TE OGH 1990/6/7 12Os58/90 (12Os59/90)

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Veröffentlicht am 07.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pilnacek als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl K*** sen und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten vom 20. Oktober 1989, GZ 12 Vr 961/88-68, und den Beschluß der Ratskammer dieses Gerichtshofes vom 24.Jänner 1990, GZ 12 Vr 961/88-83, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Vertreters der durch die Nichtigkeitsbeschwerde in ihren Rechten betroffenen Fa. D*** C*** A*** AG, Dr. Arnold, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Karl K*** sen und andere wegen § 176 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 12 Vr 961/88 des Landesgerichtes St.Pölten, verletzen der Beschluß des Untersuchungsrichters vom 20.Oktober 1989 (ON 68) im Auftrag an die Diners-Club-Austria-AG auf kostenfreie Ausfolgung von Ablichtungen sämtlicher Unterlagen, betreffend zwei für Karl K*** jun ausgestellte (Kredit-)Karten an die erhebenden Finanzbeamten sowie der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten vom 24. Jänner 1990 (ON 83) auch in dem in dessen Begründung enthaltenen Ausspruch, wonach der Herausgabepflichtige die mit der Herausgabe von Unterlagen und mit der Herstellung von (dem Gericht anstelle der herauszugebenden Originalurkunden übermittelten) Kopien verbundene Mühewaltung nicht in Rechnung stellen könne, das Gesetz in der Bestimmung des § 143 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 381 Abs. 1 Z 5 StPO.

Diese Gesetzesverletzungen werden festgestellt.

Text

Gründe:

In dem beim Landesgericht St.Pölten zur AZ 12 Vr 961/88 gegen Karl K*** sen ua wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs. 1 StGB und der Vergehen nach § 56 LMG und § 33 Abs. 1 FinStrG anhängigen Strafverfahren erteilte der Untersuchungsrichter mit Beschluß vom 18.Oktober 1989 (ON 66) der D*** C*** A*** AG den Auftrag, den erhebenden Beamten des Finanzamtes für den 1.Bezirk, (Betriebs-)Prüfungsabteilung, Einsicht in sämtliche Unterlagen betreffend zwei auf Karl K*** jun ausgestellte (Kredit-)Karten zu gewähren. Dieser Auftrag wurde mit Beschluß vom 20.Oktober 1989 (ON 68) auf kostenfreie Ausfolgung von Ablichtungen der bezüglichen Kreditunterlagen ergänzt. Der dagegen erhobenen Beschwerde der D*** C*** A*** AG, in der ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand zur Erfüllung dieses Auftrages behauptet wurde (S 67 f/III), gab die Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten am 24.Jänner 1990 (ON 83) mit der Begründung nicht Folge, daß die Verpflichtung zur Herausgabe von als Beweismittel dienenden Urkunden eine dem staatlichen Hoheitsrecht korrespondierende Bürgerpflicht darstelle, weshalb die verpflichtete Gesellschaft weder die damit verbundene Mühewaltung, noch den durch Herstellung von Kopien (der Originalurkunden) entstehenden Aufwand in Rechnung stellen könne. Da diesem Auftrag bisher nicht entsprochen wurde, sei der genannten Gesellschaft noch kein Kostenaufwand entstanden.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschlüsse des Untersuchungsrichters und der Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten stehen, soweit sie einen Kostenersatzanspruch des Herausgabepflichtigen verneinen, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 143 Abs. 2, erster Satz, StPO ist jedermann verpflichtet, Gegenstände, insbesondere auch Urkunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können (oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen) auf Verlangen herauszugeben. Die Editionsverpflichtung umfaßt auch die Pflicht des Besitzers beweiserheblicher Gegenstände (Urkunden), diese - nach Möglichkeit - von anderen zu sondern. Eine derartige, mit einem wirtschaftlich nicht ganz unerheblichen Aufwand verbundene Mitwirkung des Herausgabepflichtigen wird diesem aber nur bei Ersatz der ihm durch die Auftragserfüllung entstehenden Kosten zugemutet werden können.

Besteht jedoch die Verpflichtung des Inhabers (beweiserheblicher) Urkunden nicht in der Herausgabe der Originale, sondern - wie vorliegend - von deren durch Ablichtung oder auf andere Weise hergestellten Kopien, dann kann nach dem Gesagten der Betroffene - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Originalurkunden in seinem Verfügungsbereich verbleiben - nicht verhalten werden, den Aufwand für die Herstellung der Kopien selbst zu tragen. Für einen dem Editionspflichtigen zustehenden Kostenersatzanspruch spricht auch § 381 Abs. 1 Z 5 StPO, wonach zu den zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens auch die durch die Beschlagnahme von Sachen und insbesondere durch deren Abtransport oder deren Verwahrung verursachten (und einen bestimmten Betrag übersteigenden) Kosten zu zählen sind (siehe hiezu auch EvBl 1977/201; RZ 1978/18 und Bertel, Grundriß des Österreichischen Strafprozeßrechts2, Rz 1022).

Die einen solchen Entschädigungsanspruch verneinenden Entscheidungen des Untersuchungsrichters und der Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten verstoßen sohin gegen das Gesetz. Dem - nicht weiter begründeten - Antrag der Generalprokuratur, den Beschluß der Ratskammer zur Gänze und jenen des Untersuchungsrichters im Ausspruch, daß die Ausfolgung der Ablichtungen der bezüglichen Unterlagen kostenfrei zu erfolgen habe, aufzuheben, mußte meritorisch nicht nähergetreten werden, weil es sich bei der untersuchungsrichterlichen Bestimmung der zukünftigen Ausfolgungsmodalitäten um eine "laufende Entscheidung" (Bertel, Grundriß des Österreichischen Strafprozeßrechts2 RZ 180) handelte, die - unbeschadet ihrer Bestätigung durch die Ratskammer - einer Änderung zugänglich ist.

Demgemäß wird nach dem Gesagten die Ausfolgung der in Rede stehenden Unterlagen durch die D***-C***-A***-AG auf der Grundlage ortsüblicher Sätze (RZ 1978/18) zu vergüten sein.

Anmerkung

E21085

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00058.9.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19900607_OGH0002_0120OS00058_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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