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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Beschwerdefrist; kein bloß minderer Grad des VersehensSpruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 29. Mai 2001, zur Post gegeben am 7. Juni 2001, eine Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. April 2001, Z uvs-2001/11/016-1. Dem Beschwerdevorbringen nach wurde dieser Bescheid dem nunmehrigen Antragsteller am 25. April 2001 zugestellt, die sechswöchige Beschwerdefrist endete sohin am 6. Juni 2001.
Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2001, B893/01, wurde die nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen hin überprüfte Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als verspätet zurückgewiesen.
2. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2001, welcher am gleichen Tage zur Post gegeben wurde, begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist. In diesem (rechtzeitig eingebrachten) Wiedereinsetzungsantrag wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Beschwerde sei rechtzeitig diktiert und geschrieben und in weiterer Folge durch die (namentlich genannte) Sekretärin zur Postaufgabe übernommen worden. Es handle sich bei dieser Sekretärin um eine überaus verlässliche Kanzleikraft, die bereits seit mehr als 30 Jahren in der Kanzlei des Beschwerdeführervertreters tätig und bei der Bearbeitung von Fristsachen äußerst gewissenhaft und zuverlässig sei. Die Sekretärin hätte sowohl die Frist als auch das Schreiben und Kuvertieren der Beschwerde im Kalender vermerkt. In Folge hätte sie die gesamten vorbereiteten Schreiben dieses Tages in ihre mehrfächerige Aktenhandtasche gelegt. Dabei sei die Beschwerde mit einem weiteren nicht fristgebundenen Schreiben in ein Nebenfach geraten, bei der Postaufgabe übersehen und daraufhin mit den Schreiben des nächsten Tages erst am nächsten Tag übergeben worden. Dass es sich bei der erst am 7. Juni 2001 übergebenen Post unter anderem um die gegenständliche Beschwerde handelte, sei erstmals mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2001 am 28. September 2001 aufgefallen.
Der Beschwerdeführervertreter hätte die rechtzeitige Verfassung und Ausfertigung überprüft und hätte daher davon ausgehen können, dass die Beschwerde rechtzeitig auch zur Post gegeben worden sei. Eine eigenhändige Überprüfung der tatsächlichen Postaufgabe durch den Beschwerdeführervertreter würde die Überwachungspflicht überspannen.
Als Bescheinigungsmittel für die geschilderten Vorgänge, die zur Fristversäumung führten, liegen dem Antrag Auszüge aus dem Postbuch vom 6. und 7. Juni 2001 und eine "Bestätigung" der namentlich genannten Sekretärin bei.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet.
1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, so weit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988).
2. Dies liegt aber im gegenständlichen Fall nicht vor. Nach Lage des Falles kann nicht angenommen werden, dass den Beschwerdeführer oder seinen Rechtsvertreter, für den die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (vgl. VfSlg. 10.345/1985), bloß ein minderer Grad des Versehens bei der Versäumung trifft. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Beschluss vom 23. Juni 1999, B993/99, B994/99 ausgesprochen, dass es zwar noch einen minderen Grad des Versehens darstellen mag, wenn ein Schriftstück in eine Seitentasche einer Tasche rutscht, weil dies auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterläuft. Indes gehört es diesem Beschluss zufolge zu einer den gebotenen Sorgfaltsmaßstäben entsprechenden Kanzleiorganisation, Kontrollmechanismen - etwa ein Postausgangsbuch - anzulegen, die Gewähr leisten, dass bei einer - oft nur schwer zu überblickenden - größeren Zahl von Postausgangsstücken am Postamt tatsächlich all jene Poststücke übergeben werden, die in der Kanzlei hiefür vorbereitet wurden. Der Verfassungsgerichtshof wertet es daher auch im vorliegenden Fall nicht als leichte Fahrlässigkeit, wenn ein für die Postaufgabe bestimmtes Schriftstück am Weg zur Post - aus welchem Grund auch immer - verloren geht, ohne dass dies spätestens bei der Postaufgabe bemerkt wird.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung war daher abzuweisen.
III. Dies konnte gemäß §33 2. Satz VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1655.2001Dokumentnummer
JFT_09979775_01B01655_00