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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des L in T, vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. November 2004, Zl. 254.498/0-VIII/23/04, betreffend §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Gemäß seinen Angaben reiste er am 8. April 2004 in das Bundesgebiet ein, wo er in der Folge die Gewährung von Asyl beantragte. Vor dem Bundesasylsenat gab er dazu an, dass seine Ehefrau und ein Sohn 1999 verstorben seien und dass zwei weitere Söhne seit 1999 vermisst seien. Er selbst habe sich von 1998 bis 2000, während des Krieges, in Österreich aufgehalten und sei dann freiwillig in die Heimat zurückgekehrt. Dort habe er bis zum Tod seiner Schwester im Februar 2004 mit ihr in deren Haus gelebt.
Der Beschwerdeführer beantwortete bei seiner Einvernahme nachstehende Fragen weiters wie folgt:
"Frage: Was war der Grund für Ihre Ausreise im Jahr 2004?
Antwort: Ich habe in meiner Heimat niemanden.
Frage: Waren Sie bei Ihrer Schwester angemeldet?
Antwort: Ja.
Frage: Hätten Sie weiterhin an dieser Adresse, wo Ihre Schwester lebte, leben können?
Antwort: Nein. Die Kinder meiner Schwester haben das Haus verkauft. Die Kinder meiner Schwester leben nämlich in Schweden. Deshalb kehrte ich zu meiner Wohnung zurück. Ich (habe) ein paar Mal versucht, zu meiner Wohnung zu kommen. Außerdem lebt auch jetzt wer in meiner Wohnung. Die Wohnung befindet sich im serbischen Teil. Mitrovica sei jetzt in zwei Teile geteilt. Meine Wohnung befindet sich im serbischen Teil.
Frage: Wer bewohnt jetzt Ihre Wohnung?
Antwort: Ich weiß es nicht.
Frage: Waren Sie in den vier Jahren, als Sie sich in Ihrem
Heimatland aufhielten, irgendwelchen Verfolgungshandlungen
ausgesetzt?
Antwort: Nein.
....
Frage: Gab es außer der Tatsache, dass Sie keine finanziellen Mittel hatten, sich eine neue Wohnung zu kaufen, sonst noch Gründe, die Sie dazu bewogen haben, Ihr Heimatland zu verlassen?
Antwort: Ich habe zu Hause niemanden mehr. Ich habe kein Geld für eine neue Wohnung. Außerdem hätte man mich umbringen können. Damit meine ich die Serben. Dies hätte z.B. passieren können, wenn ich versucht hätte, meine Wohnung, welche sich nun auf serbischem Teil befindet, zurück zu bekommen. Viele Leute wurden so umgebracht."
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 4. Oktober 2004 gemäß § 7 AsylG ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und wies ihn schließlich gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.
Der Beschwerdeführer erhob eine im Wesentlichen inhaltsleere Berufung, in der er eine - schließlich mit Schriftsatz vom 8. November 2004 erstattete - ausführliche Begründung für einen späteren Zeitpunkt ankündigte.
Mit Bescheid vom 24. November 2004 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Die belangte Behörde folgte - soweit erkennbar - den Angaben des Beschwerdeführers und führte rechtlich aus, dass dieser ausschließlich wirtschaftliche Gründe für seinen Aufenthalt in Österreich angeführt habe; solche rechtfertigten jedoch keineswegs die Gewährung von Asyl. Ihren Ausspruch nach § 8 Abs. 1 AsylG begründete sie ergänzend im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer ungeachtet seines Alters (59 Jahre) zu keiner besonders "schützenswerten Gruppe" gehöre; davon abgesehen verfüge er noch immer über eine Wohnung in seinem Heimatland und werde durch seine - noch lebenden - Kinder finanziell unterstützt. Was schließlich die Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG anlange, so stelle diese keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde abschließend - stets wirtschaftliche Gründe vorgebracht, in der Berufung keine Angaben über eine asylrelevante Verfolgung oder unmenschliche Behandlung im Fall seiner Abschiebung erstattet und die angekündigte Berufungsergänzung nicht eingebracht habe, habe gemäß § 67d AVG iVm Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG von der Durchführung einer öffentlichen Berufungsverhandlung abgesehen werden können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der bekämpfte Bescheid ist zunächst insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, als er verfehlter Weise davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag ausschließlich auf wirtschaftliche Gründe gestützt. Bei dieser Betrachtungsweise wird nämlich außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer angab, er habe ein paar Mal (offenkundig zu ergänzen: ergebnislos) versucht, zu seiner Wohnung zu kommen, und man hätte ihn umbringen können, wenn er versucht hätte, diese nun im serbischen Teil von Kosovska-Mitrovica befindliche Wohnung zurück zu bekommen. Angesichts dieser Behauptungen wären Überlegungen dahingehend anzustellen gewesen, ob der Beschwerdeführer nicht - vergleichbar dem mit hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0088, entschiedenen Fall - einer "besonders schutzbedürftigen Personengruppe" im Sinn der einschlägigen UNHCR-Positionen angehört. Darauf hat er im Übrigen in seiner Berufungsergänzung vom 8. November 2004 ausdrücklich hingewiesen. Diese noch am selben Tag (8. November 2004) an das Bundesasylamt gefaxte Berufungsergänzung wurde am 19. November 2004 an die belangte Behörde weitergeleitet und langte am 22. November 2004 bei dieser ein. Die im bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 2004 im Zusammenhang mit den Ausführungen über das Unterbleiben einer Berufungsverhandlung abgegebene Erklärung, eine Berufungsergänzung sei "bis heute nicht eingebracht worden", widerspricht daher der Aktenlage.
Schon nach dem bisher Gesagten steht fest, dass der bekämpfte Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist. Ob die belangte Behörde angesichts der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, der gemäß seinen Angaben 1999 (erkennbar im Zusammenhang mit dem "Kosovo-Krieg") drei Söhne und seine Ehegattin verloren hat, im Hinblick auf die Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG eine allfällige Traumatisierung des Beschwerdeführers hätte überprüfen müssen - so der Standpunkt der Beschwerde -, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. Bezugnehmend auf die Bestätigung der erstinstanzlichen Ausweisungsentscheidung durch die belangte Behörde sei aber der Vollständigkeit halber ergänzend darauf hingewiesen, dass auch insoweit eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides vorliegt, als nicht beachtet wurde, dass diese Ausweisung zielstaatsbezogen zu formulieren gewesen wäre. Dazu wird des Näheren auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/20/0108 (§ 43 Abs. 2 VwGG) verwiesen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Da der Beschwerdeführer lediglich EUR 908,-- an Schriftsatzaufwand angesprochen hat, konnte jedoch nur dieser Betrag zuerkannt werden.
Wien, am 27. September 2005
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005010008.X00Im RIS seit
28.10.2005