TE OGH 1990/11/7 9ObA275/90

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Beatrix S***, Blumenbinderin und -händlerin, Himmelberg, Dragelsberg 9, vertreten durch Gerhard K***, Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten, Klagenfurt, Bahnhofplatz 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Kurt B***, Blumenbinder und -händler, Klagenfurt, Luegerstraße 27, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 4.167,66 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juli 1990, GZ 8 Ra 30/90-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Jänner 1990, GZ 35 Cga 212/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. August (richtig 4. August) 1986 bis 3. August 1989 bei der beklagten Partei als Lehrling im Lehrberuf Blumenbinder und -händler und anschließend bis 21. 10. 1989 als Floristin beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch eine von der Klägerin unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist von 14 Tagen am 7. 10. 1989 zum 21. 10. 1989 ausgesprochene Kündigung.

Die Klägerin begehrt einen Betrag von 4.167,66 S an Weihnachtsgeld. Dieses sei bei der Endabrechnung nicht berücksichtigt worden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Das Weihnachtsgeld sei deshalb nicht ausgezahlt worden, weil nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages für den Fall einer Kündigung durch den Dienstnehmer zwischen dem 15. 10. und dem 15. 12. ein solcher Anspruch nicht bestehe. Das im Kollektivvertrag verwendete Wort "Kündigung" sei der "Beendigung des Dienstverhältnisses" gleichzusetzen.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Die Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Blumenbinder und -händler Österreichs, wonach der Anspruch auf Weihnachtsgeld entfalle, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit vom 15. 10. bis 15. 12. selbst kündige, sei so zu verstehen, daß es sich dabei um den Ausspruch der Kündigung und nicht um den Kündigungstermin handle. Da die Klägerin die Kündigung vor dem 15. 10. erklärt habe, bestehe der geltend gemachte Anspruch zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der Begründung des Erstgerichtes beitrat; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig (§ 46 Abs 1 Z 1 ASGG), aber nicht berechtigt.

Gemäß § 13 Z 1 KV ist den unter diesen Kollektivvertrag fallenden Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld zu gewähren, dessen Höhe in den folgenden Ziffern 2 und 3 festgelegt wird. Gemäß § 13 Z 5 KV ist bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses der aliquote Teil des Weihnachtsgeldes entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52) zu gewähren. Dieser Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO entlassen wird, wenn er ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn er in der Zeit vom 15. Oktober bis 15. Dezember selbst kündigt. Diese Norm beschränkt jedoch das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise. Gemäß § 15 Z 1 KV ist von der Geltung einer 14tägigen Kündigungsfrist für beide Teile auszugehen. Das Günstigkeitsprinzip steht abweichenden Regelungen entgegen, durch die das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers erschwert wird. Eine (unwirksame) Erschwerung (Beschränkung) des Kündigungsrechtes des Arbeitnehmers kann etwa dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Vereinbarung verpflichtet sein soll, erhaltene Leistungen zurückzuerstatten (Arb 9065, Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser3, 266). Einseitige Kündigungsbeschränkungen für den Arbeitnehmer, zB Verfall von Kautionen, Vereinbarung von Vertragsstrafen im Fall seiner ordentlichen Kündigung, Wegfall von Erfolgsbeteiligungen etc., werden für unzulässig erachtet (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch6, 847).

Eine unzulässige und daher rechtsunwirksame Kündigungsbeschränkung ergibt sich auch aus der hier fraglichen Kollektivvertragsbestimmung, wonach der Arbeitnehmer im Fall einer Selbstkündigung während des bestimmten Zeitraumes vom Bezug des Weihnachtsgeldes einseitig ausgeschlossen ist. Den nachteiligen Folgen, die mit einer solchen Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 15. Oktober bis 15. Dezember für den Arbeitnehmer vorgesehen sind, steht nämlich keinerlei (günstigeres) Äquivalent gegenüber, zumal der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jederzeit auch während dieses Zeitraumes unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist ohne für ihn nachteilige Folgen auflösen kann. Ein Arbeitnehmer, der den Entfall seines Anspruches auf Weihnachtsremuneration vermeiden will, kann sein Arbeitsverhältnis während des zweimonatigen Zeitraumes nicht kündigen. Dies ist jedoch eine ins Gewicht fallende Erschwerung seines ihm nach den §§ 1158, 1159 ABGB zustehenden Kündigungsrechtes. Da dieses Recht nach § 1164 ABGB zwingend ist und nicht beschränkt werden darf, ist die mit dieser Rechtslage in Widerspruch stehende Kollektivvertragsnorm rechtsunwirksam. Gemäß § 1154 Abs 3 ABGB - diese Bestimmung ist gemäß § 1164 Abs 1 ABGB ebenfalls zwingend - wird das bereits verdiente Entgelt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die Klägerin hatte dieses dem Entgeltbegriff dieser Norm zu unterstellendes Entgelt auch bereits (anteilsmäßig) verdient, zumal auch nach der von der beklagten Partei vertretenen Rechtsansicht der Anspruch auf Weihnachtsgeld bestanden hätte, wenn die Klägerin das Arbeitsverhältnis durch einen entsprechend früheren Ausspruch der Kündigung vor dem 15. 10. beendet hätte. In diesem Fall hätte nach den Bestimmungen des Kollektivvertrages ein Anspruch auf Weihnachtsgeld im aliquoten Ausmaß bestanden. Die Bestimmung des § 13 Z 5 zweiter Satz letzter Fall KV führt daher zum Ergebnis, daß im Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer in der Zeit zwischen 15. 10. und 15. 12. ein bereits verdientes Entgelt entfiele. Dies ist mit der zwingenden Norm des § 1154 Abs 3 ABGB ebenfalls unvereinbar.

Da die hier fragliche Bestimmung des § 13 Z 5 zweiter Satz letzter Fall KV zufolge Verstoßes gegen zwingende Normen sohin rechtsunwirksam ist, kann sie schon deshalb keine Grundlage für den Verlust des Anspruches der Klägerin auf Weihnachtsgeld sein. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen der Revision, die von der Gültigkeit dieser Norm ausgehen und ausschließlich ihre Auslegung zum Gegenstand haben, einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E22025

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00275.9.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19901107_OGH0002_009OBA00275_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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