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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde
1. des Ernst Kapeller sen. und 2. des Ernst Kapeller jun., beide in St. Valentin, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Strasser, Rechtsanwalt in 4300 St. Valentin, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Juli 2004, Zl. RU1-BR-15/001-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Petra Pum in 4300 St. Valentin, Siedlerstraße 19; 2. Stadtgemeinde St. Valentin, Hauptplatz 7, 4300 St. Valentin), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 1.171,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2001 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Zu- und Umbau des Pflegeheimes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der KG Thurnsdorf. Nach den Einreichunterlagen soll im Westen des bestehenden Objektes ein Nebengebäude und ein Zubau zum Altbestand errichtet werden. Das Nebengebäude soll nicht unterkellert werden, ein Erdgeschoß (bestehend aus Lagerraum, Kühlzeile, Reinwäschedepot und Besucher-WC) haben sowie ein Blechdach aufweisen. Der nicht unterkellerte Zubau soll im Erdgeschoß aus einer Küche, dem Liftschacht und einem Eingangsbereich mit einer behindertengerechten Rampe sowie im Obergeschoß aus einer teilweise überdachten Terrasse, einer Halle und dem Lifthaus bestehen. Im Norden soll ein rechteckiger, nicht unterkellerter Zubau zum bestehenden Objekt errichtet werden. Dieser Zubau soll aus einem Erdgeschoß, einem Obergeschoß und einem Dachgeschoß bestehen, wobei im Erdgeschoß und Obergeschoß jeweils ein Dreibettzimmer und im Dachgeschoß ein Depot geplant sind. Beim Altbestand sollen die Räume durch Abtragen und Errichten von Zwischenwänden teilweise neu gruppiert, eine neue Stiege eingebaut und die Zubauten angebunden werden. Keller, Erdgeschoß und Obergeschoß des Altbestandes sollen durch einen behindertengerechten Lift aufgeschlossen werden.
Das Baugrundstück ist als Bauland - Kerngebiet gewidmet. Nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Bebauungsplan ist für das Baugrundstück wahlweise die offene oder gekuppelte Bauweise, wahlweise die Bauklasse I oder II sowie die Anbaupflicht an die bestehende Gebäudevorderkante festgelegt und die Bebauungsdichte prozentmäßig nicht eingeschränkt. Die Änderung der Baufluchtlinie (Anbaupflicht) und der Entfall der Bebauungsdichte für das betreffende Grundstück basiert auf einer vom Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde in seiner Sitzung vom 8. März 2001 beschlossenen Änderung des Bebauungsplanes samt Bebauungsvorschriften.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 sprachen sich die Beschwerdeführer, die Eigentümer einer nordwestlich an das Baugrundstück angrenzenden Liegenschaft sind, gegen die Erteilung der Baubewilligung aus. Unter anderem wurde vorgebracht, die Bauwerberin beabsichtige, die bislang als Garage benutzte Fläche in einen Müllraum umzuwandeln, welcher an der Grundgrenze neben dem Einfamilienhaus der Beschwerdeführer situiert sei. Die geplante Erweiterung des Pflegeheimes führe einerseits wegen der anfallenden Müllmenge und der damit verbundenen Geruchsbelästigung und andererseits wegen der Lärmbelästigung durch weitere Bewohner und deren Gäste zu unzulässigen Immissionen. Die erforderlichen Abstände zu Grundgrenzen würden nicht eingehalten. Das Ortsbild werde gestört. Durch das geplante Blechdach entstünden erhöhte Lärmimmissionen.
Mit Bescheid vom 15. April 2002 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen. Begründend stützte sich die Behörde darauf, dass das Vorhaben sowohl mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, mit dem das Bauvorhaben umgebenden sichtbaren Baubestand als auch mit den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im Einklang stehe.
Nach hier nicht wesentlichen Verfahrensschritten wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid vom 18. November 2003 die gegen diesen Baubewilligungsbescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der vom Gemeinderat in seiner Sitzung vom 8. März 2001 beschlossene Bebauungsplan seit dem 29. Juni 2001 in Kraft und daher anzuwenden sei. Das Nebengebäude solle mit einer Höhe von 3 m errichtet werden und weise oberirdisch nur ein Geschoß und keine Aufenthaltsräume auf. Es sei seiner Art nach dem Verwendungszweck des Hauptgebäudes untergeordnet. Die Grundrissflächen aller auf diesem Grundstück geplanten und errichteten Nebengebäude würden insgesamt die Fläche von 100 m2 nicht überschreiten. Die Situierung dieses Nebengebäudes im hinteren Bauwich sei daher zulässig. Die örtliche Zumutbarkeit von Belästigungen sei nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkungen des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 89/05/0026, ausgesprochen, dass ein Krankenhaus im Bauland - Wohngebiet zulässig sei. Das örtlich zumutbare Maß von Geruchsimmissionen im Bauland - Kerngebiet sei naturgemäß höher als im Bauland - Wohngebiet. Ein Pflegeheim sei hinsichtlich der Geruchsemissionen durchaus mit einem Krankenhaus vergleichbar und daher im Bauland - Kerngebiet zulässig. Der Einwand der Belästigung durch Küchendunst werde erstmals in der Vorstellung aufgeworfen und sei daher nicht zu berücksichtigen. Die Lärmentwicklung durch Regen auf ein Blechdach stelle im Bauland - Kerngebiet keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarn dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 10. Oktober 2005, B 1061/04-8, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.
In der auftragsgemäß vorgenommenen Beschwerdeergänzung halten die Beschwerdeführer ihre schon in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde formulierten Anträge auf kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufrecht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Bestimmungen der Niederösterreichischen
Bauordnung 1996 (BO) lauten auszugsweise:
"§ 4
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
...
6. Gebäude: ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen;
Nebengebäude: ein Gebäude mit einer Grundrißfläche bis zu 100 m2, das
oberirdisch nur ein Geschoß aufweist,
keinen Aufenthaltsraum enthält und
seiner Art nach dem Verwendungszweck eines Hauptgebäudes untergeordnet ist, unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich besteht (z.B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch an das Hauptgebäude angebaut sein.
...
§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:
...
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn),
...
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
...
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)
sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.
...
§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
1.
das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
2.
Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen.
...
§ 51
Bauwerke im Bauwich
(1) Im seitlichen und hinteren Bauwich dürfen Nebengebäude und -teile errichtet werden, wenn
1.
der Bebauungsplan dies nicht verbietet,
2.
die Grundrißfläche dieser Nebengebäude und -teile insgesamt nicht mehr als 100 m2 und
3. die Gebäudehöhe dieser Nebengebäude und -teile nicht mehr als 3 m beträgt; ...
..."
§ 16 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976
(ROG) lautet auszugsweise:
"§ 16
Bauland
(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:
...
2. Kerngebiete, die für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Wohngebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkung auf die Umgebung verursachen;
..."
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bringen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, nach dem angefochtenen Bescheid betrage der Abstand des Nebengebäudes zur Grundgrenze laut den Einreichplänen zwischen 70 und 88 cm. Im geregelten Baulandbereich müsse aber der seitliche Bauwich der halben Gebäudehöhe entsprechen. Schon an der Grundgrenze dürften weiters keine das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen eintreten. Das örtlich zumutbare Maß an Geruchsbelästigungen werde nicht erst dann überschritten, wenn diese gerade nicht gesundheitsschädlich seien, sondern bereits dann, wenn sie das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß störten. Bei einem direkt neben dem Wohnhaus der Beschwerdeführer geplanten Müllraum sei mit gröberen Geruchsbelästigungen zu rechnen. Geruchsbelästigungen entstünden außerdem durch die Entlüftung des Küchendunstes über den Lagerraum auf das Grundstück der Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer führen ferner aus, in ihrem Recht auf Schutz des Ortsbildes verletzt zu sein. Auch seien unzulässige Lärmeinwirkungen durch das geplante Blechdach insbesondere bei Regen zu erwarten.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass den Beschwerdeführern subjektive Nachbarrechte in Bezug auf das Ortsbild nach der taxativen Aufzählung des § 6 Abs. 2 BO nicht zukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2005, Zl. 2004/05/0203).
Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Lärmbelästigung durch das geplante Blechdach wenden, ist festzuhalten, dass die Lärmentwicklung von Regen auf einem Blechdach im Bauland - Kerngebiet eine Gegebenheit darstellt, die als solche im Allgemeinen keine Belästigungen der Nachbarn erwarten lässt, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0197). Dass im vorliegenden Fall besondere Gründe für eine andere Sichtweise sprechen, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
Nach den bewilligten Bauplänen erfüllt die Baulichkeit, die im Bauwich zu dem Grundstück der Beschwerdeführer errichtet werden soll, die Kriterien für ein Nebengebäude nach § 4 Z 6 BO. Sie ist daher gemäß der oben angeführten Bestimmung des § 51 Abs. 1 BO im Bauwich zulässig.
Die von den Beschwerdeführern angesprochenen Emissionen, die vom Müllraum und der Küche herrühren, sind solche, die von der Benützung eines Bauwerks ausgehen. Die Beschwerdeführer haben bereits mit Schreiben vom 6. Februar 2002 und somit rechzeitig Einwendungen hinsichtlich Geruchsimmissionen erhoben, wobei es entgegen der offenbaren Ansicht der belangten Behörde bezüglich des Ausschlusses von der Parteistellung in diesem Punkt nicht darauf ankommen kann, ob von den Beschwerdeführern bereits in diesem Schreiben die Emissionsquelle (Müllraum bzw. Küche) näher bzw. richtig bezeichnet wurde. Die erforderliche Spezialisierung einer Einwendung besteht nämlich nur hinsichtlich des geltend gemachten verletzten Rechtes (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 611 ff unter E 31 ff wiedergegebene hg. Judikatur). Der maßgebliche Spezialisierungsgrad richtet sich daher hier nach § 6 Abs. 2 BO iVm § 48 Abs. 1 BO. Auf Grund der rechtzeitigen Einwendungen der Beschwerdeführer haben die Behörden daher umfassend zu prüfen gehabt, ob die Immissionsvorschriften hinsichtlich des Geruches durch das geplante Bauvorhaben eingehalten werden.
Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Emissionen, die sich aus der Benützung eines Pflegheimes ergeben, nicht nach § 6 Abs. 2 Z 2 BO vom Schutzanspruch der Nachbarn ausgenommen sind, weil ein Pflegeheim, obwohl es natürlich auch der Deckung des Wohnbedarfs pflegebedürftiger Personen dient, nicht als Wohngebäude im Sinne der genannten Norm zu qualifizieren ist, und zwar wegen seines wesentlichen besonderen Verwendungszweckes, nämlich der Pflege von pflegebedürftigen Menschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0140).
Das zu bebauende Grundstück weist die Flächenwidmung Bauland - Kerngebiet auf. Angesichts dieser Flächenwidmung kommt den Beschwerdeführern gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 ROG iVm § 6 Abs. 2 Z 2 und § 48 BO ein Mitspracherecht hinsichtlich der gegenständlichen Immissionen zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2001/05/0543). Es dürfen folglich die Emissionen, die vom Bauwerk oder seiner Benützung ausgehen, das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden und Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
Die örtliche Zumutbarkeit einer Belästigung ergibt sich nach § 48 Abs. 2 BO aus der Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerkes oder seiner Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2002/05/1237). Bei dieser Beurteilung ist die bestehende Immissionsbelastung der (bewilligten) Bauwerke oder deren Benützung zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, wie sich die projektgemäßen Veränderungen auf die vorhandenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auswirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0169, mwN). Diese Auswirkungen hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen und sich hiebei grundsätzlich der Mithilfe von Sachverständigen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen, zu bedienen. Dabei ist es Sache des technischen Sachverständigen, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, die Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf die Frage, ob eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigung vorliegt, stets der Beantwortung durch einen medizinischen Sachverständigen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, mwN). Wenn sich die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 89/05/0026, Slg.Nr. 13.325 A, das im Übrigen zur Bauordnung für Wien ergangen ist, beruft, so vermag sie damit schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dort die Frage, ob Belästigungen durch Emissionen, die von der Benützung eines Pflegeheimes ausgehen, örtlich zumutbar sind, nicht zu beantworten war.
Im Beschwerdefall wurde in der Berufungsverhandlung zwar ein bautechnischer Sachverständiger beigezogen, dieser erstattete aber kein Gutachten hinsichtlich Art und Ausmaß der zu erwartenden Immissionen. Ein medizinisches Gutachten wurde nicht eingeholt. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren genügt somit nicht den oben angeführten Anforderungen.
Die belangte Behörde hat sich in Verkennung der Rechtslage mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu den Geruchsbelästigungen, die vom Müllraum und der Küche zu erwarten sind, nicht gehörig auseinandergesetzt. Wenn sie in diesem Zusammenhang in ihrer Gegenschrift ausführt, dass der angesprochene Müllraum bereits Bestand und vom gegenständlichen Verfahren nicht umfasst sei, so kann darauf schon deshalb nicht Bedacht genommen werden, weil die Bescheidbegründung nicht mit der Gegenschrift nachgeholt werden kann. Davon abgesehen hat sie auch nicht begründet, warum die geplante Erweiterung des Pflegeheimes nicht - wie die Beschwerdeführer rügen - geeignet ist, größere Immissionsbelastungen als der Altbestand zu verursachen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerdeführer an Schriftsatzaufwand mehr als den verordneten Höchstbetrag verzeichnet haben, die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt und ein Zuspruch eines Streitgenossenzuschlages gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am 10. Oktober 2006
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005050327.X00Im RIS seit
01.11.2006