Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 28. August 1994 verstorbenen Dr.Johann T*****, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes und erbserklärten Testamentserben Dr.Mirko Silvo T*****, vertreten durch Dr.Ferdinand J. Lanker und Mag.Eva Lanker-Wiedenig, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 11.Februar 1997, GZ 1 R 37/97d-44, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10.Dezember 1996, GZ 25 A 423/94k-40, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am 22.8.1994 verstorbene Rechtsanwalt Dr.Johann T***** hinterließ seine Witwe Marija T*****, sowie die ehelichen volljährigen Kinder Dr.Janko T***** jun. (Rechtsanwalt), Marica H***** und Dr.Mirko Silvo T*****.
Mit den Testamenten vom 10. bzw 20.7.1992 und vom 21.7.1994 setzte der Erblasser seinen Sohn Dr.Mirko Silvo T***** zum Alleinerben ein. Der Witwe und den weiteren Kindern setzte er im Rahmen ihrer Pflichtteilsansprüche Legate aus. Sämtliche Beteiligte des Verlassenschaftsverfahren waren zunächst durch Dr.Janko T***** jun. vertreten. Die Verlassenschaft sollte zunächst im schriftlichen Wege abgehandelt werden. Der Testamentserbe gab aus dem Berufungsgrund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab, welche das Erstgericht mit Beschluß vom 20.12.1994 annahm. Er erstattete weiters das eidesstättige Vermögensbekenntnis und stellte Schlußanträge. Mit Eingabe vom 2.1.1996 widerriefen Marija T*****, Marica H***** und Dr.Mirko Silvo T***** die dem Dr.Janko T***** jun. erteilte Vollmacht, sie im Verlassenschaftsverfahren zu vertreten, und stellten Anträge im Verlassenschaftsverfahren. Am 19.2.1996 beantragte Dr.Janko T***** jun. unter Berufung auf seine Stellung als Noterbe die Inventarisierung des gesamten Nachlaßvermögens.
Mit Eingabe vom 22.10.1996 stellte Dr.Mirko Silvo T***** gemeinsam mit Marija T***** und Marica H***** den Antrag, beschlußmäßig festzustellen, daß das Begehren des Legatars und Pflichtteilsberechtigten Dr.Janko T***** jun. auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses zurückgezogen worden sei, weiters das Verlassenschaftsverfahren ausgehend von dem bereits vorgelegten Vermögensbekenntnis und den Schlußanträgen für beendet zu erklären und den Nachlaß dem Testamentserben einzuantworten.
Zur Begründung dieser Anträge wurde angeführt, Dr.Janko T***** jun. habe den Antrag auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses, der den Fortgang und Abschluß des Verlassenschaftsverfahrens hindere, zurückgezogen; dies ergebe sich daraus, daß nach Kündigung der Vollmacht der "Erbengemeinschaft" Dr.Janko T***** jun. die Witwe des Erblassers zu 25 Cg 61/96a des Landesgerichtes Klagenfurt auf Herausgabe von Urkunden geklagt habe, deren Gegenstand im wesentlichen die Geltendmachung des vermeintlichen Anspruchs des Dr.Janko T***** jun. auf Übergabe eines im Eigentum seiner Mutter stehenden Grundstücks in Umag/Kroatien gewesen sei. In diesem Verfahren habe der Kläger seine Ansprüche auf eine mit der Erbengemeinschaft im September 1995 abgeschlossene Honorarvereinbarung gestützt. Er habe erklärt, daß er am Nachlaß nach seinem Vater nicht interessiert sei und sowohl die gegen seine Mutter eingebrachte Klage, als auch den im Verlassenschaftsverfahren gestellten Antrag auf Inventarisierung zurückziehen werde, falls ihm die im Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt begehrten Urkunden im Original ausgefolgt werden würden. Das Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt habe mit einem Vergleich vom 5.6.1996 geendet, womit die Zurückziehung der Klage und des Antrages auf Inventarisierung nach Ausfolgung der Originalurkunden vereinbart worden sei. Die Urkundenübergabe an Dr.Janko T***** jun. sei erfolgt, dieser sei jedoch zur Erfüllung seiner Zusage nicht mehr bereit gewesen; dies obwohl er einerseits in einem Schreiben (vom 3.6.1996) an den anwaltlichen Vertreter seiner Mutter im vorbezeichneten Prozeß mitgeteilt habe, daß er dem Gerichtskommissär gegenüber erklärt habe, er werde dann, wenn die Urkundenübergabe bedingungslos erfolgt sei, seinen Antrag auf Schätzung im Verlassenschaftsfahren zurückziehen und sich an diesem Verfahren nicht mehr aktiv beteiligen. Überdies habe er in einem Schreiben an den Gerichtskommissär (vom 4.7.1996) angefragt, ob er den Schriftsatz betreffend die Zurückziehung des Antrages auf Schätzung und Inventarisierung dem Gerichtskommissär direkt zukommen lassen oder über das Bezirksgericht Klagenfurt einbringen solle. Daraus ergebe sich, daß er seinen Inventarisierungsantrag zurückgezogen habe.
Über Aufforderung des Erstgerichtes vom 29.10.1996 bekannt zu geben, ob der Antrag auf Inventarisierung und Schätzung zurückgezogen werde, gab Dr.Janko T***** jun. mit Schriftsatz vom 20.11.1996 dem Erstgericht bekannt, daß der Antrag aufrecht erhalten werde.
Das Erstgericht wies den Antrag des Testamentserben (sowie seiner Mutter und seiner Schwester) mit der Begründung ab, der Pflichtteilsberechtigte Dr.Janko T***** jun. habe seinen Inventarisierungsantrag nicht zurückgezogen, sondern vielmehr vor Gericht erklärt, diesen Antrag aufrecht zu erhalten.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Testamentserben nicht Folge und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 50.000,--, der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle. Der Testamentserbe könne seinen vom Erstgericht abgewiesenen Antrag nicht wirksam auf die behauptete Vereinbarung mit Dr.Janko T***** jun. stützen. Der Antrag auf Errichtung des Inventars stelle eine Prozeßhandlung des Pflichtteilsberechtigten Dr.Janko T***** jun. dar, somit eine Willensbetätigung zur Gestaltung des Verlassenschaftsverfahrens, die regelmäßig dem Gericht gegenüber vorgenommen werde und nach Prozeßrecht (hier dem Außerstreitgesetz) zu setzen und auszulegen sei. Ein "Prozeßvertrag", also ein Vertrag über Gegenstände des Prozeßrechtes, sei nach herrschender Auffassung nur dort zulässig, wo ihn die Prozeßgesetze ausdrücklich für zulässig erklärten. Dem Außerstreitgesetz könne eine derartige Zulässigerklärung eines Prozeßvertrages über die Zurücknahme von Anträgen im Verlassenschaftsverfahren nicht entnommen werden. Aber selbst wenn man diesen Standpunkt ablehnen wollte, sei zu beachten, daß Prozeßverträge ihre Wirkungen nicht etwa kraft Parteiwillens selbst, sondern dadurch äußerten, daß die Willensübereinstimmung ein dem Gericht in prozessual geforderter Form nachgewiesener Tatbestand sei, an den sich dann bestimmte Rechtsfolgen knüpften. Die übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien seien als zweiseitig parallele Verfügungshandlungen (Bewirkungshandlungen) der Parteien einzustufen. Daraus folge, daß Prozeßverträge grundsätzlich nur verfügende Wirkung haben könnten, also mit dem Einlangen der beiden parallelen Willenserklärungen bei Gericht - was hier nicht der Fall sei - die beabsichtigte Rechtsfolge eintrete. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der vertragsschließenden Parteien zu künftigem bestimmtem Verhalten werde für Prozeßverträge überwiegend verneint. Schließlich könnte auch die Auffassung vertreten werden, daß in der hier behaupteten vertraglichen Verpflichtung des Dr.Janko T***** jun., den Antrag auf Inventarisierung zurückzuziehen, zwar kein gänzlicher, aber doch ein teilweiser vertraglicher Verzicht auf den gerichtlichen Rechtsschutz des Noterben im Verlassenschaftsverfahren zu erblicken sei, der unzulässig wäre. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen sei nicht mehr darauf einzugehen, ob der Testamentserbe seinen auf eine privatrechtliche Vereinbarung - wenn auch über einen Gegenstand des Prozeßrechtes - gestützten Anspruch wirksam auf dem Rechtsweg geltend machen könnte.Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Testamentserben nicht Folge und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 50.000,--, der ordentliche Revisionsrekurs nach Paragraph 14, Absatz eins, AußStrG sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle. Der Testamentserbe könne seinen vom Erstgericht abgewiesenen Antrag nicht wirksam auf die behauptete Vereinbarung mit Dr.Janko T***** jun. stützen. Der Antrag auf Errichtung des Inventars stelle eine Prozeßhandlung des Pflichtteilsberechtigten Dr.Janko T***** jun. dar, somit eine Willensbetätigung zur Gestaltung des Verlassenschaftsverfahrens, die regelmäßig dem Gericht gegenüber vorgenommen werde und nach Prozeßrecht (hier dem Außerstreitgesetz) zu setzen und auszulegen sei. Ein "Prozeßvertrag", also ein Vertrag über Gegenstände des Prozeßrechtes, sei nach herrschender Auffassung nur dort zulässig, wo ihn die Prozeßgesetze ausdrücklich für zulässig erklärten. Dem Außerstreitgesetz könne eine derartige Zulässigerklärung eines Prozeßvertrages über die Zurücknahme von Anträgen im Verlassenschaftsverfahren nicht entnommen werden. Aber selbst wenn man diesen Standpunkt ablehnen wollte, sei zu beachten, daß Prozeßverträge ihre Wirkungen nicht etwa kraft Parteiwillens selbst, sondern dadurch äußerten, daß die Willensübereinstimmung ein dem Gericht in prozessual geforderter Form nachgewiesener Tatbestand sei, an den sich dann bestimmte Rechtsfolgen knüpften. Die übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien seien als zweiseitig parallele Verfügungshandlungen (Bewirkungshandlungen) der Parteien einzustufen. Daraus folge, daß Prozeßverträge grundsätzlich nur verfügende Wirkung haben könnten, also mit dem Einlangen der beiden parallelen Willenserklärungen bei Gericht - was hier nicht der Fall sei - die beabsichtigte Rechtsfolge eintrete. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der vertragsschließenden Parteien zu künftigem bestimmtem Verhalten werde für Prozeßverträge überwiegend verneint. Schließlich könnte auch die Auffassung vertreten werden, daß in der hier behaupteten vertraglichen Verpflichtung des Dr.Janko T***** jun., den Antrag auf Inventarisierung zurückzuziehen, zwar kein gänzlicher, aber doch ein teilweiser vertraglicher Verzicht auf den gerichtlichen Rechtsschutz des Noterben im Verlassenschaftsverfahren zu erblicken sei, der unzulässig wäre. Mit Rücksicht auf diese Erwägungen sei nicht mehr darauf einzugehen, ob der Testamentserbe seinen auf eine privatrechtliche Vereinbarung - wenn auch über einen Gegenstand des Prozeßrechtes - gestützten Anspruch wirksam auf dem Rechtsweg geltend machen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Erben ist nicht berechtigt.
Dr.Janko T***** jun. hat durch seinen Antrag auf Inventarisierung eine Prozeßhandlung im außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren vorgenommen. Eine solche wird regelmäßig gegenüber dem Gericht vorgenommen und ist im vorliegenden Fall nach dem Außerstreitrecht auszulegen (Fasching ZPR2 Rz 747). Bei der hier gegebenen Sachlage kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die vom Revisionsrekurswerber (allein und/oder iVm seiner Mutter und seiner Schwester) mit seinem Bruder getroffene (behauptete) Vereinbarung, dieser werde im Anschluß an den eingangs dargestellten Prozeßvergleich im Falle einer "bedingungslosen Urkundenübergabe" seinen Inventarisierungsantrag zurückziehen, als "Prozeßvertrag (im außerstreitigen Abhandlungsverfahren)" im Sinne der zivilprozessualen Lehre (siehe dazu Fasching aaO 749 f mwN) zulässig wäre oder nicht. Der behaupteten Antragsrücknahmevereinbarung lag nämlich auch in der vom Revisionsrekurswerber behaupteten Fassung jedenfalls eine "außerprozessuale (= hier: außerhalb des Abhandlungsverfahrens vereinbarte)" Bedingung zugrunde, deren Eintritt der Revisionsrekurswerber zwar behauptet, die ihr aber für das Abhandlungsverfahren selbst die Wirksamkeit nahm, weil außerprozessuale Bedingungen einer Prozeßvereinbarung jedenfalls unzulässig sind. Denn gerade dadurch wird - wie der vorliegende Fall zeigt - der Verfahrensablauf unvorhersehbar beeinträchtigt und die Rechtssicherheitsfunktion des gerichtlichen Verfahrens geradezu vereitelt (Fasching aaO Rz 758). Wie der Revisionswerber in seinem Antrag vom 22.10.1996, ON 33 selbst richtig erkannte, mag zwischen ihm und seinem Bruder eine gerichtlich einklagbare Vereinbarung auf Rückziehung des Inventarisierungsantrages zustande gekommen sein, eine unmittelbar im Abhandlungsverfahren wirksame Antragsrückziehung liegt aber nicht vor.Dr.Janko T***** jun. hat durch seinen Antrag auf Inventarisierung eine Prozeßhandlung im außerstreitigen Verlassenschaftsverfahren vorgenommen. Eine solche wird regelmäßig gegenüber dem Gericht vorgenommen und ist im vorliegenden Fall nach dem Außerstreitrecht auszulegen (Fasching ZPR2 Rz 747). Bei der hier gegebenen Sachlage kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die vom Revisionsrekurswerber (allein und/oder in Verbindung mit seiner Mutter und seiner Schwester) mit seinem Bruder getroffene (behauptete) Vereinbarung, dieser werde im Anschluß an den eingangs dargestellten Prozeßvergleich im Falle einer "bedingungslosen Urkundenübergabe" seinen Inventarisierungsantrag zurückziehen, als "Prozeßvertrag (im außerstreitigen Abhandlungsverfahren)" im Sinne der zivilprozessualen Lehre (siehe dazu Fasching aaO 749 f mwN) zulässig wäre oder nicht. Der behaupteten Antragsrücknahmevereinbarung lag nämlich auch in der vom Revisionsrekurswerber behaupteten Fassung jedenfalls eine "außerprozessuale (= hier: außerhalb des Abhandlungsverfahrens vereinbarte)" Bedingung zugrunde, deren Eintritt der Revisionsrekurswerber zwar behauptet, die ihr aber für das Abhandlungsverfahren selbst die Wirksamkeit nahm, weil außerprozessuale Bedingungen einer Prozeßvereinbarung jedenfalls unzulässig sind. Denn gerade dadurch wird - wie der vorliegende Fall zeigt - der Verfahrensablauf unvorhersehbar beeinträchtigt und die Rechtssicherheitsfunktion des gerichtlichen Verfahrens geradezu vereitelt (Fasching aaO Rz 758). Wie der Revisionswerber in seinem Antrag vom 22.10.1996, ON 33 selbst richtig erkannte, mag zwischen ihm und seinem Bruder eine gerichtlich einklagbare Vereinbarung auf Rückziehung des Inventarisierungsantrages zustande gekommen sein, eine unmittelbar im Abhandlungsverfahren wirksame Antragsrückziehung liegt aber nicht vor.
Aufgrund dieser Erwägungen bleibt der Revisionsrekurs erfolglos.
Anmerkung
E49047 03A01077European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0030OB00107.97Z.0114.000Dokumentnummer
JJT_19980114_OGH0002_0030OB00107_97Z0000_000