TE OGH 1998/7/16 6Ob158/98y

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Veröffentlicht am 16.07.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ing.Alfred W*****, vertreten durch Dr.Gottfried Korn und Dr.Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Ing.Walter M*****, 2. Die F*****, beide vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung, Widerrufs, Veröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren 200.000 S), infolge Revisionsrekurses der Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.April 1998, GZ 6 R 40/97i-10, womit die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 16.September 1997, GZ 24 Cg 62/97v-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, zur Sicherung des Anspruches des Klägers auf Unterlassung des Aufstellens und/oder Verbreitens (Erstbeklagter) bzw lediglich des Verbreitens (Zweitbeklagte) persönlichkeitsverletzender Äußerungen werde den Beklagten bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den anhängigen Unterlassungsanspruch geboten, das Aufstellen und/oder Verbreiten von Äußerungen des Inhalts, Ing.Alfred W***** habe auf den in seinem Strafverfahren zur Entscheidung berufenen Schöffensenat des Landesgerichtes Innsbruck in rechtswidriger Weise Einfluß ausgeübt, insbesondere den Schuldspruch "bestellt" bzw "in Auftrag gegeben", sowie sinngleiche Behauptungen zu unterlassen, abgewiesen wird,

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien nachstehend bestimmte Kosten des Provisorialverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen:

an Kosten erster Instanz 7.260,66 S (darin 1.210,11 S Umsatzsteuer),

an Kosten zweiter Instanz 9.074,34 S (darin 1.512,39 S Umsatzsteuer),

an Kosten dritter Instanz 10.890,-- S (darin 1.815,- S Umsatzsteuer).

Text

Begründung:

Der Kläger ist Chefredakteur der Zeitschrift "N*****". Gegen den Erstbeklagten ist vor dem Landesgericht Innsbruck ein Finanzstrafverfahren anhängig. Dem liegt zugrunde, daß dem Erstbeklagten anläßlich des Transfers des Fußballers Peter S***** vom damaligen Finanzreferenten des Fußballclubs FC T*****, Klaus M*****, 3,000.000 S übergeben wurden. Das Landesgericht Innsbruck hat am 5.8.1997 hinsichtlich des Erstbeklagten einen Schuldspruch gefällt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Am 6.8.1997 verbreitete der Erstbeklagte über den Pressedienst der Zweitbeklagten im Originaltext-Service der Austria Presse Agentur nachstehenden Text:

"M*****: Justizgroteske und Politurteil

Utl.: Bestellte N***** einen Schuldspruch in erster Instanz?

......als Justizgroteske rund um ein Politurteil bezeichnete der freiheitliche Abgeordnete Ing.Walter M***** die am Dienstag in einem Finanzstrafverfahren am Innsbrucker Landesgericht ergangenen, nicht rechtskräftigen Schuldsprüche.

Er, M*****, sei sich mit den Mitangeklagten Hans K*****, Skendar F***** und Peter S***** einig, daß es sich bei den gestern ergangenen Schuldsprüchen um das Ergebnis einer in der Geschichte der österreichischen Gerichtsbarkeit beispiellosen Politjustiz handle. Aus diesen Gründen würden diese Urteile auch ausnahmslos durch Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung von allen Beschuldigten angefochten werden.

Gestern seien Schuldsprüche nach einem Tatbild gefällt worden, das in der Realität nicht verwirklicht worden sei, meinte M*****. Alle Beschuldigten hätten ihre Einkommensteuer fristgerecht abgeführt. Dies sei nicht nur von einer ganzen Reihe von Fachleuten, wie etwa vom Präsidenten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und anderen Steuerexperten bestätigt worden, sondern auch von den Wiener Finanzbehörden bescheidmäßig so zur Kenntnis genommen worden. Einzig und allein Richter und Staatsanwalt des Landesgerichtes Innsbruck hätten dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Diese Ignoranz sei während des ganzen Verfahrens zur Methode gemacht worden.

So sei nicht nur auf die Aussagen der Beschuldigten von Richter und Staatsanwalt überhaupt nicht eingegangen worden, sondern auch auf eine ganze Reihe von fachlich anerkannten Rechts- und Steuergutachten in der Beweiswürdigung nicht Bezug genommen worden, so M***** weiter. Obwohl diese Gutachten den Urkunds- und Wahrheitsbeweis dafür geliefert hätten, daß durch die Erfüllung der Einkommensteuerpflicht und einer Vertretung durch befugte Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder auch bei unterschiedlichen Rechtsmeinungen der Finanzbehörden jedenfalls kein schuldhaftes Verhalten vorliege, sei dies schlicht und einfach ignoriert worden. Der mitbeschuldigte Fußballprofi Peter S***** etwa sei wegen eines Bestimmungstatbildes verurteilt worden, obwohl er zum Hauptbeschuldigten überhaupt keinen Kontakt gehabt habe und diesen deshalb allein real schon zu gar keinem Tun oder Unterlassen bewegen konnte.

Dies sei jedoch kein Zufall, sondern habe in diesem Verfahren Methode bewiesen. Anders sei es nicht zu erklären, daß das Gericht etwa ein Privatgutachten der Zeitschrift N***** zur rechtlichen Beurteilung der Sachfragen in diesem Finanzstrafverfahren als Beweismittel zugelassen habe. Dieses Geheimgutachten, das von der Staatsanwaltschaft in Anwesenheit des Repräsentanten des Auftraggebers, N*****-Redakteur Alfred W*****, erst während der Verhandlung vorgelegt worden sei, habe ohne nähere Begründung als einziges einen anderen Standpunkt vertreten und auf diesen habe sich der in Fragen des Steuerrechts offensichtlich wenig versierte vorsitzende Berufsrichter Dr.A***** gestützt.

Damit nicht genug, legte der Sachstaatsanwalt Dr.S***** während des Verfahrens, ohne die Verteidigung vorher zu informieren, ebenfalls eine eidesstattliche Erklärung des N*****-Anwaltes Dr.Gottfried K***** vor, die darauf abzielte, die Beschuldigten zu belasten. Vor diesem Hintergrund sei es auch mehr als aufklärungsbedürftig, daß N*****-Redakteur W***** bereits am Nachmittag des Verhandlungstages, also Stunden vor dem Urteilsspruch, den anwesenden Anwälten im Gerichtssaal Wetten über den Ausgang der Gerichtsverhandlung anbot. Offensichtlich habe N***** als Regisseur dieses Verfahrens nicht nur die monatelange Vorverurteilung der einzelnen Beschuldigten in den Medien inszeniert, sondern auch das Urteil selbst gleich mit "in Auftrag gegeben", so M*****. In diesem Zusammenhang seien auch von Zeugen bestätigte insistierende Gespräche von W***** mit S***** eine Stunde vor Verhandlungsbeginn mehr als aufklärungsbedürftig. Diese Vorgänge ließen starke Zweifel an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Gerichtsbehörden in diesem Fall aufkommen. Vor diesem Hintergrund stehe fest, daß das gestrige Urteil nicht nur rechtlich objektiv falsch, sondern auch politisch subjektiv vorherbestimmt war, da N***** auf der Basis einer Erlangung eines Schuldspruches in diesem Verfahren ein profundes Interesse habe, eine Reihe von anhängigen Medienprozessen bei anderen Gerichten für sich zu entscheiden.

Deshalb habe sich dieses Magazin de facto zum Nebenankläger erklärt und nicht nur mit einer anhaltenden tendenziösen vorverurteilenden Berichterstattung, sondern auch dem Anbot von Beweismitteln zweifelhafter Herkunft in geradezu beispielloser Weise in ein laufendes Gerichtsverfahren eingeschaltet. Dies sei neben dem bereits parlaments- und gerichtsanhängigen Versuch, das Justizministerium im Bereich des Veröffentlichungsrechts zu einer Gesetzesänderung zu bewegen, nunmehr schon der zweite Versuch, innerhalb kürzester Zeit auf die österreichische Justiz Einfluß zu gewinnen. Für ihn, M*****, sei es nicht nur als Mediensprecher, sondern auch als Staatsbürger besorgniserregend und mit einem Rechtsstaat unvereinbar, wie stark der Einfluß von N***** auf die österreichischen Gerichte in erster Instanz bereits sei. Um allfällige Spekulationen des politischen Gegners vorab zu beantworten, habe er, M*****, dem alle unabhängigen Fachleute die Unschuld attestierten, auch keine Sekunde an die Beendigung seiner politischen Laufbahn gedacht. Er werde im Gegenteil seine zukünftige Arbeit als Abgeordneter und Mediensprecher, vor allem auf die Aufdeckung der Verflechtungen zwischen Medien und Justiz bzw Repressionen der Medien auf die Justiz konzentrieren und dafür eintreten, daß in Österreich nicht länger ein bestimmtes Medium, sondern wirklich unabhängige Gerichte über den Rechtsstaat wachen."

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrte der Kläger die Unterlassung der im Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. Der von den Beklagten verbreitete Text enthalte den Vorwurf, der Kläger habe auf den Schöffensenat des Strafverfahrens gegen den Erstbeklagten in rechtswidriger Weise Einfluß genommen, um diesen zu einem Schuldspruch zu bewegen, den er sonst nicht gefällt hätte; es könne auch die Behauptung entnommen werden, der Kläger habe das Gericht bestochen, um einen Schuldspruch des Erstbeklagten zu erreichen. Diese Vorwürfe seien tatbildlich im Sinn des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB.Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrte der Kläger die Unterlassung der im Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. Der von den Beklagten verbreitete Text enthalte den Vorwurf, der Kläger habe auf den Schöffensenat des Strafverfahrens gegen den Erstbeklagten in rechtswidriger Weise Einfluß genommen, um diesen zu einem Schuldspruch zu bewegen, den er sonst nicht gefällt hätte; es könne auch die Behauptung entnommen werden, der Kläger habe das Gericht bestochen, um einen Schuldspruch des Erstbeklagten zu erreichen. Diese Vorwürfe seien tatbildlich im Sinn des Paragraph 1330, Absatz eins und 2 ABGB.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die APA-Meldung sei nicht gegen den Kläger gerichtet. Sie spreche vielmehr die von der Zeitschrift N***** gegen den Erstbeklagten geführte jahrelange vorverurteilende und ihn massiv herabsetzende Medienkampagne an; sie reagiere in milderer Form auf die massiven unwahren Vorwürfe des Klägers und stelle damit eine gerechtfertigte Reaktion auf die jahrelange, gegen den Erstbeklagten geführte N*****-Kampagne dar. Im übrigen sei die angesprochene Einflußnahme auf das Strafverfahren auch tatsächlich erfolgt.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Es nahm als bescheinigt an, daß N*****, deren Chefredakteur der Kläger ist, den Erstbeklagten bereits vor Einleitung des Strafverfahrens massivst angegriffen und unter anderem behauptet habe, der Erstbeklagte habe eine "Schwarzgeldzahlung" vermittelt und habe dazu angestiftet, den Dienstgeberanteil aus der S*****-Gehaltszahlung zu hinterziehen, womit er politisch untragbar geworden sei.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Vorwürfe der Beklagten auch dem Kläger zugerehnet wurden, werde doch der Kläger in der APA-Aussendung zweimal erwähnt und als Person bezeichnet, die sowohl ein Geheimgutachten vorgelegt und mit dem Staatsanwalt konferiert, als auch Wetten auf den Verfahrensausgang angeboten habe. Die Äußerungen der Beklagten seien sowohl kreditschädigend als auch beleidigend im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB. Die Behauptung, ein Strafurteil sei "bestellt" bzw "in Auftrag gegeben" worden, schließe den Vorwurf einer rechtswidrigen, strafgesetzwidrigen Beeinflussung der Justiz in sich. Daß der Tatsachenvorwurf als Frage formuliert sei, sei ohne Bedeutung, weil die Tatsachenvorwürfe in einer Art erhoben seien, die den Leser darauf schließen lasse, daß der Schlußfolgerung und der aufgeworfenen Frage Tatsachenkenntnisse zugrundelägen, die diese rechtfertigen. Die Beklagten hätten die Richtigkeit der zugleich ehrenbeleidigenden Behauptungen und das Fehlen einer subjektiven Vorwerfbarkeit nicht bescheinigt. Ein Angriff auf die Ehre und den Ruf in Form nicht nachweislich wahrer, nachteiliger Tatsachenbehauptungen werde auch durch Art 10 MRK nicht gerechtfertigt. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf eine emotionale Reaktion berufen, seien doch die Vorwürfe erst einen Tag nach der Urteilsverkündung erhoben und verbreitet worden.In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Vorwürfe der Beklagten auch dem Kläger zugerehnet wurden, werde doch der Kläger in der APA-Aussendung zweimal erwähnt und als Person bezeichnet, die sowohl ein Geheimgutachten vorgelegt und mit dem Staatsanwalt konferiert, als auch Wetten auf den Verfahrensausgang angeboten habe. Die Äußerungen der Beklagten seien sowohl kreditschädigend als auch beleidigend im Sinn des Paragraph 1330, Absatz eins, ABGB. Die Behauptung, ein Strafurteil sei "bestellt" bzw "in Auftrag gegeben" worden, schließe den Vorwurf einer rechtswidrigen, strafgesetzwidrigen Beeinflussung der Justiz in sich. Daß der Tatsachenvorwurf als Frage formuliert sei, sei ohne Bedeutung, weil die Tatsachenvorwürfe in einer Art erhoben seien, die den Leser darauf schließen lasse, daß der Schlußfolgerung und der aufgeworfenen Frage Tatsachenkenntnisse zugrundelägen, die diese rechtfertigen. Die Beklagten hätten die Richtigkeit der zugleich ehrenbeleidigenden Behauptungen und das Fehlen einer subjektiven Vorwerfbarkeit nicht bescheinigt. Ein Angriff auf die Ehre und den Ruf in Form nicht nachweislich wahrer, nachteiliger Tatsachenbehauptungen werde auch durch Artikel 10, MRK nicht gerechtfertigt. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf eine emotionale Reaktion berufen, seien doch die Vorwürfe erst einen Tag nach der Urteilsverkündung erhoben und verbreitet worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten keine Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 260.000 S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Kläger sei zur Klageführung legitimiert, er werde in der Aussendung zweimal persönlich genannt und als Repräsentant und Redakteur von N***** bezeichnet. Durch diese Personifizierung werde jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums die erhobenen Vorwürfe auch mit dem Kläger in Verbindung bringen.

Die in der Schlagzeile aufgestellte Frage "Bestellte N***** einen Schuldspruch in erster Instanz?" werde im nachfolgenden Text damit beantwortet, daß offensichtlich N***** als "Regisseur dieses Verfahrens" nicht nur die monatelange Vorverurteilung der einzelnen Beschuldigten in Medien inszeniert, sondern auch das Urteil selbst gleich mit "in Auftrag gegeben" habe. Das Urteil sei "politisch subjektiv vorherbestimmt" gewesen. Es sei besorgniserregend und mit einem Rechtsstaat unvereinbarbar, "wie stark der Einfluß von N***** auf die österreichischen Gerichte in erster Instanz bereits sei". Diese Aussendung könne der unbefangene Durchschnittsleser insgesamt nur so verstehen, daß N***** und der Kläger die Verurteilung des Erstbeklagten dem Gericht gegenüber gefordert haben, und das Gericht der Forderung - entgegen der gegebenen Tat und Rechtslage - entsprochen hat, sohin der einzige Grund für die Verurteilung des Erstbeklagten im Betreiben des Klägers gelegen sei. Die Aussage des Textes sei aufgrund des Gesamtzusammenhanges somit eindeutig. Überdies müßten die Beklagten die für sie ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Dieser von den Beklagten gegen den Kläger erhobene Vorwurf der Bestimmung zum Amtsmißbrauch stelle eine Tatsachenbehauptung dar, die § 1330 Abs 1 und 2 ABGB zu unterstellen sei. Den Beklagten sei der Beweis der Wahrheit der Behauptung nicht gelungen, so daß nur zu prüfen bleibe, ob ihr Verhalten vorwerfbar oder im Rahmen einer zulässigen Kritik oder aufgrund der besonderen gegebenen Interessenlage dennoch gerechtfertigt sei. Der Oberste Gerichtshof habe dazu wiederholt ausgesprochen, daß eine Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen selbst im Zuge eines politischen Meinungsstreites oder eines sogenannten "Schulenstreites" das Maß einer zulässigen Kritik überschreite und auch im Wege einer umfasenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt werden könne. Dem Erstbeklagten stehe es zu, seine Meinung über das Verhalten von N***** und des Klägers pointiert wiederzugeben. Er dürfe sich jedoch nicht zu Tatsachenbehauptungen hinreißen lassen, zu denen der Wahrheitsbeweis nicht angetreten werden könne.Die in der Schlagzeile aufgestellte Frage "Bestellte N***** einen Schuldspruch in erster Instanz?" werde im nachfolgenden Text damit beantwortet, daß offensichtlich N***** als "Regisseur dieses Verfahrens" nicht nur die monatelange Vorverurteilung der einzelnen Beschuldigten in Medien inszeniert, sondern auch das Urteil selbst gleich mit "in Auftrag gegeben" habe. Das Urteil sei "politisch subjektiv vorherbestimmt" gewesen. Es sei besorgniserregend und mit einem Rechtsstaat unvereinbarbar, "wie stark der Einfluß von N***** auf die österreichischen Gerichte in erster Instanz bereits sei". Diese Aussendung könne der unbefangene Durchschnittsleser insgesamt nur so verstehen, daß N***** und der Kläger die Verurteilung des Erstbeklagten dem Gericht gegenüber gefordert haben, und das Gericht der Forderung - entgegen der gegebenen Tat und Rechtslage - entsprochen hat, sohin der einzige Grund für die Verurteilung des Erstbeklagten im Betreiben des Klägers gelegen sei. Die Aussage des Textes sei aufgrund des Gesamtzusammenhanges somit eindeutig. Überdies müßten die Beklagten die für sie ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Dieser von den Beklagten gegen den Kläger erhobene Vorwurf der Bestimmung zum Amtsmißbrauch stelle eine Tatsachenbehauptung dar, die Paragraph 1330, Absatz eins und 2 ABGB zu unterstellen sei. Den Beklagten sei der Beweis der Wahrheit der Behauptung nicht gelungen, so daß nur zu prüfen bleibe, ob ihr Verhalten vorwerfbar oder im Rahmen einer zulässigen Kritik oder aufgrund der besonderen gegebenen Interessenlage dennoch gerechtfertigt sei. Der Oberste Gerichtshof habe dazu wiederholt ausgesprochen, daß eine Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen selbst im Zuge eines politischen Meinungsstreites oder eines sogenannten "Schulenstreites" das Maß einer zulässigen Kritik überschreite und auch im Wege einer umfasenden Interessenabwägung nicht gerechtfertigt werden könne. Dem Erstbeklagten stehe es zu, seine Meinung über das Verhalten von N***** und des Klägers pointiert wiederzugeben. Er dürfe sich jedoch nicht zu Tatsachenbehauptungen hinreißen lassen, zu denen der Wahrheitsbeweis nicht angetreten werden könne.

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vertritt in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Auffassung, der Bewertungsausspruch des Rekursgerichtes sei für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich, der außerordentliche Revisionsrekurs angesichts der in der Klage vorgenommenen Bewertung mit 200.000 S unzulässig. Das Rekursgericht habe das ihm bei Bewertung des Entscheidungsgegenstandes eingeräumte Ermessen mißbraucht, indem es von der in der Klage vorgenommenen Bewertung offenbar deshalb abgegangen sei, weil es einerseits den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Abweichens von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht habe zulassen wollen, andererseits dem Beklagten aber die Möglichkeit eines außerordentlichen Rechtsmittels habe eröffnen wollen.

Besteht der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, hat das Rekursgericht gemäß § 526 Abs 3 ZPO in sinngemäßer Anwendung des § 500 Abs 2 Z 1 ZPO idF WGN 1997 auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000,- S übersteigt, bejahendenfalls, ob er auch 260.000,- S übersteigt. Gegen diesen Ausspruch ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 500 Abs 4 ZPO). Das Rekursgericht ist dabei nicht an die vom Kläger iSd § 59 JN vorgenommene Bewertung gebunden, weil dieser Paragraph nach § 500 Abs 3 ZPO bei den Aussprüchen nach Abs 2 Z 1 leg cit gerade nicht sinngemäß anzuwenden ist. Sein Ausspruch bindet aber - außer im hier nicht vorliegenden Fall einer Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften - den Obersten Gerichtshof (EvBl 1990/146; WoBl 1991/124; RIS-Justiz RS0042617; Fasching, LB 2 Rz 1830). Das Rekursgericht hat bei seiner Bewertung nicht gegen die nach § 500 Abs 3 ZPO sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm verstoßen. Auch der vom Kläger angesprochene Ermessensmißbrauch ist nicht zu erkennen. Das Rekursgericht hat seine über den in der Klage angegebenen Streitgegenstand hinausgehende Bewertung mit einleuchtenden sachlichen Argumenten begründet. Von einem willkürlichen Rechtsmittelausschluß oder einer rechtsmißbräuchlichen Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeiten kann schon deshalb keine Rede sein.Besteht der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, hat das Rekursgericht gemäß Paragraph 526, Absatz 3, ZPO in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer eins, ZPO in der Fassung WGN 1997 auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000,- S übersteigt, bejahendenfalls, ob er auch 260.000,- S übersteigt. Gegen diesen Ausspruch ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (Paragraph 500, Absatz 4, ZPO). Das Rekursgericht ist dabei nicht an die vom Kläger iSd Paragraph 59, JN vorgenommene Bewertung gebunden, weil dieser Paragraph nach Paragraph 500, Absatz 3, ZPO bei den Aussprüchen nach Absatz 2, Ziffer eins, leg cit gerade nicht sinngemäß anzuwenden ist. Sein Ausspruch bindet aber - außer im hier nicht vorliegenden Fall einer Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften - den Obersten Gerichtshof (EvBl 1990/146; WoBl 1991/124; RIS-Justiz RS0042617; Fasching, LB 2 Rz 1830). Das Rekursgericht hat bei seiner Bewertung nicht gegen die nach Paragraph 500, Absatz 3, ZPO sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm verstoßen. Auch der vom Kläger angesprochene Ermessensmißbrauch ist nicht zu erkennen. Das Rekursgericht hat seine über den in der Klage angegebenen Streitgegenstand hinausgehende Bewertung mit einleuchtenden sachlichen Argumenten begründet. Von einem willkürlichen Rechtsmittelausschluß oder einer rechtsmißbräuchlichen Erweiterung der Rechtsmittelmöglichkeiten kann schon deshalb keine Rede sein.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Der erkennende Senat hatte die in der zu beurteilenden Aussendung auch gegen den Kläger gerichteten Äußerungen bereits anläßlich eines von N***** gegen die auch hier Beklagten angestrengten Verfahrens zu beurteilen. In seiner Entscheidung vom 19.März 1998, 6 Ob 39/98y hat der erkennende Senat die Auffassung vertreten, Aufbau und Inhalt des Artikels mache für den Adressaten (nicht Leser eines Massenblattes, sondern zum großen Teil in pointiertem Stil geschulte und mit reißerischen Formulierungen vertraute Journalisten) deutlich, daß mit der in Anführungszeichen gesetzten Passage, N***** habe das Urteil selbst gleich "mit in Auftrag gegeben", vorgeworfen werde, die Einleitung des Strafverfahrens durch eine Hetzkampagne erzwungen und zum Schutz eigener Interessen durch ein in Auftrag gegebenes (zweifelhaftes) Gutachten und die Art und Weise der Einführung dieses Beweismittels in das Strafverfahren dieses massiv beeinflußt zu haben. Es stehe außer Zweifel, daß N***** durch ihre bereits vor Einleitung des Strafverfahrens konsequent verfolgte rufschädigende und ehrenbeleidigende Kampagne gegen den Erstbeklagten eine unzulässige und über das noch nicht rechtskräftige Strafurteil weit hinausgehende Vorverurteilung vorgenommen habe und wegen der zahlreichen deshalb gegen sie angestrengten Medienverfahren ein eminentes eigenes Interesse am Ausgang des Strafverfahrens habe. Werde aber durch eine am Verfahren nicht beteiligte Person ein von ihr bestelltes Privatgutachten (mag dieses nun richtig sein oder nicht) dem Staatsanwalt zur Unterstützung für einen Schuldspruch übermittelt und dieses Gutachten bei der Urteilsfällung mitberücksichtigt, könne es dem zuvor massiv angegriffenen Beschuldigten nicht verwehrt werden, diese Vorgangsweise als Versuch einer massiven Beeinflussung des Strafverfahrens durch die zuvor ja im Detail geschilderte Vorgangsweise zu bezeichnen. Der Vorwurf, N***** habe das Urteil durch eine darüber hinausgehende, rechtswidrige Einflußaufnahme auf den zuständigen Schöffensenat, also ein Zusammenwirken mit diesem in strafgesetzwidriger Weise, erwirkt, sei daraus noch nicht abzuleiten. Die benützten Formulierungen erschienen im Hinblick auf die monatelangen vorausgegangenen, wesentlich schwerwiegenderen Angriffe gegen den Erstbeklagten noch tolerierbar. Es sei dem angesprochenen Adressatenkreis auch durchaus zuzusinnen, die inkriminierten überschießenden Wertungen auf ihren Tatsachenkern zu reduzieren und nicht auf die Behauptung einer strafgesetzwidrigen Beeinflussung des Schöffensenates zu schließen.

Der erkennende Senat hält seine Auffassung auch im vorliegenden, dieselben Formulierungen betreffenden Verfahren aufrecht. Auch hier sind nicht die gegen die Justiz erhobenen Vorwürfe, sondern nur jene gegenüber dem Kläger zu beurteilen. Daß sich die Äußerungen des Erstbeklagten auch gegen den mehrfach namentlich und als Repräsentant von N***** bezeichneten Kläger richten, steht außer Zweifel. Daß der Kläger selbst an der davorliegenden Vorverurteilungs-Kampagne mitgewirkt hat, ergibt sich schon aus den Klageangaben, wonach er viele der von N***** veröffentlichten Berichte über den gegen den Erstbeklagten bestehenden Verdacht verfaßt und namentlich gezeichnet hat. Dies mußte den von der APA-Mitteilung angesprochenen Journalisten auch bekannt sein. Daß für sie der Eindruck entstehen konnte, der Kläger sei an der Vorverurteilung durch N***** maßgeblich beteiligt, ist nicht zweifelhaft. Auf die Frage, in welchem Prozentsatz diese Berichte vom Kläger selbst stammen, sowie darauf, welche Person das im Strafverfahren vorgelegte Privatgutachten für N***** in Auftrag gegeben hat, kommt es bei Beurteilung der Frage, wie die Äußerungen des Erstbeklagten von den angesprochenen Journalisten verstanden werden, nicht an.

Aus dem Inhalt der gesamten Veröffentlichung in ihrem Zusammenhang wird für das angesprochene Publikum der (auch an den Kläger gerichtete) Vorwurf deutlich, er habe als Chefredakteur von N***** die Einleitung des Strafverfahrens durch die davorliegenden massiven, öffentlich vorgebrachten Vorverurteilungen erzwungen und das Verfahren durch ein in Auftrag gegebenes und dem Gericht ohne vorherige Kenntnis des Verteidigers erst während der Hauptverhandlung vorgelegtes Privatgutachten maßgeblichst beeinflußt. Für das von der APA-Meldung angesprochene Publikum ist aber nicht auch der darüber hinausgehende Vorwurf erkennbar, der Kläger habe das Urteil durch rechtswidrige Einflußnahme auf den Schöffensenat in strafgesetzwidriger Weise (durch Bestimmung zum Amtsmißbrauch) erwirkt.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist somit Folge zu geben und der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung mangels Tatbestandsmäßigkeit der inkriminierten Behauptungen nach § 1330 Abs 1 und 2 ABGB abzuweisen.Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist somit Folge zu geben und der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung mangels Tatbestandsmäßigkeit der inkriminierten Behauptungen nach Paragraph 1330, Absatz eins und 2 ABGB abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 78, EO in Verbindung mit Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E50887 06A01588

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00158.98Y.0716.000

Dokumentnummer

JJT_19980716_OGH0002_0060OB00158_98Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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