TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/23 2005/07/0083

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Veröffentlicht am 23.02.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
14/01 Verwaltungsorganisation;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §7;
AWG 1990 §7a;
AWG 1990 §7c;
AWG 2002 §14 Abs1;
AWG 2002 §14;
AWG 2002 §6 Abs5;
VerpackV 1996 §7 Abs1;
VerpackV 1996 Anl2 Z1;
VerpackV 1996 Anl2;
VerpackV 1996;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der P-Handelsgesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Obere Donaustraße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 14. April 2005, Zl. BMLFUW-UW.2.3.5/0007- VI/6/2005, betreffend eine Feststellung nach § 6 Abs. 5 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte mit Eingabe vom 19. August 2002 bei der belangten Behörde die Feststellung, dass die von ihr verwendeten Tragetaschen für Abschleppseile als langlebig im Sinne der Anlage 2 zur Verpackungsverordnung 1996 einzustufen seien.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2003 stellte die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 5 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei verwendeten Tragetaschen für Abschleppseile nicht als langlebige Verkaufsverpackungen im Sinne der Anlage 2 der Verpackungsverordnung 1996 einzustufen sind.

Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2003, 2003/07/0069, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein Ergänzungsgutachten ihres Amtssachverständigen für Verpackungstechnik zur Frage der Langlebigkeit der Tragetaschen ein.

In seinem Gutachten vom 6. August 2004 führte der Amtssachverständige aus:

"Bei gegenständlichen Mustern handelt es sich um Tragetaschen aus Polyethylen mit Griffleiste, die als Verpackungen für Abschleppseile dienen. Die Abschleppseile selbst sind in verschiedenen Ausführungen (mit Karabinerhaken oder Schäkel) erhältlich.

Auf der Vorderseite der Tragetasche findet sich Produktbezeichnung und Produktbeschreibung, auf der Rückseite ist die Bedienungsanleitung aufgedruckt. Vorder- und Rückseite sind seitlich über eine Schweißnaht miteinander verbunden.

...

Damit eine Verpackung nachweislich zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes dient, muss einerseits eine entsprechende Festigkeit bzw. Eignung zur dauerhaften Aufbewahrung des Produktes in der Verpackung gegeben sein und andererseits muss die Verpackung über die gesamte Lebensdauer des Produktes für den Erhalt der Produkteigenschaften erforderlich sein. Ist dies nicht der Fall, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verpackung üblicherweise erst nach Beendigung des Gebrauchs des verpackten Produktes zugleich mit diesem entsorgt wird. Ist die Verpackung nicht z.B. zum Schutz des Produktes unbedingt erforderlich, liegt der Zeitpunkt der Entsorgung der Verpackung im freien Ermessen des Besitzers. Die Abschleppseilverpackung dient nicht nachweislich dem dauerhaften Gebrauch des Abschleppseiles, da dieses auch ohne Verpackung aufbewahrt werden kann, ohne die Produkteigenschaften zu verändern. Im Vergleich dazu sind z.B. CD-Hüllen bzw. Wanderkartenhüllen zum Schutz vor Zerkratzen bzw. vor Feuchtigkeit erforderlich.

Abschleppseile werden in der Regel nicht für den täglichen Gebrauch benötigt. Bei der Beurteilung aus technischer Sicht, ob eine Verpackung für den dauerhaften Gebrauch eines Produktes geeignet ist, ist allerdings nicht nur von einem Gebrauch im Ausnahmefall auszugehen, sondern zumindest von einem mehrmaligen Gebrauch.

Bei der vorliegenden Wandstärke der Tragetasche ist grundsätzlich von einer ausreichenden Reißfestigkeit des Materials auszugehen. Deutliche Schwachstellen stellen allerdings die seitlichen Schweißnähte dar. Diese befinden sich unmittelbar an der Kante und sind nur einfach ausgeführt. Zieht man als Vergleich die Schweißnähte von Wanderkartenhüllen heran, so weisen diese üblicherweise doppelte Schweißnähte mit Zwischenstegen auf und sind daher belastbarer.

Zur Überprüfung der Festigkeit der Schweißnähte wurden daher beim Österreichischen Institut für Verpackungswesen Zugversuche beauftragt. Dabei wurde die Schweißnahtfestigkeit in % der Folienfestigkeit bestimmt (siehe beiliegenden Prüfbericht). Aus diesem ist ersichtlich, dass die durchschnittliche Schweißnahtfestigkeit nur bei 83,1 % der Folienfestigkeit liegt. Weiters weist die Schweißnahtfestigkeit (die breitenbezogene Bruchkraft lag zwischen 1,00 und 1,47 kN/m) einen wesentlich höheren Schwankungsbereich als die Folienfestigkeit (die breitenbezogene Bruchkraft lag zwischen 1,48 und 1,68 kN/m) auf. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ausführung der Schweißnähte hin.

Eine Belastung der Schweißnaht tritt beim Öffnen der Tragetasche auf, was mit einem leichten Ruck erfolgt, da die Tasche über Druckverschlüsse in der Griffleiste verschlossen ist. Bei einem Einriss der Seitennaht ist davon auszugehen, dass die Schweißnaht beim Öffnen der Tasche bzw. bei der Entnahme des Abschleppseils (insbesonders durch die Berührung der am Seil befestigten Schäkel bzw. Karabinerhaken) einreißt.

Geht man von der Lebensdauer eines Abschleppseils von zumindest 10 - 15 Jahren aus, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verpackung erst nach diesem langen Zeitraum gemeinsam mit dem Seil entsorgt wird.

Gegenständliche Muster sind daher nicht als langlebige Verpackungen einzustufen."

Auf dieses Gutachten erwiderte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 1. Oktober 2004, gemäß einer von ihr eingeholten Stellungnahme eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für technische Chemie, Kunststoffe, Umwelt- und Qualitätsmanagement seien die Zugversuchsprüfungen an den beschriebenen Proben nach ÖNORM EN 1624-2 erfolgt. Diese Norm gelte jedoch für Proben aus Papier oder Pappe. Analoges gelte für die Prüfbedingungen. Zur Einhaltung der Klimabedingungen während der Lagerung der Proben vor dem Zugversuch sei die Norm für Papier/Pappe ÖNORM EN 20187 angewendet worden. Auf Grund der Tatsache, dass die Erstellung des Prüfberichtes auf der Anwendung unzutreffender Normen beruhe, seien die daraus abgeleiteten Aussagen nicht haltbar.

Dazu äußerte sich der Amtssachverständige für Verpackungstechnik in einer Stellungnahme vom 10. November 2004. Er führte aus, zutreffend sei, dass grundsätzlich die ISO 527-3 (Kunststoffe - Bestimmung der Zugeigenschaften - Teil 3: Prüfbedingungen für Folien und Tafeln) die zutreffendere Prüfnorm für die Ermittlung der Zugfestigkeit der Kunststofffolie der Tragetaschen gewesen wäre. Zweck der beauftragten Zugversuche sei die Beurteilung der seitlichen Schweißnähte gewesen, die als Schwachstellen identifiziert worden seien. Es sei daher die Schweißnahtfestigkeit in % der Folienfestigkeit bestimmt worden. Dazu sei sinngemäß ÖNORM EN ISO 1924-2 (Prüfnorm für Zugversuche an Papier und Pappe) angewandt worden. Da nicht die absolute Zugfestigkeit von Folie bzw. Naht von Interesse gewesen sei, sondern nur das Verhältnis der beiden Festigkeiten, seien die aus den Zugversuchen abgeleiteten Schlussfolgerungen (die Schweißnahtfestigkeit sei geringer als die Folienfestigkeit und weise einen wesentlich höheren Schwankungsbereich auf) jedenfalls zulässig und aussagekräftig. Weitere Versuche bzw. Analysen seien nicht erforderlich.

Auf diese Stellungnahme antwortete die beschwerdeführende Partei mit einer Stellungnahme ihres Privatsachverständigen vom 18. November 2004. Darin heißt es:

"1. Betreffend die durchgeführten Prüfungen der Zugfestigkeit von Folie und Schweißnaht der Folie der Abschleppseilverpackung ... ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Zugversuchsprüfung an den beschriebenen Proben erfolgte nicht gemäß Prüfnorm ISO 527-3 für Proben aus Kunststoff-Folien, sondern 'sinngemäß' nach ÖNORM EN 1924-2 für Proben aus Papier oder Pappe. Warum das Institut die anzuwendende Norm nicht eingesetzt hat, ist unerklärlich. Dies ist umso unerklärlicher, als auch die Prüfnorm für Papier und Pappe nur 'sinngemäß' angewendet wurde. Diese Art der Prüfung nach einer unzutreffenden Norm und deren 'sinngemäße' Anwendung, sowie die demnach erfolgte Art der Erstellung des Prüfberichtes entsprechen nicht den Normforderungen (EN ISO 17025) an eine akkreditierte Prüfstelle. Die Annahme stellt sich, dass das Institut für die Zugprüfung von Kunststoff-Folien gemäß o.a. Prüfnorm nicht akkreditiert ist. Die Akkreditierungsstelle des BMwA verfügt über die Listen der jeweils akkreditierten Prüfverfahren gemäß geltender Prüfnormen der akkreditierten Prüfstellen.

Zu den angewendeten Prüfbedingungen wird festgestellt: Für die Einhaltung der Klimabedingungen während der Lagerung der Proben vor dem Zugversuch wurde die nicht zutreffende Norm für Papier/Pappe ÖNORM EN 20187 angewendet. Für die Klimatisierung gelagerter Kunststoff-Folien sind jedoch Bedingungen gemäß Norm ISO 291 einzustellen.

Ergebnis: Der Sachverhalt der Anwendung unzutreffender Prüfnormen erlaubt keine daraus abgeleiteten Befunde. Es ist technisch evident, dass signifikant unterschiedliche Werkstoffe, wie Papier und Kunststoff-Folien, nur nach zutreffenden Prüfnormen zu prüfen sind, was nicht zuletzt den Sinn einer Akkreditierung ausmacht.

2. Bewertung der Eignung gemäß § 6 Absatz 5 des AWG 2002:

Die erforderlichen Aussagen über die Langlebigkeit und Belastbarkeit der Proben sind in Folge nicht möglich, da die im Prüfbericht dargestellten Unterschiede in der Zugfestigkeit von Schweißnaht und Folie (Schweißnahtfestigkeit beträgt 83 % der Folienfestigkeit) ohne eine Parallelmessung (gleiches Prüfverfahren bzw. gleiche Prüfnorm) an einem definiert langlebigen Folienprodukt mit möglichst gleicher Polymeridentität keine technisch begründete Aussage erlaubt. In Folge ist die Aussage, ob die Zugfestigkeit der Folie selbst den Anforderungen gem. AWG ... entspricht, unmöglich und daher nicht erfolgt.

Ergebnis: Der Sachverhalt, dass Parallelmessungen an langlebigen Vergleichsmustern nicht vorliegen, erlaubt keine begründete Aussage über die dargestellte Festigkeit von Folie und dem Festigkeitsverhältnis Schweißnaht zu Folie.

Überdies steht fest, dass die alleinige Bewertung der relativen Festigkeit der Folienschweißnaht, einschließlich der im Bericht dargestellten Schwankungsbreite, keine technisch zulässige Gesamtaussage über die Langlebigkeit einer Kunststoff-Folie und der daraus hergestellten Verpackung sein kann.

Bezüglich gemessener Schwankungsbreiten verweist das Institut im Bericht nicht auf die für ein 'sinngemäß' angewendetes Prüfverfahren zu ermittelnde Standardabweidung der Prüfmethode selbst, um dann in zulässiger Weise die Messwertschwankungen bewerten zu können.

3. Aussagen über die Langlebigkeit und Belastbarkeit dieser Proben sind zusätzlich erforderlich:

Analysen der Alterungs- und Licht-Stabilisierung der Folie:

Damit wird die Eignung der Folie für eine langjährige Lagerung unter erhöhten Temperaturen (in PKW bis zu 75 Grad C möglich) und unter Licht-(UV-) Einfluss geprüft. Die Alterungsstabilisierung einer Kunststoff-Folie verbessert naturgemäß auch die Schweißnahtfestigkeit der Folie infolge erhöhter Oxidationsbeständigkeit.

Zugversuch unter Simulationsbedingungen (z.B. 5-malige Vorbelastung der Schweißnaht im Zugversuch): Damit kann die Eignung der Folien-Schweißnaht für eine nutzungsnahe Zahl von 5 Öffnungen der Abschleppseilverpackung getestet werden.

Reißfestigkeitsversuch bei -20 Grad C: Eignung der Folie (und damit der Folienschweißnaht) bei Winterbedingungen, wie diese im Betrieb von KFZ periodisch auftreten.

Diese Prüfungen werden parallel an im Sinne des AWG ... definiert langlebigen Kunststoff-Folien durchgeführt, um eine fundierte Bewertung der Prüfmuster zu ermöglichen.

Die Beauftragung eines staatlich akkreditierten Prüfinstituts mit diesen Prüfungen ist jederzeit möglich."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. April 2005 stellte die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 5 AWG 2002 fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei verwendeten Tragetaschen für Abschleppseile nicht als langlebige Verkaufsverpackungen im Sinne der Anlage 2 der Verpackungsverordnung 1996 einzustufen sind.

In der Begründung vertrat die belangte Behörde zunächst die Auffassung, aus dem eingeholten Amtssachverständigengutachten und dessen Ergänzung ergebe sich, dass es sich bei den Tragetaschen nicht um langlebige Verpackungen handle, weil eine Belastung der Schweißnaht beim Öffnen der Tragetasche auftrete, was mit leichtem Ruck erfolge, da die Tasche über Druckverschlüsse in der Griffleiste verschlossen sei. Bei einem Einriss der Seitennaht sei davon auszugehen, dass die Schweißnaht beim Öffnen der Tasche bzw. bei der Entnahme des Abschleppseils (insbesondere durch die Berührung der am Seil befestigten Schäkel bzw. Karabinerhaken) weiter einreiße.

Auch aus einem anderen Grund - so fährt die belangte Behörde fort - könnten die Tragetaschen keine langlebigen Verpackungen darstellen.

Ob die Verpackung nachweislich zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes diene, das im statistischen Mittel eine Lebensdauer von mindestens 5 Jahren ausweise und üblicherweise zugleich mit dem Produkt nach Beendigung von dessen Gebrauch entsorgt werde, sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, welche Kriterien für diese Beurteilung in Betracht kämen, ergebe sich aus den Eigenschaften, die jene Verpackungen aufwiesen, die im Anschluss an diese Begriffsdefinition in der Anlage 2 zur Verpackungsverordnung 1996 beispielsweise aufgezählt seien.

Bei diesen beispielhaft angeführten langlebigen Verpackungen handle es sich um solche, die für den Erhalt der Produkteigenschaften über die gesamte Lebensdauer des Produktes erforderlich seien. Mit anderen Worten, diese Produkte könnten üblicherweise - unter Erhalt ihrer wesentlichen Produkteigenschaften - nicht ohne die Verpackung aufbewahrt werden. So dienten z.B. CD-Hüllen bzw. Wanderkartenhüllen zum Schutz vor Zerkratzen bzw. vor Feuchtigkeit. Abschleppseile könnten jedoch auch ohne die Tragetaschen aufbewahrt werden, ohne dass man Gefahr liefe, dass sich die Produkteigenschaften ändern könnten.

Dieser Rechtslage, die bereits dem Ergänzungsgutachten vom 6. August 2004 entnommen werden könne, sei die beschwerdeführende Partei nicht entgegengetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei bemängelt das Gutachten des Amtssachverständigen für Verpackungstechnik als ungenügend, weil es auf einem Prüfbefund beruhe, der nicht nach den einschlägigen Normen durchgeführt worden sei.

Die zweite Begründung der belangten Behörde, dass die Tragetaschen deswegen nicht dem dauerhaften Gebrauch des Abschleppseiles dienten, da dieses auch ohne Verpackung aufbewahrt werden könne, ohne die Produkteigenschaften zu verändern, könne nicht überzeugen. Rechtsausführungen in einem technischen Gutachten bedürften wegen Unzuständigkeit des Sachverständigen keines konkreten Widerspruches seitens der beschwerdeführenden Partei. Es könne daher nicht von einer "Außerstreitstellung" ausgegangen werden. Dem gegenüber fehle dem Gutachten jeglicher Nachweis, weshalb die Abschleppseilverpackung nicht dem dauerhaften Gebrauch des Abschleppseiles diene. Die bloße Begründung, das Abschleppseil könne auch ohne Verpackung aufbewahrt werden, ohne die Produkteigenschaft zu verändern, sei ohne sonstige Erläuterungen ungenügend. Die in der Anlage 2 zur Verpackungsverordnung 1996 beispielhaft aufgezählten Verpackungen bezögen sich auf Produkte, die auch ohne diese Verpackungen aufbewahrt werden könnten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bestehen begründete Zweifel, ob und inwieweit eine Sache einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002) unterliegt, hat nach § 6 Abs. 5 AWG 2002 der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf Antrag eines Verpflichteten oder von Amts wegen innerhalb von drei Monaten einen Feststellungsbescheid zu erlassen.

Die Verpackungsverordnung 1996, BGBl. Nr. 648 (VerpackVO 1996) ist den Verordnungen gemäß § 14 Abs. 1 AWG 2002 zuzurechnen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 2003, 2003/07/0053).

Die VerpackVO 1996 enthält unter anderem Pflichten derjenigen, die Verpackungen in Verkehr bringen (vgl. die §§ 3 ff).

Nach § 7 Abs. 1 VerpackVO 1996 unterliegen Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von langlebigen Verkaufsverpackungen im Sinne der Anlage 2 hinsichtlich dieser Verpackungen nicht dem § 3 Abs. 1 letzter Satz, Abs. 4, 6 und 9, und dem § 4.

Die im § 7 Abs. 1 VerpackVO 1996 angeführte Anlage 2 zu

dieser Verordnung lautet:

"Langlebige Verpackungen

Verpackungen im Sinne dieser Anlage sind solche, die

1. nachweislich zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes dienen, das im statistischen Mittel eine Lebensdauer von mindestens fünf Jahren aufweist, und

2. üblicherweise zugleich mit dem Produkt nach Beendigung von dessen Gebrauch entsorgt werden.

Diese sind insbesondere:

-

Besteckkoffer

-

CD-Hüllen

-

Fotokoffer

-

Lederetuis

-

Musikkassettenhüllen

-

Pannendreiecksbehälter

-

Schallplattenhüllen

-

Schmucketuis

-

Schneekettenbehälter

-

Spielekartons

-

Verbandskasten

-

Videokassettenhüllen

-

Wanderkartenhüllen

-

Werkzeugkoffer."

Aus dem Begriffsmerkmal des "dauerhaften Gebrauches" für ein Produkt in Z. 1 der Anlage 2 zur VerpackVO 1996 folgt, dass eine Verpackung nur dann als langlebig eingestuft werden kann, wenn sich ihre Haltbarkeit grundsätzlich mit der Lebensdauer jenes Produktes deckt, zu dessen dauerhaftem Gebrauch sie dienen soll. Die Lebensdauer von mindestens fünf Jahren ist nur eine Untergrenze; wie lange eine Verpackung zu halten hat, um als langlebig eingestuft werden zu können, ergibt sich aus der Lebensdauer des Produktes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2003, 2003/07/0069).

Die Berufung auf das eingeholte Amtssachverständigengutachten (samt Prüfbefund eines Instituts) und die ergänzende Stellungnahme des Amtssachverständigen vermögen die Annahmen der belangten Behörde über die Qualität der Tragetaschen (Reißfestigkeit) nicht zu tragen.

Die beschwerdeführende Partei ist dem Gutachten und der Stellungnahme des Amtssachverständigen ihrerseits mit einem Privatsachverständigengutachten entgegen getreten, welches das Gegenteil dessen behauptet, was der Amtssachverständige meint. Es stehen sich also Meinungen von Fachleuten gegenüber und es ist ohne entsprechende Erläuterung durch die belangte Behörde nicht erkennbar, welcher dieser Meinungen der Vorzug gebührt.

Die belangte Behörde hat die getroffene Feststellung aber auch noch auf einen anderen Grund gestützt. Sie vertritt die Meinung, die Tragetaschen seien deswegen nicht als langlebige Verpackungen einzustufen, weil die Abschleppseile ohne Nachteil für die Produkteigenschaften auch ohne diese Tragetaschen aufbewahrt werden könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Ob eine Verpackung die in Anlage 2 der VerpackVO 1996 normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, nämlich ob sie nachweislich zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes dient, das im statistischen Mittel eine Lebensdauer von mindestens fünf Jahren aufweist, und üblicherweise zugleich mit dem Produkt nach Beendigung von dessen Gebrauch entsorgt wird, ist - wie sich aus der Formulierung dieser Norm ergibt - nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Einen weiteren Anhaltspunkt dafür, welche Kriterien für diese Beurteilung in Betracht kommen, ergibt sich aus den Eigenschaften, die jene Verpackungen aufweisen, die im Anschluss an diese Begriffsdefinition in der Anlage 2 beispielsweise aufgezählt sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2003, 2000/07/0070).

Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung auf die demonstrative Aufzählung langlebiger Verpackungen in der Anlage 2 zur VerpackVO.

Nach der allgemeinen Umschreibung in der Anlage 2 zur VerpackVO sind langlebige Verpackungen solche, die

              1.              nachweislich zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes dienen, das im statistischen Mittel eine Lebensdauer von mindestens 5 Jahren aufweist und

              2.              üblicherweise zugleich mit dem Produkt nach Beendigung von dessen Gebrauch entsorgt werden.

Aus dieser Umschreibung ist das Erfordernis, dass eine Verpackung dem Erhalt der Produkteigenschaften dienen muss, um als langlebig eingestuft werden zu können, nicht ableitbar. Mit dem Wortlaut der Begriffsbestimmung ist eine solche Einschränkung nicht vereinbar. Nach dem Wortsinn kann das (zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes) "Dienen" auch durch andere Funktionen als den Erhalt der Produkteigenschaften, z.B. durch Transport- , Sicherungs- oder Aufbewahrungsfunktionen, erfüllt werden. Die von der beschwerdeführenden Partei erwähnte Funktion der Tragetaschen, das Wageninnere nach dem Gebrauch der Abschleppseile vor Verschmutzung zu bewahren, bietet ein Beispiel für eine solche Funktion.

In den Ausführungen des Amtssachverständigen kommt zum Ausdruck, bei einer Verpackung, die nicht für den Erhalt der Produkteigenschaften unbedingt erforderlich sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie üblicherweise erst nach Beendigung des Gebrauchs des verpackten Produktes zugleich mit diesem entsorgt werde.

Aus dem Umstand allein, dass eine Verpackung nicht unbedingt für den Erhalt der Produkteigenschaften erforderlich ist, kann nicht gefolgert werden, sie werde vorzeitig entsorgt, kann doch auch eine andere Funktion als die der Produkterhaltung so bedeutsam sein, dass sie eine vorzeitige Entsorgung verhindert.

Die beschwerdeführende Partei führt ins Treffen, auch die auf den Tragetaschen aufgedruckte Bedienungsanleitung, die ausführlich den Abschleppvorgang und die Verwendung des Abschleppseiles darstelle und dem Benutzer schnell und unkompliziert Informationen darüber verschaffe, wie der Abschleppvorgang ordnungsgemäß vor sich gehen solle, verhindere eine leichtfertige Entsorgung. Diese Argumentation ist nicht von Vornherein als unschlüssig zu erkennen.

Ergibt aber eine Auslegung der (allgemeinen) Begriffsbestimmung der langlebigen Verpackungen, dass es nicht zu den Tatbestandsmerkmalen langlebiger Verpackungen gehört, dass sie zum Erhalt der Produkteigenschaften erforderlich sein müssen, dann scheidet dieses Kriterium auch dann als Voraussetzung für die Einstufung einer Verpackung als langlebig aus, wenn die in der demonstrativen Aufzählung der Anlage 2 zur VerpackVO genannten Verpackungen dieses Kriterium aufwiesen. Die Aufzählung stellt lediglich eine unwiderlegbare (arg.: "jedenfalls") Einstufung der in ihr genannten Verpackungen als langlebig dar; sie kann aber nicht bedeuten, dass ein diesen Beispielen gemeinsames Merkmal zu den Tatbestandselementen des Begriffes der langlebigen Verpackungen gehört, wenn es in der (allgemeinen) Begriffsbestimmung keine Deckung findet. Lediglich dort, wo die Auslegung der allgemeinen Begriffsbestimmung Zweifelsfragen aufwirft, können aus der demonstrativen Aufzählung Anhaltspunkte für die Lösung dieser Zweifelsfragen gefunden werden.

Die in dieser Aufzählung genannten Verpackungen sind aber ohnedies nicht alle für den Erhalt von Produkteigenschaften über die gesamte Lebensdauer des Produktes erforderlich. So sind beispielsweise Lederetuis ohne Bezug zu einem bestimmten Produkt, von dem gesagt werden könnte, es behalte seine Produkteigenschaften nur in einem Lederetui bei, angeführt. Lederetuis können aber auch in anderer Weise als zur Erhaltung der Produkteigenschaften zum dauerhaften Gebrauch eines Produktes dienen. Auch bei Werkzeugen kann nicht gesagt werden, dass ohne die Verwendung von Werkzeugkoffern der Erhalt der Produkteigenschaften während der gesamten Lebensdauer der Werkzeuge nicht gesichert wäre. Gleiches gilt für andere der in der Anlage 2 zur VerpackVO angeführten Produkte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf die mangelnde Reißfestigkeit der Tragetaschen stützt, als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Hinsichtlich des Erfordernisses der Erhaltung der Produkteigenschaften als unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen einer langlebigen Verpackung beruht der angefochtene Bescheid auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung und erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

Da eine Rechtswidrigkeit des Inhalts einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Februar 2006

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Besondere Rechtsgebiete Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005070083.X00

Im RIS seit

16.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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