TE OGH 1988/6/15 9ObA122/88

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Veröffentlicht am 15.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Albin W***, Angestellter, Wien 21., Mitterhofergasse 2/1/32, vertreten durch Sekretär Hermann P*** Gewerkschaft der Privatangestellten, Wien 1., Deutschmeisterplatz 2, dieser vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H*** Klima- und Kälteanlagen Gesellschaft m.b.H., Wien 13., Auhofstraße 70, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 21.643,92 S netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Februar 1988, GZ 34 Ra 133/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9. Juli 1987, GZ 20 Cga 308/86-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.719,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war als Elektromeister in der Zeit vom 3. Dezember 1985 bis 15. August 1986 bei der beklagten Partei angestellt und bezog ein monatliches Gehalt in der Höhe von 20.000,- S brutto vierzehnmal jährlich. Aufgrund des am 26. Februar 1986 vom Kläger unterfertigten Dienstzettels hatte er bei Krankmeldung spätestens am dritten Werktag des Krankenstandes eine Arztbestätigung vorzulegen. Am 30. Juni 1986 konnte der Kläger infolge Krankheit seinen Dienst nicht antreten und meldete sich bei der beklagten Partei telefonisch krank. Er hat der beklagten Partei eine ärztliches Bestätigung seiner Arbeitsunfähigkeit nicht übermittelt; eine solche wurde erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses Mitte oder Ende August 1986 übergeben. Der Kläger begehrt letztlich die Zahlung des der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von 21.643,92 S netto sA an Gehalt für die Zeit vom 1. Juli bis 15. August 1986.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei dem Arbeitsplatz am 30. Juni 1986 ohne Bekanntgabe von Gründen ferngeblieben und habe erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses eine Krankenstandsbestätigung für die Zeit vom 30. Juni bis 14. August 1986 vorgelegt, obwohl er aufgrund des von ihm unterfertigten Dienstzettels zur Vorlage einer Krankenstandsbestätigung innerhalb von drei Tagen verpflichtet gewesen sei. Er habe daher für die Zeit ab 1. Juli 1986 keinen Anspruch auf Gehalt.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Der Kläger habe durch Verstoß gegen seine durch Unterfertigung des Dienstzettels vom 26. Februar 1986 übernommene Verpflichtung zur Vorlage einer Krankenstandsbestätigung innerhalb von drei Werktagen seinen Entgeltanspruch für die Zeit ab 1. Juli 1986 verloren. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagestattgebenden Sinn ab. Der Kläger sei anläßlich seiner Krankmeldung zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung nicht aufgefordert worden. Die Voraussetzungen, unter denen der Verlust des Anspruches auf Fortzahlung des Entgelts gemäß § 8 Abs 8 AngG eintrete, seien daher nicht erfüllt. Daß der Kläger der im Dienstvertrag übernommenen Verpflichtung zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses im Fall eines Krankenstandes nicht entsprochen habe, berühre den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt die Rechtsauffassung, daß durch die Aufnahme der Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung spätestens am dritten Werktag des Krankenstandes in den Dienstzettel das Verlangen zur Vorlage einer Bestätigung gemäß § 8 Abs 8 AngG wirksam für das gesamte Dienstverhältnis zum Ausdruck gebracht worden sei. Im Hinblick auf diese Bestimmung des Dienstzettels habe es einer gesonderten Aufforderung zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung im Falle eines Krankenstandes nicht bedurft. Die Unterlassung der Vorlage einer ärztlichen Bestätigung ziehe auch ohne weitere Aufforderung die Folgen des § 8 Abs 8 letzter Satz AngG nach sich.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Gemäß § 8 Abs 8 AngG ist der Angestellte verpflichtet, ohne Verzug die Dienstverhinderung dem Dienstgeber anzuzeigen und auf Verlangen des Dienstgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung der zuständigen Krankenkasse oder eines Amts- oder Gemeindearztes über die Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Kommt der Angestellte diesen Verpflichtungen nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf das Entgelt. Der Umstand, daß mit der Verletzung der Verpflichtung zur Anzeige der Dienstverhinderung und zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung durch den Wegfall des Anspruches auf Fortzahlung des Entgelts beträchtliche finanzielle Nachteile für den Arbeitnehmer verbunden sein können, gebietet eine strenge Interpretation der Bestimmung. Danach ist die Verpflichtung zur Vorlage der zitierten Bestätigung davon abhängig, daß im Einzelfall vom Dienstgeber ein entsprechendes Verlangen gestellt wird. Aus der Wortfolge "auf Verlangen des Dienstgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann..." ergibt sich, ebenso wie aus dem kumulativen Bindewort "und", daß der Gesetzgeber auf eine konkrete Aufforderung im Einzelfall abstellt; nur für ein ganz bestimmtes Verlangen für einen konkreten Fall kann nämlich die im Gesetz vorgesehene Wiederholung in Frage kommen. Durch das im konkreten Fall gestellte Verlangen wird dem Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur Vorlage der Bestätigung jeweils für den bestimmten Fall zur Kenntnis gebracht und die Einhaltung dieser Verpflichtung wesentlich erleichtert, weil er mit dem Verlangen des Arbeitgebers unmittelbar konfrontiert ist. Dürfte das nach dem Wortlaut des Gesetzes im Einzelfall zu stellende Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Bestätigung durch eine pauschale Bestimmung des Arbeitsvertrages ersetzt werden, so brächte dies eine bedeutende Verschlechterung der Situation des Arbeitnehmers mit sich. Er müßte die Bestimmungen des oft lange Zeit vorher abgeschlossenen Arbeitsvertrages ständig präsent haben und von sich aus eine ärztliche Bestätigung vorlegen. Seine Untätigkeit würde zum sofortigen Verlust des Anspruches auf Fortzahlung des Entgelts führen. Der Arbeitgeber könnte aus der Tatsache, daß dem Arbeitnehmer dessen Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung nicht bewußt ist, einen Vorteil ziehen und durch Unterlassung eines Hinweises auf diese Verpflichtung den Entfall des Anspruches des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgelts bewirken. Gemäß § 40 AngG dürfen die dem Angestellten unter anderem auch aufgrund der Bestimmung des § 8 AngG zustehenden Rechte durch den Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Die Vorschrift des § 8 Abs 8 AngG regelt die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Engelts entfällt. Diese Voraussetzungen dürfen zum Nachteil des Arbeitnehmers daher nicht verschlechtert werden. Eine solche Verschlechterung der Voraussetzungen wäre aber, wie dargestellt, mit der generellen Festlegung der Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Bestätigung im Arbeitsvertrag unter der noch dazu unerwähnt bleibenden Sanktion des § 8 Abs 8 letzter Satz AngG verbunden. Daß die beklagte Partei im Rahmen der im Dienstzettel statuierten Verpflichtung zur Vorlage einer Bestätigung nicht nur die im § 8 Abs 8 AngG genannten besonderen Bestätigungen, sondern alle ärztlichen Bestätigungen anerkennt, kann im Rahmen des Günstigkeitsvergleiches den Nachteil, der mit der generellen, vom konkreten Einzelfall losgelösten Überbindung der Verpflichtung zur Vorlage ärztlicher Bestätigungen im Krankheitsfall verbunden ist, nicht aufwiegen. Auch aus § 97 Abs 1 Z 21 ArbVG kann kein Argument dafür abgeleitet werden, daß die Nichtbefolgung der im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarung den Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall berührt. Durch diese Bestimmung wird den Betriebspartnern eine Regelungsbefugnis bezüglich der wechselseitigen Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Fall der Krankheit oder eines Unfalles eingeräumt. Soweit diese durch Gesetz oder Kollektivvertrag einseitig zwingend zugunsten der Arbeitnehmer festgelegt sind, können Betriebsvereinbarungen nur in einer die gesetzliche oder kellektivvertragliche Lage der Arbeitnehmer verbessernden Weise ergänzend neben die überbetriebliche Regelung treten (Floretta-Strasser Arbeitsverfassungsgesetz2, 225). Die Voraussetzungen für den Entfall des Anspruches auf Fortzahlung des Entgeltes sind im § 8 Abs 8 AngG zwingend geregelt. Der Wegfall dieses Anspruches tritt nur bei Nichtverfolgung eines im Anlaßfall gestellten Verlangens des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Bestätigung ein. Auch durch eine Betriebsvereinbarung könnte eine die gesetzliche Bestimmung zu Lasten des Arbeitnehmers verschlechternde Regelung nicht wirksam getroffen werden. Aus einer solchen Norm kann daher für den Standpunkt der beklagten Partei nichts abgeleitet werden.

Unbestritten steht fest, daß die beklagte Partei im Zusammenhang mit der Krankmeldung ein Verlangen nach Vorlage einer ärztlichen Bestätigung nicht gestellt hat. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 8 Abs 8 letzter Satz AngG der Verlust des Anspruches auf Entgelt eintritt, sind daher nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14371

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00122.88.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19880615_OGH0002_009OBA00122_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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