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L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;Norm
BAO §241 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der H-Liegenschaftserwerbsgesellschaft mbH, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4, gegen den Gemeindevorstand der Marktgemeinde Guntramsdorf wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. der Rückzahlung von Grundsteuer gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf vom 12. Juli 2000, Zl. OS.B/Ka, wird hinsichtlich der Rückzahlung von Grundsteuer stattgegeben.
Spruchpunkt 1.) des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf vom 12. Juli 2000, Zl. OS.B/Ka, wird - soweit er die Beschwerdeführerin betrifft - dahingehend geändert, dass er zu lauten hat wie folgt:
"Dem Antrag der H-Liegenschaftserwerbgesellschaft mbH, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Schottengasse 4, vom 24.05.2000, auf Rückzahlung von entrichteten Abgaben wird gemäß § 187 NÖ-LAO, LGBL 3400-6, hinsichtlich Grundsteuer im Ausmaß von EUR 12.411,48 (S 170.785,68) stattgegeben."
Die Entscheidung über den Kostenersatz wird der Entscheidung zur hg. Zl. 2006/17/0005 vorbehalten.
Begründung
Bezüglich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die hg. Erkenntnisse vom 12. August 2002, Zl. 2001/17/0104, und vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/16/0271, verwiesen.
Wie diesen Erkenntnissen zu entnehmen ist, haben die Beschwerdeführerin und Dr. Manfred Z mit Schreiben vom 24. Mai 2000 einen Antrag auf Rückzahlung von im Juni 1998 für näher bezeichnete Grundstücke zu Unrecht entrichteten Abgaben (Grundsteuer für den Zeitraum 1987 bis 1. Quartal 1993, Kanalgebühr für den Zeitraum 1991 bis 1992, Müllgebühren für den Zeitraum 1991 bis 1. Quartal 1993 und Säumniszuschläge), hilfsweise auf Nachsicht derselben gestellt.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2000 wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Guntramsdorf den Antrag auf Rückzahlung bzw. Nachsicht ab. Sein Spruch lautete wie folgt:
"1.) Der Bürgermeister der Marktgemeinde Guntramsdorf als Abgabenbehörde I. Instanz weist den Antrag der Antragsteller
1. Dr. Manfred Z (...), und 2. (Beschwerdeführerin), beide vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt, 1010 Wien, vom 24.05.2000, mit welchem die Antragsteller die Rückzahlung einer nach deren Ansicht zu Unrecht entrichtenden (richtig: entrichteten) Abgabe in der Höhe von S 207.924,76 gemäß § 187 NÖ-LAO beantragen, gemäß § 187 NÖ-LAO, LGBL 3400-7, ab.
2.) Der Bürgermeister der Marktgemeinde Guntramsdorf als Abgabenbehörde I. Instanz weist weiters den Antrag der zu Punkt 1. genannten Antragsteller vom 24.05.2000, mit welchem diese hilfsweise die Rückzahlung von nachzusehenden Abgaben nach § 183 Abs. 2 NÖ-LAO in Verbindung mit § 183 Abs. 1 NÖ-LAO in der Höhe von S 207.924,76 stellen, gemäß § 183 NÖ-LAO, LGBL 3400-7 ab."
Der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Guntramsdorf wies die dagegen von beiden Antragstellern erhobene Berufung mit Bescheid vom 18. September 2000 "zur Gänze" als unbegründet ab.
Mit Bescheid vom 27. März 2001 wies die Niederösterreichische Landesregierung die von beiden Antragstellern dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab.
Mit den eingangs genannten Erkenntnissen hob der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beschwerdeführerin diese Vorstellungsentscheidung betreffend entrichteter Säumniszuschläge und Nachsicht (Zl. 2001/17/0104) und entrichteter Grundsteuer (Zl. 2001/16/0271) wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, also hinsichtlich des Dr. Manfred Z. Der Verwaltungsgerichtshof führte im hg. Erkenntnis Zl. 2001/16/0271 aus, dass die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der in einer Zwangsversteigerung erworbenen Liegenschaften zur Entrichtung der in Rede stehenden Grundsteuerbeträge nicht verpflichtet gewesen ist. Die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gemäß § 187 NÖ AO 1977 gestellten Rückzahlungsantrages entsprach damit nicht dem Gesetz.
Im fortgesetzten Verfahren wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. März 2003 der Vorstellung der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die genannten hg. Erkenntnisse Folge gegeben, der mit Vorstellung bekämpfte Berufungsbescheid vom 18. September 2000 hinsichtlich der Beschwerdeführerin behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Guntramsdorf verwiesen.
Mit vorliegender, am 5. Dezember 2003 überreichter Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeindevorstand der Marktgemeinde Guntramsdorf mit der Begründung geltend, dass dieser mehr als sechs Monate über die Berufung (gegen die Abweisung ihres Rückzahlungsantrages) nicht entschieden habe. Sie stellte den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle "in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen, der Berufung der Beschwerdeführerin vom 18. 9. 2000 Folge geben und gem. § 213 nö LAO den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Guntramsdorf abändern, dass dem Rückzahlungsantrag gem. § 186 nö. LAO hinsichtlich der zu Unrecht bezahlten Grundsteuer und Säumniszuschläge in Höhe von S 173.483,89 (EUR 12.607,54) stattgegeben werde und die Marktgemeinde Guntramsdorf verpflichtet ist, der Beschwerdeführerin die zu Unrecht entrichteten Abgaben in dieser Höhe an die Beschwerdeführerin zu bezahlen".
Der Verwaltungsgerichtshof geht somit davon aus, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nur die Rückzahlung der Grundsteuer ist.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihrem Recht auf Sachentscheidung, insbesondere in ihrem Recht auf Rückzahlung einer zu Unrecht entrichteten Abgabe, verletzt.
Mit hg. Verfügung vom 19. Dezember 2003 wurde die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Die belangte Behörde hat dieser Aufforderung nicht entsprochen und weder einen Bescheid noch Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beschwerdeführerin den Schriftverkehr des dem Säumnisbeschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Rückzahlungsverfahrens in Kopie vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Von Art. 132 B-VG ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss seines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, VwSlg. Nr. 9458/A, ausgesprochen, dass jede Partei des Verwaltungsverfahrens Anspruch auf die Erlassung eines Bescheides hat, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist.
Zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde ist gemäß Art. 132 B-VG berechtigt, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Beschwerde kann gemäß § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übertragung der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG idF BGBl. Nr. 470/1995 verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die Herstellung dieses Zustandes geschieht, wenn zur Verwirklichung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein Bescheid notwendig ist, durch Erlassung eines neuen Bescheides, der der vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht entspricht, ansonsten durch Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshof entsprechenden Zustandes durch andere, der Behörde zu Gebote stehende Mittel (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1951, VwSlg. 1.986/A).
Mit Vorstellungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. März 2003, nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bei der Marktgemeinde Guntramsdorf eingelangt am 25. März 2003, wurde die Berufungsentscheidung vom 18. September 2000 hinsichtlich der Beschwerdeführerin aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen, wobei die Vorstellungsbehörde der Gemeinde die vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 12. August 2002, Zl. 2001/17/0104, und vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/16/0271, geäußerte Rechtsansicht überband.
Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - Beschwerdevorbringen ist ein Ersatzbescheid des belangten Gemeindevorstandes nicht ergangen. Die am 5. Dezember 2003 überreichte Säumnisbeschwerde war somit zulässig.
Gemäß § 187 Abs. 1 NÖ AO ist eine Abgabe auf Antrag zurückzuzahlen, wenn sie zu Unrecht entrichtet oder zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde. Nach Abs. 3 leg. cit. können solche Anträge bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet oder zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde.
Nach dem - ebenfalls unwidersprochen gebliebenen - Vorbringen der Beschwerdeführerin hat sie im Juni 1998 die verfahrensgegenständliche Grundsteuer für den Zeitraum 1987 bis erstes Quartal 1993 in Höhe von insgesamt S 170.785,68 entrichtet.
Der am 24. Mai 2000 erhobene Rückzahlungsantrag erweist sich somit als zeitgerecht.
Eine Rückzahlung von "zu Unrecht" erhobenen Abgaben kommt nur in Frage, wenn über das Bestehen oder Nichtbestehen sowie über das Ausmaß einer gegebenenfalls bestehenden, insbesondere verminderten Abgabenverpflichtung ein Bescheid ergangen ist, in dem der "zu Unrecht" entrichtete Abgabenbetrag festgestellt ist (vgl. Stoll, BAO, 2493f zu § 241 BAO). Die Rückzahlung nach § 187 Abs. 1 NÖ AO bedarf daher eines Bescheides zur Feststellung der Tatsache und des Ausmaßes der unrechtmäßigen Abgabenvorschreibung.
Im eingangs genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2003, Zl. 2001/16/0271, wurde hinsichtlich des vorliegenden Rückzahlungsantrages bereits ausgesprochen, dass die Abgabenbehörde rechtswidrig die nach § 187 NÖ AO beantragte Zurückzahlung der Grundsteuer versagt hat. Keine Aussage wurde hingegen über die Höhe des Rückzahlungsanspruches getroffen. Diese Feststellung war daher bescheidmäßig zu treffen.
Dem Berufungsantrag der Beschwerdeführerin, in welchem sie die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend, als ihrem Rückzahlungsantrag stattgegeben werde, in eventu die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrte, war somit hinsichtlich der Rückzahlung der zu Unrecht entrichteten Grundsteuer stattzugeben.
Hinsichtlich der beantragten Rückzahlung der übrigen Abgaben wird eine gesonderte Entscheidung ergehen.
Wien, am 27. April 2006
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003160506.X00Im RIS seit
28.06.2006