TE Vwgh Beschluss 2006/1/25 2005/14/0075

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Veröffentlicht am 25.01.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über den Antrag der B GmbH in W, vertreten durch Hohenberg, Strauss, Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Entsprechung des Ergänzungsauftrages in dem durch Beschluss vom 7. Juni 2005, 2005/14/0009, betreffend Nachsicht nach § 236 BAO, abgeschlossenen Verfahren, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Der Verfassungsgerichthof hat die Behandlung der von der Antragstellerin (gemäß § 17 Abs 1 VfGG in zweifacher Ausfertigung) erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. Juli 2004, RV/0823-W/04, mit Beschluss vom 30. November 2004, B 1141/04, abgelehnt. Mit Beschluss vom 1. Februar 2005, hat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dabei hat er dem Verwaltungsgerichtshof die ursprünglich eingebrachte Beschwerdeschrift (die beiden beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Ausfertigungen) samt Beilagen (zwei Ausfertigungen des angefochtenes Bescheides) übermittelt.

Mit Beschluss vom 16. März 2005, 2005/14/0009, wurde folgender Ergänzungsauftrag erteilt:

"Sie werden gemäß § 34 Abs 2 VwGG aufgefordert, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel wie folgt zu ergänzen:

1.

...

2.

...

3.

...

4.

Überdies ist - außer dem ergänzenden Schriftsatz - eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für den Bundesminister für Finanzen beizubringen (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG). ...

Soweit sich der Ergänzungsauftrag nicht in der Anforderung weiterer Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde erschöpft, ist der ergänzende Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.

Die Versäumung der Frist gilt als Zurückziehung der Beschwerde.

Die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) ist auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird."

Innerhalb der zur Mängelbehebung gesetzten Frist brachte die Beschwerdeführerin einen Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung ein, dem drei Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides und die zurückgestellte ursprüngliche Beschwerde (in zweifacher Ausfertigung mit zwei Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides) beigelegt worden sind. Die Vorlage einer weiteren (also dritten) Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde (für den Bundesminister für Finanzen) ist unterblieben.

Mit Beschluss vom 7. Juni 2005, 2005/14/0009, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Verfahren eingestellt werde, weil die Beschwerdeführerin dem Ergänzungsauftrag hinsichtlich der Aufforderung, eine weitere Ausfertigung der ursprünglich eingebrachten Beschwerde nachzureichen, nicht nachgekommen sei. Auch die bloß teilweise Befolgung eines Ergänzungsauftrages führe zur gesetzlichen Fiktion gemäß § 34 Abs. 2 VwGG, wonach die Beschwerde als zurückgenommen gelte und das Verfahren einzustellen

sei. Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 24. Juni 2005 zugestellt.

Mit Eingabe vom 4. Juli 2005 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wird vorgebracht, beim Rechtsanwalt der Antragstellerin habe ein Irrtum über die "gemeinte semantische Bedeutung" des gerichtlichen Auftrages bestanden. Die Formulierung, wonach "außer" dem ergänzenden Schriftsatz eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für den Bundesminister für Finanzen beizubringen sei, habe der Rechtsanwalt in Zusammenschau mit den weiteren Formulierungen des Ergänzungsauftrages dahingehend verstanden, dass im Falle der Vorlage eines Ergänzungsschriftsatzes (in dreifacher Ausfertigung) nicht zusätzlich eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorgelegt werden müsse. Diese Auffassung habe sich auch auf die logische Überlegung gestützt, wonach der Ergänzungsschriftsatz an die Stelle der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde treten solle, diese sohin verdränge und überflüssig mache. Diese Auffassung sei weiters auf ein Missverständnis hinsichtlich des Wortes "außer" zurückzuführen: Die Anordnung der Z. 4 solle demnach nur gelten, wenn kein ergänzender Schriftsatz vorgelegt werde, sondern bloß die zwei an den Verfassungsgerichthof gerichteten Beschwerdeschriftsätze iSd weiteren Ergänzungsaufträge ergänzt würden.

Auch aus der Formulierung "soweit sich der Ergänzungsauftrag nicht in der Anforderung weiterer Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde erschöpft" habe abgeleitet werden können, dass bei Vorlage eines ergänzenden Schriftsatzes die Anordnung zu Z 4 (Vorlage einer weiteren Beschwerdeausfertigung) gegenstandslos sei.

Das Unterbleiben der Vorlage einer dritten Beschwerdeausfertigung innerhalb der im Ergänzungsauftrag gesetzten Frist sei sohin auf einen Irrtum im Verständnis des Auftrages zurückzuführen. Diese Fehlinterpretation stelle einen minderen Grad des Versehens dar.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 15. Juni 2005, 2005/13/0043, mwA), stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Formulierung des hg Ergänzungsauftrages, dass außer dem Schriftstück A das Schriftstück B vorzulegen sei, bringt in eindeutiger Weise zum Ausdruck, dass sich die Vorlagepflicht nicht alternativ auf das Schriftstück A oder auf das Schriftstück B bezieht, sondern beide Schriftstücke (A und B) vorzulegen sind. Der objektive Erklärungsgehalt dieser klar formulierten Anordnung ändert sich auch nicht durch die weiteren Formulierungen des Ergänzungsauftrages, insbesondere etwa durch den Auftrag, einen ergänzenden Schriftsatz dreifach vorzulegen ("soweit sich der Ergänzungsauftrag nicht in der Anforderung weiterer Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde erschöpft, was für den gegenständlichen Fall zutraf) und die zurückgestellte Beschwerde wieder vorzulegen.

Die im Ergänzungsauftrag gewählte Formulierung bringt sohin unzweifelhaft zum Ausdruck, dass (für die Weiterleitung an den Bundesminister für Finanzen) eine weitere Ausfertigung der ursprünglich eingebrachten Beschwerde vorzulegen war (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom 15. Juni 2005).

Angesichts des klaren Wortlautes des Ergänzungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes kann im behaupteten Irrtum über den Inhalt des Mängelbehebungsauftrages kein entschuldbarer Irrtum und kein minderer Grad des Versehens gesehen werden.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005140075.X00

Im RIS seit

03.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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