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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des NS in W, geboren 1984, vertreten durch Mag. Andreas Fritz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. September 2004, Zl. 236.990/0-V/14/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Serbien und Montenegro aus Südserbien, reiste im Oktober 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16. November 2002 und in der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. April 2003, mit dem sein Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro für zulässig erklärt wurde, machte er ausschließlich wirtschaftliche Gründe geltend.
Auch in der Berufungsverhandlung am 16. September 2004 bestätigte der Beschwerdeführer, er sei "rein aus wirtschaftlichen Gründen" nach Österreich gekommen. Im weiteren Verlauf der Berufungsverhandlung brachte er jedoch Folgendes vor:
"Soviel ich weiß, das weiß ich von meinem Onkel, malträtieren die Serben weiterhin die Albaner in meiner Heimat. Deswegen möchte ich nicht zurückkehren und ich möchte nicht mit Angst schlafen gehen. Meist wird die Jugend malträtiert. (...) Ja, das stimmt, dass in meiner Heimat Beobachter der EU und des UNHCR anwesend sind. Sie sind jedoch erst nach den Vorfällen tätig, nachdem jemand misshandelt oder getötet wurde. Das wäre, wenn mir etwas passieren würde, für mich zu spät."
Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG ab. Mit Spruchpunkt 2. erklärte sie die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, ausgenommen die autonome Provinz Kosovo, für zulässig.
In der Begründung dieser Entscheidung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe "sein Heimatland aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen". Zu dieser Feststellung führte die belangte Behörde in der Beweiswürdigung - ohne Bezugnahme auf das Vorbringen in der Berufungsverhandlung - aus, der Beschwerdeführer habe im "erstinstanzlichen Vorbringen" und in der "Berufungsschrift" ausschließlich wirtschaftliche Gründe angeführt. In der rechtlichen Begründung zu Spruchpunkt 1. heißt es abschließend, der Beschwerdeführer habe "ausschließlich wirtschaftliche Gründe releviert, die jedoch nicht geeignet sind, einen Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzustellen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat es - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - verabsäumt, in der Begründung ihrer Entscheidung auf die behaupteten Gefahren einzugehen, die der Beschwerdeführer in den zuvor zitierten Teilen seines Vorbringens in der Berufungsverhandlung geltend gemacht hat. Die uneingeschränkte Behauptung in den Rechtsausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe "ausschließlich" wirtschaftliche Gründe ins Treffen geführt, erscheint im Hinblick auf die erwähnten Vorbringensteile als aktenwidrig.
In einer solchen Situation ist es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, die von der belangten Behörde übergangenen, asylrechtlich nicht von vornherein irrelevanten Vorbringensteile an Stelle der belangten Behörde zu deren allgemein gehaltenen Feststellungen über die Lage im Herkunftsstaat des Asylwerbers in Beziehung zu setzen und zu prüfen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Partei danach die von ihr behaupteten Gefahren drohen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 8. Juni 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004010487.X00Im RIS seit
12.07.2006