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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Helfried Kriegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Dezember 2004, Zl. III-1064560/FrB/04, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines bulgarischen Staatsangehörigen, vom 29. November 2004 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab. Dies begründete sie mit dem Hinweis, dass gegen den Beschwerdeführer wegen zweier gerichtlicher Verurteilungen ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Dem Beschwerdeführer sei bereits ein Durchsetzungsaufschub für einen Monat erteilt worden, weshalb er ausreichend Zeit gehabt hätte, seine persönlichen Angelegenheiten im Bundesgebiet zu regeln und nach Ablauf der ihm gewährten Frist selbständig das Bundesgebiet in ein Land seiner Wahl zu verlassen. Er halte sich erst seit dem Jahr 2001 im Bundesgebiet auf und verfüge nicht über familiäre Bindungen in Österreich. Er sei bereits zweimal straffällig geworden. Seine Behauptung, dass in Bulgarien keine entsprechende medizinische Versorgung vorhanden wäre, sei nicht glaubwürdig. Außerdem bestünden keine öffentlichen Interessen an der Bezahlung einer medizinischen Behandlung "ausländischer Straffälliger" im Bundesgebiet. Die öffentlichen Interessen an der Ablehnung seines Antrages seien somit höher zu bewerten als seine privaten Interessen, zumal auch keine familiären oder sonstigen Bindungen zum Bundesgebiet bestünden und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und somit eines geordneten Fremdenwesens ein äußerst hohes öffentliches Interesse bestehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Eine Abschiebung ist gemäß § 57 Abs. 1 FrG dann unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf eine im Zielstaat unmögliche medizinische Behandlung kann bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eine unmenschliche Behandlung, somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK, darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2001, Zlen. 99/21/0096, 0097, mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung des EGMR). Im Rahmen der Prüfung einer behaupteten Unzulässigkeit einer Abschiebung ist daher zu ermitteln, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2001/21/0137).
Die belangte Behörde hat - wie ihre eingangs wiedergegebene Bescheidbegründung zeigt - den Inhalt und den Prüfungsmaßstab des § 56 Abs. 2 FrG verkannt, nahm sie doch im Wesentlichen nur eine - unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK hier nicht zulässige - Abwägung der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und an einem geordneten Fremdenwesen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers vor und verneinte ein öffentliches Interesse "an der Bezahlung einer medizinischen Behandlung ausländischer Straffälliger im Bundesgebiet". Mit der Frage einer allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung im Grunde des Art. 3 EMRK hat sie sich in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage auch nicht ansatzweise auseinandergesetzt.
Wegen dieser Verkennung der Rechtslage war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 17. November 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005210058.X00Im RIS seit
10.02.2006