TE OGH 1989/8/30 2Ob84/89

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Veröffentlicht am 30.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philipp A***, Angestellter, 4690 Schwanenstadt, Philippsberg 16, vertreten durch Dr.Erwin Höller, Dr.Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Maximilian E***, Kraftfahrer, 4631 Krenglbach, Wörist 8, 2. Theresia V***, Gastwirtin, 4222 St.Georgen a.d.Gusen, Abwinden 14, beide vertreten durch Dr.Ulrich Schwab, Rechtsanwalt in Wels, 3. D*** A***, Allgemeine Versicherungs-AG, 1010 Wien, Hoher Markt 10-12, vertreten durch Dr.Christian Slana, Dr.Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 18.388,-- sA, infolge Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 20.Oktober 1988, GZ R 806/88-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 4.August 1988, GZ 5 C 2/87-22, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger machte gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 22.Oktober 1986 in Wels in der Höhe von S 18.388,-- sA mittels Mahnklage geltend. An dem Unfall waren der Kläger mit seinem PKW Ford Capri, pol. KZ. O-217.528 und der Erstbeklagte als Lenker des PKWs Volvo, pol. KZ. 0-744.649, dessen Halterin die Zweitbeklagte und dessen Haftpflichtversicherer die drittbeklagte Partei waren, beteiligt. Vorerst ergingen Zahlungsbefehle gegen sämtliche Beklagten, welche infolge Einspruches des Erstbeklagten und der drittbeklagten Partei gegenüber diesen Parteien außer Kraft gesetzt wurden. Die Zweitbeklagte erhob keinen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl. Das Erstgericht erkannte den Erstbeklagten und die drittbeklagte Partei schuldig, dem Kläger den Klagebetrag von S 18.388,-- sA zu bezahlen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der drittbeklagten Partei Folge, änderte das Urteil des Erstgerichtes ab und wies das Klagebegehren ab. Dem Erstbeklagten wurde die Wiedereinsetzung gegen die Zersäumung der Berufungsfrist bewilligt. Die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des erstgerichtlichen Urteiles ihm gegenüber wurde aufgehoben.

Der Kläger beantragte, den Zahlungsbefehl gegen die Zweitbeklagte auszufertigen und ihm mit der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung versehen zuzustellen. Diesen Antrag wies das Erstgericht ab. Es führte in seiner Begründung aus, daß das Verfahren gegen die Zweitbeklagte noch nicht abgeschlossen und der gegen sie erlassene Zahlungsbefehl nicht in Rechtskraft erwachsen sei, weil der von der drittbeklagten Partei erhobene Einspruch auch für die Zweitbeklagte gelte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles gegen die Zweitbeklagte zu bestätigen und eine Ausfertigung mit dieser Bestätigung an den Klagevertreter zuzustellen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Nach § 24 KHVG (vormals § 63 Abs. 3 KFG) wirke ein Urteil, soweit dadurch ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten anerkannt wird, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherten. Die Verbundenheit der prozessualen Stellung des Versicherers und des Versicherten im selben Prozeß sei jedoch nicht so eng, wie dies sonst bei einer einheitlichen Streitpartei der Fall ist. Die den Streitgenossen in ihrem Verhältnis untereinander und im Verhältnis zum Prozeßgegner zustehende selbständige Dispositionsbefugnis könne daher nicht über das durch das Gesetz gedeckte Ausmaß hinaus Einschränkungen unterworfen werden. Auf die Prozeßhandlungen und Unterlassungen des Versicherers und des Versicherten finde § 14 ZPO daher nur insoweit Anwendung, als dies zur Verwirklichung der im § 24 KHVG vorgesehenen Erstreckungswirkung eines den Schadenersatzanspruch hinsichtlich des Versicherers bzw. des Versicherten aberkennenden rechtskräftigen Urteiles auf den anderen Streitgenossen erforderlich ist. Darüber hinaus bleibe die den Parteien zustehende Dispositionsbefugnis aufrecht. Insbesondere seien Prozeßhandlungen wie Anerkenntnis- und Versäumungsurteil, Unterlassung der Anfechtung eines stattgebenden Urteils, Klagsrücknahme, Vergleich und Ruhensvereinbarung, die einen Streitgenossen betreffen, lediglich für diesen rechtswirksam. In diesem Sinn sei auch die Unterlassung der Erhebung eines Einspruches als nur gegenüber der Zweitbeklagten wirkende Prozeßhandlung anzusehen. Der Zahlungsbefehl sei durch den Einspruch der drittbeklagten Partei nicht außer Wirksamkeit gesetzt worden. Daß ein derart in Rechtskraft erwachsener Zahlungsbefehl, sowie auch ein vorher ergangenes rechtskräftiges, der Klage stattgebendes Urteil durch eine nachfolgende abweisliche Entscheidung wieder vernichtet würde, könne aus der Bestimmung des § 24 KHVG aber nicht entnommen werden.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten, in welchem sie beantragt, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Kläger erstattete eine Rekursbeantwortung, die jedoch unzulässig ist. Der die Rekursbeantwortung behandelnde § 521 a ZPO ist keine allgemeine Bestimmung über das Rechtsmittel des Rekurses, sondern bezieht sich nur auf wenige bestimmte Beschlüsse des Streitverfahrens, worunter aber der vorliegende Beschluß des Rekursgerichtes nicht fällt (3 Ob 18/84; 3 Ob 13/86 u.a.). Die Rekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Aber auch der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Das Rekursgericht steht auf dem Boden der nunmehr ständigen Rechtsprechung: Gemäß § 24 KHVG 1987 - der mit dem aufgehobenen § 63 Abs. 3 KFG 1967 korrespondiert, sodaß die bisherige Rechtsprechung dazu weiterhin angewendet werden kann (2 Ob 72/88) - verbietet sich die Heranziehung der für die einheitliche Streitpartei entwickelten Grundsätze insoweit, als im Hinblick auf die Verschiedenheit der Haftung von Versicherer und Versichertem ein die Klage hinsichtlich des einen der Streitgenossen aberkennendes Urteil keineswegs auch gegenüber dem anderen im gleichen Sinne ausfallen muß. Sie bilden lediglich insoweit eine einheitliche Streitpartei, als der gegen sie vorgebrachte Haftungsgrund identisch ist und es zur Verwirklichung der im § 63 Abs. 3 KFG = § 24 KHVG vorgesehenen Erstreckungswirkung eines die Schadenersatzklage rechtskräftigen aberkennenden Urteils erforderlich ist. Darüber hinaus bleibt die den Parteien zustehende Dispositionsbefugnis aber aufrecht (vgl. SZ 48/82; EvBl. 1968/123; ZVR 1974/185; JBl. 1974, 375; ZVR 1976/84; ZVR 1982/365 u.a.). Im vorliegenden Fall hinderte der infolge unterlassener Erhebung eines Einspruches der Zweitbeklagten gegenüber erlassene stattgebende Zahlungsbefehl, der keinerlei Erstreckungswirkung im Sinne des § 24 KHVG entfaltete, nicht die Erlassung anders lautender Entscheidungen in dem gegen den Erstbeklagten und die drittbeklagte Partei durchgeführten Verfahren (SZ 48/82; ZVR 1974/185; 2 Ob 72/88 u. a.). Da die Beklagten demgemäß auch keine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO bildeten, konnten die von dem Erstbeklagten und der drittbeklagten Partei erhobenen Einsprüche nicht die Wirkung eines Außerkrafttretens des Zahlungsbefehles (§ 452 Abs. 1 ZPO) auch gegenüber der Zweitbeklagten entfalten (2 Ob 72/88). Die in den weiter geführten Verfahren gegen den Erstbeklagten zu erwartenden bzw. gegen die drittbeklagte Partei bereits getroffenen Entscheidungen können aber nicht mehr auf den zufolge der Dispositionsfreiheit der Zweitbeklagten im oben dargestellten Sinn rechtskräftig gewordenen Zahlungsbefehl zurückwirken.

All dies hat das Rekursgericht richtig erkannt und sich dabei im Rahmen der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten. Zur Beurteilung der vorliegenden Fallkonstruktion bedurfte es daher keiner neuerlichen Befassung des Höchstgerichtes. Da dieses gemäß § 526 Abs. 2 ZPO bei der Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels an den Ausspruch des Rekursgerichtes nach § 528 Abs. 2 ZPO nicht gebunden ist, war der Revisionsrekurs in Wahrnehmung dieser Bestimmung daher wie im Spruch zurückzuweisen.

Anmerkung

E18285

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00084.89.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19890830_OGH0002_0020OB00084_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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