TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/11 2003/21/0184

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Veröffentlicht am 11.10.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des GO in A, vertreten durch Mag. Felix Wallner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz-Ring 2/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. Juni 2003, Zl. Fr 1397/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 21. Juli 2001 zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem im Jänner 2001 geborenen gemeinsamen Sohn nach Österreich ein. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. September 2001 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG (u.a.) die Abschiebung nach Armenien für zulässig erklärt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.

Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 10. Juli 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten (davon ein Monat unbedingt) rechtskräftig verurteilt.

Im Hinblick darauf wurde gegen den Beschwerdeführer mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 2003 gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.

Begründend verwies die belangte Behörde vor allem auf die angeführte Verurteilung und traf nähere Feststellung hinsichtlich der ihr zugrundeliegenden Tathandlungen. Danach habe der Beschwerdeführer (gemeinsam mit zwei weiteren Personen) am 12. Jänner 2002 gegen 12.30 Uhr in Berndorf (v.a.) Kleidung im Wert von etwa EUR 100,-- gestohlen und im selben Ort in einem anderen Geschäft gegen 14.00 Uhr Lebensmittel, Spirituosen und Toiletteartikel im Gesamtwert von etwa EUR 150,-- zu stehlen versucht. Der Beschwerdeführer habe ein Geständnis abgelegt und auch zugegeben, dass er sich durch die wiederkehrenden Diebstähle seinen Lebensunterhalt habe aufbessern wollen. Durch den relativ großen Wert der gestohlenen Gegenstände, aber auch durch die Begehung der Diebstähle mit Mittätern am selben Tag in zwei Geschäften zeige sich, dass "die Sachen nicht nur aus einer spontanen Idee heraus" infolge einer "einmaligen" Notlage gestohlen worden seien, sondern die Taten "gewissermaßen von langer Hand geplant" gewesen seien. Dieses Verhalten beweise - so die belangte Behörde wörtlich - "nicht gerade eine große Wertschätzung Ihres Gastlandes". Das - noch während des laufenden Asylverfahrens gesetzte - Fehlverhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit, das eine dem öffentlichen Interesse widerstreitende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle und dem eine beträchtliche kriminelle Energie zu Grunde liege, und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild lasse die belangte Behörde auf eine ausgeprägte sozialschädliche Neigung des Beschwerdeführers zur Missachtung österreichischer Rechtsvorschriften, die dem Schutz fremden Vermögens dienen, schließen. Es könne daher auch für das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers "nur eine schlechte Prognose" erstellt werden, sodass davon auszugehen sei, durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich wäre die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG und der Ermessensübung erwähnte die belangte Behörde, es seien die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, deren Asylverfahren ebenfalls noch nicht beendet sei, und der gemeinsame (damals) zweijährige Sohn im Bundesgebiet aufhältig. Durch das Aufenthaltsverbot komme es daher zu einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Trotzdem sei die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter zulässig und zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Für die Behörde sei es "nicht verantwortbar", dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Fortführung krimineller "Machenschaften" zu geben. Da der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich noch relativ kurz sei und es an einer sozialen Integration noch fehle, müssten die persönlichen und familiären Interessen hinter das erwähnte öffentliche Interesse, das "bei weitem" höher zu gewichten sei, zurücktreten. Mit ähnlichen Erwägungen begründete die belangte Behörde auch die zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommene Ermessensübung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 1 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Beschwerde bestreitet nicht die - auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandende - Annahme der belangten Behörde, im Hinblick auf die erwähnte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung sei der zweite Fall des zitierten Tatbestandes des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt.

Auch gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, hegt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das der erwähnten Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers keine Bedenken. Die gegen diese Prognosebeurteilung - auch unter dem Gesichtspunkt einer unrichtigen Ermessensübung - in der Beschwerde vorgetragenen Argumente überzeugen nicht:

Dass der Beschwerdeführer "sofort voll geständig" gewesen und die Unrechtmäßigkeit seines Handelns eingesehen habe, fällt schon deshalb nicht ins Gewicht, weil der Beschwerdeführer - wie schon die belangte Behörde in diesem Zusammenhang relativierend angemerkt hat - auf frischer Tat mit dem Diebsgut betreten wurde. Von "außerordentlich geringen Beträgen" kann entgegen der Beschwerdemeinung beim jeweiligen Gesamtwert der bei "Ladendiebstählen" gestohlenen Gegenstände von EUR 150,-- bzw. EUR 100,-- keine Rede sein. Von einem künftigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers kann aber auch nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer durch den Vollzug des unbedingt verhängten Strafteiles "erstmals das Haftübel verspürt" habe. Vielmehr hat die belangte Behörde auf Grund der innerhalb kurzer Zeit wiederholten Diebstähle in nicht unbedeutendem Ausmaß unter planmäßiger Beteiligung weiterer Mittäter zu Recht auf eine beim Beschwerdeführer vorhandene beträchtliche kriminelle Energie geschlossen. Bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers durfte sie auch "erschwerend" berücksichtigen, dass die Straftaten während des offenen Asylverfahrens (zu ergänzen: und trotz Gewährung von Bundesbetreuung) begangen wurden. Damit versagt aber auch das weitere Beschwerdeargument, der Beschwerdeführer werde sich wegen der ihm im Heimatland drohenden Verfolgung - die diesbezüglichen Behauptungen werden im Rahmen des Asylverfahrens geprüft - in Österreich wohlverhalten, weil ihn diese Umstände auch in der Vergangenheit nicht beeinflussen konnten.

Es kann daher weder die Beurteilung im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG noch die von der belangten Behörde zum Nachteil des Beschwerdeführers vorgenommene Ermessensübung nach dieser Bestimmung als fehlerhaft angesehen werden, ohne dass es dabei auf das im angefochtenen Bescheid auch angesprochene, bereits im Juli 2001 erfolgte Anbieten des Beschwerdeführers am "Schwarzarbeiterstrich" in Traiskirchen ankommt.

Gegen die Einschätzung der belangten Behörde, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sei angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten, und gegen die nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommene Interessenabwägung wird in der Beschwerde nichts ins Treffen geführt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 11. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003210184.X00

Im RIS seit

10.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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