TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/26 2003/08/0159

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Veröffentlicht am 26.04.2006
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. Christoph J. Schwab, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maximilianstraße 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 16. Juni 2003, Zl. 129.324/4-7/02, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77,

2. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Oberösterreich, 4020 Linz, Europaplatz 9, und 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) den Aufwand in Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Jänner 1996 bis zum 30. November 1999 nicht der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegt.

Die belangte Behörde verwies auf folgende Feststellungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und des Landeshauptmannes von Oberösterreich:

Vom 10. Februar 1995 bis zum 22. Juli 1997 seien Dr. Ernst Z. (als Treuhänder des Beschwerdeführers), Dr. Klaus B. und Dr. Klaus H. je zu 33 %, vom 23. Juli 1997 bis zum 3. August 1998 seien Dr. Ernst Z. (als Treuhänder des Beschwerdeführers) und Dr. Klaus B. zu je 50 % und ab 4. August 1998 sei Gerald H. zu 100 % (als Treuhänder des Beschwerdeführers) Gesellschafter der A. Immobilien Consulting GmbH gewesen. Vom 18. Februar 1995 bis 21. April 1998 sei Maria B. handelsrechtliche Geschäftsführerin der A. Immobilien Consulting GmbH gewesen, vom 22. April bis zum 23. August 1998 der Beschwerdeführer und vom 24. August 1998 bis zum 5. April 2000 Gerald H. Von Mitte Februar 1995 bis zum 20. Mai 1997 sei der Beschwerdeführer Generalbevollmächtigter, nicht aber Konsulent der A. Immobilien Consulting GmbH gewesen. Es gebe keinen Konsulentenvertrag. Die Generalvollmacht habe die zur Finanzierung durch Kreditinstitute bzw. Banken notwendigen Absprachen sowie die Ausstellung und Entgegennahme von Wechseln umfasst. Der Beschwerdeführer habe während der Tätigkeit der Maria B. als Geschäftsführerin (vom 18. Februar 1995 bis 21. April 1998) Verhandlungen betreffend die Restitution von Vermögen jüdischer Eigner mit italienischer und französischer Staatsbürgerschaft in den neuen Bundesländern Deutschlands geführt. 1997 sei es zu einem Streit zwischen "Dr. B." (richtig: Maria B.) und dem Beschwerdeführer gekommen. Ab dem 2. August 1997 habe die A. Immobilien Consulting GmbH keine Geschäfte mehr abgewickelt. Der Beschwerdeführer habe die Geschäfte unter der Firma der A. Nahrungsmittel GmbH (an der der Beschwerdeführer und die F. Holding S.A., Luxemburg, als Gesellschafter mit einem Anteil von je 50 % beteiligt gewesen seien) weiter geführt. (Aus einem im Verwaltungsakt erliegenden Firmenbuchauszug ergibt sich, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer der A. Nahrungsmittel GmbH war.)

Es habe keine Änderungen bei den Geschäftsabläufen gegeben. Vom 16. September 1998 bis zum 28. Juli 1999 sei der Beschwerdeführer inhaftiert gewesen.

Der Beschwerdeführer sei (vom damaligen Geschäftsführer der A. Immobilien Consulting GmbH, Gerald H.) am 20. Dezember 1999 rückwirkend für die Zeit vom 1. Jänner 1996 bis zum 30. November 1999 als Dienstnehmer der A. Immobilien Consulting GmbH zur Sozialversicherung gemeldet worden. Buchhaltungsunterlagen seien nicht vorgelegt worden. Gehaltszahlungen seien nicht nachgewiesen worden. Es seien Lohnzettel ohne Datum, ohne Unterschrift, ohne beglaubigtes Handzeichen, jedoch mit einem Firmenstempel der A. Immobilien Consulting GmbH versehen, (ein handgeschriebener Zettel mit einem monatlichen Gehalt von S 4.000,-- für die Jahre 1996 bis 1999) vorgelegt worden. Diese Lohnzettel seien im Nachhinein angefertigt worden und seien zu Beweiszwecken untauglich.

Die belangte Behörde führte weiter aus, die nachträgliche Behauptung des Beschwerdeführers über das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (zwischen ihm und der A. Immobilien Consulting GmbH) vom 1. Jänner 1996 bis zum 30. November 1999 sei unglaubwürdig. Gegen seine Behauptung spreche, dass er während der streitgegenständlichen Tätigkeit nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden sei. Er habe keinen Konsulentenvertrag und nur bedenkliche Gehaltsnachweise vorlegen können. Er sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Juli 1999 wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 sowie § 15 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen worden. Er habe über einen längeren Zeitraum (1993 bis 1998) wiederholt Bestandteile seines Vermögens verheimlicht, verringert und zu verringern versucht, um die Befriedigung seiner Gläubiger zu vereiteln bzw. zu schmälern. Die Urteilsbegründung sei von der Rechtskraft des Strafurteils zwar nicht umfasst, müsse aber in die Beweiswürdigung einbezogen werden. Der Beschwerdeführer sei keinesfalls in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die A. Immobilien Consulting GmbH tätig gewesen. Der vorgelegte Gesellschaftsvertrag sei unter dem Blickwinkel zu sehen, dass der Beschwerdeführer nicht als eigentlicher "Drahtzieher" und Eigner von Gesellschaftsanteilen habe aufscheinen wollen. Wirtschaftlich gesehen habe er jedoch die Geschäfte der A. Immobilien Consulting GmbH bestimmt und sei nicht deren Dienstnehmer gewesen. Das Finanzamt Wels (das für das Jahr 1995 von einem Gehalt von S 641.839,-- ausgegangen war und den Beschwerdeführer für die Jahre 1996 bis 1997 auf Grund seiner Tätigkeit bei der A. Immobilien Consulting GmbH als Selbständiger veranlagt hatte) habe die Verfahren betreffend die Einkommensteuerbescheide für den Beschwerdeführer für die Jahre 1995 und 1996 wieder aufgenommen. Entgegen den seinerzeit vorgelegten Jahreslohnzetteln sei festgestellt worden, dass die A. Immobilien Consulting GmbH in den genannten Jahren keinerlei Lohnsteuer einbehalten oder abgeführt habe. Auch eine elektronische Lohnzettelübermittlung sei nicht erfolgt. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus der A. Immobilien Consulting GmbH seien in der Folge als sonstige selbständige Einkünfte im Sinn des § 22 Abs. 2 (richtig: Z. 2) EStG 1988 behandelt worden. Für die Jahre 1998 und 1999 würden keine Lohnzettel vorliegen Das Finanzamt Wels habe für diese Zeiträume keine Lohnsteuerpflicht im Sinn des § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 (EStG 1988) festgestellt. In Anbetracht dieser Verfahrensergebnisse müsse auch das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses verneint werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 ASVG sind u.a. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer vollversichert, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet. Dienstnehmer im Sinn des ASVG ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

§ 4 Abs. 4 ASVG stellt Verpflichtungen auf Grund freier Dienstverträge Beschäftigungsverhältnisse von Dienstnehmern im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG grundsätzlich gleich.

Nach den wahren rechtlichen Verhältnissen zwischen einem Treugeber und einem Treunehmer, auf die durchzugreifen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0189), ist der Beschwerdeführer vom 10. Februar 1995 bis zum 22. Juli 1997 zu 33 %, vom 23. Juli 1997 zu 50 % und ab 4. August 1998 zu 100 % als Gesellschafter an der A. Immobilien Consulting GmbH beteiligt gewesen. Von Mitte Februar 1995 bis zum 20. Mai 1997 war er Generalbevollmächtigter, nicht aber Konsulent der A. Immobilien Consulting GmbH, vom 22. April bis zum 23. August 1998 war er deren Geschäftsführer. Er hat für die genannte Gesellschaft Verhandlungen betreffend die Restitution von Vermögen jüdischer Eigner mit italienischer und französischer Staatsbürgerschaft in den neuen Bundesländern Deutschlands geführt. Ab dem 2. August 1997 hat der Beschwerdeführer seine Tätigkeit bei der A. Nahrungsmittel GmbH als geschäftsführender, zu 50 % beteiligter Gesellschafter weiter geführt. Vom 16. September 1998 bis zum 28. Juli 1999 war er inhaftiert.

Die Zahlung eines Gehalts (bzw. Entgelts für Dienstleistungen) an den Beschwerdeführer konnte von der Behörde nicht festgestellt werden, und zwar weder derartige Entgeltzahlungen der A. Immobilien Consulting GmbH noch solche der A. Nahrungsmittel GmbH. Die aus rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden abzuleitenden Einkünfte des Beschwerdeführers aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinn des § 22 Z. 3 EStG 1988 ändern daran nichts.

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde die Einkommensteuerbescheide der A. Immobilien Consulting GmbH nicht beigeschafft habe. Aus diesen hätte sich ergeben, dass im gegenständlichen Zeitraum (1995) in der Bilanz der A. Immobilien Consulting GmbH Lohnzahlungen an den Beschwerdeführer ausgeworfen seien.

Soweit sich der Beschwerdeführer mit dieser Rüge gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde wendet, ist einleitend festzuhalten, dass dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nur die Prüfung der Schlüssigkeit, aber nicht der Richtigkeit der Beweiswürdigung obliegt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hegt in Anbetracht der fehlenden Buchhaltungsunterlagen und der zweifelhaften, im Nachhinein erstellten handschriftlichen Gehaltsbestätigung (ohne Datum und Unterschrift) gegen die Beweiswürdigung keine Bedenken. Aus dem im Akt erliegenden Strafurteil, auf das die belangte Behörde zutreffend als Urkundenbeweis zurückgegriffen hat, ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer im Strafverfahren damit verantwortet hat, für die A. Immobilien Consulting GmbH unentgeltlich gearbeitet zu haben; der Geldbetrag von S 547.031,22 für das Jahr 1995 sei "ein Spesenersatz" gewesen. Die fehlenden bzw. im Nachhinein erstellten Buchhaltungsunterlagen und die widersprüchlichen Behauptungen des Beschwerdeführers sind als Grundlage für Feststellungen über die Zahlung von Entgelten für Dienstleistungen von der belangten Behörde in schlüssiger Weise für untauglich erachtet worden. Für die A. Nahrungsmittel GmbH liegen ebenfalls keine auf derartige Entgeltzahlungen hindeutenden Beweisergebnisse vor. Dass sich aus den Einkommensteuerbescheiden der A. Immobilien Consulting GmbH ergeben soll, dass in der Bilanz der A. Immobilien Consulting GmbH Lohnzahlungen an den Beschwerdeführer ausgeworfen sind, beweist nicht, dass der Beschwerdeführer derartige Entgeltzahlungen tatsächlich erhalten hat. Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie in freier Beweiswürdigung davon Abstand genommen hat, derartige Kontrollbeweise aufzunehmen.

Als weitere Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, seine Replik vom 2. April 2001 auf die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu seinem Einspruch sei "ohne Einfluss auf das Verfahren geblieben, womit alle Instanzen das rechtliche Gehör verweigern". In dieser Replik, deren Inhalt zum Beschwerdevorbringen erhoben werde, habe er ausführlich zu allen Mängeln im Verfahren Stellung genommen und sachdienliches Vorbringen erstattet. Dazu genügt es, darauf hinzuweisen, dass Verweise auf den Inhalt eines in einem anderen Verfahren eingebrachten Schriftsatzes keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe darstellen und daher unbeachtlich sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 250, zitierte hg. Judikatur).

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum nicht persönlich abhängiger Dienstnehmer der A. Immobilien Consulting GmbH im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gewesen ist, weil er weder nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig war (zur Bindung an den Lohnsteuerbescheid vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2001/08/0107) noch in Anbetracht der aus seinen Beteiligungen zwischen 33 % und 100 % der Gesellschaftsanteile, der ihm erteilten Generalvollmacht und der im Übrigen völlig unabhängigen, von ihm allein gelenkten und beherrschten Tätigkeit, wie sie insbesondere in der nahtlosen Weiterführung für die A. Nahrungsmittel GmbH zum Ausdruck gelangt, in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurde. Zu Recht hat die belangte Behörde (wenn auch nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 99/08/0125) in Ermangelung eines feststellbaren, aus seiner Tätigkeit bezogenen Entgelts auch das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG in Bezug auf beide hier zur Rede stehenden Gesellschaften verneint. Ob der Beschwerdeführer nach § 2 Abs. 2 Z. 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG pflichtversichert war, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003080159.X00

Im RIS seit

31.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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