventarisierung mit dem Erfolg einer beschränkten Haftung auf die vorhandenen materiellen Werte im Hinblick auf nach der derzeitigen Verfahrenslage jedenfalls keine hinreichende Sicherstellung darstellenden Garantieerklärungen nicht aufgegeben werden sollte, und der Sicherheit der Minderjährigen vor möglichen finanziellen Nachteilen habe gegenüber den voraussichtlich ohnehin nicht beträchtlichen Kosten der Inventarserrichtung der Vorrang zuzukommen, kann daher keinesfalls eine gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohles oder eine dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit zu unterstellende Mißachtung dieses Grundprinzips des Pflegschaftsverfahrens erblickt werden.

Da die Rechtsmittelwerberin somit das Vorliegen eines der im § 16 AußStrG abschließend aufgezählten Anfechtungsgründe nicht aufzuzeigen vermochte, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E13737

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00525.88.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0020OB00525_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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