TE OGH 1989/11/9 12Os106/89

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Veröffentlicht am 09.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut Josef V*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 31. Mai 1989, GZ 15 Vr 624/88-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten Helmut Josef V*** und des Verteidigers Dr. Götz zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 8.Mai 1962 geborene Helmut Josef V*** wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Sommer 1987 in Zurndorf die seiner Aufsicht unterstehende sechsjährige Sandra P*** unter Ausnützung seiner Stellung auf andere Weise als durch Beischlaf dadurch zur Unzucht mißbraucht hat, daß er an der entblößten Scheide des Kindes leckte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt nicht durch. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung des in der Hauptverhandlung am 31.Mai 1989 gestellten Antrages, eine psychiatrisch-psychologische Untersuchung des Angeklagten mit Gutachtenserstattung zum Nachweis dafür vorzunehmen, "daß keinerlei Hinweise für eine sexuell abartige Verhaltensweise und Beziehung zu kleinen Kindern beim Angeklagten gegeben war" (S 118), Verteidigungsrechte nicht geschmälert; denn aus der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (S 127) ist eindeutig ersichtlich, daß auch ein - hypothetisch unterstelltes - positives Ergebnis der beantragten Beweisaufnahme an der Gesamtwürdigung nichts geändert hätte, und zwar an Hand der gerichtsnotorischen und damit keines Beweises bedürftigen Erkenntnis, daß einmalige sexuelle Verfehlungen der gegenständlichen Art ihrer Natur nach durch kein seelenkundliches Gutachten ausgeschlossen werden können. Fehl geht auch die Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten. Da auf den Intimbereich Bezug habende Spannungen sehr häufig vor Außenstehenden verborgen werden, mußten - der Beschwerde zuwider - die Angaben der Eheleute S*** darüber, daß weder das Kind noch dessen Mutter "psychisch irritiert" erschienen, obwohl Letztere am Tag des Beisammenseins über den (angeblichen) Vorfall bereits informiert war und in diesem Zeitpunkt bereits die Absicht hatte, dem Angeklagten einen erpresserischen Drohbrief zu schreiben, nach der von der Strafprozeßordnung geforderten bloß gedrängten Urteilsbegründung (§ 270 Abs. 2 Z 5) nicht weiter erörtert werden. Die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe eine offenbar unzureichende Begründung dafür gegeben, weshalb es den vorsätzlichen Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses annehme, läßt die tatrichterliche Konstatierung unbeachtet, wonach der Angeklagte seine zur Tatzeit knapp sechsjährige Nichte über Ersuchen ihrer Eltern beaufsichtigt, das Mädchen dann vor dem Einschlafen im Kinderzimmer aufgesucht und auf die inkriminierte Weise sexuell mißbraucht hat. Da allein schon diese in der Beschwerde übergangenen Umstände hinreichen, die Annahme des vorsätzlichen Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses zu untermauern, erübrigen sich zu diesem Punkt weitere Erörterungen.

Den weitwendigen, die gerichtliche Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. S*** betreffenden Beschwerdeausführungen genügt es zusammenfassend zu erwidern, daß sie teilweise in unzulässiger Weise Passagen des Ergänzungsgutachtens (S 109) aus ihrem Zusammenhang lösen (so setzte der Experte der Erklärung, es sei möglich, daß ein Kind durch Schläge der Mutter verschüchtert und zu einer bestimmten Aussage gedrängt werde, ausdrücklich hinzu, daß dies nicht wahrscheinlich sei und fügte der Äußerung, bei solchen Fällen sei erwartungsgemäß eine Störung zum Täter anzunehmen, die Kinder lehnten die Beziehung ab und begännen zu weinen, die Ergänzung bei, es gebe auch Fälle, bei denen die menschliche Beziehung nach einem solchen Vorfall gleichbleibe), teilweise auf Umstände Bezug nehmen, die im Urteil ohnehin gewürdigt wurden (Angaben des Kindes über den genauen Tatzeitpunkt und zunächst unsichere Angaben zur Frage, wo sich der Kopf des Angeklagten während der Tat befand) und im übrigen hypothetische Überlegungen betreffen, die nicht zu den erörterungsbedürftigen Beweisergebnissen (§ 258 Abs. 1 StPO) zählen. Kursorisch kann auch die Antwort auf die in der Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebrachten Argumente ausfallen; denn das gesamte diesbezügliche Vorbringen ist auch nicht annähernd geeignet, Bedenken gegen die den Schuldsprüchen zugrunde gelegten, als erwiesen angenommenen Fakten zu erwecken. Lediglich der Umstand verdient hervorgehoben zu werden, daß nämlich der Angeklagte nach Erhalt des erpresserischen Briefes seiner Schwester die Anzeige gegen sie erstattete. Diese Vorgangsweise büßt nämlich ihre den Beschwerdeführer scheinbar entlastende Bedeutung zur Gänze ein, wenn man erwägt, daß nicht der Angeklagte, sondern dessen Lebensgefährtin diesen Brief übernommen, geöffnet und zuerst gelesen hat (S 118), was vom Erstgericht zutreffend als "Sachzwang" (S 127) gewertet wurde, der den Angeklagten zur Anzeigeerstattung (im Sinne einer Flucht nach vorn) veranlaßte.

Schließlich erweist sich auch die Rechtsrüge (Z 10) als nicht zielführend, die Feststellungen dahin reklamiert, in welcher Weise der Angeklagte seine Autorität eingesetzt habe, damit das Mädchen die Unzuchtshandlungen an sich geschehen ließ. Denn angesichts des Alters des Kindes, der Stellung des Angeklagten als Verwandter und von den Eltern mit der Aufsicht über das Mädchen betrauter Person und schließlich unter Berücksichtigung dessen, daß er dem Kind vor den Unzuchtshandlungen die Unterhose ausgezogen hatte (S 123), erscheint mit hinreichender Deutlichkeit konkretisiert, worin das Gericht die mißbräuchliche Ausnützung des Autoritätsverhältnisses erblickte und woraus es den zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 212 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatz ableitete (S 127). Es war sonach die im ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagtem gemäß §§ 28 Abs. 1, 207 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Erschwerend waren dabei das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, das zarte Alter des Kindes und der besonders grobe Vertrauensbruch, dessen sich der Angeklagte schuldig gemacht hatte, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit und das längere Wohlverhalten des Angeklagten seit der Tat.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren vollständige, allenfalls teilweise Umwandlung in eine Geldstrafe anstrebt, ist nicht begründet. Da die Altersgrenze des § 207 StGB bei vierzehn und die des § 212 StGB bei neunzehn Jahren liegt, wurde hier das "zarte Alter" des erst 6-jährigen Opfers mit vollem Recht erschwerend gewertet; von einer "Doppelverwertung" einer schon vom Tatbestand erfaßten Prämisse der Strafbarkeit auch bei der Strafzumessung kann daher keine Rede sein. Ähnliches gilt in Ansehung des Vertrauensmißbrauches, dessen Gewicht vorliegend gewiß dadurch erhöht wird, daß der Angeklagte der Bruder der Mutter des mißbrauchten Kindes und damit dessen naher Angehöriger ist; auch insoweit ist dem kindlichen Alter des Opfers erschwerende Bedeutung beizulegen.

Die tatrichterlichen Strafzumessungsgründe bedürfen mithin keiner Korrektur.

Geht man aber von diesen aus, dann erweist sich die geschöpfte - ohnehin bedingt nachgesehene - Unrechtsfolge bei einem bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatz als durchaus nicht überhöht; sie ist daher einer Ermäßigung unzugänglich.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E18965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00106.89.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19891109_OGH0002_0120OS00106_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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