TE OGH 1993/3/23 14Os30/93

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Veröffentlicht am 23.03.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian T***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches nach § 302 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Privatbeteiligten Barbür P***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. August 1992, GZ 8 a Vr 4437/89-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.Mai 1992, GZ 8 a Vr 4437/89-81, wurden vier Polizeibeamte von der Anklage, sie hätten durch willkürliche Festnahme und Anhaltung Babür P***** amtsmißbräuchlich (§ 302 Abs 1 StGB) an dessen Recht auf persönliche Freiheit geschädigt und ihn gleichfalls amtsmißbräuchlich angezeigt sowie ferner vorsätzlich (§ 83 Abs 1 StGB) am Körper verletzt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Babür P*****, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, wurde mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen gemäß § 366 (zu ergänzen: Abs 1) StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Freispruch (nur) vom Privatbeteiligten angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde wies der Vorsitzende des Schöffengerichtes mit dem angefochtenen Beschluß (§ 285 b Abs 1 StPO) gemäß § 285 a Z 1 StPO mit der Begründung zurück, daß ein Privatbeteiligter nach § 282 StPO zur Erhebung eines solchen Rechtsmittels nicht legitimiert sei.

Diesen Zurückweisungsbeschluß des Vorsitzenden bekämpft der Privatbeteiligte mit Beschwerde, unter dem ausdrücklichen Zugeständnis, daß ihm die von ihm als verfassungswidrig angesehene Vorschrift des § 282 Abs 2 StPO keine Rechtsmittelmöglichkeit einräumt.

Kernpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Behauptung, daß die ua Gegenstand des Strafverfahrens bildenden "Mißhandlungsvorwürfe" gegen Beamte der Bundespolizeidirektion Wien sich in rechtlicher Hinsicht auf entweder als Folter oder zumindest als unmenschliche und erniedrigende Behandlung des Privatbeteiligten zu qualifizierende Verhaltensweisen im Sinn des Art 3 EMRK bezögen. Da sich der Verfassungsgerichtshof an das Beweisergebnis in einem Strafverfahren - und damit an einen rechtskräftigen Freispruch von derartigen Anklagevorwürfen - für gebunden erachte, verstoße die Regelung des § 282 Abs 2 StPO, wonach nur der Staatsanwalt und der Privatankläger, nicht aber der Privatbeteiligte zum Nachteil des Angeklagten die Nichtigkeitsbeschwerde ergreifen könnten, gegen die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des Art 13 EMRK, wonach dem in einem der in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Rechte und Freiheiten Verletzten das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst dann garantiert wird, wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Da das zur Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde berufene Rechtsmittelgericht nach der geltenden Gesetzeslage die nach Meinung des Beschwerdeführers verfassungswidrige Bestimmung des § 282 Abs 2 StPO anzuwenden hätte, habe der Oberste Gerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 erster Satz B-VG (richtig wohl Art 89 Abs 2 zweiter Satz B-VG, weil jene Verfassungsbestimmung lediglich eine der Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes, nicht aber die in Art 89 Abs 2 B-VG niedergelegten Antragspflichten der Gerichte regelt) von Amts wegen das Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Der Oberste Gerichtshof vermag jedoch die vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung des § 282 Abs 2 StPO schon deshalb nicht zu teilen, weil dem Beschwerdeführer wegen der von ihm behaupteten - in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geschehen sein sollenden - Verletzung in seinem durch Art 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Menschenrecht ohnehin gemäß Art 144 Abs 2 zweiter Satz B-VG in der bis zum 31.Dezember 1990 geltenden Fassung der Novelle BGBl 302/1975 die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (seit dem 1.Jänner 1991 gemäß Art 129 a Abs 1 Z 2 B-VG idF B-VGN 1988 BGBl 685 an den Unabhängigen Verwaltungssenat) offenstand, die von ihm auch tatsächlich eingebracht (und beim Verfassungsgerichtshof unter dem AZ B 590/89 registriert) wurde.

Der Beschwerdestandpunkt hinwieder, der Verfassungsgerichtshof wäre zufolge seiner eigenen Rechtsauffassung an das Beweisergebnis eines gerichtlichen Strafverfahrens gebunden, ist verfehlt: Der Verfassungsgerichtshof hat in dem zur Stützung dieser Beschwerdemeinung ins Treffen geführten Erkenntnis vom 26.November 1990, B 1295-1297/88, keineswegs, wie der Beschwerdeführer behauptet, die Verfahrensbestimmung des § 35 Abs 1 VerfGG 1953 über die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozeßordnung mißachtet, sondern vielmehr einzelfallbezogen von der Ermächtigung des § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 Gebrauch gemacht (vgl Pkt 3.2), wonach er von einer mündlichen Verhandlung dann absehen kann, wenn die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die ihm vorgelegten Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt. Auch kann nicht gesagt werden, daß dem Freispruch vom Vorwurf strafbarer Handlungen in einem Strafverfahren präjudizielle Bedeutung für das unter anderen Aspekten zu führende Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten zukommt.

Da somit dem Beschwerdeführer, der sich durch die Vorgangsweise der freigesprochenen Beamten in seinem durch Art 3 EMRK geschützten Menschenrecht verletzt fühlt, ohnehin das in der österreichischen Bundesverfassung verankerte Instrumentarium der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 1 zweiter Satz in der vor Inkrafttreten der B-VGN 1988 geltenden Fassung unabhängig vom Ergebnis des gerichtlichen Strafverfahrens zur Verfügung stand, ist schon allein dadurch das in Art 13 EMRK gewährleistete Recht auf eine wirksame Beschwerde an die (hiefür primär zuständige) nationale Instanz gewahrt, weshalb es sich erübrigt, noch näher auf die Frage einzugehen, ob die österreichische Rechtsordnung dem Beschwerdeführer darüberhinaus auch noch weitere wirksame Beschwerdemöglichkeiten im Sinne des Art 13 EMRK eröffnet - etwa in Form des in § 86 StPO normierten Anzeigerechtes, in Gestalt des Institutes der Privatbeteiligung nach § 47 Abs 1 StPO oder der vom Ausgang eines Strafverfahrens gänzlichen unabhängigen Beschreitung des Zivilrechtsweges, auf den der Privatbeteiligte noch dazu ausdrücklich verwiesen wurde.

Daß aber der angefochtene Beschluß der - nach dem Vorgesagten jedenfalls unter dem Aspekt des Art 13 EMRK völlig unbedenklichen - geltenden Gesetzeslage entspricht, konzediert die Beschwerde selbst. Ihr war sohin ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E31403

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00030.9300007.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19930323_OGH0002_0140OS00030_9300007_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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