TE OGH 1990/2/20 4Ob14/90

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Vertragsbediensteter, Himmelberg, Wöllach Nr. 9, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K***-V*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert S 351.000; Revisionsinteresse S 336.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1989, GZ. 4 b R 92/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. Juli 1989, GZ. 22 Cg 81/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.364,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.060,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Obmann des Hypo-Volleyball-Klubs Klagenfurt und gleichzeitig Meldereferent des Österreichischen Volleyballverbandes (ÖVV); nach den Statuten und der Meldeordnung des ÖVV besteht seine Aufgabe u.a. darin, über die Erteilung von Spielberechtigungen an Ausländer zu entscheiden und darauf zu achten, daß nur ordnungsgemäß gemeldete und demnach spielberechtigte Spieler bei Volleyball-Meisterschaftsspielen eingesetzt werden. In der "Neuen Kronen Zeitung - Kärntner Krone" vom 9. März 1989 erschien auf Seite 47 nachstehender Artikel:

Abbildung nicht darstellbar!

Mit der Behauptung, daß er der Veröffentlichung seines Bildes nicht zugestimmt habe und diese Veröffentlichung im Zusammenhang mit den im Artikel erhobenen massiven Anschuldigungen geeignet sei, ihn ins Zwielicht zu rücken und in seiner Umgebung Mißtrauen gegen ihn zu erwecken, begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen,

1. jede Veröffentlichung seines Bildnisses, das in der Ausgabe der periodischen Druckschrift "Kärntner Krone" vom 9. März 1989 auf Seite 47 im Rahmen des Artikels "Die Uhr läuft ab! 'Huber nützte die Doppelfunktion schändlich aus'" veröffentlicht wurde, zu unterlassen, wenn diese Veröffentlichung geeignet ist, die berechtigten Interessen des Klägers zu verletzen, insbesondere wenn im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Bildes behauptet wird, der Kläger habe seine Doppelfunktion als Meldereferent des Österreichischen Volleyball-Verbandes und als Klubfunktionär schändlich bzw. so schändlich wie kein anderer ausgenützt, so daß ihm die "rote Karte" drohe und ihm das Meldereferat entzogen werden würde,

2. dem Kläger S 20.000 sA zu zahlen. Ferner stellt der Kläger ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Mit der Veröffentlichung des Bildes seien die berechtigten Interessen des Klägers nicht verletzt worden. Der Bericht vom 9. März 1989 sei ausgewogen, sei doch auch die Stellungnahme des Klägers zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen wiedergegeben worden. Die Beklagte habe hingegen ein rechtliches Interesse an der Veröffentlichung gerade des beanstandeten Bildnisses gehabt. Das Entschädigungsbegehren sei überhöht; ein Interesse des Klägers an der Urteilsveröffentlichung sei zu verneinen.

Der Erstrichter gab dem Unterlassungs- und dem Veröffentlichungsbegehren zur Gänze und dem Schadenersatzbegehren - unter Abweisung des Mehrbegehrens von S 15.000 sA - mit S 5.000 sA statt. Eine objektive Abwägung der beiderseitigen Interessen führe zu dem Ergebnis, daß durch die Veröffentlichung des Bildnisses, insbesondere durch den Bildtext und die Überschrift, berechtigte Interessen des Klägers verletzt worden seien. Der Ausdruck "schändliches Ausnützen einer Doppelfunktion" bedeute den Vorwurf eines ehrenrührigen Verhaltens. Ob damit nur die Meinung des Generalsekretärs des ÖVV oder aber die Privatmeinung des Journalisten zum Ausdruck gebracht wurde, sei nicht entscheidend. Die Verbindung von Bild und Text wirke für den Kläger herabsetzend. Gerade das Bild des Klägers als Schiedsrichter, der einem Spieler eine offenbar gelbe oder rote Karte zeigt, in Verbindung mit dem Bildtext, daß nun ihm selbst die rote Karte drohe, sei für den Kläger entwürdigend und diene primär der Befriedigung der Sensationslust der breiten Öffentlichkeit. Die Beklagte habe ein eigenes Interesse an der Veröffentlichung nicht behauptet. Das Unterlassungs- und das Veröffentlichungsbegehren seien demnach berechtigt; der Schadenersatzbetrag sei nach § 273 ZPO mit S 5.000 zu bemessen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Streitwert S 300.000 übersteige. Daß der zusammen mit dem Lichtbild des Klägers veröffentlichte Artikel den Kläger in keinem günstigen Licht erscheinen läßt, liege auf der Hand; ebensowenig könne einem Zweifel unterliegen, daß darin negative Tatsachen über das Verhalten des Klägers als Funktionsträger im sportlichen Bereich behauptet worden sind. Durch die Kombination von Bild und Text werde dem dem Kläger zur Last gelegten Verhalten besonderes Gewicht verliehen; dieser Effekt werde durch die Wahl eines Bildes, das den Kläger beim Zeigen einer gelben oder roten Karte darstellt, und den damit korrespondierenden Bildtext, daß ihm "nun selbst die 'Rote' drohe", verstärkt. Ob solche Tatsachenbehauptungen als Mitteilung des Artikelverfassers gebracht oder jemandem anderen in den Mund gelegt werden, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; in jedem Fall würden die berechtigten Interessen eines Menschen verletzt, wenn sein Bild - wie hier - im Zusammenhang mit für ihn abträglichen Ausführungen gebracht wird. Die Beklagte habe in erster Instanz ein eigenes Interesse an der Veröffentlichung des Bildes nicht geltend gemacht; ein solches Interesse - insbesondere ein Nachrichtenwert des Lichtbildes - sei auch nicht zu erkennen. Auch in ihrem Rechtsmittel begründet die Beklagte ein Interesse nur an der Mitteilung der in dem Artikel enthaltenen Tatsachen, nicht aber an der Veröffentlichung des Lichtbildes. Auch das Interesse des Klägers an der Urteilsveröffentlichung sei zu bejahen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Durch diese Bestimmung soll jedermann gegen einen Mißbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also namentlich dagegen, daß er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, daß dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (EB zum UrhG in Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht 161). Das Gesetz legt den Begriff der "berechtigten Interessen" nicht näher fest, weil es bewußt einen weiten Spielraum offenlassen wollte, um den Verhältnissen des Einzelfalles Rechnung tragen zu können (ÖBl. 1974, 97; SZ 50/22; ÖBl. 1980, 166; MR 1989, 52 uva.). Die Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (ÖBl. 1972, 49; ÖBl. 1980, 166; MR 1989, 52 uva.); bei der Entscheidung dieser Rechtsfrage (ÖBl. 1974, 97; ÖBl. 1977, 22 ua) darf nicht das Bild allein betrachtet werden; vielmehr ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (ÖBl. 1980, 166; MR 1988, 17 mwN; MR 1989, 52 ua). Behauptet auch derjenige, der das Bild verbreitet, seinerseits ein Interesse an der Veröffentlichung, dann müssen die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden (SZ 50/22; MR 1989, 52 ua.). Die Beklagte bestreitet, daß sie mit der beanstandeten Veröffentlichung berechtigte Interessen des Klägers verletzt habe (S 95); zumindest überwiege ihr Veröffentlichungsinteresse klar, erfordere doch eine Sportberichterstattung auch Mitteilungen über die Tätigkeit der Sportverbände und -vereine sowie ihrer Funktionäre. Immer wieder ergebe sich die Frage, wie weit ein Vereinsfunktionär auch Verbandsfunktionär sein kann, der als solcher objektiv und unparteiisch sein muß und zum Wohl des gesamten Verbandes und nicht nur seines eigenen Vereins zu wirken hat. Da der Kläger Meldereferent des ÖVV sei, zugleich aber (zumindest früher) Schiedsrichter und Funktionär des Vereins Hypo-Volleyball-Klub Klagenfurt (gewesen) sei, habe ein eminentes Interesse an der Veröffentlichung eines Bildes bestanden, das ihn als Schiedsrichter zeigt. Die beanstandete Bildveröffentlichung habe der "Illustration dieses öffentlichen Interesses dienen" sollen. Gerade der Leser von Sportzeitungen lege in seinem Informationsbedürfnis Wert auf Bilder, welche die Sportberichterstattung plastisch machten. Der Hinweis auf die "rote Karte" in der Bildunterschrift sei nur als Wortspiel zu verstehen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden: Der zusammen mit dem Lichtbild des Klägers veröffentlichte Artikel enthält schwerwiegende Angriffe gegen den Kläger, die auch durch seine - in Klammern wiedergegebenen - Stellungnahmen nicht abgeschwächt werden. Vor allem die blickfangartig herausgestellte und daher von einem weit größeren Personenkreis als der ganze Bericht gelesene Überschrift wirkt sich auf den Kläger unzweifelhaft negativ aus, wird ihm doch dort vorgeworfen, er habe seine Doppelfunktion "schändlich ausgenützt". In dem Text unterhalb des Bildes wird - ebenso wie im letzten Satz des Artikels - angekündigt, daß dem Kläger strafweise die Funktion eines Meldereferenten entzogen werden würde. Daß es den Interessen des Klägers abträglich ist, wenn sein Bild im Zusammenhang mit solchen Mitteilungen in der Öffentlichkeit gezeigt wird, kann nicht bezweifelt werden. Die Beklagte hat zwar, wie sie zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit zutreffend ausführt - ohne damit freilich eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z 3 ZPO aufzuzeigen, die nur dann vorliegt, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden (MR 1986, 16 uva) - schon in erster Instanz ein rechtliches Interesse an der beanstandeten Bildnisveröffentlichung mit dem Hinweis darauf behauptet, daß diese Veröffentlichung der Illustration des Artikels gedient habe (S 23 und 27). Damit ist für sie aber nichts gewonnen:

Ein Interesse der Beklagten daran, (auch) den hier zu beurteilenden Artikel mit einem Lichtbild anzureichern, mag bestanden haben; einem besonderen Informationsbedürfnis hat sie damit aber nicht entsprochen, ist doch ein Nachrichtenwert des Lichtbildes nicht zu erkennen. Vor allem aber muß eine Interessenabwägung deshalb gegen die Beklagte ausfallen, weil sie in ihrem Artikel keineswegs nur objektiv alle für und gegen den Kläger sprechenden Fakten aufgezählt hat, so daß sich jeder Leser selbst ein Bild hätte machen können; vielmehr weist der Artikel nach dem oben Gesagten eindeutig die Tendenz auf, den Kläger in ein schiefes Licht zu rücken. In dem Artikel wird schon als sicher vorausgesagt, daß mit einem gegen den Kläger ausgesprochenen Funktionsentzug zu rechnen sei, weil er seine Doppelfunktion schändlich ausgenützt habe; sein Gegenargument in dem hier maßgebenden Fall Czedula wird sogleich dahin abqualifiziert, daß diese Auffassung nicht von allen geteilt werde, sondern nur mit einem - dem Kläger aber heute von kaum jemandem mehr entgegengebrachten - Wohlwollen vertreten werden könne. Im Hinblick auf diese deutlich erkennbare Tendenz überwiegt das Interesse des Klägers an der Untersagung der Bildnisveröffentlichung bei weitem das der Beklagten an der weiteren Gestattung (vgl. SZ 43/45; SZ 50/22 mwN).

Auf den Veröffentlichungsausspruch und den Zuspruch von S 5.000,-- war nicht einzugehen, weil sich die Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht mehr dagegen gewendet hat. Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20035

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00014.9.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19900220_OGH0002_0040OB00014_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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