TE OGH 1988/4/12 8Ob666/87

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Veröffentlicht am 12.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** W***,

Hernalser Gürtel 6-12, 1080 Wien, wider die beklagten Parteien

1) Walter B***, Moissigasse 19/4/1, 1220 Wien, und 2) Janina P***, Hausfrau, Skraupstraße 24/33/2, 1210 Wien, die zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung der Ehe, infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.März 1987, GZ 12 R 202/86-19, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.Juni 1985, GZ 2 Cg 278/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6.9.1954 geborene Erstbeklagte und die am 17.6.1952 geborene Zweitbeklagte haben am 20.9.1982 vor dem Standesamt Wien-Brigittenau die Ehe geschlossen. Im Zeitpunkt dieser Eheschließung waren der Erstbeklagte österreichischer Staatsangehöriger und die Zweitbeklagte polnische Staatsangehörige. Diese Ehe wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3.4.1984, 1 Sch 49/84-4, nach § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Die Zweitbeklagte hat sodann neuerlich geheiratet.

Die Klägerin begehrte mit ihrer auf § 23 EheG gestützten Klage die Nichtigerklärung der Ehe der Beklagten, weil sie von ihnen ausschließlich deshalb eingegangen worden sei, um der Zweitbeklagten den raschen Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei weder beabsichtigt gewesen noch erfolgt.

Die beiden Beklagten haben dazu in erster Instanz kein Prozeßvorbringen erstattet.

Das Erstgericht erkannte die Ehe der Beklagten gemäß § 23 EheG für nichtig.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Zweitbeklagte war vor ihrer Eheschließung mit dem Erstbeklagten bereits zweimal verheiratet; beide Vorehen waren geschieden worden. Aus einer dieser Ehen hatte sie ein Kind, das bei einer Großmutter in Polen untergebracht war. Die Zweitbeklagte wollte dieses Kind besuchen. Sie hätte als polnische Staatsbürgerin ohne weiteres nach Polen fahren können, fürchtete aber Schwierigkeiten für eine Rückkehr nach Österreich. Sie lernte über eine gemeinsame Bekannte den Erstbeklagten kennen und heiratete ihn rasch, um als österreichische Staatsbürgerin bald zu ihrem Kind und dann wieder nach Österreich zurückkommen zu können. Für den Erstbeklagten war die Ehe mit der Zweitbeklagten die erste Ehe. Er stellte die Zweitbeklagte weder als seine Braut noch auch später als seine Frau seiner Mutter vor und blieb auch nach seiner Eheschließung mit der Zweitbeklagten bei seiner Mutter wohnhaft, während die Zweitbeklagte bei ihrer Freundin und Trauzeugin Eva M***, einer gleichfalls aus Polen gekommenen Frau, wohnhaft blieb. Einen gemeinsamen Haushalt führten die beiden Beklagten nicht. Die Zweitbeklagte wußte vom Erstbeklagten nur, daß er Arbeiter sei, nicht aber, was für eine Arbeit er hatte. Sie selbst hatte Theaterwissenschaften studiert und lebte in Schauspielerkreisen, strebte eine berufliche Tätigkeit im Werbegeschäft an und pflegte entsprechende Kontakte. Der Erstbeklagte hatte zu den Personen ihres Lebenskreises keine Beziehungen. Die Zweitbeklagte hielt sich auch längere Zeit in Polen und in Schweden auf. Sie war vom 9.11.1982 bis 18.2.1983 in Wien nicht gemeldet und erwähnte, als sie im Jänner 1984 anläßlich eines Verkehrsunfalles vernommen wurde und dabei von ihrem Ehemann nur Namen, Geburtsjahr und Staatsbürgerschaft anzugeben wußte, daß sie die Ehe mit dem Erstbeklagten "wegen der Staatsbürgerschaft" geschlossen und dafür S 40.000,- bezahlt habe.

Der Erstbeklagte ging im Feber 1983 mit dem Mädchen, das die Bekanntschaft der beiden Beklagten vermittelt und ihm dann als Trauzeugin gedient hatte, eine Lebensgemeinschaft ein. Als der Erstbeklagte von der Staatsanwaltschaft in der Ehesache gehört wurde, gab er erst an, einige Wochen bei der Zweitbeklagten gewohnt zu haben und dann zu seiner Mutter gezogen zu sein. Später änderte er diese Aussage mit der Angabe, nunmehr die Wahrheit sagen zu wollen, dahin ab, es sei eine Staatsbürgerschaftsehe geschlossen worden, doch habe er nicht S 40.000,- erhalten. Ein gemeinsamer Haushalt sei nicht geplant und auch nicht geführt worden. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß nach § 23 EheG für die Qualifikation ihrer Ehe als Staatsbürgerschaftsehe der Wille der Beklagten im Zeitpunkt der Eheschließung entscheidend sei. Die Zweitbeklagte habe selbst angegeben, daß sie vorwiegend deswegen auf die Heirat gedrängt habe, um ihr Kind in Polen besuchen zu können. Sie habe Schwierigkeiten bei der Ausreise aus Polen befürchtet. Um dem aus dem Weg zu gehen, habe sie möglichst schnell versucht, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen; die Ehe mit einem Österreicher sei ein brauchbarer Weg dazu gewesen. Eine Lebensgemeinschaft mit all ihren Aspekten sei von den Beklagten jedoch nicht aufgenommen worden. Der Erstbeklagte habe zwar angegeben, daß er mit der Zweitbeklagten sowohl vor als auch nach der Eheschließung geschlechtliche Beziehungen gehabt habe, doch sei das rein körperliche Element einer Geschlechtsgemeinschaft für das Zustandekommen einer Ehe als einer lebenslangen monogamen Leibes-, Seelen- und Schicksalsgemeinschaft von Mann und Frau zu wenig. Sie sei zwar ein Teil einer Ehe, doch seien die geistig-seelische Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern in bezug auf kulturelle Interessen, die Wirtschaftsgemeinschaft und vor allem auch die Schicksals- und Treuegemeinschaft ebenso von besonderer Wichtigkeit. Beide Beklagte hätten gar nicht versucht, ihre Ehe zu leben. Sie hätten getrennt voneinander gelebt; nicht einmal der Mutter des Mannes sei die Ehefrau vorgestellt worden, weder vor der Eheschließung noch nachher.

Es sei bei den Beklagten nicht der Wille vorhanden gewesen, eine dauernde Ehe zu schließen; für die Heirat sei ausschlaggebend gewesen, daß die Zweitbeklagte durch den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft Schwierigkeiten bei der Ausreise aus Polen vermeiden habe wollen.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Zweitbeklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, nach § 23 EheG sei eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen werde, der Frau den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden solle. Maßgebend sei die Absicht der Beteiligten zur Zeit der Eheschließung. Nach den getroffenen Feststellungen habe die Zweitbeklagte den Erstbeklagten geheiratet, um als österreichische Staatsbürgerin bald zu ihrem Kind und dann wieder nach Österreich kommen zu können. Aus dem Beweisverfahren habe sich ergeben, daß die Beklagten weder die Absicht gehabt hätten, eine umfassende Lebensgemeinschaft zu führen, noch eine solche tatsächlich geführt hätten. Selbst wenn auf Seiten der Zweitbeklagten eine derartige Absicht nach der Eheschließung entstanden sein sollte, wäre dies ohne Bedeutung, weil die Voraussetzungen des § 23 Abs 2 EheG nicht gegeben seien. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Zweitbeklagten. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Vorinstanzen sind von der ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Annahme ausgegangen, daß die Ehe zwischen den Beklagten zu dem Zweck geschlossen wurde, der Zweitbeklagten den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Erstbeklagten zu ermöglichen, und daß die Beklagten bei dieser Eheschließung nicht die Absicht hatten, die eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen. Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist auch im Eheverfahren in dritter Instanz nicht mehr überprüfbar (EFSlg 44.117; EFSlg 52.241 ua).

Nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 48.716; EFSlg 51.561) ist bei der Prüfung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 23 Abs 1 EheG auf den Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen. Da nach den für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen die Ehe der Beklagten zu dem Zweck geschlossen wurde, der Zweitbeklagten den Erwerb der österreichischen Staatsangehörigkeit zu ermöglichen und die Beklagten bei dieser Eheschließung nicht die Absicht hatten, die eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, waren im Zeitpunkt der Eheschließung die im § 23 Abs 1 EheG umschriebenen Voraussetzungen der Nichtigkeit dieser Ehe gegeben. Eine Konvaleszenz dieser Ehe kam auch bei späterem Wegfall dieser Nichtigkeitsvoraussetzungen nur unter den im § 23 Abs 2 EheG angeführten Umständen, also bei qualifizierter Dauer der ehelichen Gemeinschaft nach der Eheschließung, in Betracht (EFSlg 48.716). Davon kann aber im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen keine Rede sein.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechen somit der Sach- und Rechtslage. Der Revision der Zweitbeklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Zweitbeklagte selbst zu tragen.

Anmerkung

E13833

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00666.87.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19880412_OGH0002_0080OB00666_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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