TE OGH 1988/9/28 9ObA153/88

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Veröffentlicht am 28.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner (Arbeitgeber) und Prof.Hermann Peter (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Eva L***, Angestellte, Linz, Galvanistraße 24, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 10-12, wegen Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde (Streitwert 35.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. April 1988, GZ 13 Ra 1119/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. Juli 1987, GZ 13 Cga 1072/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen bei Exekution Einsicht in die mit ihr am 9. Mai 1984 um 12 Uhr an der Universität Linz unter der Leitung von MinRat Dr. S*** aufgenommene Niederschrift zu gewähren.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 17.232,15 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 1.275,65 S Umsatzsteuer und 3.200 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin die mit 5.329,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer und 2.500 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stand zur beklagten Partei vom 11. Juli 1975 bis 30. September 1984 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete. Sie war als Sekretärin am Institut für Unternehmensführung der Universität Linz (Prof. K***) beschäftigt. Das Wissenschaftsministerium führte unter der Leitung von MinRat Dr. S*** an der Universität Linz am 9. Mai 1984 in erster Linie den Institutsvorstand Prof. K*** und die Assistenten betreffende Erhebungen wegen Unregelmäßigkeiten an diesem Institut durch. Solche Erhebungen werden im Regelfall von der Personalabteilung des Ministeriums selbst gepflogen, wenn wissenschaftliches Personal betroffen ist, hingegen vom Universitätsdirektior als oberster Dienstvorgesetzter, wenn vornehmlich das nichtwissenschaftliche Personal betroffen ist. Am Rand dieser Erhebungen durch das Ministerium traten auch disziplinäre Vorwürfe gegen die Klägerin zutage. Die Klägerin hatte ihrerseits Interesse, die unter anderem vom Assistenten Mag. W*** in einem öffentlichen Brief verbreiteten Vorwürfe dem Ministerium gegenüber klarzustellen. Es ging ihr dabei aber nicht um die Verhinderung allfälliger dienstrechtlicher Konsequenzen, woran die Klägerin nicht dachte; sie wollte nur die Gelegenheit erhalten, die Vorgänge aus ihrer Sicht zu schildern. Der übliche Vorgang bei derartigen Erhebungen ist der, daß ein Beamter über die Befragung der betreffenden Person eine Niederschrift verfaßt. Auch im Fall der Klägerin wurde das so gehandhabt. Der Klägerin wurde zu Beginn eröffnet, daß eine Reihe von Anschuldigungen gegen sie vorlägen. Dr. S*** forderte sie auf, zu zwei konkreten

Vorhaltungen - Nichteinhaltung der Dienstzeit und Urlaubsmanipulation - Stellung zu nehmen und fragte die Klägerin, ob sie mit der Aufnahme einer Niederschrift einverstanden sei. Die Klägerin antwortete darauf sinngemäß kurz, daß das auch in ihrem Interesse sei, ohne dies aber weiter zu erläutern. Sie äußerte sich nicht dahin, ein besonderes Interesse am Vorhandensein eines schriftlichen Protokolls zu haben oder daß ein solches für sie zu Beweiszwecken oder im Zusammenhang mit dienstrechtlichen Konsequenzen von Bedeutung wäre. Ihr ging es ausschließlich um die Möglichkeit, die gegen sie aufgetauchten Anschuldigungen aus ihrer Sicht klarzustellen. Die Niederschrift wurde ihr nach der Befragung zur Unterschrift vorgelegt. Auch die anderen Anwesenden unterfertigten nach der Klägerin die Niederschrift. Diese wurde von den erhebenden Beamten in das Ministerium mitgenommen, ohne daß der Universitätsdirektor oder die Klägerin einen Durchschlag erhielt. Die Niederschrift wurde auch nicht zum Personalakt der Klägerin gegeben. Wenn eine solche Niederschrift nicht für den internen Gebrauch des Ministeriums gedacht ist, wird sie üblicherweise auf besonderen Wunsch des Betroffenen in Form eines Protokolls, von dem er dann auch eine Abschrift erhält, aufgenommen. In einem solchen Fall wird das Protokoll auch im Personalakt abgelegt. Eine rechtliche Grundlage für die hier gewählte Form disziplinärer Untersuchungen gegen Vertragsbedienstete besteht nicht. Auf der Grundlage der am 9. Mai 1984 vom Ministerium selbst ausnahmsweise auch gegen die Klägerin als nicht wissenschaftliche Bedienstete vorgenommenen Erhebungen erteilte das Ministerium in weiterer Folge dem Universitätsdirektor die Weisung, gegen die Klägerin wegen der bei der Befragung zugestandenen Dienstpflichtverletzungen eine schriftliche Ermahnung auszusprechen. Dies ist am 24. September 1984 geschehen. Das betreffende Schriftstück hatte folgenden Wortlaut:

" E r m a h n u n g:

Gemäß § 5 in Verbindung mit § 32 (2) Vertragsbedienstetengesetz. Im Hinblick auf die von Ihnen niederschriftlich eingestandenen Dienstpflichtverletzungen (Urlaubsmanipulation, Nichteinhaltung der Dienstzeit) wird Ihnen hiemit eine schriftliche Ermahnung mit dem Hinweis erteilt, daß beim geringsten neuerlichen Anlaßfall mit der Auflösung Ihres Dienstverhältnisses gerechnet werden muß. Darüber hinaus werden Sie mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1984 der Studien- und Prüfungsabteilung unserer Universität zur Dienstleistung zugewiesen."

Die Klägerin hat in der Folge das Studium an der Pädagogischen Akademie aufgenommen und noch vor Absolvierung der Lehramtsprüfung - wie allgemein üblich - im April 1986 beim Landesschulrat ihre Bewerbung um Aufnahme in den Lehrerdienst eingereicht. Im Mai 1987 hat sie den letzten Teil der Lehramtsprüfung erfolgreich abgelegt. Sie steht wie eine Reihe anderer Absolventen, die ihr Studium schon früher abgeschlossen haben, auf der Warteliste, ohne bislang eine Zusage vom Landesschulrat erhalten zu haben. Die Klägerin weiß, daß sie durch die Ablegung der Lehramtsprüfung einen Anspruch auf Übernahme in den Lehrerdienst hat, daß aber nicht immer objektiv nach dem Zeitpunkt der Ablegung der Prüfung vorgegangen wird. Sie hat keine Kenntnis, ob der Personalakt betreffend Vordienstzeiten eines Bewerbers im Bundesdienst vom Landesschulrat bei der Reihung der Lehrerkandidaten berücksichtigt und überhaupt beigeschafft wird. Nach dem Punktesystem der Aufnahmerichtlinien haben Vordienstzeiten keinen Einfluß für die Bewerbung und sind nur für die Einstufung im Gehaltsschema maßgebend. Die Klägerin hat seit Abgabe ihrer Bewerbung beim Landesschulrat nicht vorgesprochen. Sie weiß nicht, ob der Landesschulrat von dieser Ermahnung überhaupt Kenntnis hat und ob eine solche bei der Ernennung in irgendeiner Weise von Bedeutung sein würde.

Die Klägerin stellte das aus dem Spruch ersichtliche Begehren. Sie befürchte wegen der schriftlichen Ermahnung eine Benachteiligung durch Punkteabzug. An Hand des genauen Wortlautes ihrer Verantwortung hätte sie die Möglichkeit, dem Landesschulrat gegenüber die damaligen Vorkommnisse entsprechend klarzustellen. Darin liege ihr rechtliches Interesse an der Ausfolgung dieser gemeinschaftlichen Urkunde.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Begehrens. Gegen die Klägerin sei kein Disziplinarverfahren geführt worden, sie sei nur zu verschiedenen Vorhalten angehört worden. Die Niederschrift sei ausschließlich im Interesse des Dienstgebers aufgenommen worden und daher keine gemeinschaftliche Urkunde. Der Klägerin fehle auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Urkundenvorlage.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Zweck der Errichtung der Niederschrift sei es gewesen, ein Bild über die tatsächlichen Vorfälle am Institut zu bekommen und auf dieser Grundlage entsprechende disziplinäre Verfügungen zu treffen. Die Niederschrift sollte aber nicht dazu bestimmt sein, der Klägerin als Beweismittel außerhalb des laufenden "Disziplinarverfahrens" zu dienen. Die Niederschrift sei daher ausschließlich in den Akten der ministeriellen Personalstelle verblieben und nicht dem Personalakt der Klägerin angeschlossen worden. Sie sei daher keine gemeinschaftliche Urkunde. Der Klägerin fehle es aber auch an dem erforderlichen rechtlichen Interesse. Sie sei im Besitz der auch im Personalakt erliegenden schriftlichen Ermahnung und habe jederzeit die Möglichkeit, dem Landesschulrat gegenüber die Vorfälle neuerlich aus ihrer Sicht zu schildern, ohne daß sie dazu den genauen Wortlaut der Niederschrift benötige. Da sich diese nicht im Personalakt befinde und es überhaupt fraglich sei, ob der Landesschulrat den Personalakt beischaffen werde, seien ein rechtsschutzbedürftiges Interesse und das Erfordernis der Kenntnis des genauen Wortlautes der damaligen Verantwortung nicht gegeben. Die Klägerin versuche offenkundig, erst durch die Einsichtnahme in die Niederschrift die Unterlagen für ihre - wie auch immer geartete - Rechtsverfolgung zu sammeln; in einem solchen Fall fehle ihr aber ein rechtliches Interesse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteige. Ob die gegenständliche Niederschrift eine gemeinsame Urkunde sei, könne dahingestellt bleiben. Das Begehren der Klägerin sei nämlich schon deshalb nicht berechtigt, weil die Klägerin ein rechtliches Interesse, das ihr Begehren rechtfertigen könnte, nicht geltend gemacht habe. Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses sei eine Voraussetzung für ein Klagebegehren nach Art. XLIII EGZPO. Art. XLIII EGZPO spreche nicht ausdrücklich vom Erfordernis eines rechtlichen Interesses an der Einsichtnahme in die Urkunde, doch sei ein solches Interesse eine Erfolgsvoraussetzung der Klage. Es sei an Hand der Klagsbehauptungen zu prüfen, inwiefern der genaue Wortlaut der Urkunde der Klägerin nunmehr als Beweismittel dienen oder ihre rechtlichen Beziehungen fördern könne. Naheliegend wäre hier ein Vorbringen der Klägerin, sie bedürfe der Urkunde, um die Unrichtigkeit der gegen sie ausgesprochenen Ermahnung gegenüber dem Landesschulrat nachzuweisen, insbesondere um darzulegen, daß entgegen dem Inhalt der Ermahnung vom 24. September 1984 von ihr Dienstpflichtverletzungen gar nicht eingestanden worden seien. Die Klägerin habe jedoch derartiges nicht behauptet. Zu der von ihr beabsichtigten Klarstellung gegenüber dem Landesschulrat bedürfe es nicht der genauen Kenntnis des Wortlautes der Urkunde, sondern es genüge die Bezugnahme auf die schriftliche Ermahnung mit allfälligen Ausführungen, wie die Dienstpflichtverletzungen zu erklären seien. Einen Beweiszweck, bei dem es auf den genauen Wortlaut der Urkunde ankomme, habe die Klägerin nicht angegeben. Damit sei ein rechtliches Interesse an der begehrten Urkundenvorlage nicht nachgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß Art. XLIII EGZPO kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites im Weg der Klage gefordert werden. Der Verpflichtungsgrund besteht in der Gemeinschaftlichkeit des Urkundeninhaltes für beide Teile. Die Bestimmung des § 304 Abs 2 ZPO führt diesen Grund näher aus, ohne ihn allerdings auszuschöpfen (Fasching III, 390). Im § 304 ZPO sind lediglich - allerdings umfassende - Beispielsgruppen angeführt. Danach ist eine Urkunde u.a. gemeinschaftlich, wenn sie für mehrere Personen deren gegenseitige Rechtsverhältnisse bekundet oder im Interesse mehrerer Personen errichtet ist (§ 304 Abs 2 Satz 1 ZPO). Dem Einsichtsrecht unterliegen Urkunden, die ein Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben, das zwischen dem Anspruchsteller und einem anderen besteht. Daß der Anspruchsteller und der Besitzer der Urkunde durch das Rechtsverhältnis verbunden sind, bildet den Regelfall, ist aber wegen der unbestimmten Fassung des Gesetzes nicht notwendig. In dieser Variante kommt es nicht auf den Zweck, sondern allein auf den Inhalt der Urkunde an. Es genügt, daß der bekundete Vorgang zu dem fraglichen Rechtsverhältnis in unmittelbarer rechtlicher Beziehung steht (Hüffer in Münchner Kommentar2, 1240). Es reicht aus, daß die Urkunde eine objektive und unmittelbare Beziehung zu dem Rechtsverhältnis aufweist, an dem der die Vorlegung Begehrende beteiligt ist (Steffen RGRK12, Rz 10 zu § 810 BGB).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, daß die Urkunde, deren Vorlage die Klägerin begehrt, als gemeinschaftliche zu qialifizieren ist. Die Klägerin stand zu der beklagten Partei in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis. Die Vernehmung am 9. Mai 1984 stand unmittelbar im Zusammenhang mit diesem Dienstverhältnis. Die Klägerin wurde bei diesem Anlaß zu Vorwürfen vernommen, welche die Verletzung von Verpflichtungen aus diesem Dienstverhältnis betrafen. Sie wurde ausdrücklich befragt, ob sie mit der Aufnahme eines Protokolls einverstanden sei und hat die Niederschrift auch über Verlangen unterfertigt. Der Urkunde kommt daher nicht der Charakter einer einseitigen privaten Aufzeichnung zu; es sollte vielmehr die Rechtfertigung der Klägerin zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen in einer auch von der Klägerin überprüfbaren Form niedergelegt werden. Zu diesem Zeitpunkt stand keineswegs fest, welche Konsequenzen die beklagte Partei aus dem Ergebnis der Untersuchung ziehen werde. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß damals auch die Klägerin an einer genauen Aufzeichnung ihrer Rechtfertigung interessiert war, da sie damit rechnen mußte, daß der Wortlaut des Protokolls, das sie auch unterschrieben hat, eine wesentliche Grundlage für allenfalls gegen sie ergriffene dienstliche Maßnahmen bilden werde. Das Protokoll, in dem Dienstgeber und Dienstnehmer gemeinsam die Stellungnahme der Dienstnehmerin zu Anschuldigungen, die Verletzungen ihrer Dienstpflicht betrafen, festhielten, stand in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis; es handelt sich daher um eine gemeinsame Urkunde im Sinn des Art. XLIII EGZPO. Das Recht auf Einsichtnahme ist darauf gerichtet, vom Inhalt der Urkunde unmittelbar Kenntnis zu nehmen. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses ist eine Voraussetzung für eine Klage gemäß Art. XLIII EGZPO (Fasching II, 99; SZ 56/117). Im Fall der Bestreitung muß das Vorliegen eines rechtlichen Interesses bescheinigt werden und auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch bestehen (SZ 23/363). Auf ein rechtliches Interesse kann sich berufen, wer die Einsichtnahme in die Urkunde zur Förderung, Erhaltung und Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt (Steffen aaO Rz 6 zu § 810 BGB). Ob ein solches rechtliches Interesse vorliegt, muß nach den Umständen des Einzelfalles unter billiger Würdigung der beiderseitigen Interessen geprüft werden (Soergel-Mühl BGB Rz 2 zu § 810 BGB).

Die Klägerin hat zur Begründung des erhobenen Begehrens vorgebracht, daß sie auf der Grundlage des genauen Inhalts des Protokolls beabsichtige, im Rahmen ihrer Bewerbung um eine Lehrerstelle die seinerzeitigen Vorfälle entsprechend klarzustellen, um zu verhindern, daß ihr hieraus Nachteile entstehen; sie habe bei ihrer Bewerbung bekanntgeben müssen, daß sie bereits in einem Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete gestanden sei. Es liegt nun durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß sich die mit der Aufnahme in den Lehrerdienst befaßten Stellen Informationen über das seinerzeitige Dienstverhältnis beschaffen und insbesonders Einsicht in den Personalakt der Klägerin und damit in die Beurkundung der Einmahnung nehmen, und daß in diesem Zusammenhang auch Einsicht in das Protokoll genommen wird. Ebensowenig kann ausgeschlossen werden, daß hieraus der Klägerin Nachteile bei ihrer Bewerbung erwachsen, zumal im Fall gleicher Qualifikation mehrerer Bewerber die das seinerzeitige Dienstverhältnis betreffenden Umstände den Ausschlag geben könnten. Die Klägerin hat daher ein berechtigtes Interesse daran, ergänzende Klarstellungen vorzunehmen, um diesem allfälligen Nachteil zu begegnen. Wohl kann davon ausgegangen werden, daß der Klägerin die Vorfälle, die zum Ausspruch der Ermahnung führten, bekannt sind, doch ist es für sie zweifellos von Vorteil, bei ihrer Klarstellung vom genauen Inhalt des bereits vor geraumer Zeit aufgenommenen Protokolles auszugehen, um nicht durch eine wenn auch nur gering abweichende Darstellung den beabsichtigten Erfolg von vornherein in Frage zu stellen. Das rechtliche Interesse ist nicht streng abzugrenzen; es genügt, daß die Einsicht in die Urkunde die Rechtssphäre des Anspruchstellers berühren könnte. Dies ist hier nicht auszuschließen. Ob es der Klägerin tatsächlich gelingen wird, durch die beabsichtigte Vorgangsweise das von ihr angestrebte Ziel zu erreichen, ist bei der Frage des Bestehens eines rechtlichen Interesses nicht zu prüfen. Ins Treffen geführt wurde weiters, daß ein rechtliches Interesse auch dann fehle, wenn sich der Anspruchsteller erst durch die Vorlage der Urkunde Unterlagen für die Rechtsverfolgung sichern wolle. Diese in Lehre und Rechtsprechung vertretene Meinung hat aber offenbar andere Fälle im Auge. So wird in Palandt47, 854, hiezu ausgeführt, daß ein rechtliches Interesse nicht bestehe, wenn die Vorlage ohne genügende konkrete Angaben lediglich dazu führen soll, Unterlagen für die Rechtsverfolgung gegen den Besitzer der Urkunde zu schaffen. Hüffer (aaO, 1241) führt aus, daß die Schutzwürdigkeit des Interesses fehle, wenn die Einsichtnahme nur der Ausforschung des Anspruchsgegners dienen solle; sie sei auch unzulässig, wenn ein Schadenersatzanspruch gegen den Urkundenbesitzer erhoben werden solle und der Anspruchsteller die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden Tatsachen erst durch die Einsichtnahme erwerben wolle (in diesem Sinn auch die Ausführungen von Steffen aaO Anm. 6 zu § 810 BGB). Das Bestehen eines rechtlichen Interesses wird daher immer dann verneint, wenn der Anspruchsteller sich durch die Einsichtnahme in die Urkunde Beweismittel für einen beabsichtigten Rechtsstreit, insbesonders gegen den Besitzer der Urkunde, sichern will. In diesen Fällen ist er auf die Bestimmung über die Urkundenvorlage in § 304 ZPO zu verweisen. Von diesen Sachverhalten unterscheidet sich aber der vorliegende Fall dadurch, daß die Klägerin nicht die Verwertung des Inhaltes des Protokolls in einem Prozeß beabsichtigt; die Einsicht in die Urkunde soll ihr vielmehr als Grundlage für eine ergänzende Darstellung im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung in den öffentlichen Dienst dienen.

Da die den Streitgegenstand bildende Urkunde somit als gemeinschaftlich anzusehen ist und die Klägerin überdies ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme besitzt, erweist sich ihr Begehren als berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15252

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00153.88.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19880928_OGH0002_009OBA00153_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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