TE OGH 1993/1/29 1Ob617/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.1993
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Friedrich V*****, 2. Paula V*****, beide vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Dr. Wolfgang Flucher und Dr. Reinhard Köffler, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Karl K*****, vertreten durch Dr.Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 182.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. August 1992, GZ 1 R 158/92-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28. April 1992, GZ 22 Cg 83/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.719,82 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.619,97 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Herbst 1990 entstand die Bürgerinitiative S*****, die sich mit den mit der Eröffnung der Karawankenautobahn (A 11) vor Fertigstellung der Unterflurtrasse bei St. Niklas und der Umleitung des Autobahnverkehrs auf die Rosegger Landesstraße verbundenen Umwelt-Beeinträchtigungen befaßte. Die Kläger sind straßennächste Anrainer, die Streitteile sind Mitglieder der Bürgerinitiative. Noch vor dem Juni 1991 wurde zwischen dem Land Kärnten, vertreten durch den Landeshauptmann, und der Bürgerinitiative S*****, vertreten durch deren hier beklagten „Sprecher“, folgende Vereinbarung getroffen:

1) Nach Eröffnung der A 11 ... im Juni 1991 wird es, bedingt durch die Unterbrechung der Autobahn im Bereich S***** zu einer kurzen Umleitung des Autobahnverkehrs auf die Rosegger Landesstraße kommen. Bedingt durch diese Erhöhung der Verkehrsfrequenz auf der Landesstraße werden im Gebiet der Umleitungsstrecke gewisse Beeinträchtigungen der Umweltqualität für die dort lebende Bevölkerung eintreten.

2) Zwecks Durchführung von Maßnahmen zur Verringerung bzw. Beseitigung dieser Beeinträchtigungen verpflichtet sich das Land Kärnten der Bürgerinitiative S***** eine einmalige Pauschalentschädigung in der Höhe von S 1,000.000,-- zu leisten.

3) Mit der Bezahlung des obigen Betrages sind alle wie immer gearteten Ansprüche der Betroffenen im Zusammenhang mit der Umleitung des Autobahnverkehrs auf die Rosegger Landesstraße abgegolten. Die Marktgemeinde Rosegg und die Bürgerinitiative S***** haben auch aus diesem Titel des Landes Kärnten (richtig wohl: das Land Kärnten) gegenüber allfälligen Ansprüchen Dritter schad- und klaglos zu halten.

4) Die Marktgemeinde Rosegg und die Bürgerinitiative S***** verpflichten sich ferner bei sonstiger Schadenersatzpflicht ausdrücklich, keine wie immer gearteten Behinderungen des Autobahnverkehrs auf der Landesstraße vorzunehmen oder zuzulassen.

5) Die Art der Verwendung des zur Verfügung gestellten Betrages obliegt ausschließlich der Bürgerinitiative S*****. Der Vertreter der Bürgerinitiative übernimmt hinsichtlich seiner Vertretungsbefugnis sowie der Verteilung des Entschädigungsbetrages die volle persönliche Verantwortung und Haftung.

6) Der Betrag von S 1 Mio ist binnen eines Monats nach Fertigung der gegenständlichen Vereinbarung vom Land Kärnten auf die Raiffeisenkasse .... zu überweisen.

7) Beide Teile verzichten auf die Anfechtung der vorliegenden Vereinbarung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes.

Anfang Juni 1991 überwies das Land Kärnten den Betrag von S 1,000.000,-- an den Beklagten.

Die Kläger begehren vom Beklagten Zahlung von S 182.000,-- sA mit dem Vorbringen, sie seien je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in S*****. Der Beklagte sei „Sprecher“ der Bürgerinitiative S***** geworden, die über keinerlei satzungsmäßigen Bestimmungen betreffend Mitgliedschaft, Verwaltung oder Vertretung verfüge, wohl aber über ein fünfköpfiges Gremium, dem neben dem Beklagten auch der Erstkläger angehöre. Der Beklagte habe nach Erhalt des mit dem Land Kärnten vereinbarten Betrages sämtliche Ortsbürger zur schriftlichen Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert; die Kläger hätten für den Einbau von Schallschutzfenstern und die Errichtung einer Lärmschutzwand S 298.400 angemeldet. Trotzdem habe sie der Beklagte verständigt, daß die „Bürgerversammlung“ lediglich S 60.000,-- als Abgeltung beschlossen habe, und diesen Betrag am 12.Dezember 1991 bezahlt. Die Herstellung der notwendigen Lärmschutzeinrichtungen erfordere aber S 298.334,28, sodaß bezüglich der Zahlung von S 60.000,-- und einer vom Länd Kärnten direkt geleisteten Entschädigung der Klagsbetrag noch aushafte. Der Beklagte sei passiv legitimiert, weil er die persönliche Verantwortung und Haftung für die zweckentsprechende Verteilung des vom Land Kärnten geleisteten Betrages übernommen habe und die Klagsansprüche solche aus dem Gemeinschaftsverhältnis gleichberechtigter Rechtssubjekte seien.

Der Beklagte wandte Unzulässigkeit des Rechtsweges und mangelnde Passivlegitimation ein. Er sei nur Vertreter der Bürgerinitiative S***** und nicht entscheidungsbefugt. Der Entschädigungsbetrag des Landes sei an die Bürgerinitiative S***** geleistet worden, die bzw. deren Mitglieder die Kläger gegebenenfalls belangen könnten. Der Kläger strebe eine rechtsgestaltende Regelung an. Eine Abstimmung aller Mitglieder der Bürgerinitiative habe ergeben, daß die Entschädigung der Höhe nach akzeptiert und zu etwa gleichen Teilen auf die Mitglieder aufgeteilt werden sollte. Den Klägern stünde nicht zu, mehr zu fordern, als sie schon erhalten hätten.

Das Erstgericht verwarf (erkennbar) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen noch fest: Bei einer am 28. März 1991 abgehaltenen Sitzung der Bürgerinitiative S***** sei einstimmig beschlossen worden, daß alle in S***** als wohnhaft gemeldeten Personen, die das „österr. Wahlrecht“ haben, zur Fassung von Beschlüssen der Bürgerinitiative wahlberechtigt seien und für diese Beschlüsse die einfache Stimmenmehrheit genüge. Bei dieser Versammlung seien fünf Mitglieder, darunter der Erstkläger und der Beklagte, in ein Gremium gewählt worden, dem keine Entscheidungsbefugnis zukomme und das nur Verhandlungen führen, Vorschläge ausarbeiten, die Bürger informieren, Abstimmungen vorbereiten und die rasche Überweisung des Geldes von der Landesregierung auf ein von der Bürgerinitiative einzurichtendes Konto bewirken sollte. Bereits bei dieser Versammlung hätten die Kläger eine Forderung von etwa S 300.000,--, die Zweitklägerin „bar auf die Hand“ gefordert, wobei empörte Unmutsäußerungen anderer Mitglieder der Bürgerinitiative die Folge gewesen seien. Rechtlich folgerte der Erstrichter, daß es sich bei der Bürgerinitiative S***** um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handle, bei der alle Teilhaber und nicht nur einer geklagt werden könne. Der Beklagte sei demnach passiv nicht legitimiert.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz aus folgenden rechtlichen Erwägungen: Die Kläger stützten ihr Begehren auf die mit dem Land Kärnten getroffene Vereinbarung und die mangelnde Erfüllung derselben durch den Beklagten. Dieser sei jedoch nur Vertreter der Bürgerinitiative S***** gewesen. Selbst die von ihm „als Vertreter der Bürgerinitiative“ übernommene volle persönliche Verantwortung und Haftung stelle keinen Vertrag dar, aus dem dem Dritten ein unmittelbares Klagerecht iS der §§ 881 f ABGB zukäme. Der aus der Vereinbarung nach dem Erklärungsinhalt hervorleuchtende Zweck aus der Sicht des Versprechenden (Land Kärnten) sei nicht gewesen, primär den Klägern ein Recht einzuräumen, sondern der nicht genau bestimmten Zahl der - nach der Natur der Sache auch unterschiedlich betroffenen - Mitgliedern der Bürgerinitiative ein Vermögen zwecks eigenverantwortlicher Durchführung von Maßnahmen zur Verringerung und Beseitigung von Beeinträchtigungen aus dem zwischenzeitig übermäßigen Verkehrsaufkommen zuzuwenden und damit die aus dieser Beeinträchtigung resultierenden nachbarrechtlichen Ansprüche (für das Land Kärnten) zu erledigen. Der Beklagte als Vertreter der Bürgerinitiative habe damit die Erfüllung einer Schuld des Landes Kärnten übernommen, woraus jedoch gemäß § 1404 zweiter Satz ABGB dem (einzelnen) Gläubiger unmittelbar kein Recht erwachse. Zweck der Erfüllungsübernahme sei die Sicherung des Schuldners; daraus erwüchsen dem Gläubiger keine direkten Rechte gegen den Übernehmer. Die vertraglichen Erklärungen seien nicht an seine Adresse gerichtet. Das Eigeninteresse des Hauptschuldners stehe im Vordergrund, sodaß nur ein unechter Vertrag zugunsten eines Dritten vorliege, der keinen direkten Anspruch des Dritten begründe. Es könne nicht angenommen werden, daß den Gläubigern zusätzliche Rechte eingeräumt werden sollten, daß ihr Interesse im Vordergrund stehen sollte, der Vertrag auch einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten darstelle und daraus dem Dritten ein klagbares Recht auf sofortige Zahlung eines bestimmten Betrages erwachsen sollte. Auch aus einer, aus Punkt 5. der Vereinbarung allenfalls abzuleitenden Treuhandschaft des Beklagten könne kein direktes Klagerecht der Kläger abgeleitet werden, zumal der Treuhänder nur im Innenverhältnis dem Treugeber gegenüber schuldrechtlich verpflichtet sei.

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger belangen den Beklagten als „Sprecher“ der Bürgerinitiative S*****, weil er die persönliche Verantwortung und Haftung für die zweckentsprechende Verteilung des vom Land Kärnten zur Verfügung gestellten Betrages von S 1,000.000,-- übernommen, die „Bürgerversammlung“ jedoch nicht den vollen, von den Klägern angemeldeten Betrag zur Herstellung notwendiger Lärmschutzeinrichtungen überwiesen habe.

Eine Legaldefinition „Bürgerinitiative“ besteht nicht. Bei der NRGOG-Novelle 1988, BGBl 1988/720, sieht § 100 Abs 1 Z 2 NRGOG die Möglichkeit vor, daß Eingaben, die von mehr als 500 österr. Staatsbürgern unterstützt wurden, dem Nationalrat als „Bürgerinitiative“ unterbreitet werden können; solche „Bürgerinitiativen“ sind in Verhandlung zu nehmen. Daraus ist aber für die Frage der Rechtsnatur einer Bürgerinitiative im allgemeinen nichts zu gewinnen. Unter Bürgerinitiativen werden von politischen Parteien und anderen Verbänden unabhängige Zusammenschlüsse gleichgesinnter Bürger zur Verfolgung bestimmter Interessen ihrer Mitglieder, einzelner Bevölkerungsgruppen oder der Bevölkerung insgesamt verstanden (Brändle, Das österr. Vereinsrecht 44 mit Hinweis auf Meyers großes Universallexikon). Eine Bürgerinitiative als Organisationsform der Selbsthilfe (Breinl, Das Handbuch der Vereine, Tz 48 Rz 103) richtet sich regelmäßig an die Öffentlichkeit und an die zuständigen Politiker und besteht in ihrer ursprünglichen Form im Widerstand einer Anzahl Betroffener unter gemeinsamen Namen, nach außen als Rechtsgemeinschaft auftretend, gegen eine Planung, zB hier eine Maßnahme der Verkehrsplanung und deren befürchteten Folgen für die Lebensqualität der Betroffenen und die Umwelt. Dellisch (Bürgerinitiativen und Vereinsrecht in AnwBl 1987, 449 f) vertritt die Auffassung, Bürgerinitiativen seien im allgemeinen als Verein zu beurteilen.

Obwohl das VerG 1951, BGBl 1951/233 idF BGBl 1954/141, BGBl 1962/102 und BGBl 1987/648 (im folgenden nur VerG) den Begriff Verein nicht definiert, sondern in §§ 2 und 3 nur aufzählt, auf welche Vereine, Gesellschaften und Verbindungen von Personen das VerG keine Anwendung findet, wird nach Lehre und Rechtsprechung (VfSlg 1397/1931; Fessler-Keller, Österr. Vereinsrecht7 10 mwN; Lierl-Stöberl, Der Verein2 15 f mwN in FN 26; Brändle aaO, 36 mwN in FN 94) unter "Verein" eine freiwillige, für eine gewisse Dauer bestimmte, organisierte Verbindung mehrerer Personen zur Erreichung eines bestimmten erlaubten, gemeinschaftlichen Zwecks durch fortgesetzte gemeinschaftliche Tätigkeit verstanden. Ostheim (Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden im österr. bürgerlichen Recht, 255) verfeinerte diese Definition, in dem er den Verein als jede freiwillige, für die Dauer bestimmte Verbindung mehrerer Personen zur Verfolgung bestimmter gemeinschaftlicher Zwecke bezeichnet, die auf Grund eines Statuts die wesentlichen Merkmale korporativer Organisation aufweist und zufolge dieser Organisation nicht auf die ursprünglichen Mitglieder beschränkt, sondern auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist. Mit der VerG-Novelle 1987, BGBl 1987/648, wurde § 3 lit c VerG neu gefaßt und normiert nun, daß das VerG keine Anwendung findet „auf Verbindungen von Personen, die sich ohne ausdrückliche, normierte Organisation und Mitgliedschaft zur Erreichung bestimmter, erlaubter Ziele nicht auf Dauer oder nur fallweise zusammenfinden“. Ausgenommen sind somit Zusammenschlüsse von Personen, die das Merkmal der organisierten Verbindung oder der Dauerhaftigkeit oder der fortgesetzten gemeinschaftlichen Tätigkeit nicht erfüllen. Nach den EB (RV 112 BlgNR XVII. GP 6) sollte damit „zur Vermeidung von immer wieder festzustellenden Irrtümern“ klargestellt werden, daß „lose und temporäre Personenverbindungen, die in organisatorischer Hinsicht nicht die Kriterien eines Vereines aufweisen, den Bestimmungen des VerG 1951 nicht unterliegen; dazu zählen etwa 'Bürgerinitiativen', 'Komitees', 'Arbeitskreise' und 'dergleichen'“. Maßgeblich ist somit vor allem das Vorliegen einer entsprechenden Organisation. Soweit Bürgerinitiativen als spontane Zusammenschlüsse von Bürgern ohne ausdrückliche Mitgliedschaft zeitlich begrenzt und locker organisiert sind, können sie nicht als Vereine iS des VerG beurteilt werden. Sobald sie aber (relativ) auf Dauer organisiert sind, sie die typischen Merkmale der Vereinsstruktur aufweisen und die Mitgliedschaft an Bedeutung gewinnt, gelten auch für Bürgerinitiativen die Vorschriften des VerG (vgl. Brändle aaO 44 mit Hinweis auf Demmelbauer, Von der geplanten Änderung des Vereinsgesetzes in ÖGZ 8/1985, 12 f).

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall: Die seit Herbst 1990 bestehende Bürgerinitiative S***** war gegen die Beeinträchtigung der Umweltqualität durch die zu erwartende erhöhte Verkehrsfrequenz der Rosegger Landesstraße als Folge der nur teilweisen Eröffnung der A 11 aufgetreten. In der Versammlung vom 28. März 1991 wurden der Beklagte als „Sprecher der Bürgerinitiative“, somit offenbar als Vertreter des Vereins nach außen (§ 4 Abs 2 lit i VerG) gewählt, der Beklagte, eine Schriftführerin und drei weitere Vereinsmitglieder, darunter auch der Erstkläger, in ein „Gremium“ als Leitungsorgan, somit als Vorstand gewählt und dessen Aufgaben (Führung erforderlicher Verhandlungsgespräche, Entgegennahme und Ausarbeitung von Vorschlägen aus der Bevölkerung, Informierung der Bürger und Durchführung von Abstimmungen, Sorgetragung für eine rasche Empfangnahme des von der Kärntner Landesregierung erwarteten Betrages) und damit auch die für die Verwirklichung des Vereinszweckes vorgesehenen Tätigkeiten (§ 4 Abs 2 lit d VerG) bestimmt. Damit hatten die anwesenden Bürger nicht nur die Gründungsvereinbarung geschlossen und die notwendigen Statuten festgelegt, sondern sich auch durch Bestellung der Vereinsorgane Generalversammlung und Vorstand („Gremium“) einschließlich Vertretungsbefugnis des Beklagten nach außen konstituiert. Fehlende Bestimmungen über die freiwillige Auflösung des Vereines und die Verwertung des Vereinsvermögens im Falle einer solchen Vereinsauflösung (§ 4 Abs 2 lit k VerG) waren hier angesichts des Vereinszweckes bedeutungslos.

Weiters wurde mit einfacher Mehrheit beschlossen, daß alle in S***** wohnhaft gemeldeten Personen, die das „österr. Wahlrecht“ haben, zur Fassung von Beschlüssen der Bürgerinitiative wahlberechtigt (gemeint auch stimmberechtigt) sind, somit diesem Verein freiwillig beitreten können, der Bestand der Vereinigung demnach von einem Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig ist (Lierl-Stöberl aaO, 16), und daß Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip gefaßt werden (§ 4 Abs 2 lit e und h VerG).

Die in der Folge vom Beklagten mit dem Land Kärnten getroffene Vereinbarung sieht ausdrücklich vor, daß der Betrag von S 1 Million der „Bürgerinitiative S*****“ zur Verfügung gestellt wird, die über die Verteilung dieses Betrages zu beschließen hat. Da die Art der Verwendung des zur Verfügung gestellten Betrages ausschließlich der Bürgerinitiative oblag und zu unterstellen ist, daß dem einzelnen Bürger neben der Teilnahme an der Beschlußfassung über die Verteilung auch das Recht auf eine gewisse Kontrolle der Verteilungsbeschlüsse durch die ordentlichen Gerichte zukommen sollte, muß auch der Wille der am 28. März 1991 anwesenden Bürger der Gemeinde S***** unterstellt werden, sich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt zu organisieren, einen ideellen Verein mit dem Namen (§ 4 Abs 2 lit a und Abs 3 VerG) „Bürgerinitiative S*****“, dem Sitz (§ 4 Abs 2 lit b VerG) in S***** und einem Vereinszweck (§ 4 Abs 2 lit c VerG), der unter anderem in der Empfangnahme und Verteilung des Betrages an betroffene Gemeindebürger bestand, zu gründen. Ein Verein muß „für die Dauer“ bestimmt sein, wobei eine Legaldefinition in Ansehung dieser Dauer nicht besteht. Es ist zulässig, daß der Verein von vornherein auf die Erreichung eines bestimmten Zweckes (z.B. Verein zur Errichtung eines Denkmals) gerichtet ist, mit dessen Erfüllung er sich freiwillig auflöst, sofern er nur eine gewisse Bestandsdauer hat, was etwa bei einem Ballkomitee nicht gesagt werden kann (Fessler-Keller aaO, 11 mwN). Verbindet die Vereinsmitglieder neben der räumlichen Nähe bei Zusammenkünften auch noch eine rechtliche Verknüpfung, so ist dieser Verein sicher „für die Dauer bestimmt“ (Brändle aaO, 37). Die „fortgesetzte gemeinschaftliche Tätigkeit“ zur Erfüllung des Vereinszweckes lag vor allem in der Beratung und Entscheidung über die Verteilung des dem Verein vom Land bestimmten Geldbetrages. Es handelte sich um einen „erlaubten“ ideellen Verein, weil sein Zweck weder durch Gesetz verboten war noch offenbar der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten widerstritt.

Nach Lehre (Aicher aaO, Rz 31 mwN) und neuerer Rechtsprechung (SZ 63/156 = JBl 1991, 784; 6 Ob 580/92; 4 Ob 83, 84/90) ist privatrechtliche Voraussetzung für das Entstehen eines ideellen Vereins als juristische Person (SZ 63/156; Aicher aaO Rz 3; Posch in Schwimann, Rz 4 zu § 26 ABGB; Koziol-Welser, Grundriß9 I 70) eine Gründungsvereinbarung und die Konstituierung. Die Gründungsvereinbarung ist die Willenseinigung der Gründer über die Vereinssatzung, wodurch nur eine Innenbindung der Gründer entsteht. Zur Erlangung der Rechtsfähigkeit des Vereines muß darüber hinaus auch noch die Vereinstätigkeit in Form der Konstituierung aufgenommen werden. Erst mit dieser wird die Satzung nach außen in Vollzug gesetzt. Die Konstituierung kann aber auch bereits vor der gemäß § 4 VerG vorgeschriebenen - hier offenbar (noch) unterlassenen - Anzeige über die Bildung des Vereins erfolgen und muß bei späterer Anmeldung nach dem Ablauf der Untersagungsfrist (§ 7 VerG) oder einem nach dieser Gesetzesstelle ergangenen Bescheid keineswegs wiederholt werden. Da es sich sowohl bei der Gründungsvereinbarung als auch bei der Konstituierung um rechtsgeschäftliche Willenserklärungen der Gründer handelt, ist auch für die Frage, in welcher Form die Konstituierung stattzufinden hat, allein der satzungsgemäße Konstituierungswille der Gründer maßgeblich. Der Nichtuntersagung des Vereins durch die Behörde kommt daher nur deklarative Bedeutung zu. Diese Auffassung wird auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt, der der Nichtunterlassung keine konstitutive Wirkung für die Erlaubtheit des Vereins iS des § 26 ABGB zuerkennt und ausgesprochen hat, daß die Einhaltung der im VerG vorgesehenen Ordnungsvorschriften keine Voraussetzung für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit eines Vereins ist (ÖJZ 1990, 153 A 54). Jedenfalls nach ihrer Sitzung vom 28. März 1991 ist die Bürgerinitiative S***** als ideeller Verein zu beurteilen. Eine wirtschaftliche Unternehmenstätigkeit der Bürgerinitiative war nicht beabsichtigt und wurde auch nicht vorgenommen. Entgegen der Rechtsansicht der ersten Instanz und in Übereinstimmung mit dem Revisionsvortrag ist nach Auffassung des erkennenden Senats die Anwendung der Vorschriften über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff ABGB) im vorliegenden Fall schon deshalb nicht sachgerecht, weil die enge Bindung an die Person des einzelnen Gesellschafters (Ostheim aaO, 248 f) hier fehlt. Gegen eine schlichte Rechtsgemeinschaft (vgl. dazu Strasser in Rummel2, Rz 23 zu § 1175 ABGB, Jabornegg in Schwimann, Rz 31 zu § 1175 ABGB) der in der „Bürgerversammlung“ vom 28. März 1991 konstituierten Vereinigung mehrerer Personen spricht die angestrebte gemeinsame Zweckverfolgung und die Art der Organisation. Die Textierung der Vereinbarung zwischen dem Land Kärnten und der Bürgerinitiative „S***** läßt es nicht zu, den Beklagten nur als Treuhänder des Landes Kärnten oder der Bürgerinitiative zu beurteilen“. Der Beklagte sollte seine Rechte nicht im eigenen Namen (Strasser in Rummel2, Rz 42 zu § 1002 ABGB; Apathy in Schwimann, Rz 6 zu §§ 1002, 1003 ABGB, jeweils mwN) ausüben, er wird auch in Punkt 5) nur als Vertreter der Bürgerinitiative bezeichnet; auch die Verteilung des Geldbetrages oblag nicht ihm.

Die Bürgerinitiative S***** erhielt durch den Abschluß der Vereinbarung mit dem Land Kärnten einen Betrag von S 1,000.000,-- „zur Durchführung von Maßnahmen zur Verringerung bzw. Beseitigung der näher genannten Beeinträchtigungen“ im Zusammenhang mit der Umleitung des Autoverkehrs auf die R***** Landesstraße. Der Rechtsgrund der Zahlung durch das Land Kärnten muß hier nicht erörtert werden, auf die Auffassung der zweiten Instanz, es habe sich um die Erledigung nachbarrechtlicher Ansprüche gehandelt, braucht nicht eingegangen zu werden. Selbst wenn man zum Besten der Kläger davon ausgehen wollte, daß durch Punkt 5. der Vereinbarung nicht nur eine Haftung des Beklagten gegenüber dem Land Kärnten übernommen wurde, sondern auch gegenüber dem Verein und dessen Mitgliedern, so konnte die Verpflichtung des Beklagten, der als Mitglied des Vorstands („Gremiums“) zu eigenen Entscheidungen nicht befugt war, angesichts der Tatsache, daß die Art der Verwendung des zur Verfügung gestellten Betrages ausschließlich der Bürgerinitiative S*****, somit dem Verein oblag, nur darin bestehen, Sorge zu tragen, daß über die Verwendung des erhaltenen Betrages im Vereinsorgan "Generalversammlung" ordnungsgemäß (mit einfacher Stimmenmehrheit) abgestimmt und entsprechend dieser Abstimmung an die dadurch Begünstigten ausbezahlt wird.

Die Kläger können mit ihrem Vorbringen aus Punkt 5.) der Vereinbarung keinen unmittelbaren Anspruch gegen den beklagten „Sprecher“ der Bürgerinitiative S***** als Organ eines Vereins ableiten. Ob die Aufteilung des vom Land lukrierten Betrages durch den Verein die Kläger benachteiligte, ist im Rahmen dieses Verfahrens ebensowenig zu untersuchen wie die Kontrollierbarkeit von Vereinsbeschlüssen (vgl. dazu Aicher aaO, Rz 45 ff mwN). Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E31170

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0010OB00617.92.0129.000

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten