Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang G***, Dauphinestraße 206, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, Adalbert-Stifter-Straße 85, 1200 Wien,
vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Jänner 1988, GZ 12 Rs 1160/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. September 1987, GZ 13 Cgs 1108/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war am 3. Februar 1987 mit seinem PKW auf dem Weg zur Arbeit. Gegen 6.05 war er im Bereich der Kreuzung Linz, Dauphinestraße/Rohrmayrstraße in einen Verkehrsunfall verwickelt. Dabei verkeilte sich sein PKW so heftig mit einem Bus der Städtischen Verkehrsbetriebe, daß es auch mit größter Kraftanstrengung nicht möglich war, die den Verkehr behindernden Fahrzeuge auseinanderzubringen. Über Funk forderte der Buslenker einen Kranwagen an.
Dem Kläger war auf Grund der Beschädigungen seines PKW klar, daß er damit die Fahrt in die Arbeit nicht fortsetzen könne. Er beabsichtigte daher, zunächst noch so lange an der Unfallstelle zu bleiben, bis die beiden Fahrzeuge geborgen seien, um seinen PKW dann in einer Seitenstraße nahe dem Unfallort abzustellen. Nachdem der gesamte Verkehr auf der Hauptstraße unter anderem auch vom PKW des Klägers behindert wurde, war es notwendig dafür Sorge zu tragen, daß dieser von der Unfallstelle weggebracht wird. Dazu fühlte sich der Kläger jedenfalls verpflichtet. Er hatte vorsichtshalber auch versucht, den Ö*** zu diesem Zweck an die Unfallstelle zu rufen, allerdings wurde diesem Ersuchen nicht nachgekommen. Der Kranwagen der Städtischen Verkehrsbetriebe traf etwa 10 Minuten nach Ende der polizeilichen Unfallaufnahme ein. Der Kläger paßte bei den Arbeiten auf, daß das Bergebrett an seinem PKW fachmännisch angelegt werde, um weitere Schäden zu vermeiden. Als der Kläger dem Lenker des Kranwagens gerade eine Anweisung gab, wie das Bergebrett am besten anzulegen wäre und er etwas zurücktreten wollte, rutschte er auf einer eisigen Stelle aus und kam zu Sturz. Es war die Absicht des Klägers, unmittelbar nach der Bergung und Verbringung seines PKW von der Unfallstelle so schnell wie möglich mit einem Taxi zur Arbeit zu fahren.
Bei dem Sturz zog sich der Kläger Verletzungen zu, die eine Minderung der Erwebsfähigkeit im Ausmaß von 20 % nach sich zogen. Der Kläger begehrt die Bezahlung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente ab 18. Mai 1987 mit der Behauptung, es liege ein geschützter Arbeitsunfall vor.
Die Beklagte bestritt dies und wandte ein, der Kläger habe sich die Verletzungen bei einer Tätigkeit zugezogen, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung mehr gestanden sei.
Das Erstgericht sprach dem Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 3. Februar 1987 ab 18. Mai 1987 eine Versehrtenrente in Höhe von 20 % der Vollrente zu und legte der beklagten Partei gemäß § 89 Abs 2 ASGG eine vorläufige Leistung von monatlich S 500 auf. Es sei zwar grundsätzlich davon auszugehen, daß die Bergung eines privaten Kraftfahrzeuges nach einem Unfall im eigenwirtschaftlichen Interesse des Versicherten liege. Bedenke man aber, daß der PKW des Klägers verkehrsbehindernd auf einer Hauptdurchzugsstraße gestanden sei und für den Unfallgegner keine Veranlassung bestanden habe, das Fahrzeug des Klägers zu bergen oder abzuschleppen, so vermöge das kurze Verbleiben des Klägers an der Unfallstelle zu dem Zweck, das beschädigte Fahrzeug zum nächstgelegenen Ort zu schaffen, den Versicherungsschutz nicht zu unterbrechen. Dieser Vorgang sei als Einheit mit der eigentlichen Fahrt zur Arbeit aufzufassen.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab.
Werde der im Sinne des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG unfallgeschützte Weg durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen, so stehe diese eigenwirtschaftliche Unterbrechung selbst nicht unter Versicherungsschutz, sondern vielmehr nur wieder der im Anschluß an diese Tätigkeit fortgesetzte Arbeitsweg. Höchstens bei einer zeitlich geringfügigen Unterbrechung des Weges, etwa wegen einer Fahrzeugkontrolle, könne der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit als noch nicht unterbrochen angesehen werden. Die Bergung eines PKW nach einem Unfall falle nicht darunter. Der Kläger habe nicht nur das bestehende Verkehrshindernis möglichst rasch beseitigen sondern auch die fachmännische Durchführung der Bergungsarbeiten überwachen wollen um weitere Schäden an seinem Fahrzeug zu vermeiden. Gerade dabei sei es zum Unfall gekommen. Die Unterbrechung des Arbeitsweges sei auch keineswegs zeitlich geringfügig gewesen. Es liege daher kein geschützter Wegunfall vor.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt. Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Danach ist grundsätzlich nur der direkte Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Wird dieser Weg durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen, um dann wieder fortgesetzt zu werden, so steht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die eigenwirtschaftliche Tätigkeit selbst nicht unter Versicherungsschutz sondern nur wieder der im Anschluß an diese eigenwirtschaftliche Tätigkeit fortgesetzte Arbeitsweg. Werden auf einem Weg eigenwirtschaftliche und betriebliche Aufgaben erledigt und läßt sich der Weg klar in Teile zerlegen, die jeweils bestimmten Aufgaben gedient haben, dann besteht Versicherungsschutz nur für jenen Teil des Weges, der betrieblichen Aufgaben diente. Der eigenwirtschaftliche Charakter wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die eigenwirtschaftliche Verrichtung, die auf dem Arbeitsweg erledigt wird, in irgendeiner Beziehung zu der beruflichen Beschäftigung steht, sie muß mit dieser vielmehr im ursächlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen. Die Bergung des privaten Kraftfahrzeuges nach einem Unfall und die Überwachung der Bergungsarbeiten aber stellen eigenwirtschaftliche Tätigkeiten dar. Der innere Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit war während dieser Fahrtunterbrechung jedenfalls gelöst, denn sie diente auch nicht der Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit, um mit dem Fahrzeug anschließend - mangels einer anderen Möglichkeit den Arbeitsplatz zu erreichen - die Fahrt fortzusetzen, sondern erfolgte einerseits um das bestehende Verkehrshindernis zu beseitigen andererseits um weitere Beschädigungen am PKW zu verhindern (vgl. auch Lauterbach Unfallversicherung3I, 47. Lfg., 259/2, 268/2). Es kann auch nicht mehr von einer nur so geringfügigen Unterbrechung des Versicherungsweges gesprochen werden, daß ihr rechtliche Bedeutung nicht zukäme. Da das Gesetz den Versicherungsschutz nur an den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit knüpft, muß jede Tätigkeit, bei der dieser Zusammenhang gelöst ist, als eigenwirtschaftlich angesehen werden, als auch dann, wenn sie nicht (nur) im höchstpersönlichen Interesse liegt, sondern auch in Befolgung einer gesetzlichen Verpflichtung ausgeübt wird. So stellt auch § 176 Abs 1 Z 2 ASVG (unter anderem) nur Unfälle bei der Rettung von Menschen aus Lebensgefahr ....... oder Hilfeleistungen in sonstigen Unglücksfällen oder allgemeiner Gefahr oder Not Arbeitsunfällen gleich, jedoch nur dann, wenn keine besondere rechtliche Verpflichtung zu diesen Leistungen besteht. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG.
Anmerkung
E14516European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00086.88.0531.000Dokumentnummer
JJT_19880531_OGH0002_010OBS00086_8800000_000