TE Vwgh Beschluss 2006/4/19 2005/13/0097

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Veröffentlicht am 19.04.2006
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §292 idF 2002/I/097;
BAO §300 Abs1 idF 2002/I/097;
BAO §300 Abs3 idF 2002/I/097;
B-VG Art131 Abs2;
VerfGG 1953 §86;
VwGG §33;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., in der Beschwerdesache des Finanzamtes für den 9. 18. 19. Bezirk und Klosterneuburg in 1093 Wien, Nußdorferstraße 90, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 27. Jänner 2005, Zl. RV/0099- W/04, betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 300 Abs. 1 BAO (mitbeteiligte Partei: AR in W, vertreten durch Weissborn & Wojnar, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in 1020 Wien, Praterstraße 68), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 991,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der Berufungsentscheidung vom 25. November 2004, RV/0099-W/04, entschied die belangte Behörde über eine Berufung der Mitbeteiligten betreffend Einkommensteuer für den Zeitraum 1999 bis 2002 dahingehend, dass der Berufung teilweise Folge gegeben wurde und die bekämpften Bescheide abgeändert wurden.

Gegen diese am 30. November 2004 der Mitbeteiligten zugestellte Berufungsentscheidung erhob die Mitbeteiligte am 10. Jänner 2005 Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof leitete über diese Beschwerde das Vorverfahren ein, wobei er der belangten Behörde mit Verfügung vom 18. Jänner 2005 eine Frist zur Aktenvorlage und allfälligen Erstattung einer Gegenschrift setzte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 2005, RV/0099- W/04, hob die belangte Behörde die Berufungsentscheidung vom 25. November 2004, RV/0099-W/04, betreffend Einkommensteuer 1999 bis 2002 gemäß § 300 Abs. 1 BAO auf. Daraufhin stellte der Verfassungsgerichtshof das vor ihm anhängige Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 16. März 2005, B 21/05, gemäß § 19 Abs. 3 iVm § 86 VfGG ein.

Die vom Finanzamt gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde stützt sich auf Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 292 BAO.

Nach Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben u. a. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den im Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird nach Art. 131 Abs. 2 B-VG in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.

Die Bundesabgabenordnung (BAO) regelt in ihrem 7. Abschnitt den Rechtsschutz. Dieser Abschnitt gliedert sich wiederum in die Unterabschnitte A. "Ordentliche Rechtsmittel" der §§ 243 bis 292 und B. "Sonstige Maßnahmen" der §§ 293 bis 310 und einen abschließenden Unterabschnitt C. "Entscheidungspflicht" (§ 311).

Abschnitt A. "Ordentliche Rechtsmittel" handelt von der Berufung und beschäftigt sich im Kapitel "8." (§§ 288 bis 292) mit der "Berufungsentscheidung".

§ 292 BAO (idF AbgRmRefG BGBl. I Nr. 97/2002) enthält die Anordnung, dass das Recht, gegen die Entscheidung über eine Berufung durch den unabhängigen Finanzsenat wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, auch der Abgabenbehörde erster Instanz (§ 276 Abs. 7 BAO) eingeräumt wird.

Nach § 300 Abs. 1 BAO (idF AbgRmRefG BGBl. I Nr. 97/2002) können das Bundesministerium für Finanzen und die Abgabenbehörde zweiter Instanz einen von ihnen selbst erlassenen, beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde angefochtenen Bescheid nach den näheren Voraussetzungen der lit. a bis d dieser Bestimmung aufheben. Eine solche Aufhebung darf nach § 300 Abs. 2 leg. cit. in jedem Abgabenverfahren nur einmal erfolgen. Durch die Aufhebung des Bescheides tritt das Verfahren gemäß § 300 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat.

Wie sich aus der Stellung des § 292 in der BAO und auch aus dessen Wortlaut ergibt, bezieht sich das auf der verfassungsrechtlichen Grundlage des Art. 131 Abs. 2 B-VG dem Finanzamt eingeräumte Recht zur Erhebung einer Amtsbeschwerde nur auf die in einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren (Unterabschnitt A. des 7. Abschnittes, §§ 243 bis 292 BAO) ergangenen Berufungserledigungen ("Entscheidung über eine Berufung").

Ein Aufhebungsbescheid nach § 300 Abs. 1 BAO, der nur zu Zwecken einer Klaglosstellung in höchstgerichtlichen Verfahren (§ 33 VwGG, § 86 VfGG) möglich ist, bildet demgegenüber eine "Sonstige Maßnahme" des Unterabschnittes B. und überdies auch keine "Entscheidung über eine Berufung", die erst im nach § 300 Abs. 3 BAO wieder offenen Berufungsverfahren zu treffen ist.

Daraus ergibt sich, dass dem Finanzamt - anders als in der Rechtsbelehrung der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht - keine Legitimation zur vorliegenden Beschwerdeerhebung zukam. Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung - in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. April 2006

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005130097.X00

Im RIS seit

17.08.2006

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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