TE OGH 1990/5/31 6Ob607/90

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Veröffentlicht am 31.05.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***

L*** - T*** V*** Gesellschaft mbH, Innsbruck,

Boznerplatz 7, vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** R*** Gesellschaft mbH, Wien 1., Fleischmarkt 1, vertreten durch Dr.Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 124.670 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1990, GZ 1 R 304/89-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12.August 1989, GZ 20 Cg 387/88-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht stattgegeben. Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revision und die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Obmann einer oberösterreichischen Gewerkschaftsortsgruppe mit gewissen Kenntnissen und Erfahrungen aus einer privaten Brasilienreise stellte unter Zuhilfenahme entsprechender Prospekte verschiedener Reisebüros ein in alle Einzelheiten ausgearbeitetes Programm für eine vierzehntätige Rundreise durch Brasilien (in starker Anlehnung an eine im Prospekt des klagenden Reisebüros angebotene Rundreise) zusammen und ersuchte unter Bekanntgabe des ausgearbeiteten Programms mehrere Reisebüros um Anbote. Nachdem zunächst für eine Gruppe die Dienste eines Salzburger Reisebüros in Anspruch genommen worden waren und für eine weitere Gruppe jene eines oberösterreichischen Reisebüros, lagen noch weitere Anmeldungen von Interessenten (bei der Gewerkschaft) vor. In dieser Lage ersuchte der Leiter der Filiale am Sitz der Gewerkschaftsortsgruppe eines Wiener Reisebüros, der Beklagten, den Gewerkschaftsortsgruppenobmann um Mitteilung der Reiseroute. Dieser übersandte dem Filialleiter der Beklagten auf Briefpapier der Gewerkschaft ein ins einzelne gehendes, vierseitiges Reiseprogramm mit Angabe der Reisebewegungen, der gewünschten Unterkünfte und der mit Nummern bezeichneten einzelnen Flüge.

Der Filialleiter der Beklagten ersuchte hierauf die Klägerin, ein anderes Reisebüro (mit speziellen Erfahrungen und Verbindungen im Zielland), mittels Fernschreiben vom 18.August 1987 für eine "Gruppe Braisilien, 27.11.87, LTU ex Muc, 20 plus 1 PAX" um "Quotierung" des unter tageweiser Angabe der Reisebewegungen, der Nächtigungshotels und Besichtigungen gegliederten Reiseprogramms und bat um umgehendes "Superangebot".

Dieses Fernschreiben des Filialleiters der Beklagten beantwortete die Klägerin zehn Tage später mit einem Fernschreiben vom 28.August 1987. Unter Bezeichnung der Gruppe mit dem Namen des Gewerkschaftsortsgruppenobmannes, dem Zielland, den Tagen des Ab- und Rückfluges und der Personenzahl hieß es in diesem Fernschreiben wörtlich:

"Danken für Ihr FS vom 18.8. und dürfen vorbehaltlich Rückbestätigung durch die Leistungsträger mit Tarifstand heute anbieten wie folgt:

Programm gemäß Ihrem FS, Hotels lt. Ihrem FS. Preise netto pro

Person...

Erwarten gerne Ihre Dispositionen und verbleiben".

Die Beklagte leitete dieses Anbot an den Gewerkschaftsortsgruppenobmann weiter.

Nach einer zwischen den Streitteilen vereinbarten Preisherabsetzung erfolgte eine Reservierung für 31 Personen. Auf den damit zwischen den beiden Reisebüros zustande gekommenen Vertrag sind außerstreitgestelltermaßen die von ihrem Fachverband empfohlenen "Reisebedingungen" anzuwenden.

Die Klägerin bestätigte der Beklagten in der Folge einzelne Teilleistungen, am 1.Oktober 1987 auch die "Situation" der brasilianischen Binnenflüge (mit Vorausdank für baldige "Namenirmg List"); unter den Binnenflügen befand sich als letzter auch jener von Rio nach Recife, dem brasilianischen Abflugort für den Transatlantikheimflug.

Bei einer von der Gewerkschaft am 30.Oktober 1987 durchgeführten Informationsveranstaltung für die Reiseteilnehmer war auch ein Prokurist der Klägerin anwesend.

Die Klägerin übermittelte der Beklagten einen an ein brasilianisches Unternehmen adressierten "Gutschein" auf die von den brasilianischen Leistungsträgern zu erbringenden Einzelleistungen für die ganze Gruppe, ferner vom Charterflugunternehmen ausgestellte Flugscheine für die Transatlantikflüge (München-Recife und zurück) für jeden einzelnen Reiseteilnehmer. Auf diesen Flugscheinen war die Klägerin als "Booking office" angegeben. Der Rückflug war für einen flugplanmäßig bezeichneten Flug mit der Abfahrtszeit 11.Dezember 1987, 23 Uhr 10 ausgestellt. Außerdem erhielt die Beklagte für jeden Teilnehmer Flugscheine für die brasilianischen Inlandflüge, darunter auch die - am 25.November 1987 von der Klägerin

ausgestellten - Flugscheine für den Linienflug der Fluglinie V*** Rio-Recife ab Rio am 11.Dezember 1987 um 14 Uhr 30. Die einzelnen Flugscheine waren für jeden Reiseteilnehmer in einem Umschlag mit dem Emblem der Klägerin zusammengeheftet.

Die Klägerin stellte der Beklagten überdies zur Unterrichtung der Reiseteilnehmer Vervielfältigungen von allgemeinen Reiseinformationen für Brasilien sowie Fluginformationen zu den brasilianischen Inlandflügen und eine Liste der Hotelunterkünfte zur Verfügung.

Als Reiseleiter begleitete ein Gewerkschaftssekretär die Reisegruppe.

Während sich die Reisegruppe auf der Rundreise in Brasilien befand, legte das Personal der Fluglinie V*** ebenso wie das Personal anderer brasilianischer Fluggesellschaften für die Zeit vom 11. Dezember 1987 0 Uhr bis 12.Dezember 1987 24 Uhr zur Durchsetzung von Gehaltserhöhungen die Arbeit nieder. Aus diesem Grunde fiel auch der Flug Rio-Recife am 11.Dezember 1987, für den die Flugscheine der Reiseteilnehmer ausgestellt waren, aus.

Der Abteilungsleiter des brasilianischen Unternehmens in Rio, an das der Gutschein für die Reisegesellschaft gerichtet war, hatte bereits am 10.Dezember 1987 zu Mittag gerüchteweise vom geplanten Streik gehört, daraufhin nähere Erkundigungen eingezogen und gegen 20 Uhr Gewißheit von der bevorstehenden Arbeitsniederlegung. Am Morgen des 11.Dezember 1987 telefonierte er deswegen mit dem Gewerkschaftsortsgruppenobmann, der sich gerade mit einer anderen Reisegruppe in Salvador aufhielt und mit derselben Maschine den Transatlantikrückflug antreten wollte, wie die in Rio weilende Reisegruppe. Der Abteilungsleiter des brasilianischen Unternehmens sagte dem Gewerkschaftsortsgruppenobmann einen Ersatztransport per Bus für die in Salvador befindliche Gruppe zu und versprach auch, sich um eine Lösung für die in Rio weilende Gruppe zu bemühen. Im Verlaufe des 11.Dezember 1987 wurde aber letztlich keine Transportgelegenheit für die in Rio befindliche Gruppe gefunden. Die Teilnehmer dieser Gruppe versäumten deshalb auch den Abflug der Maschine in Recife, für die sie die Flugscheine besaßen. Acht Reiseteilnehmer flogen auf eigene Kosten mit einer Linienmaschine unmittelbar von Rio nach Europa zurück. Die Beklagte zahlte diesen acht Reiseteilnehmern je 4.795 S als Ausgleich für den versäumten Charterflug Recife-München zurück. Die Beklagte behielt diesen Betrag von (8 x 4.795 S =) 38.360 S vom Rechnungsbetrag der von der Klägerin am 24.November 1987 an die Beklagte ausgestellten Rechnung zurück.

Zwei weitere Reiseteilnehmer wurden am 14.Dezember 1987 nach Recife befördert und traten dort ihren bereits gebuchten Badeurlaub an.

Die verbliebenen 18 Reiseteilnehmer flogen erst am 16.Dezember 1987 nach Recife, um am 18.Dezember 1987 mit derselben Transatlantiklinie, deren Flug vom 11.Dezember 1987 sie versäumt hatten, nach München zurückzufliegen.

Diesem Rückflug der 18 Reiseteilnehmer waren entsprechende Kontakte zwischen den Streitteilen vorausgegangen: Die Klägerin hatte 18 Plätze für den Rückflug am 18.Dezember gebucht. Am 15. Dezember 1987 hatte der Geschäftsführer der Klägerin in einem Telefongespräch mit dem Filialleiter der Beklagten gefordert, daß die Beklagte die (nun zusätzlich auflaufenden) Rückflugkosten übernehmen müsse. Im selben Sinne richtete er auch am selben Tag ein Fernschreiben an die Beklagte. In diesem lautete es nach Festhaltung des Standpunktes, daß die Klägerin mit der Gewerkschaft in keinerlei Rechtsbeziehungen stünde, vielmehr die Beklagte Partnerin der Gewerkschaft sei und bei der Klägerin Leistungen nach einem genau vorgegebenen Programm bestellt habe, auszugsweise wörtlich:

"Aufgrund des Streikes von V*** in Braisilien (höhere Gewalt) trifft zudem keines der beteiligten Reisebüros eine Verpflichtung zur Kostenübernahme für Rückflüge. Wir haben uns jedoch bereit erklärt, den Rücktransport ihrer Kunden zu organisieren, weil den Leuten geholfen werden soll. Wir sind aber nicht in der Lage, den Rücktransport zu bezahlen, nachdem wir in keinerlei direktem Rechtsverhältnis zu ihren Kunden stehen und auch nicht Veranstalter sind. Wir haben vorsorglich über das Außenministerium eine Erklärung von ihren Kunden angefordert, daß diese die für sie ausgelegten Transportkosten unverzüglich ersetzen. Diese Erklärungen treten wir an Sie ab, soferne Sie (... "die Beklagte") uns die vorbehaltslose Übernahme der Transportkosten garantieren. Wir ersuchen um Bescheid bis heute 17 Uhr, da wir ansonsten die von uns vorsorglich getätigte Rückflugbuchung für den 18.12.87 zurückgeben müssen."

Das Antwortfernschreiben des Filialleiters der Beklagten hatte folgenden Wortlaut:

"In Anbetracht der Umstände in o.a. Angelegenheit erklären wir uns bereit, ohne präjudizielle Auswirkungen die Kosten für den Rückflug in Höhe von öS 86.310,- zu übernehmen."

Das deutsche Luftbeförderungsunternehmen, das den Charterverkehr auf der Transatlantiklinie Recife-München betreibt, lehnte eine kulanzweise Regelung ab.

Die Klägerin legte der Beklagten über den "Extra-Rückflug" der 18 Personen vom 18.Dezember 1987 die mit 20.Januar 1988 datierte Rechnung über den Betrag von 86.310 S.

Die Beklagte lehnte die Bezahlung dieses Betrages ab. Die Klägerin begehrte von der Beklagten den nicht bezahlten Rechnungsteilbetrag, der dem Verkaufspreis jener acht nicht ausgenützten Flugscheine entsprach, deren Inhaber unmittelbar von Rio mit einer Linienmaschine nach Europa zurückkehrten (38.360 S) sowie den Preis für den Rückflug der 18 Reiseteilnehmer mit dem nächstwöchentlichen Charterflug (86.310 S), insgesamt daher

124.670 S.

Die Klägerin lehnte jede vertragliche Einstandspflicht für die Folgen des durch einen Streik des Flugpersonals ausgefallenen brasilianischen Binnenfluges bezüglich der Versäumung des Transatlantikcharterrückfluges für die 26 Reiseteilnehmer ab. Hilfsweise begehrte die Klägerin von der Beklagten die Abtretung der Ansprüche auf Ersatz der Rückflugskosten von je 4.795 S gegen die mit vollem Namen und Anschrift zu bezeichnenden Reiseteilnehmer. Die Beklagte bestritt das Zahlungsbegehren lediglich dem Grunde nach. Nach ihrem Prozeßstandpunkt habe die Klägerin als Reiseveranstalterin für die Folgen des streikbedingten Ausfalles des im Programm enthaltenen brasilianischen Binnenfluges zumindest im Umfang der Kosten des Ersatzrücktransportes der Reiseteilnehmer einzustehen, weil der vom Streik betroffene brasilianische Luftfrachtführer als Erfüllungsgehilfe der Klägerin anzusehen sei und der Lohnstreik sie nicht als "höhere Gewalt" zu entlasten vermöge.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses abweisende Urteil. Dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert: Den zwischen zwei inländischen Reisebüros geschlossenen Vertrag über die von einer Reisegruppe im Rahmen einer Landesrundreise programmgemäß in Anspruch zu nehmenden gebündelten Leistungen der verschiedensten Leistungsträger habe die Klägerin als Reiseveranstalter geschlossen, der sich selbst (gegenüber seiner Vertragspartnerin) zur Erbringung der programmgemäßen Einzelleistungen an die Reiseteilnehmer verpflichtet habe. Die Reisezusammenstellung sei zwar (bis in alle Einzelheiten) von der Beklagten als Bestellerin vorgenommen worden. Das Programm decke sich aber weitgehend mit prospektgemäß von der Klägerin angebotenen Rundreisen. Die Klägerin habe die Gesellschaftsreise zu einem Pauschalpreis angeboten, ohne dabei darauf hinzuweisen, daß sie hinsichtlich aller oder einzelner Leistungen etwa nur als Vermittler einschritte. Sie habe auch in der Reisevorbereitung selbst Betreuungsleistungen erbracht. Bemerkenswerterweise habe die Klägerin zur Stützung ihrer Forderung auf Zahlung des Pauschalpreises niemals eine Abtretung von Ansprüchen der einzelnen Leistungsträger an sie behauptet. Keine der zahlreichen Flugbewegungen sei von der Klägerin als Fremdleistung deklariert worden. Die Aushändigung der Flugscheine ändere daran nichts. Die Versäumung des Abfluges der Chartermaschine zum Transatlantikrückflug beruhe auf einer - von der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Reiseunternehmer zu vertretenden - Leistungsstörung. Die Kosten des für den versäumten Flug zur Verfügung gestellten Ersatzfluges könne die Klägerin nicht auf die Beklagte (oder die Reiseteilnehmer) überwälzen, weil die Rückbeförderung nur den vertragsgemäßen Zustand hergestellt habe. In Ansehung der acht auf eigene Kosten direkt mit Linienflug nach Europa zurückgekehrten Reiseteilnehmer habe die Klägerin der Beklagten wegen der von ihr zu vertretenden Leistungsstörung im Ausmaß des außer Streit gestellten Betrages eine Preisminderung zu gewähren.

Auch das Berufungsgericht erkannte für die Entscheidung des Rechtsstreites die Beantwortung der Frage als wesentlich, ob die Klägerin als Reiseveranstalter der Beklagten gegenüber die programmgemäßen Leistungen der verschiedenen Leistungsträger, im besonderen die des brasilianischen Flugunternehmers, unter eigener Erfüllungspflicht zugesagt oder lediglich Vertragsabschlüsse zwischen der Beklagten und den einzelnen Leistungsträgern vermittelt habe. Im Sinne der auch auf das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen anwendbaren Bestimmungen der "Reisebedingungen" (im Sinne von Zechner, Reisevertragsrecht, Rz 7 und 11) sei die Zusage der Klägerin gegenüber der Beklagten in Ansehung der brasilianischen Binnenflüge mangels entgegengesetzter Deklaration als Zusage von Eigenleistungen zu verstehen gewesen. Zwar sei das Reiseprogramm - wenn auch in starker Anlehnung an prospektmäßig von der Klägerin angebotene Veranstaltungen - von der Beklagten (im Sinne ihres Kunden) als der Vertragspartnerin der Klägerin zusammengestellt worden. Das sei aber nicht entscheidend (Zechner, aaO, Rz 43; SZ 55/71). Wesentliches Beurteilungskriterium sei, daß für die programmgemäß gebündelten Einzelleistungen der verschiedenen Leistungsträger ein von der Klägerin selbst kalkulierter Pauschalpreis vereinbart worden sei (Weiss, ÖJZ 1987, 738 ff insbes. 742). Die Ausfolgung der Flugscheine für die einzelnen brasilianischen Binnenflüge ändere an der Eigenleistung der Klägerin (und der Erfüllungsgehilfenschaft der brasilianischen Luftfrachtführer) nichts. Auch ein Reisebüro wie die Beklagte könne Kunde eines anderen Reiseveranstalters sein. Die Klägerin habe als Reiseveranstalter gegenüber ihrer Vertragspartnerin nach den anzuwendenden "Reisebedingungen" für die Folgen des durch Streik des Flugpersonals nach Eintritt der Reise eingetretenen Zwischenfalles (Punkt V Buchstabe b der Reisebedingungen) insofern einzustehen, als sie auf ihre Kosten die Reiseteilnehmer vom Reiseland Brasilien nach Europa zurückzubringen gehabt habe. Die Beklagte habe die zusätzlich aufgelaufenen Kosten des Ersatzrückfluges nicht zu ersetzen. Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Abänderungsantrag im Sinne der Klageabweisung und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, obwohl die Frist hiezu noch gar nicht in Gang gesetzt worden war. Sie hat sich in dieser Rechtsmittelgegenschrift auf Ausführungen zur Unzulässigkeit der außerordentlichen Revision beschränkt, damit aber dennoch bereits ihre verfahrensrechtliche Befugnis zur Erstattung der Rechtsmittelgegenschrift ausgeübt und verbraucht. Ihr ist keinesfalls Gelegenheit zu einer etwaigen Ergänzung ihrer Revisionsbeantwortung zu gewähren. Nach § 469 Abs. 1 ZPO (§ 513 ZPO) hat das Prozeßgericht erster Instanz "nach rechtzeitigem Einlangen" der Rechtsmittelgegenschrift "oder nach fruchtlosem Ablauf der hiefür offenstehenden Frist" das Rechtsmittel samt Akten dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. Der Verfahrensgesetzgeber schreibt also im Falle der Erstattung einer Rechtsmittelgegenschrift nicht vor, die restliche Frist abzuwarten (ob nicht etwa ein Ergänzungsschriftsatz eingebracht würde). Dem muß die Auffassung zugrunde gelegt werden, daß Ergänzungen als unzulässig anzusehen sind. Darin erblickt der erkennende Senat eine Stütze für die trotz verschiedener Kritik in der Literatur nach wie vor vertretene These von der Einmaligkeit der Rechtsmittel(gegen)schrift. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO zu bejahen, weil es an einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Reisevertragsrecht im allgemeinen und zu den wechselseitigen Vertragspflichten im Falle eines zwischen Reisebüros über Reiseveranstaltungsleistungen abgeschlossenen Vertrages im besonderen fehlt. Die zur Fallentscheidung zu lösenden Rechtsfragen sind schon wegen der Häufigkeit des Abschlusses von Verträgen nach der Art des zwischen den Streitteilen zustande gekommenen über den Anlaßfall hinaus von Bedeutung.

Die außerordentliche Revision ist aber nicht berechtigt. Für die Beurteilung des zwischen den beiden Reisebürounternehmen abgeschlossenen Vertrages und der sich daraus im Hinblick auf die Folgen einer Versäumung eines gebuchten Fluges durch die Reiseteilnehmer infolge eines während der Reise ausgerufenen Streiks des Personals jenes Luftbeförderers, bei dem reiseprogrammgemäß die vorangehende Flugstrecke gebucht worden war, ergebenden Rechtsfolgen ist nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt als kennzeichnend hervorzuheben:

Das Reiseprogramm wurde in Ansehung sämtlicher Einzelheiten im Sinne des Wunsches eines privaten Reiseorganisators im Verhältnis zwischen den Streitteilen vom beklagten Reisebüro zusammengestellt. Die Reisegruppe wurde als geschlossene Gesellschaft im selben Sinn vom beklagten Reisebüro gebildet.

Das beklagte Reisebüro trat gegenüber ihrem Besteller als Reiseveranstalter auf.

Um die im konkreten Fall geforderten Leistungen eines Reiseveranstalters anbieten und erfüllen zu können, wandte sich die Beklagte an die Klägerin.

Die Klägerin konnte nach ihren Prospekten als Spezialist für die Abwicklung von Pauschalreisen der von der Beklagten (im Interesse ihres Bestellers) gewünschten Reise gelten.

Für die Klägerin mußte mangels Feststellung anderer Umstände klar sein, daß die Beklagte sich gerade der Kenntnisse und Möglichkeiten eines mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten und mit korrespondierenden örtlichen Büros im Geschäftsverhältnis stehenden ("Gutschein"!) Unternehmens vergewissern wollte. Dabei gehörte es unzweifelhaft unter anderem zu den Vertragspflichten der Klägerin, das ihr vorgelegte Wunschprogramm auf seine Durchführbarkeit zu prüfen, allfällige Bedenken mitzuteilen und vor etwaigen Gefahren zu warnen, aber auch bei einem nicht auszuschließenden Reisezwischenfall durch das örtliche Korrespondenzunternehmen rasch und bestmöglich Abhilfe für die Reiseteilnehmer zu schaffen.

Die Klägerin mußte bei der Bestellung der Beklagten - auch ohne eine diesbezüglich etwa bestehende Branchenübung, zumal eine gegenteilige von der Klägerin nicht behauptet worden ist - davon ausgehen, daß die Beklagte von ihr erwarte, die typische, in den Reisebedingungen umschriebene Risikotragung für Zwischenfälle zu übernehmen und auch bei der Bestimmung des Pauschalpreises einkalkuliert zu haben, so daß sie dies bei der Kalkulation ihres Preises nicht mehr gesondert zu tun gehabt hätte. Zumindest hätte es die Klägerin bei einer Inanspruchnahme durch ein anderes, leistungsfähiges inländisches Reisebüro diesem eindeutig klarlegen müssen, wenn sie sich bloß auf eine Vertragsstellung als Vermittler beschränkt hätte verstanden wissen wollen. Da sie dies unterließ, haftet die Klägerin jedenfalls der Beklagten gegenüber wie ein Reiseveranstalter.

Die im Reiseprogramm enthaltenen Einzelleistungen der verschiedenen Leistungsträger galten im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen als unter der eigenen Leistungsverpflichtung der Klägerin zugesagt. Damit ist der streikbedingte Entfall des inner-brasilianischen Linienfluges Rio-Recife im Vertragsverhältnis der Streitteile der Sphäre der Klägerin zuzuordnen. Unabhängig von der Frage des Verschuldens liegt es damit in der Sphäre der Klägerin, daß die Reiseteilnehmer den Transatlantikanschlußflug versäumten.

Die Klägerin traf jedenfalls die Preisgefahr für das Unterbleiben des bei einem Charterunternehmen gebuchten Transatlantikfluges wegen eines in ihrer Sphäre gelegenen Zwischenfalles. Deshalb stand ihr kein Anspruch auf Bezahlung dieser Teilleistung durch die Beklagte zu. Soweit die Klägerin der Beklagten eine gleich teuere Ersatzleistung (für 18 Reiseteilnehmer) zur Verfügung stellte, gelten Rückforderungsanspruch für die entfallene Flugleistung und Aufwandersatzanspruch für die ersatzweise (eine Woche später) erbrachte Flugleistung als gegenseitig aufgehoben.

Die Beklagte hat sich demnach mit Recht geweigert, den vollen Pauschalbetrag für jene acht Reiseteilnehmer zu bezahlen, die aus eigener Initiative und auf eigene Kosten den Rückflug von Rio nach Europa angetreten hatten, und ebenso zutreffend die ihr von der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten der Ersatzrückbeförderung der 18 Reiseteilnehmer nicht bezahlt.

Der außerordentlichen Revision mußte aus diesen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer außerordentlichen Revision wegen deren Erfolglosigkeit selbst zu tragen. Aber auch der Beklagten gebührt für die Erstattung ihrer Revisionsbeantwortung kein Ersatz, weil sie ausschließlich zur Revisionszulässigkeit Stellung genommen hat und damit keinen Erfolg erzielen konnte.

Anmerkung

E20966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00607.9.0531.000

Dokumentnummer

JJT_19900531_OGH0002_0060OB00607_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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