TE OGH 1990/5/29 5Ob574/90

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Veröffentlicht am 29.05.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache betreffend Elisabeth I***, Private, Wien 14., Hadersdorfer Hauptstraße 124, vertreten durch Dr. Robert Siemer, Dr. Heinrich Siegl und Dr. Hannes Füreder, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28.3.1990, GZ 44 R 46/90-49, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 6.11.1989, GZ 3 SW 61/88-41, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 15.9.1989 (ON 34) bestellte das Erstgericht die Rechtsanwältin Dr. Ingrid R*** zum Sachwalter der Betroffenen zur Besorgung aller Angelegenheiten, die dem Vormund eines mündigen Minderjährigen zukommt.

Mit Beschluß vom 6.11.1989 (ON 41) wurde für die Betroffene anstelle der am 13.10.1989 verstorbenen Dr. Ingrid R*** gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB Rechtsanwalt Dr. Johannes R*** zum Sachwalter bestellt und sein Aufgabenkreis ident mit dem der Rechtsanwältin Dr. Ingrid R*** umschrieben (Pkt. 1. dieses Beschlusses). Weiters wurde auf die Formvorschrift für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung hingewiesen (Pkt. 2.) und ausgesprochen, daß die Kosten des Verfahrens von der Betroffenen zu tragen sind (Pkt. 3.) sowie dem Sachwalter aufgetragen, der Betroffenen den Inhalt dieses Beschlusses in geeigneter Weise zu erläutern (Pkt. 4.). Die Punkte 2. bis 4. waren unter anderer Nummernbezeichnung auch schon in dem Beschluß ON 34 enthalten gewesen.

Die Betroffene erhob gegen die Beschlüsse ON 34 und 41 Rekurs mit gleichlautenden Anträgen und nahezu identer Begründung. Gegenstand der Entscheidung des Rekursgerichtes und des dagegen erhobenen Revisionsrekurses der Betroffenen ist aber nur noch der erstgerichtliche Beschluß ON 41. Infolge der in den maßgeblichen Punkten gegebenen Inhaltsgleichheit der Beschlüsse ON 34 und 41 sowie der praktisch identen Rechtsmittel dagegen, kann es dabei sein Bewenden haben. Auch der Oberste Gerichtshof hat nur noch - ohne Rechtsnachteil für die Betroffene - die Richtigkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung betreffend den erstgerichtlichen Beschluß ON 41 zu prüfen.

Der Entscheidung der Vorinstanzen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Betroffene, Miteigentümerin der Liegenschaft in Wien 2., Praterstraße 50, mit der Wohnungseigentum an einem Geschäftslokal und an einer Wohnung verbunden ist, ist im Zusammenhang mit den Abrechnungen des Gebäudeverwalters wegen Nichtbezahlung ihr vorgeschriebener Rechnungsbeträge noch in drei Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Im Zuge dieser Verfahren sowie auch des Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters fiel auf, daß die Betroffene von gestellten Fragen abschweift, selbst Fragen ihres Anwaltes nicht beantwortet, sich in keiner Weise auf die Sachlage beschränkt und in ihrem Redeschwall kaum zu unterbrechen ist. Bei ihr besteht infolge eines hypomanischen bis manischen Zustandbildes eine hochgradige Herabsetzung der Kritikfähigkeit und eine beträchtliche Einbuße des Realitätsbezuges. Sie neigt stark zur Konfabulation sowie gedanklicher und inhaltlicher Perseveration. Sie ist demnach wegen psychischer Krankheit zur Besorgung finanzieller Angelegenheiten und zur Vertretung vor Behörden von fremder Hilfe abhängig. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Voraussetzungen zur Bestellung eines Sachwalters in dem oben genannten Umfang erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Dem Sachwalter nur die Vertretung in anhängigen Prozessen zu überlassen, wäre nicht zielführend, weil einerseits weitere Verfahren anhängig werden könnten und andererseits eine wirtschaftliche Disposition je nach dem Ausgang der Verfahren zur Vermeidung von Nachteilen für die Betroffene erforderlich wäre. Die Verpflichtung zum Kostenersatz begründete das Erstgericht mit § 252 AußStrG und dem Hinweis, daß die Betroffene, die keine Sorgepflichten habe, über Mieteinkünfte und Realvermögen verfüge.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Subsidiarität der Sachwalterbestellung wegen ohnedies gegebener rechtlicher Obsorge durch einen Anwalt sei davon abhängig, daß der Betroffene zumindest die Tragweite eines Auftrages zur Prozeßführung abzuschätzen vermöge. Überdies könnte die Vertretung durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt jederzeit widerrufen werden. Auch durch ungünstige Weisungen an den Anwalt wäre die Gefahr eines Nachteiles für die Betroffene gegeben.

Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des Revisionsrekurses mit der Begründung aus, daß hinsichtlich der Grenzen des Subsidiaritätsprinzips keine ausreichende und eindeutige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betroffenen, in dem abermals nur die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips (wegen Hilfeleistung durch nahestehende Personen und einen bevollmächtigten Anwalt) geltend gemacht wird, ist nicht berechtigt.

Die Möglichkeit der Bevollmächtigung eines Anwaltes durch die Betroffene schließt die Sachwalterbestellung nicht aus, weil durch die Sachwalterbestellung nicht Vorsorge für die mangelnden Rechtskenntnisse der Betroffenen geschehen soll, sondern weil die Betroffene vor Rechtsnachteilen durch die Auftragserteilung an einen zur juristischen Vertretung berufenen Anwalt infolge unrichtiger vorausgehender wirtschaftlicher Dispositionen (wegen der Beeinträchtigung durch die festgestellte Krankheit) bewahrt werden soll. Zur Besorgung finanzieller Angelegenheiten gehört es eben auch, den fachkundigen Rat eines Anwaltes befolgen oder doch das Risiko der einen oder anderen von ihm vorgeschlagener Maßnahmen abschätzen und verantwortlich auf sich nehmen zu können. Gerade daran mangelt es aber der Betroffenen.

Unzulässig ist nach § 273 Abs 2 ABGB die Bestellung eines Sachwalters auch dann, wenn der Betroffene durch Hilfe im Rahmen der Familie in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Die bisherigen Verfahrensergebnisse zeigen, daß dies nicht der Fall ist. Der von der Betroffenen zunächst bevollmächtigte Rainer R***, ihr Enkelsohn, hatte sich bisher um die Angelegenheiten seiner Großmutter aus Zeitmangel nicht gekümmert. Der Aktenlage ist auch nicht zu entnehmen, daß der Ehegatte oder andere Familienangehörige, auf die sich die Betroffene in ihrem Revisionsrekurs beruft, bisher eine die Sachwalterbestellung entbehrlich erscheinen lassende Tätigkeit entfaltet hätten. Hiefür gibt es überhaupt keinen Anhaltspunkt.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen. Ein Kostenersatz findet im Verfahren außer Streitsachen nicht statt. § 252 AußStrG behandelt nur die Vorschußpflicht des Bundes für die Kosten des Verfahrens selbst und regelt, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene solche vorgeschossene Kosten zu ersetzen hat. Diese Gesetzesbestimmung handelt nicht von den Kosten der Vertretung des Betroffenen durch selbstgewählten Anwalt.

Anmerkung

E20947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00574.9.0529.000

Dokumentnummer

JJT_19900529_OGH0002_0050OB00574_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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