Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carl L*** & Sohn, 1151 Wien, Beingasse 16-20, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Friedrich Karl S***-B***, Kaufmann, 1010 Wien, Renngasse 4, vertreten durch Dr. Andreas Puletz und Dr. Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wegen 381.027,68 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7.Oktober 1987, GZ 13 R 70/87-68, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. November 1986, GZ 35 Cg 25/84-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen
Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Beklagte war mit Ausnahme der Zeit vom 1.Februar 1983 bis 7. Juni 1983, in welcher ein weiterer Geschäftsführer bestellt war, Alleingeschäftsführer der im Jahre 1978 gegründeten G*** Betriebsgesellschaft mbH. Sein Vater Georg S***-B*** war deren alleiniger Gesellschafter und übertrug ihm im Juni 1983 alle Geschäftsanteile. Auf Grund eines von ihm am 14.Oktober 1983 gestellten Antrages wurde über das Vermögen der Gesellschaft am 17. Oktober 1983 das Konkursverfahren eröffnet.
In der vorliegenden Klage behauptet die klagende Partei, der Beklagte habe trotz bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft als deren Geschäftsführer in der Zeit von Ende Juli 1983 bis Ende September 1983 weiterhin bei ihr Waren mit einem Zahlungsziel von 60 Tagen gekauft und entgegengenommen und ihr solcherart zumindest fahrlässig einen Schaden in der Höhe des eingeklagten Betrages von 381.027,68 S sA zugefügt. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, er habe keineswegs schuldhaft verspätet den Konkurseröffnungsantrag gestellt, sondern nach Übernahme der Geschäftsanteile seines Vaters Konzepte zur erfolgversprechenden Weiterführung des Unternehmens erarbeitet und weiter damit rechnen können, daß sein Vater so wie in den vorangegangenen Jahren einen allfälligen Geschäftsverlust des Jahres 1983 durch Nachlaß von Forderungen, welche der in dessen Eigentum stehenden Einzelfirma G*** Pumpen-, Motoren- und Ölbrennerfabrik W. G*** als Hauptgläubigerin der G*** Betriebsgesellschaft mbH gegenüber dieser Gesellschaft zustanden, "sanieren" würde. Ohne daß vorher Klagen oder Exekutionen gegen die Gesellschaft mbH anhängig gewesen seien, sei es durch eine Kreditsperre der L*** am 11./12.Oktober 1983 schlagartig zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gekommen. Die klagende Partei hätte im übrigen durch Geltendmachung ihres Eigentumsvorbehaltes an den von ihr gelieferten Waren den behaupteten Schaden mindern können.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf im wesentlichen die vom Berufungsgericht wie folgt zusammengefaßten Feststellungen: Die G*** Betriebsgesellschaft mbH erlitt in den Jahren 1979 bis 1982 buchmäßige Verluste von rund 45 Mill S; die daraus resultierende Überschuldung wurde jeweils dadurch "saniert", daß sich der Vater des Beklagten und Alleingesellschafter bereit erklärte, auf Forderungen der Einzelfirma G*** gegen die G*** Betriebsgesellschaft mbH zu verzichten und teilweise auch Verlustabdeckungsbeiträge zu leisten. Der Eintritt einer Insolvenz für den Fall, daß der Alleingesellschafter nicht auf Forderungen verzichtet und dadurch die Bilanzen saniert, war dem Beklagten und dem mit der Überwachung der Gebarung betrauten Aufsichtsrat stets bekannt. Demgemäß wurden bereits im Jahre 1982 in den Aufsichtsratssitzungen Konzepte zur Besserung der Situation überlegt. Der G*** Betriebsgesellschaft mbH war von der Ö*** L*** ein Kreditrahmen in der Höhe von
17,600.000 S eingeräumt worden; die Absicherung dieses Kredites erfolgte durch Zessionen und eine persönliche Haftung des Vaters des Beklagten. Die Voraussetzungen für das Aufrechtbleiben des Kreditverhältnisses wurden von der Bank in Abständen von jeweils einem halben Jahr bis zu einem Jahr überprüft. Der letzte Revisionsbericht der Bank vom 31.März 1983 erfaßte den Stand zum 31. Dezember 1982 und verwies darauf, daß zur Sanierung des Unternehmens eine Kostensenkung allein nicht ausreiche, sondern zusätzliche aggressive Marktpolitik erforderlich sei. Für die L*** stellten die Schwierigkeiten der G*** Betriebsgesellschaft mbH keinen Grund zur Besorgnis dar, weil der Vater des Beklagten persönlich haftete. Außerdem wurde die L*** während der Prüfung auch über die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen des Unternehmens informiert. Im Mai 1983 fand noch eine Besprechung zwischen Vertretern der Bank und der G*** Betriebsgesellschaft mbH statt, an der auch der Beklagte und dessen Vater teilnahmen. Dabei wurde klargestellt, daß die Rationalisierungsmaßnahmen weiter zu verfolgen seien. Der Kredit wurde bis 31.Juli 1983 prolongiert. Es sollten die von der Firma gesetzten Maßnahmen abgewartet werden. Am 7.Juni 1983 fand eine Aufsichtsratssitzung der G*** Gesellschaft mbH statt, bei welcher der bisherige Alleingesellschafter Georg S***-B*** seine Gesellschaftsanteile dem Beklagten übertrug. Grund für den Rückzug des bisherigen Gesellschafters waren dessen hohes Alter sowie unterschiedliche wirtschaftliche Auffassungen zwischen Vater und Sohn über das weitere Produktionsprogramm und über eine Kooperation mit ausländischen Firmen. Der Beklagte unterhielt damals bereits Kontakte zur P*** KG in der Bundesrepublik Deutschland und der Firma P*** in Turin. In dieser Aufsichtsratssitzung verpflichtete sich der Vater des Beklagten, wie schon in den vorausgegangenen Jahren auch für das Jahr 1982 die Verluste der Gesellschaft mbH abzudecken. Es wurde damals aber nicht darüber gesprochen und es "stand auch nicht im Raum", daß dies die letzte Verlustabdeckung sein sollte. Eine Verpflichtung des Vaters des Beklagten zu weiteren Verlustabdeckungen bestand nicht, er war jedoch trotz seines Ausscheidens aus der Gesellschaft an der weiteren Entwicklung der G*** Betriebsgesellschaft mbH interessiert. Die weiteren Sanierungskonzepte wurden mit seinem Generalbevollmächtigten Dr. D*** erörtert, eine allfällige Beteiligung des Vaters war zu gewärtigen. Dr. D*** erklärte auch im Einverständnis mit dem Vater, daß die Möglichkeit einer Bilanzsanierung für das Jahr 1983 bestehe. Neben anderen Sanierungskonzepten wurde insbesondere die Kooperation mit der P*** AG im Zusammenhang mit einer Verlegung des Standortes nach Deutschland erörtert. Im Hinblick auf die Sanierungskonzepte und die persönliche Haftung des Vaters des Beklagten bestand für die L*** kein Grund zur Besorgnis. Der Kredit wurde daher am 31. Juli 1983 bis 30.September 1983 prolongiert. Ende August 1983 stellte sich heraus, daß der Kooperationsplan mit der P*** KG nicht innerhalb eines Jahres zu verwirklichen war. Im September 1983 fanden noch Gespräche über eine allfällige Forcierung des Zeitplanes statt. Als auch diese nicht zum Ziele führten, kam es am 13.Oktober 1983 zu einer Besprechung in der Ö*** L***.
Dr. D*** stellte bei dieser Unterredung klar, daß der Vater des Beklagten im Hinblick auf das Scheitern der Sanierungsversuche nicht für weitere Verluste gutstehen werde. Noch am selben Tag teilte der Vater des Beklagten der L*** auch selbst mit, daß er zu einer weiteren Verlustabdeckung nicht mehr bereit sei. Daraufhin teilte die L*** am 14.Oktober 1983 der G*** Gesellschaft mbH mit, daß weitere Dispositionen über das Kreditkonto nicht mehr zugelassen werden. Durch diese Kreditsperre wurde eine Weiterführung des Betriebes unmöglich. Das Konkursverfahren ist nach wie vor anhängig. Ein Vergleich der Eröffnungsbilanz 1983 = Schlußbilanz 1982 mit dem Status per 16.Oktober 1983 ergibt für die ersten neuneinhalb Monate des Jahres 1983 einen Verlust in der Größenordnung von 6,5 Mill S. Hochgerechnet auf ein volles Jahr würde sich der Verlust auf etwa 8 Mill S belaufen. Im Jahre 1983 bestanden noch Forderungen des Vaters des Beklagten gegen die G*** Betriebsgesellschaft mbH in der Höhe von etwa
9,3 Mill S. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung waren gegen die G*** Betriebsgesellschaft mbH keine Klagen oder Exekutionen anhängig. Ihre Zahlungsunfähigkeit ist schlagartig durch die Kreditsperre der Ö*** L*** eingetreten. Für den Beklagten war die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit allenfalls nach Scheitern der Sanierungsgespräche Ende September 1983, jedenfalls aber am 13.Oktober 1983 mit der Mitteilung seines Vaters an die L*** gegeben, daß er zu einer weiteren Verlustabdeckung nicht mehr bereit sei. Die Sanierungskonzepte haben im Jahr 1983 zu einem Teilerfolg geführt. In der Zeit von Ende Juli 1983 bis Ende September 1983 hatte der Beklagte bei der klagenden Partei diverse Artikel aus deren Rahmenprogramm mit einem Fakturenwert von 381.027,68 S bestellt. Zum Zeitpunkt der Bestellung bestand für den Beklagten kein Anlaß anzunehmen, daß die bestellten Waren nicht bezahlt werden könnten.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, die Bestellung bei der klagenden Partei in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der G*** Betriebsgesellschaft mbH vorgenommen zu haben, weil die Zahlungsunfähigkeit erst durch die Kreditsperre eingetreten sei. Das Berufungsgericht hielt weder die Verfahrens- und Aktenwidrigkeitsrüge sowie Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung noch die Rechtsrüge der klagenden Partei für gerechtfertigt. Es verwies auf die Lehre und Rechtsprechung, wonach Gläubiger einer Gesellschaft mbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder nicht ausreichende Deckung gefunden haben, grundsätzlich den Geschäftsführer auf Ersatz jenes Schadens in Anspruch nehmen können, den er ihnen durch ein deliktisches oder gegen ein Gesetz zum Schutz der Gläubiger verstoßendes schuldhaftes Verhalten zugefügt habe; als gesetzliche Schutzbestimmungen kämen vor allem § 159 StGB, § 114 ASVG, § 85 GesmbHG bzw. nunmehr § 69 KO nF in Frage. Die klagende Partei leite ihren Schadenersatzanspruch daraus ab, daß der Beklagte als Geschäftsführer der G*** Betriebsgesellschaft mbH in zumindest fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieser Gesellschaft die Befriedigung zumindest eines Gläubigers dadurch vereitelt oder geschmälert habe, daß er eine neue Schuld eingegangen sei. Allenfalls werde ihm ein Verstoß gegen die §§ 69 und 67 KO nF vorgeworfen, weil er trotz Überschuldung der G*** Betriebsgesellschaft mbH nicht rechtzeitig, also schon vor den gegenständlichen Bestellungen, einen Antrag auf Konkurseröffnung gestellt und hiedurch zum Nachteil der klagenden Partei gegen eine Bestimmung zum Schutz der Gläubiger verstoßen habe. Zahlungsunfähigkeit sei gegeben, wenn ein Schuldner objektiv generell mangels bereiter Mittel nicht nur vorübergehend außerstande die fälligen Geldforderungen bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung in angemessener Frist regelmäßig zu zahlen. Symptome der Zahlungsunfähigkeit seien etwa Nichtleistung nach Verurteilung in mehreren Verfahren, nach fruchtlosen Mahnungen oder ergebnisloser Exekution sowie die Tilgung immer nur der dringendsten Verbindlichkeiten. Diese Voraussetzungen hätten für die G*** Betriebsgesellschaft mbH in der Zeit bis Ende September 1983 bzw. bis zur Sperre der weiteren Kreditausnützung durch die L*** nicht zugetroffen, weil sie bis dahin ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei und keine Klagen oder Exekutionen gegen sie anhängig gewesen seien. Zutreffend habe das Erstgericht daher ausgesprochen, daß dem Beklagten ein Verstoß gegen § 159 Abs 1 Z 2 StGB nicht angelastet werden könne. Zur Frage der insolvenzrechtlich bedeutsamen Überschuldung habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 655/86 (WBl. 1987, 74 ff) ausführlich Stellung genommen und dort insbesondere ausgeführt: "Es ist heute weiterhin anerkannt, daß eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven anzunehmen ist. Ein derartiges Verständnis des Überschuldungstatbestandes ist auf dem Gebiet der Unternehmensinsolvenzen praktisch nicht anwendbar, weil bei einer solchen Beurteilung auch gesunde, aber fremdfinanzierte Unternehmen überschuldet wären. Selbst eine unter Verwendung von Liquidationswerten sich ergebende rechnerische Überschuldung verpflichtet noch nicht zur Eröffnung des Konkurses über eine Kapitalgesellschaft. Die Überschuldungsprüfung ist daher durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen sorgfältige Analysen über Verlustursachen, einen Finanzierungsplan sowie die Zukunftsaussichten der Gesellschaft vorzunehmen sind und die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen ist. Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung liegt demnach nur vor, wenn die Fortbestehensprognose ungünstig, d.h. die Liquidation oder Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich ist. Der Überschuldungstatbestand ist daher auf jene Fälle zu reduzieren, in denen die Lebensfähigkeit der Gesellschaft unter Bedachtnahme auf eingeleitete Sanierungsmaßnahmen nicht hinreichend, d.h. mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit, gesichert ist, eine rechnerische Unterbilanz daher nicht durch eine geschätzte zukünftige positive Entwicklung ausgeglichen werden kann."
Von diesen rechtlichen Überlegungen ausgehend, könne vorliegendenfalls dem Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, gegen die Gläubigerschutzbestimmungen der §§ 69 und 67 KO nF verstoßen zu haben. Wohl sei die G*** Betriebsgesellschaft mbH auf Grund der Bilanz 1982 überschuldet gewesen, doch seien die Verluste des Jahres 1982 vom Vater des Beklagten abgedeckt worden. Die vom Beklagten eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen hätten im Ergebnis bewirkt, daß der Verlust im Jahre 1983 erheblich geringer gewesen sei als jener des Jahres 1982 von rund 14 Mill S. Diese auch von der L*** nicht negativ beurteilten Sanierungsmaßnahmen hätten zu einem wesentlichen Teil in Kooperationsbemühungen bestanden, so daß eine endgültige Abschätzung des Erfolges erst nach Beendigung der diesbezüglichen Gespräche möglich gewesen sei. Im Hinblick auf diese Sanierungsbemühungen habe der Beklagte mit einer Verlustabdeckung auch für das Jahr 1983 durch seinen Vater rechnen können, zumal in diesem Jahr noch Forderungen desselben gegen die G*** Betriebsgesellschaft mbH von über 9 Mill S bestanden hätten. Demnach habe der Beklagte zunächst durchaus von erfolgversprechenden Aussichten der Sanierungsmaßnahmen und Kooperationsbemühungen ausgehen dürfen und erst dann erkennen müssen, daß keine positive Entwicklung zu erwarten und eine günstige Fortbestehensprognose daher nicht gegeben sei, als sich herausgestellt habe, daß die geplante Kooperation mit der P*** KG nicht genügend rasch zu einer Sanierung führen würde und sich eine Forcierung eines diesbezüglichen Zeitplanes letztlich als nicht realisierbar erwiesen habe. Dies sei aber erst Ende September 1983, also keineswegs vor den gegenständlichen Bestellungen bei der klagenden Partei, der Fall gewesen.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Revisionswerberin macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, "allenfalls der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens" geltend und führt wie folgt aus:
Der Beklagte habe Sanierungsmaßnahmen, welche eine positive Entwicklung und die Abwehr der Überschuldungsbilanz wahrscheinlich erscheinen ließen, nur gemeinsam mit diversen Gremien erwogen, nicht aber eingeleitet. Die Verminderung des Verlustes von 14 Mill S auf 9 Mill S sei nicht auf solche Maßnahmen, sondern auf eine verminderte Kapazität zurückzuführen. Der Vater des Beklagten hätte nur die Zahlungsunfähigkeit der Firma, nicht aber die Überschuldung abwenden können. Eine Verpflichtungserklärung, den Verlust des Jahres 1983 abzudecken, habe er nie übernommen. Die Kontaktgespräche seien bereits Ende August 1983 gescheitert gewesen, andere Sanierungskonzepte hätten damals nicht mehr bestanden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte daher die mangelnde Sanierbarkeit des Unternehmens binnen angemessener Frist erkennen müssen. Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes habe die Lehre gefolgert, daß zur Vermeidung von Haftungsfolgen für die Geschäftsführung die Sanierungsmaßnahmen bereits vorgenommen und darüberhinaus sorgfältig geplant sein und die Möglichkeit der Rettung des Unternehmens für sich haben müßten. Der Beklagte habe Kenntnis von der Überschuldung des Unternehmens in der Höhe von 78 Mill S und auch davon gehabt, daß eine Sanierung nur durch Übertragung des Unternehmens an Dritte möglich sei. In der Aufnahme von Kontakten mit Drittfirmen im Jahre 1983 und deren Scheitern bereits im August 1983 könne kein sorgfältig geplanter Sanierungsversuch gesehen werden. Feststellungen zum Sanierungskonzept seien nicht getroffen worden, weil ein solches niemals konkretisiert worden sei und im Juni 1983 nur noch in der Unternehmensübertragung bestanden habe. Die Geschäftsführung hätte zu diesem Zeitpunkt im Interesse der Gläubiger die Frage der Unternehmensführung auch ohne Übertragung an Dritte prüfen müssen und sie sei bei dieser Prüfung offenbar zur Ansicht gekommen, daß der Fortbestand nur mit Hilfe Dritter möglich sei. Hierin liege aber keine Fortbestandsprognose, welche das Hinausschieben des Insolvenzverfahrens rechtfertigen könne. Doralt-Nowotny, RdW 1987, 146, bezweifelten überhaupt, ob wegen einer positiven Fortführungsprognose auf Dauer ein Jahresabschluß hingenommen werden dürfe, der eine Überschuldung ausweise. Es sei zu fordern, daß vorerst so viel Eigenkapital zugeführt werde, daß die Überschuldung der Handelsbilanz bereinigt werde. Auch in der Entscheidung 11 Os 59, 60/86 sei eine verbindliche Erklärung der Übernahme des Unternehmens durch einen zahlungskräftigen Erwerber gefordert worden. Eine solche Zusage sei dem Beklagten nicht gemacht worden. Spätestens bei Übernahme des Unternehmens durch den Beklagten hätte sich dieser der Mitwirkung seines Vaters auch für die Zukunft durch eine entsprechende Verpflichtungserklärung desselben versichern müssen. Die vage Zusage seiner möglichen Mitwirkung für den Fall erfolgreicher Sanierungskonzepte reiche für die Wahrung kaufmännischer Sorgfaltspflicht nicht aus.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht hat zutreffend die allgemeinen Voraussetzungen der Haftung eines Geschäftsführers gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wegen Verstoßes gegen die Schutzbestimmungen der §§ 69, 67 KO bei nicht rechtzeitiger Konkursanmeldung dargelegt. Die Klagebehauptung, die G*** Betriebsgesellschaft mbH sei im Zeitpunkt der Warenbestellungen durch den Beklagten bei der klagenden Partei zahlungsunfähig gewesen, wurde im Verfahren widerlegt und wird in der Revision nicht aufrechterhalten.
In der Frage, ob die Anmeldung des Gesellschaftskonkurses durch den Beklagten am 14.Oktober 1983 im Hinblick auf die schon seit längerer Zeit gegebene Überschuldung der Gesellschaft rechtzeitig war, stützte sich das Berufungsgericht im wesentlichen auf die in der Entscheidung 1 Ob 655/86 des Obersten Gerichtshofes (= WBl. 1987, 74 = RdW 1987, 126) enthaltenen und oben wiedergegebenen Beurteilungskriterien. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Überschuldungstatbestand unter Berücksichtigung auch der Fortführungsaussichten einer Gesellschaft hat Burger, WBl. 1988, 144 ff, bis hin zur vorgenannten Entscheidung dargestellt und erörtert. Auch Doralt-Nowotny (RdW 1987, 146) hatten bereits zu dieser neueren Rechtsprechung, wonach für die Feststellung einer Überschuldung nicht jedes Überwiegen der Passiven, sondern die berechtigten Erwartungen der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens maßgebend sein müssen, Stellung genommen und sie grundsätzlich - von den dort genannten Einschränkungen abgesehen - ebenso wie Wilhelm in der Entscheidungsbesprechung WBl. 1988, 76 positiv beurteilt. Die weiteren Entscheidungen 6 Ob 508, 509/86 = WBl. 1988, 129, 3 Ob 520/86 = RdW 1988, 44, 8 Ob 608/87 = JBl 1989, 53 und 6 Ob 524/87 schlossen sich dieser neuen Rechtsprechung an. Voraussetzung für die Beurteilung, ob eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung vorliegt, ist bei eingetretener rechnerischer Verschuldung daher zunächst eine auf die gegebenen Sanierungsmöglichkeiten gestützte Fortführungsprognose, welche sorgfältige Analysen über die Verlustursachen, den Finanzierungsplan sowie die Zukunftsaussichten der Gesellschaft erfordert. Das Erstgericht hat zusätzlich zu dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt noch folgende Tatsachenfeststellungen getroffen: Auf Grund der im Jahre 1980 erlittenen Verluste war eine vollständige Aufzehrung der Eigenmittel der G*** Betriebsgesellschaft mbH, d.h. sowohl des Stammkapitals als auch der stillen Einlage des Alleingesellschafters, eingetreten. Zu einer Überschuldung kam es deswegen nicht, weil vorerst Abdeckungsbeträge von über 11 Mill S geleistet wurden. Im Jahre 1981 konnte eine Überschuldung wiederum nur dadurch abgedeckt werden, daß der Alleingesellschafter Verluste von über 14 Mill S übernahm. Im Hinblick auf die völlige Aufzehrung des Eigenkapitals erfolgte die Finanzierung des Nettobilanzvolumens von über 101 Mill S ausschließlich über Fremdkapital. Da Sanierungsversuche noch nicht effizient geworden waren, brachte das Jahr 1982 neuerlich hohe Verluste und der Alleingesellschafter leistete zur Vermeidung einer Insolvenz eine Verlustabdeckung von über 14 Mill S.
Hinsichtlich der Sanierungsversuche hatte das Erstgericht, wie bereits oben wiedergegeben wurde, weiters folgendes festgestellt: Im Jahre 1982 wurden in einer Aufsichtsratssitzung Konzepte zur Besserung der finanziellen Situation überlegt. Im Revisionsbericht vom 31.März 1983 wurde darauf hingewiesen, daß zur Sanierung eine Kostensenkung allein nicht ausreiche und eine aggressive Marktpolitik erforderlich sei. Die L*** wurde "über die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen" informiert. Im Mai 1983 wurde in Gesprächen mit der L*** klargestellt, daß die Rationalisierungsmaßnahmen weiter zu verfolgen seien und "die von der Firma gesetzten Maßnahmen abgewartet werden sollten". Im Jahre 1983 traten unterschiedliche Auffassungen des Beklagten und seines Vaters über die im weiteren zu setzenden Maßnahmen auf und der Vater schied aus der Gesellschaft aus, wobei er sich zur Abdeckung des Geschäftsverlustes 1982, nicht aber eines solchen für das Jahr 1983 verpflichtete.
Aus diesen erstgerichtlichen Feststellungen insgesamt geht in keiner Weise hervor, welche konkreten und nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch tauglichen Versuche zur Sanierung der Gesellschaft im einzelnen geplant waren und auch tatsächlich unternommen wurden. Feststellungen dazu, inwieweit die rein rechnerische Überschuldungsprüfung im Rahmen der Sanierungspläne durch eine hiebei anzustellende Fortbestehensprognose ergänzt wurden und diese nach einer sorgfältigen Analyse der Verlustursachen, Erstellung eines entsprechenden Finanzierungsplanes und Beurteilung der Zukunftsaussichten der Gesellschaft positiv ausgefallen sei, so daß die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Zahlungsunfähigkeit zu verneinen war, wurden nicht getroffen. Da der Vater des Beklagten als Alleingesellschafter im vorhinein niemals und schließlich erst recht nach seinem Ausscheiden als Gesellschafter auch für das Jahr 1983 eine rechtliche Verpflichtung zur Abdeckung der Gläubigerforderungen nicht übernommen hatte, so daß kein rechtfertigender Grund zur Annahme bestand, er werde auch für das Jahr 1983 die Verluste der Gesellschaft abdecken, ist hier allein entscheidend, ob der Beklagte nach der konkreten Art der geplanten und der auch tatsächlich unternommenen Sanierungsversuche bei Anwendung jener objektiv zu beurteilenden Sorgfalt, die den Fähigkeiten und Kenntnissen, welche von einem Geschäftsführer in dem betreffenden Geschäftszweig üblicherweise erwartet werden können, entspricht und die ein im kaufmännischen Leben erforderliches Eingehen wirtschaftlicher Risken nicht ausschließt, im Jahre 1983 noch überzeugt sein durfte, daß diese seine Sanierungskonzepte erfolgreich und ihre Verwirklichung ernsthaft möglich sein werden (vgl. WBl. 1988, 129 und RdW 1988, 44; Chalupsky-Ennökl-Holzapfel, Handbuch des österreichischen Insolvenzrechtes 31). Zutreffend verweist die Revisionswerberin darauf, daß im Jahre 1983 aufgenommene bloße Kontakte zu Drittfirmen über eine Kooperation mit der G*** Betriebsgesellschaft mbH für sich allein nicht als sorgfältig geplante Sanierungsversuche gewertet werden können, weil hiedurch allein die Lebensfähigkeit des Unternehmens nicht schon mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesichert werden konnte. Mangels konkreter Feststellungen über die von der G*** Betriebsgesellschaft mbH bereits im Jahre 1982 in den Aufsichtsratssitzungen konzipierten und auch in der Folge in Zusammenarbeit mit der L*** bzw. zuletzt auch dem Generalbevollmächtigten des Vaters des Beklagten geplanten und durchgeführten (Kostensenkung, Rationalisierung, aggressive Marktpolitik, "neben anderen Sanierungsmaßnahmen" auch Kooperationsverhandlungen) Sanierungsmaßnahmen und ihre Konzepte und Erfolgsaussichten ist die rechtliche Beurteilung dieses Falles noch nicht abschließend möglich. Die vorinstanzlichen Urteile waren daher in Stattgebung der Revision aufzuheben; das Erstgericht hat nach Verfahrensergänzung neuerlich in der Rechtssache zu entscheiden. Die Entscheidung über Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E16880European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00502.88.0126.000Dokumentnummer
JJT_19890126_OGH0002_0080OB00502_8800000_000