Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert H*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Robert K*****, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 99.550 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 30. Juni 1998, GZ 2 R 143/97p-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 18. Februar 1997, GZ 2 C 1698/95t-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 10. 8. 1994 unternahm der Kläger gemeinsam mit dem Beklagten eine Bergtour auf den Piz Buin, bei der der Kläger etwa 100 m weit über Schnee und Eis abrutschte und sich dabei erheblich verletzte.
Der Kläger begehrte vom Beklagten Schadenersatz im Gesamtbetrag von S 99.550. Der Beklagte habe durch sein Verhalten den Anschein eines erfahrenen Bergführers erweckt, weshalb sich der Kläger ihm anvertraut habe. Er habe die Beistellung der Kletterhilfen und die Auswahl der Ausrüstungsgegenstände übernommen und die Route gewählt. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Kläger über keine Berg-, insbesondere über keine Kletter- oder Gletschererfahrung verfügt habe. Er habe behauptet, die Tour sei eine ungefährliche Wanderung, was sich letztlich als unrichtig herausgestellt habe. Der Kläger sei an einer Stelle abgestürzt, die dem Beklagten als gefährliche Schlüsselstelle bekannt gewesen sei. Dennoch habe er die für den Kläger nötige Unterstützung beim Abstieg (über ein Schneefeld), insbesondere die Sicherung durch ein Seil, unterlassen. Für den Beklagten sei auch erkennbar gewesen, daß der Kläger ungeeignet bekleidet und ausgerüstet gewesen sei. Der Beklagte hafte gemäß § 1299 ABGB.Der Kläger begehrte vom Beklagten Schadenersatz im Gesamtbetrag von S 99.550. Der Beklagte habe durch sein Verhalten den Anschein eines erfahrenen Bergführers erweckt, weshalb sich der Kläger ihm anvertraut habe. Er habe die Beistellung der Kletterhilfen und die Auswahl der Ausrüstungsgegenstände übernommen und die Route gewählt. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Kläger über keine Berg-, insbesondere über keine Kletter- oder Gletschererfahrung verfügt habe. Er habe behauptet, die Tour sei eine ungefährliche Wanderung, was sich letztlich als unrichtig herausgestellt habe. Der Kläger sei an einer Stelle abgestürzt, die dem Beklagten als gefährliche Schlüsselstelle bekannt gewesen sei. Dennoch habe er die für den Kläger nötige Unterstützung beim Abstieg (über ein Schneefeld), insbesondere die Sicherung durch ein Seil, unterlassen. Für den Beklagten sei auch erkennbar gewesen, daß der Kläger ungeeignet bekleidet und ausgerüstet gewesen sei. Der Beklagte hafte gemäß Paragraph 1299, ABGB.
Der Beklagte wendete ein, weder ausdrücklich noch schlüssig eine Führertätigkeit für den Kläger übernommen zu haben. Er verfüge über keine besondere Bergerfahrung und habe sich auch nicht bereit erklärt, für die Ausrüstung zu sorgen. Keinesfalls habe er den Kläger zur Bergtour überredet. Der Kläger sei an einer ungefährlichen Stelle aus unerklärlichen Gründen ausgerutscht, während der Beklagte gerade im Begriffe gewesen sei, vorsichtshalber Harscheisen anzulegen. Er habe den Kläger angewiesen, bis zur Beendigung dieser Vorkehrung stehenzubleiben und sich an dem ihm zur Verfügung gestellten Pickel festzuhalten, doch habe der Kläger diese Anweisung nicht eingehalten und sich weiterbewegt. Der Kläger sei abgestürzt, noch ehe eine Seilsicherung hätte überhaupt vorgenommen werden können. Im übrigen sei der Beklagte kein ausgebildeter Bergführer, der durch Verwendung eines Seils mit fixer Sicherung den Absturz des Klägers und damit dessen Verletzungen hätte verhindern können. Jedenfalls treffe den Kläger das weitaus überwiegende Verschulden am Absturz.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, der Beklagte, ein „begeisterter Bergsteiger“, und der Kläger, ein „begeisterter Wanderer“, seien übereingekommen, gemeinsam eine Bergtour zu unternehmen. Der Beklagte habe sich nie als Bergführer ausgegeben. Ursprünglich sei kein genaues Ziel genannt worden, im Laufe der Tour hätten die Streitteile beschlossen, den Piz Buin zu besteigen. Der Beklagte habe einen leichten Auf- und Aufstieg, der grundsätzlich nicht als gefährliche Route bezeichnet werden könne, ausgewählt, und die Streitteile seien abwechselnd vorangegangen. Die Ausrüstung der Streitteile sei für die gewählte Route ausreichend gewesen. Vor der Absturzstelle, wo der Fels in das Schneefeld übergeht, habe der Beklagte vorsichtshalber Harscheisen anlegen wollen. Währenddessen sei der Kläger ausgerutscht und über eine Wegstrecke von etwa 100 m über Schnee und Eis abgerutscht.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Übernahme der Spitze einer Gruppe im Zuge einer Bergtour bewirke für sich noch nicht, daß diese Person als „Führer“ zu betrachten sei. Nur wenn jemand aus Gefälligkeit die Führung übernehme, den Routenverlauf kenne und später auftretende, für weniger Erfahrene erkennbare Gefahren oder Schwierigkeiten verschweige oder einen Bergunerfahrenen unter dem Vorwand, die Bergtour sei ungefährlich, zu einer schwierigen Tour überrede, käme eine Haftung in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Route sei relativ gefahrlos zu bewältigen. Der Umstand, daß sich der Beklagte nie als Führer deklariert habe und daß die Parteien abwechselnd vorangegangen seien, spräche gegen eine Führung aus Gefälligkeit, weshalb der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB nicht anzuwenden sei. Aufgrund des Ausbildungsstands der Streitteile sei die Verwendung eines Seils nicht geboten gewesen; der Absturz hätte aber nur durch eine solche Maßnahme verhindert werden können. Die Tatsache, daß keine Steigeisen verwendet wurden, sei dem Beklagten nicht anzulasten, weil deren Gebrauch entsprechende Schulung und Übung vorausgesetzt hätte. Der Kläger habe seinen Absturz allein verschuldet.In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Übernahme der Spitze einer Gruppe im Zuge einer Bergtour bewirke für sich noch nicht, daß diese Person als „Führer“ zu betrachten sei. Nur wenn jemand aus Gefälligkeit die Führung übernehme, den Routenverlauf kenne und später auftretende, für weniger Erfahrene erkennbare Gefahren oder Schwierigkeiten verschweige oder einen Bergunerfahrenen unter dem Vorwand, die Bergtour sei ungefährlich, zu einer schwierigen Tour überrede, käme eine Haftung in Betracht. Die vom Beklagten gewählte Route sei relativ gefahrlos zu bewältigen. Der Umstand, daß sich der Beklagte nie als Führer deklariert habe und daß die Parteien abwechselnd vorangegangen seien, spräche gegen eine Führung aus Gefälligkeit, weshalb der Sorgfaltsmaßstab des Paragraph 1299, ABGB nicht anzuwenden sei. Aufgrund des Ausbildungsstands der Streitteile sei die Verwendung eines Seils nicht geboten gewesen; der Absturz hätte aber nur durch eine solche Maßnahme verhindert werden können. Die Tatsache, daß keine Steigeisen verwendet wurden, sei dem Beklagten nicht anzulasten, weil deren Gebrauch entsprechende Schulung und Übung vorausgesetzt hätte. Der Kläger habe seinen Absturz allein verschuldet.
Im ersten Rechtsgang bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Trotz Vorliegens von Feststellungs- und Verfahrensmängeln sei die Abweisung des Klagebegehrens zu Recht erfolgt, weil selbst dann, wenn der Beklagte als „Tourenführer aus Gefälligkeit“ zu qualifizieren wäre, dessen Haftung verneint werden müsse. Dem Kläger habe die Gefährlichkeit der Absturzstelle bekannt sein müssen; er sei daher für die bei ihm eingetretene Verletzung selbst verantwortlich.
Diese Entscheidung hob der erkennende Senat mit Beschluß vom 25. 11. 1997, AZ 1 Ob 324/97x, auf und verwies die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zurück. Schon allein deshalb, weil sich die Vorinstanzen mit der Aussage des Klägers über den Gesprächsverlauf unmittelbar vor dem Absturz nicht auseinandergesetzt hätten, sei das Verfahren ergänzungsbedürftig. Das Berufungsgericht habe aber auch (vom Erstgericht unterlassene) Feststellungen getroffen, ohne eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung durchzuführen. Ohne diese - unzulässigerweise getroffenen - zusätzlichen Feststellungen verbliebe zu wenig sachliches Substrat, um verläßlich beurteilen zu können, ob die Eigenverantwortlichkeit des Klägers die Haftung des Beklagten namentlich für den Fall, daß er als Tourenführer aus Gefälligkeit anzusehen wäre, ausschlösse. Das Berufungsgericht werde sich mit den vom Kläger behaupteten und vom Gericht zweiter Instanz grundsätzlich auch bejahten Feststellungs- und Begründungsmängeln der erstgerichtlichen Entscheidung ausführlich auseinandersetzen müssen.
Im zweiten Rechtsgang fällte das Berufungsgericht nach teilweiser Beweiswiederholung bzw -ergänzung in Abänderung des Urteils der ersten Instanz ein Zwischenurteil, mit dem es den Klagsanspruch dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es traf folgende Feststellungen:
Der Beklagte sei begeisterter Bergsteiger mit Kletter- und Gletschererfahrung. Er habe schon öfter mit mehreren Personen Bergtouren unternommen und auch unerfahrene Personen auf leichte Touren mitgenommen. Vor dem 10. 8. 1994 sei er bereits siebenmal auf dem Piz Buin gewesen. Die Tour auf diesen Berg stufe er bei guten Verhältnissen, die am 10. 8. 1994 geherrscht hätten, als leicht ein. Er habe schon hohe Berge - ua den Mont Blanc - bestiegen und Erfahrung im Umgang mit Steigeisen und Seil gesammelt; so habe er schon mehrmals Bergkameraden am Seil gesichert. Der Kläger, der gerne „bergwandert“, habe weder Gletscher- noch Klettererfahrung, was er dem Beklagten auch mitgeteilt habe. Die mangelnde Hochgebirgserfahrenheit habe der Beklagte auch während der Tour, die zum Unfall geführt habe, bemerkt. Der Beklagte habe sich dem Kläger gegenüber als guter Bergsteiger deklariert und ihm auch erzählt, er habe schon andere Personen auf eine Bergtour mitgenommen. Am 9. 8. 1994 hätten die Parteien den Beschluß gefaßt, gemeinsam den Piz Buin zu besteigen. Der Beklagte habe dem Kläger angeboten, ihn auf diesen Berg mitzunehmen. Er habe dem Kläger gesagt, er werde für die erforderliche Ausrüstung sorgen, und habe sich auch wegen der Steigeisen nach der Schuhgröße des Klägers erkundigt. Dem Kläger sei vom Beklagten nicht erklärt worden, die Tour auf den Piz Buin sei ungefährlich, vielmehr habe er auf einige kritische Stellen hingewiesen. Er habe aber gesagt, daß er ein Seil mitnehmen werde, sodaß diese Stellen bewältigt werden könnten. Für sich selbst habe der Beklagte Steigeisen, ein Seil und einen Pickel mitgenommen, für den Kläger habe er hingegen keine Steigeisen besorgt, das diesem aber auch mitgeteilt. Die Verwendung von Steigeisen wäre für den Kläger auch mangels Erfahrung im Umgang mit diesen Geräten gefährlich gewesen. Die Auswahl der Bergschuhe habe der Beklagte für den Kläger getroffen. Der Beklagte habe jeweils die beste Route ausgekundschaftet und dadurch dem Kläger den Weg erleichtert. Beim Aufstieg sei ein Schneefeld zu queren gewesen; der Beklagte habe dem Kläger vor dessen Überqueren seinen Pickel zur Verfügung gestellt, mit dem dieser jedoch nichts habe „anfangen“ können. Der Schnee sei weich gewesen, sodaß ein sicheres Aufsteigen gewährleistet gewesen sei. Als der Kläger Probleme gehabt habe, sei der Beklagte zurückgeklettert und habe den Kläger mit der Hand gesichert. Ansonsten sei aber der Aufstieg zum Piz Buin und auch der Abstieg bis zur Unfallstelle vom Kläger problemlos bewältigt worden. Dieser habe sich beim Aufstieg keine Gedanken darüber gemacht, daß der Abstieg - besonders über das Schneefeld - kritischer sein könnte. Im Zuge des Abstiegs habe der Beklagte den Kläger am Beginn des Schneefelds aufgefordert den Pickel zu nehmen, um sich zu sichern, während er selbst die Steigeisen angelegt habe. Dabei sei dem Kläger „offenbar“ die Gefährlichkeit des Abstiegs über das Schneefeld bewußt geworden, weshalb er den Beklagten „rhetorisch“ gefragt habe, „was mit seinen Steigeisen sei“, obwohl er gewußt habe, daß der Beklagte keine Steigeisen für ihn mithabe. Der Kläger habe auch gemeint, er werde „wie eine Rakete abgehen“, wenn er rutsche, doch habe der Beklagte darauf geantwortet, der Kläger solle sich nicht so anstellen, es gäbe keine Probleme. Eine Sicherung durch Abseilen habe der Kläger nicht verlangt. Der Kläger sei in die ersten Fußspuren im Schneefeld mit Blickrichtung zum Felsen (bergwärts) getreten und habe den Pickel in den Schnee „gesteckt“. Er habe versucht, „richtigen Halt“ zu finden, habe aber feststellen müssen, daß der Pickel nicht richtig halte. Da ihm der Beklagte daraufhin aufgefordert habe, er solle vorausgehen, habe er zwei Schritte nach unten (rückwärts) gemacht und sei über das Schneefeld abgerutscht, wobei er sich verletzt habe. Der Kläger habe die Standposition am Beginn des Schneefelds nicht verlassen, ehe der Beklagte gesagt habe, er könne weitergehen. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte die Steigeisen angelegt habe, um den Kläger beim Abstieg über das Schneefeld zu sichern. Die Fußspuren im Schneefeld seien teilweise vereist, die Absturzstelle sei teils eis- und teils schneebedeckt gewesen. Die „alleinige Verwendung“ eines Pickels in „mittelsteilen Flanken“ erfordere eine gewisse Übung, an der es dem Kläger gemangelt habe. Nur ein erfahrener Alpinist könne „im Normalfall“ mit einem Pickel das „Rutschen in einem solchen Gelände einbremsen“. Eine Standsicherung mittels Seils habe der Beklagte nicht für notwendig gehalten. Die Verwendung eines Seils mit einer fixen Sicherung wäre mit großer Wahrscheinlichkeit die einzige Möglichkeit gewesen, um den Absturz im Unfallsbereich zu verhindern. Der Auf- und Abstieg auf den Piz Buin sei grundsätzlich leicht und die Route nicht als grundsätzlich gefährlich zu bezeichnen. Allerdings sei ein Absturz an mehreren Stellen möglich. Bei üblichen Verhältnissen - solche seien vorgelegen - könne ein guter Wanderer den Piz Buin relativ gefahrlos besteigen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus, der Beklagte sei dem Kläger gegenüber als „Tourenführer aus Gefälligkeit“ anzusehen. Er habe zugesagt, sich um die Ausrüstung des Klägers zu kümmern, er habe dessen Schuhmaterial ausgewählt, sei überwiegend vorangegangen und habe ihm den Weg gezeigt; er sei ihm teilweise beim Klettern behilflich gewesen und habe ihm Anweisungen erteilt. Selbst unmittelbar vor dem Unfall habe er ihn angewiesen, sich mit dem Pickel zu sichern. Durch sein Verhalten habe der Beklagte den objektiven Anschein erweckt, die Führerrolle zu übernehmen; er sei deshalb zumindest als „faktischer Führer“ anzusehen. Wenngleich an einen Tourenführer aus Gefälligkeit nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie an einen professionellen Bergführer angelegt werden könne, müsse von ihm die Anwendung jener Sorgfalt erwartet werden, wie sie dem einem beruflichen Bergführer vergleichbaren Alpinisten bei der Führung und Begleitung von Tourengruppen objektiv zuzumuten sei. Der Kläger habe davon ausgehen können, daß der Beklagte über die Fähigkeiten zur Führung und Begleitung des Bergkameraden verfüge, weshalb dieser für den eingetretenen Schaden - auch unter Berücksichtigung eines entsprechenden Maßes an Eigenverantwortung des Klägers - hafte. Der Kläger habe selbst bei Erkennbarkeit der Gefährlichkeit des Abstiegs darauf vertrauen dürfen, daß ihn der Beklagte entsprechend anleite und sichere. Der Beklagte habe die mangelnde Bergerfahrung des Klägers bemerkt und hätte er ihm daher beim Abstieg die erforderliche Hilfestellung leisten müssen. Vor allem aber sei die Haftung des Beklagten darin begründet, daß der Kläger vor dem Unfall klar zum Ausdruck gebracht habe, ihm erscheine der Abstieg über das Schneefeld ohne Steigeisen gefährlich und er benötige die Hilfe des Beklagten, und daß der Kläger diese Bitte damit abgetan habe, es sei ohne weiteres möglich, rückwärts weiterzugehen. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den gefahrlosen Abstieg des Klägers durch eine fixe Seilsicherung zu gewährleisten. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Streitentscheidend ist die Frage nach der Haftung des „Führers aus Gefälligkeit“, also eines Bergsteigers, der einen anderen weniger geübten Bergsteiger auf eine Tour mitnimmt. Eine übertriebene Sorgfaltspflicht ist dem Bergsteigen an sich nicht nur wesensfremd, sondern widerspricht auch den Erfahrungen des täglichen Lebens und geht weit über die Maßnahmen, die ein pflichtbewußter Bergsteiger zur Abwendung von Gefahren trifft, hinaus. Bei Bedachtnahme auf die beim Bergsteigen notwendige Eigenverantwortlichkeit kann bei einem Zusammenschluß mehrerer Personen zu einer Bergtour nie der Geübtere oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich gemacht werden, weil er die Führung übernommen, das Unternehmen geplant oder die Route ausfindig gemacht hat; gleiches gilt auch für jene Person, die innerhalb einer Gruppe eine deutlich erkennbare Initiative zum Betreten von gefährlichem Gelände entwickelt (7 Ob 580/78; Hörburger, Zur Frage der strafrechtlichen Beurteilung von Bergunfällen, in ÖJZ 1971, 57 [58]; vgl auch Gidl in seinem Vortrag beim Hochalpinseminar Silvretta vom 17. bis 21. 9. 1979 in ÖJZ 1980, 461). Anders liegen indes die Dinge, wenn jemand die Führung aus Gefälligkeit übernimmt, aber seinem unerfahrenen Begleiter die erst später auftretenden, für diesen vorher nicht erkennbaren Gefahren und Schwierigkeiten verschweigt oder wenn jemand einen Bergunerfahrenen zu einer für diesen schwierigen Bergtour bzw zu einem schwierigen Abstieg dadurch, daß er deren Gefährlichkeit verniedlicht oder gar bestreitet, überredet (vgl 7 Ob 580/78; vgl auch Hörburger aaO 59).Streitentscheidend ist die Frage nach der Haftung des „Führers aus Gefälligkeit“, also eines Bergsteigers, der einen anderen weniger geübten Bergsteiger auf eine Tour mitnimmt. Eine übertriebene Sorgfaltspflicht ist dem Bergsteigen an sich nicht nur wesensfremd, sondern widerspricht auch den Erfahrungen des täglichen Lebens und geht weit über die Maßnahmen, die ein pflichtbewußter Bergsteiger zur Abwendung von Gefahren trifft, hinaus. Bei Bedachtnahme auf die beim Bergsteigen notwendige Eigenverantwortlichkeit kann bei einem Zusammenschluß mehrerer Personen zu einer Bergtour nie der Geübtere oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich gemacht werden, weil er die Führung übernommen, das Unternehmen geplant oder die Route ausfindig gemacht hat; gleiches gilt auch für jene Person, die innerhalb einer Gruppe eine deutlich erkennbare Initiative zum Betreten von gefährlichem Gelände entwickelt (7 Ob 580/78; Hörburger, Zur Frage der strafrechtlichen Beurteilung von Bergunfällen, in ÖJZ 1971, 57 [58]; vergleiche auch Gidl in seinem Vortrag beim Hochalpinseminar Silvretta vom 17. bis 21. 9. 1979 in ÖJZ 1980, 461). Anders liegen indes die Dinge, wenn jemand die Führung aus Gefälligkeit übernimmt, aber seinem unerfahrenen Begleiter die erst später auftretenden, für diesen vorher nicht erkennbaren Gefahren und Schwierigkeiten verschweigt oder wenn jemand einen Bergunerfahrenen zu einer für diesen schwierigen Bergtour bzw zu einem schwierigen Abstieg dadurch, daß er deren Gefährlichkeit verniedlicht oder gar bestreitet, überredet vergleiche 7 Ob 580/78; vergleiche auch Hörburger aaO 59).
Der Beklagte übte im vorliegenden Fall willentlich durch den Einsatz seines größeren bergsteigerischen Könnens, seiner größeren alpinen Erfahrung und seiner ausgeprägteren Gebietskenntnisse für weite Teile der gemeinsamen Bergtour, insbesondere aber auch bei der versuchten Begehung des Schneefelds, in dessen Bereich der Unfall stattfand, seinem Begleiter - dem Kläger - gegenüber die Führungsrolle als „faktischer Führer“ aus. Dabei ist es rechtlich unerheblich, daß der Beklagte auch als „Führer aus Gefälligkeit“ anzusehen wäre, weil er als erprobter Bergsteiger den Kläger als einen mehr oder weniger alpinistischen Neuling animierte, sich ihm aufgrund seines Könnens und seines Erfahrungspotentials anzuvertrauen und mit ihm auf Tour zu gehen. Den Feststellungen nach hat der Beklagte nämlich von Anfang an klargestellt, daß er als Initiator der Tour für deren gesamten Ablauf zur umfassenden Anleitung und Betreuung, mithin also zur „Führung“ des Klägers, bereit war (vgl Galli, Haftungsprobleme bei alpinen Tourengemeinschaften, 22 f). Je größer die Unterschiede im alpinistischen Leistungsvermögen und Erfahrungsstand ausfallen, desto intensiver ist der Schwächere auf das Können seines kompetenteren Partners zur möglichst gefahrlosen und sicheren Bewältigung der Tour angewiesen. Ein „Führer aus Gefälligkeit“ weiß, daß sein schwächerer Begleiter die Tour vor allem deshalb mit ihm unternimmt, weil er ohne seine Betreuung und Unterstützung den alpinistischen Anforderungen gar nicht gewachsen wäre und damit eine solche Tour überhaupt nicht wagen würde (Galli aaO 85). Sowohl im Rahmen von Tourengemeinschaften mit einem Führer aus Gefälligkeit wie auch bei Tourengemeinschaften mit faktischem Führer ist das dem kompetenten Tourengemeinschaftsmitglied - hier dem Beklagten - entgegengebrachte Vertrauen des schwächeren Begleiters - hier des Klägers - schutzwürdig (Galli aaO 86). Die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen im Einzelfall zu treffen sind und welche Gefahr zu beachten ist, kann bei der Vielfalt der Möglichkeiten nicht generell beantwortet werden (Hörburger aaO 59 f). Gewiß kann auch dem besten Bergsteiger bei außergewöhnlichen Verhältnissen ein Fehler unterlaufen, doch ist die objektive Sorgfaltswidrigkeit danach zu beurteilen, wie sich ein gewissenhafter Bergführer oder ein durchschnittlich pflichtbewußter Bergsteiger in der jeweiligen Situation verhalten hätte (Rabofsky, Das Recht bei Berg- und Schiunfällen, in AnwBl 1980, 135 [139] unter Berufung auf einen Diskussionsbeitrag von Hörburger). Wenngleich an einen „Tourenführer aus Gefälligkeit“ bzw auch einen „faktischen Führer“ nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie an einen professionellen, erwerbsmäßig tätigen Bergführer angelegt werden darf (Michalek, Dissertation: Schadenersatzrechtliche Verantwortung des Bergsteigers, Haftungsstrukturen in Gefahrengemeinschaften, 197), muß doch von einem solchen Führer jene Sorgfalt erwartet werden, wie sie einem ihm vergleichbaren Alpinisten bei der Führung und Begleitung von Tourengruppen objektiv zuzumuten ist (Michalek aaO 198). Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte angesichts der von ihm zu erwartenden und vom Kläger auch erwarteten Sachkenntnis das abschüssige Schneefeld als gefährlich einstufen und deshalb für die gefahrlose Querung des Schneefelds durch den ihm vertrauenden und letztlich auch insoweit anvertrauten Kläger die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen (vgl 7 Ob 742/78). Dementgegen machte er dem Kläger vor, der Abstieg über das Schneefeld sei nahezu ungefährlich, verschwieg diesem also nicht nur die für ihn erkennbare Gefahr und die Schwierigkeit des Abstiegs, sondern überredete ihn sogar dadurch, daß er dessen Ungefährlichkeit beteuerte, zum schwierigen Abstieg (vgl 7 Ob 580/78 und SZ 37/105): Dadurch verletzte er seine Sorgfaltspflicht gleichwie ob als Führer aus Gefälligkeit oder als faktischer Führer ganz eindeutig, sodaß er vom Kläger zu Recht zur Haftung herangezogen wurde.Der Beklagte übte im vorliegenden Fall willentlich durch den Einsatz seines größeren bergsteigerischen Könnens, seiner größeren alpinen Erfahrung und seiner ausgeprägteren Gebietskenntnisse für weite Teile der gemeinsamen Bergtour, insbesondere aber auch bei der versuchten Begehung des Schneefelds, in dessen Bereich der Unfall stattfand, seinem Begleiter - dem Kläger - gegenüber die Führungsrolle als „faktischer Führer“ aus. Dabei ist es rechtlich unerheblich, daß der Beklagte auch als „Führer aus Gefälligkeit“ anzusehen wäre, weil er als erprobter Bergsteiger den Kläger als einen mehr oder weniger alpinistischen Neuling animierte, sich ihm aufgrund seines Könnens und seines Erfahrungspotentials anzuvertrauen und mit ihm auf Tour zu gehen. Den Feststellungen nach hat der Beklagte nämlich von Anfang an klargestellt, daß er als Initiator der Tour für deren gesamten Ablauf zur umfassenden Anleitung und Betreuung, mithin also zur „Führung“ des Klägers, bereit war vergleiche Galli, Haftungsprobleme bei alpinen Tourengemeinschaften, 22 f). Je größer die Unterschiede im alpinistischen Leistungsvermögen und Erfahrungsstand ausfallen, desto intensiver ist der Schwächere auf das Können seines kompetenteren Partners zur möglichst gefahrlosen und sicheren Bewältigung der Tour angewiesen. Ein „Führer aus Gefälligkeit“ weiß, daß sein schwächerer Begleiter die Tour vor allem deshalb mit ihm unternimmt, weil er ohne seine Betreuung und Unterstützung den alpinistischen Anforderungen gar nicht gewachsen wäre und damit eine solche Tour überhaupt nicht wagen würde (Galli aaO 85). Sowohl im Rahmen von Tourengemeinschaften mit einem Führer aus Gefälligkeit wie auch bei Tourengemeinschaften mit faktischem Führer ist das dem kompetenten Tourengemeinschaftsmitglied - hier dem Beklagten - entgegengebrachte Vertrauen des schwächeren Begleiters - hier des Klägers - schutzwürdig (Galli aaO 86). Die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen im Einzelfall zu treffen sind und welche Gefahr zu beachten ist, kann bei der Vielfalt der Möglichkeiten nicht generell beantwortet werden (Hörburger aaO 59 f). Gewiß kann auch dem besten Bergsteiger bei außergewöhnlichen Verhältnissen ein Fehler unterlaufen, doch ist die objektive Sorgfaltswidrigkeit danach zu beurteilen, wie sich ein gewissenhafter Bergführer oder ein durchschnittlich pflichtbewußter Bergsteiger in der jeweiligen Situation verhalten hätte (Rabofsky, Das Recht bei Berg- und Schiunfällen, in AnwBl 1980, 135 [139] unter Berufung auf einen Diskussionsbeitrag von Hörburger). Wenngleich an einen „Tourenführer aus Gefälligkeit“ bzw auch einen „faktischen Führer“ nicht der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie an einen professionellen, erwerbsmäßig tätigen Bergführer angelegt werden darf (Michalek, Dissertation: Schadenersatzrechtliche Verantwortung des Bergsteigers, Haftungsstrukturen in Gefahrengemeinschaften, 197), muß doch von einem solchen Führer jene Sorgfalt erwartet werden, wie sie einem ihm vergleichbaren Alpinisten bei der Führung und Begleitung von Tourengruppen objektiv zuzumuten ist (Michalek aaO 198). Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte angesichts der von ihm zu erwartenden und vom Kläger auch erwarteten Sachkenntnis das abschüssige Schneefeld als gefährlich einstufen und deshalb für die gefahrlose Querung des Schneefelds durch den ihm vertrauenden und letztlich auch insoweit anvertrauten Kläger die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen vergleiche 7 Ob 742/78). Dementgegen machte er dem Kläger vor, der Abstieg über das Schneefeld sei nahezu ungefährlich, verschwieg diesem also nicht nur die für ihn erkennbare Gefahr und die Schwierigkeit des Abstiegs, sondern überredete ihn sogar dadurch, daß er dessen Ungefährlichkeit beteuerte, zum schwierigen Abstieg vergleiche 7 Ob 580/78 und SZ 37/105): Dadurch verletzte er seine Sorgfaltspflicht gleichwie ob als Führer aus Gefälligkeit oder als faktischer Führer ganz eindeutig, sodaß er vom Kläger zu Recht zur Haftung herangezogen wurde.
Dem Einwand des Beklagten, er sei seit mehreren Jahren vor dem Unfall nicht mehr als Bergsteiger unterwegs gewesen, ist entgegenzuhalten, daß er sich trotz dieses Umstands - wie schon ausgeführt - als faktischer Führer gerierte; dazu wäre er angesichts der mangelnden Übung umso weniger berechtigt gewesen. Ist auch die von ihm gewählte Route grundsätzlich nicht als gefährlich zu bezeichnen, so stellte die Überquerung des Schneefelds bzw der Abstieg über dieses - wie sich danach ohnehin herausstellte - eine Gefahr dar, die nicht hätte unterschätzt werden dürfen. Es ging dabei nicht um ein bloßes „Ausrutschen“, das jederzeit und überall unterlaufen kann, sondern um einen Absturz im Bereich einer gefährlichen Stelle aufgrund mangelnder Bergerfahrenheit.
Soweit der Beklagte einwendet, der Kläger habe dargelegt, daß sich jener um ihn nicht gekümmert habe, woraus offensichtlich sei, daß der Beklagte für den Kläger keine Garantenstellung habe übernehmen wollen, übersieht er die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen, aus denen ganz eindeutig hervorgeht, daß der Beklagte dem Kläger mehrfach Hilfestellung im Zuge des Auf- und auch des Abstiegs gewährt hat.
Ein Mitverschulden des Klägers ist nicht anzunehmen; jedenfalls wäre es so unerheblich, daß es gegenüber dem gravierenden Fehlverhalten des Beklagten ganz in den Hintergrund treten würde und daher unbeachtlich wäre (vgl 7 Ob 742/78): War die Bergtour - wie der Beklagte meint - grundsätzlich nicht gefahrenträchtig, so durfte sich der Kläger darauf verlassen, daß der Beklagte als faktischer Führer einer dennoch auftretenden Gefahr mit seiner Erfahrung und dem nötigen Fachwissen sowie den dann gebotenen Anweisungen an den Kläger begegnen werde. Dies war aber nach den Feststellungen des Gerichts zweiter Instanz nicht der Fall.Ein Mitverschulden des Klägers ist nicht anzunehmen; jedenfalls wäre es so unerheblich, daß es gegenüber dem gravierenden Fehlverhalten des Beklagten ganz in den Hintergrund treten würde und daher unbeachtlich wäre vergleiche 7 Ob 742/78): War die Bergtour - wie der Beklagte meint - grundsätzlich nicht gefahrenträchtig, so durfte sich der Kläger darauf verlassen, daß der Beklagte als faktischer Führer einer dennoch auftretenden Gefahr mit seiner Erfahrung und dem nötigen Fachwissen sowie den dann gebotenen Anweisungen an den Kläger begegnen werde. Dies war aber nach den Feststellungen des Gerichts zweiter Instanz nicht der Fall.
Auf die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung wird erst im Zuge der Verhandlung über die Höhe des Klagebegehrens Bedacht zu nehmen sein (Rechberger in Rechberger, ZPO § 393 Rz 7 mwN).Auf die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung wird erst im Zuge der Verhandlung über die Höhe des Klagebegehrens Bedacht zu nehmen sein (Rechberger in Rechberger, ZPO Paragraph 393, Rz 7 mwN).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E51842European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0010OB00293.98I.1030.000Im RIS seit
29.11.1998Zuletzt aktualisiert am
17.07.2013