TE Vfgh Erkenntnis 2002/6/26 B228/01

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Veröffentlicht am 26.06.2002
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
RundfunkG §25
RundfunkG §28

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung der als kollegiale Verwaltungsbehörde richterlichen Einschlags eingerichteten Rundfunkkommission wegen unrichtiger Behördenzusammensetzung im Entscheidungszeitpunkt infolge Anwesenheit eines bei einer Verhandlung nicht anwesenden Mitglieds bei der endgültigen Beratung und Beschlußfassung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit EUR 1090,09 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Österreichische Rundfunk (ORF) strahlte am 6. März 2000 in seiner Fernseh-Nachrichtensendung Zeit im Bild (ZiB) um 13.00 Uhr einen Beitrag zur Klageführung des Dr. Jörg Haider gegen Dr. Ariel Muzicant unter der Einblendung "Lasse mich nicht mundtot machen", in der Nachrichtensendung ZiB 1 einen Beitrag zur finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) unter der Einblendung „Kultusgemeinde in Geldnot", in der Nachrichtensendung ZiB 2 eine Kurznachricht unter der Einblendung DKultusgemeinde in Geldnot" und in der Nachrichtensendung ZiB 3 wieder einen Beitrag zur Klageführung des Dr. Jörg Haider gegen Dr. Ariel Muzicant aus.

In diesen Beiträgen ist bildlich zu erkennen, dass ein Teil des dabei verwendeten Film- bzw. Bildmaterials bei einer Pressekonferenz aufgenommen wurde, die der Erstbeschwerdeführer am 6. März 2000 abhielt. Ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Pressekonferenz findet sich jedoch in keinem dieser Beiträge.

2. In der Folge erhoben Dr. Ariel Muzicant und die IKG mit Eingabe vom 17. März 2000 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (Kommission) Beschwerde gegen die Berichterstattung in den Fernseh-Nachrichtensendungen ZiB 1 und ZiB 2 vom 6. März 2000, weil dort über ein Thema berichtet worden sei, das in der am Vormittag des selben Tages abgehaltenen Pressekonferenz des Erstbeschwerdeführers nur am Rande behandelt worden sei. Hingegen sei in der Sendungen ZiB um 13.00 Uhr und in der ZiB 3 über das in der Pressekonferenz behandelte Thema, nämlich die Klageführung des Dr. Jörg Haider gegen Dr. Ariel Muzicant, berichtet worden. Die Beschwerdeführer seien dadurch in ihren Rechten auf objektive Berichterstattung beeinträchtigt und in ihren Rechten unmittelbar geschädigt worden. In der Pressekonferenz am 6. März 2000 sei das Thema: "Ich lasse mich nicht von Dr. Haider und Dr. Böhmdorfer mundtot machen" behandelt worden. Obwohl das Thema der Pressekonferenz die Klage des Dr. Jörg Haider gewesen sei, hätten die Nachrichtensendungen ZiB 1 und ZiB 2 über die finanzielle Situation der IKG berichtet, sodass den Zusehern der Eindruck vermittelt worden sei, es wäre in der Pressekonferenz nur dieses Thema behandelt worden und die Beschwerdeführer wären (wegen der finanziellen Situation der IKG) nicht mehr in der Lage, sich mit ihren eigentlichen Aufgaben auseinander zusetzen. Dem Objektivitätsprinzip folgend hätte die Berichterstattung in allen Nachrichtensendungen das Thema der Klageführung des Dr. Jörg Haider gegen den Erstbeschwerdeführer wiedergeben müssen.

3. Die in Rede stehenden Sendungen hatten - im hier maßgeblichen Zusammenhang - den folgenden Inhalt:

3.1. Zeit im Bild, 13.00 Uhr:

"Moderation:

Lasse mich nicht mundtot machen (Paneel)

Ich lasse mich nicht mundtot machen - so reagierte heute der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, auf eine Privatklage von Jörg Haider. Diese Klage hat Haider über die Kanzlei von Dr. Böhmdorfer, der jetzt Justizminister ist, noch als FPÖ-Obmann und als Kärntner Landeshauptmann eingebracht. Die Klage bezieht sich auf ein Interview, das Muzicant im vergangenen November dem Magazin 'News' gegeben hat. Darin wirft der Präsident der Kultusgemeinde Haider unter anderem vor, die Lüge als politisches Instrument zu verwenden.

Bericht Dr. Rubina Möhring:

Anlass für das Muzicant-Interview im vergangenen November unter dem Titel 'Das Land gehört entnazifiziert', war eine Aussage Haiders, dass es während und nach dem Wahlkampf keine Übergriffe gegen Juden in Österreich gegeben habe. Muzicant nennt diese Aussage 'rotzig, unverantwortlich und antisemitisch' und er wirft Haider die Lüge als politisches Instrument vor. Dies wiederum nahm die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff zum Anlass für eine Klage nach dem Mediengesetz.

Muzicants Reaktion: die Übergriffe seien unter anderem durch solche Drohbriefe sehr wohl zu beweisen und er lasse sich nicht mundtot machen:

OT Dr. Ariel Muzicant:

Mundtot zu machen, das heißt mich mit Klagen einzudecken, mich mit Rücktrittsaufforderungen einzudecken und - wie Sie vielleicht heute aus dem OTS gesehen haben - mich in einer Art und Weise zu beschimpfen, wie ich glaube, jeder weiterer Kommentars erübrigt.

Bericht Dr. Rubina Möhring:

In dieser Aussendung nennt der EU-Abgeordnete der FPÖ, Sichrovsky, Muzicant einen 'intelligenten Idioten, der' - so wörtlich -'unglaublich geldgierig sei und bald unendlich reich sein werde'. Muzicant fragt, wie diese Äußerung mit der Präambel des Regierungsprogramms vereinbar sei.

Die Kultusgemeinde rechnet mit einem langen Sachverständigen-Prozess, sofern das Landes- und Bezirksgericht Sankt Pölten die Aussagen Muzicants nicht als freie Meinungsäußerung gelten lässt."

3.2. Zeit im Bild 1:

"Moderation:

Kultusgemeinde in Geldnot (Paneel)

Die Israelitische Kultusgemeinde ist in Geldnot und fordert die Bundesregierung auf, ihr bei der Begleichung ihrer Schulden zu helfen. Im Vergleich zu Deutschland erhält die Kultusgemeinde von Bund und Ländern um vieles weniger. Vor 1938 hatte die Kultusgemeinde 180.000 Mitglieder, heute sind es nicht einmal mehr siebentausend. Auch das sei ein Grund für die finanziellen Schwierigkeiten, sagt Kultusgemeinde-Präsident Muzicant.

Bericht Dr. Rubina Möhring:

Die Schulden der Kultusgemeinde sind, so Präsident Muzicant, stetig gewachsen, auch weil die Zahl der Mitglieder jährlich durch Abwanderung sinkt. Noch steht die Kultusgemeinde nicht vor dem Ruin, da den Schulden in Höhe von 618 Millionen Schilling ein Immobilienvermögen von rund 1,35 Milliarden Schilling gegenübersteht. Doch bei einem jährlichen Aufwand von rund 32 Millionen - für Infrastruktur, Soziales und Sicherheit - werde dieses Vermögen in absehbarer Zeit aufgebraucht sein. Die FPÖ als Regierungspartei macht allerdings für allfällige Verhandlungen zur Bedingung, dass die Kultusgemeinde auch mit ihr den Dialog sucht. Hierzu Muzicant:

OT Dr. Ariel Muzicant:

Ich bin nicht käuflich. Also wenn man glaubt, dass man der Kultusgemeinde sozusagen das Zuckerbrot hinhängt und sagt, wenn du brav bist und mit uns redest, dann kriegst du Geld und sonst nicht, dann schätzt man mich vollkommen falsch ein.

Bericht Dr. Rubina Möhring:

Bis Anfang der 80er Jahre habe die Kultusgemeinde die jährlich entstehenden Schulden durch Immobilienverkäufe abgedeckt. Seitdem ist ein Schuldenstand von 200 Millionen Schilling entstanden, zuzüglich vier bis 500 Millionen Investitionskosten bei den verbliebenen Immobilien, die sich allerdings selbst amortisieren werden. Allerdings fordert Muzicant staatliche Unterstützung bei den bisherigen und den künftigen jährlichen Defiziten. Dies damit die Kultusgemeinde auch in Zukunft existieren könne.

OT Dr. Ariel Muzicant:

Wenn die Politiker entscheiden, dass man keine jüdische Gemeinde braucht in Österreich, dann werden auch die Vertreter der Kultusgemeinde diese Diskussion zu führen haben, und dann wird's in zwanzig Jahren keine Gemeinde geben."

3.3. Zeit im Bild 2:

"Kultusgemeinde in Geldnot (Paneel)

Kurznachricht Claus Bruckmann:

Die Israelitische Kultusgemeinde ist in Geldnot und fordert die Bundesregierung auf, ihr bei der Begleichung ihrer Schulden zu helfen. Das sagte ihr Präsident, Ariel Muzicant. Im Vergleich zu Deutschland erhält die Kultusgemeinde von Bund und Ländern um vieles weniger. Vor 1938 hatte die Kultusgemeinde

180.000 Mitglieder, heute sind es nicht einmal mehr siebentausend und die Zahl sinkt weiter. Auch das sei ein Grund für die finanziellen Schwierigkeiten, sagte Muzicant."

3.4. Zeit Im Bild 3:

"OT Dr. Ariel Muzicant:

Mundtot zu machen, das heißt mich mit Klagen einzudecken, mich mit Rücktrittsforderungen einzudecken.

Kurznachricht Thomas Nemeth:

So reagierte heute der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, auf eine Klage des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider. Die Klage bezieht sich auf ein Interview, in der Zeitschrift 'News'. Darin hat Muzicant Haider unter anderem vorgeworfen, die Lüge als politisches Instrument zu verwenden."

4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 3. Oktober 2000 gab die Kommission der an sie gerichteten Beschwerde keine Folge.

Begründend wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt:

"Zum Thema 'Dr. Ariel Muzicant: Ich lasse mich nicht von Dr. Haider und Dr. Böhmdorfer mundtot machen, wir werden den Wahrheitsbeweis in dem von Dr. Haider gegen uns angestrengten Prozess führen, dass Dr. Haiders Aussage rotzig, unverantwortlich und antisemitisch ist', hat der Erstbeschwerdeführer am 6. März 2000 in der Zeit zwischen 10.00 Uhr und etwa 12.00 Uhr im Gemeindezentrum der IKG in Wien eine Pressekonferenz abgehalten. Dr. Muzicant hatte, dazu mit einer Presseaussendung eingeladen. Der Themenkomplex 'Klage Dr. Haider' wurde etwa 45 Minuten bis 60 Minuten lang vom Beschwerdeführer abgehandelt. Erst gegen Ende der Pressekonferenz und nach den Fragestellungen der Journalisten wurde von einem Journalisten die Frage der finanziellen Situation der Israelitischen Kultusgemeinde aufgeworfen. Dazu nahm der Beschwerdeführer etwa weitere 10 Minuten lang Stellung. Bei dieser Pressekonferenz war unter anderem auch die Journalistin und Angestellte des ORF Dr. Rubina Möhring anwesend. Dr. Rubina Möhring stellte den Beitrag für die Nachrichtensendung ZiB um 13.00 Uhr zusammen und hielt sich dabei im Wesentlichen an die Ergebnisse einer Redaktionskonferenz am Freitag davor, bei der die Teilnahme an der Pressenkonferenz vorbesprochen worden war. Der Beitrag für die Sendung ZiB um 13.00 Uhr wurde im Einverständnis mit dem Chef vom Dienst gestaltet. In dieser Sendung wurde nur über die Klageführung des Dr. Haider gegen Dr. Muzicant berichtet.

Zur Vorbereitung der Sendung ZiB 1 fand um 14.15 Uhr eine Redaktionskonferenz statt, bei der neben dem Chef vom Dienst Wolfgang Wagner und dem Sendungsverantwortlichen Dr. Friedrich Dittlbacher auch Redakteure aus den Gebieten Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft sowie Dr. Rubina Möhring anwesend waren. Da an jenem Tag in der Ausgabe des Magazins 'Format' ein Artikel über die finanzielle Situation der Israelitischen Kultusgemeinde und zuvor auch schon ein diesbezüglicher Beitrag in der Zeitschrift 'Profil' enthalten war, wurde von den Redakteuren Wagner und Dittlbacher die Thematik 'Finanzgebarung der IKG' für die Sendungen ZiB 1 und ZiB 2 vorgegeben. Eine Intervention von Personen außerhalb des ORF zur Umgestaltung der Sendungen ZiB 1 und ZiB 2 gab es nicht.

In den Sendungen ZiB um 13.00 Uhr und ZiB 3, die nicht releviert sind, wurde nur über die Klage des Dr. Haider berichtet. In den Sendungen ZiB 1 und ZiB 2 wurde zum Thema 'Kultusgemeinde in Geldnot' je ein Beitrag gebracht. Ein Hinweis auf das in der Pressekonferenz von 10.00 Uhr schwergewichtig behandelte Thema der Klageführung des Dr. Haider gegen Dr. Muzicant erfolgte nicht.

Am 6. März 2000 strahlte der Österreichische Rundfunk in seinen Hörfunkprogrammen Ö1 um 14.00 Uhr Beiträge über die Pressekonferenz zur Klageführung sowie die finanzielle Situation der IKG, um 15.00 Uhr nur über die Klageführung, im Programm Ö2, um 14.00, 16.00 und 17.00 Uhr über die Klageführung, im Programm Ö3 um 14.00 über die Klageführung und um 17.00 Uhr Beiträge über diese und die finanziellen Situation der IKG aus.

...

§2 Abs1 Z1 RFG verpflichtet bei der umfassenden Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen Fragen den ORF zu einer objektiven Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen sowie zur Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Standpunkten unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen.

Dabei ist gemäß §2 Abs2 RFG insbesondere auf die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung Bedacht zu nehmen (Objektivitätsgebot). Die ZiB-Sendungen sind Informationssendungen, für die das Objektivitätsgebot im besonderen Maße gilt.

Der ORF hat am 6. März 2000 in den Sendungen der ZiB um 13.00 Uhr und der ZiB 3 über jenes Thema berichtet, über das der Erstbeschwerdeführer in der vormittäglichen Pressekonferenz schwergewichtig informiert hatte. In der ZiB 1 wurde ausführlich über die finanzielle Situation der Israelitischen Kultusgemeinde berichtet, in welcher der Beschwerdeführer im Originalton zu Worte kam. Auch dieses Thema wurde als Nebenthema in der Pressekonferenz, wenn auch nur über eine Zeitspanne von etwa 10 Minuten, behandelt. In der ZiB 2 erfolgte lediglich ein kurzer Hinweis zum Thema 'Kultusgemeinde in Geldnot'.

Die Beschwerdeführer fühlen sich darin beschwert, dass in den nach Meinung der Beschwerde wichtigsten und meistgesehenen Fernseh-Nachrichtensendungen ZiB 1 und ZiB 2 über die Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers zur Klageführung gegen ihn nicht berichtet wurde.

Soweit die Beschwerdeführer eine Berichterstattung bestimmten Inhaltes und Umfanges fordern oder der Auffassung anhängen, sie hätten ein Recht darauf, dass der ORF über ihre Ansichten zu bestimmten Angelegenheiten in einer ihren Intentionen entsprechenden Weise berichte, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Frage der Auswahl und Gewichtung dieser Berichterstattung über bestimmte Ereignisse, Vorkommnisse oder Meinungen innerhalb des rundfunkverfassungsrechtlichen Rahmens - bei Sendungen, die der ORF selbst gestaltet - Sache des ORF ist (VfGH B468/91 v. 15.3.1993, VfSlg 13338). Dabei muss ein Ermessensspielraum bei Beurteilung des Nachrichtenwertes erhalten bleiben, um das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht gänzlich zugunsten der Programmaufträge der Objektivität und Pluralität in den Hintergrund zu drängen. Wird dieser Spielraum in rational einsichtiger und sachspezifischer Weise genutzt so kann keine unobjektive Berichterstattung vorliegen (RfR 1997, 1). Der ORF ist nicht verpflichtet, über alle relevanten Fragen in gleicher Weise zu informieren bzw. Stellungnahmen und Kommentare wiederzugeben oder zu vermitteln. Ihm obliegt vielmehr im Rahmen einer objektiven Auswahl die Beurteilung und Abschätzung, welche Fragen wichtig und wesentlich sind (RfR 1983, 45 uva).

Bei der Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit einer Berichterstattung ist dabei nicht allein und isoliert auf einzelne Sendungen oder Beiträge abzustellen, es ist vielmehr auf die Gesamtheit der einschlägigen Sendungen des in Frage kommenden Spektrums aufzubauen (Twaroch/Buchner Rundfunkrecht5 §2 RFG E 23 f).

Wie im Ermittlungsverfahren festgestellt werden konnte (und unbestritten blieb), hat der ORF am 6. März 2000 in den Fernsehsendungen ZiB um 13 Uhr sowie der ZiB 3 in der zuvor dargestellten (und nicht in Beschwerde gezogenen, somit auch nach Meinung der Beschwerdeführer objektiven) Weise über das Thema der am selben Tag vom Erstbeschwerdeführer einberufenen Pressekonferenz berichtet. Dies wurde durch wiederholte Berichterstattung in den Hörfunkprogrammen noch ergänzt und verstärkt. In den beiden (Haupt)Nachrichtensendungen des Fernsehens, ZiB 1 und 2 wurde hingegen die finanzielle Situation der IKG, welche ebenfalls auf Journalistenfrage bei der Pressekonferenz, wenn auch wesentlich kürzer, abgehandelt worden war, zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht, ohne auf das Thema der Klageführung gegen den Erstbeschwerdeführer einzugehen. Beide Themen haben, wenn auch für die Beschwerdeführer selbst nicht im selben Ausmaß, so doch objektiv durch die dazu im Vorlauf durchgeführte und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Pressekonferenz erfolgte Berichterstattung in Zeitschriften Tagesaktualität erlangt.

Wie das Ermittlungsverfahren ergab, hat sich der Erstbeschwerdeführer mit dem Verlangen an die Bundesregierung gewandt, diese solle die Schulden der Israelitischen Kultusgemeinde übernehmen. Er hat damit selbst dieses Problem an die Öffentlichkeit getragen. Aufgrund der Informationsverantwortung haben die Journalisten dieses tagespolitische Ereignis recherchiert und publiziert. Da kein Anspruch auf Präsenz in einer bestimmten Sendung besteht, kann die Ausstrahlung des Berichtes über die finanzielle Situation keine Verletzung des Rundfunkgesetzes bedeuten.

Die Beschwerdeführer vermeinen weiters, die finanzielle Situation der IKG sei bereits in der Vergangenheit abgehandelt worden und finde keine tagespolitische Aktualität. Auch diese Einschätzung kann nicht geteilt werden, haben doch auch die Zeitschrift 'Format' vom 6. März 2000 sowie kurz davor die Zeitschrift 'Profil' dieses Thema bereits abgehandelt. Für Journalisten wie Medienkonsumenten war es daher tagesaktuell und auf Grund der hinter den Beschwerdeführern stehenden gesellschaftlichen Kräfte auch von relevantem Interesse im Sinne der Vermittlung und des Empfanges von Nachrichten (vgl Art10 Abs1 MRK). Der Umstand der Klageführung des Dr. Haider gegen den Erstbeschwerdeführer ergab sich für den ORF aus einem Zeitungsbericht vom November 1999, welcher das diesbezüglich inkriminierte Interview wiedergegeben hat, die Tagesaktualität ist allerdings erst durch die Pressekonferenz selbst geschaffen worden. Ebenso verhält es sich auch mit der Finanzgebarung der IKG, die bereits früher aktualisiert wurde, aber durch Zeitungsartikel im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Pressekonferenz wiederum Tagesaktualität erlangt hat. Beide Themen sind bereits abgehandelt worden und beide Themen haben wiederum Aktualität erlangt.

Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, dass der ORF das Objektivitätsgebot auch dadurch verletzt habe, dass er mit seinem Bericht die IKG in ein negatives Licht gestellt habe. Der Erstbeschwerdeführer hätte sicherlich keine Pressekonferenz über die finanzielle Situation abgehalten. Die Berichterstattung habe den Eindruck vermittelt, die Beschwerdeführer wären nicht mehr in der Lage, sich mit ihren Aufgaben auseinander zusetzen. Die Berichterstattung in der ZiB 1 ist demgegenüber jedoch objektiv, nicht verzerrend und auf keinen Fall diskriminierend. Objektivität bedeutet Sachlichkeit unter Vermeidung von Einseitigkeit, Parteinahme und Verzerrung der Dimensionen eines Ereignisses unter Streben nach Wahrhaftigkeit und der Gestaltung eines zutreffenden Bildes von der Wirklichkeit (Twaroch/Buchner, aaO E 38 ff). Die besichtigten Berichte lassen beim durchschnittlichen Betrachter nicht den Eindruck entstehen, die IKG wäre überschuldet, hätte abgewirtschaftet oder wäre schlecht verwaltet. Es wurde vielmehr genau dargelegt, welche Ursache die finanzielle Situation der Israelitischen Kultusgemeinde hat, nämlich vor allem den ihres Mitgliederschwundes. Darüber hinaus wurde die IKG nicht als überschuldet dargestellt, wurde doch berichtet, dass den Schulden Immobilien mit dem doppelten Wert gegenüber stehen. Diese Darstellung war weder einseitig noch verzerrend, ist doch der Erstbeschwerdeführer diesbezüglich zweimal im Originalton zu Wort gekommen.

Die Ausgewogenheit der Berichterstattung ist, wie vorhin dargestellt, anhand des gesamten einschlägigen Sendungsspektrums zu beurteilen. Über das in der Pressekonferenz behandelte Hauptthema wurde in der ZiB um 13.00 Uhr und in der ZiB 3 sowie in den Hörfunkprogrammen informiert. Gerade der Umstand, dass der ORF bereits in der ZiB um 13.00 Uhr über die Pressekonferenz einen ausführlichen Beitrag gesendet hatte, zu dem auch in der ZiB 3 ein Bericht über das Hauptthema der Pressekonferenz gezeigt wurde und darüber hinaus in den Hörfunkprogrammen berichtet wurde, zeigt auf, dass der ORF seiner objektiven Berichtspflicht - bei Heranziehung des gesamten Sendungsspektrums an diesem Tage - Genüge getan hat."

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde vom 9. Februar 2001 an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit gemäß Art10 EMRK, auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 Abs1 B-VG sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

"Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde - so auch der Rundfunkkommission - kann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Rundfunkfreiheit gemäß Artikel 10 MRK nach ständiger Rechtsprechung nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage erging oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage denkunmöglich angewendet, so etwa dem Gesetz ein der Bundesverfassung widersprechender Inhalt fälschlicherweise unterstellt, wurde (vgl z.B. VfSlg. 9909/1983).

Im vorliegenden Fall liegt gerade eine solche denkunmögliche Anwendung vor, durch die dem RFG ein der Bundesverfassung widersprechender Inhalt fälschlicherweise unterstellt wurde. Zwar ist die Auswahl und Gewichtung der Berichterstattung des ORF über bestimmte Ereignisse, Vorkommnisse oder Meinungen innerhalb des rundfunkverfassungsrechtlichen Rahmens bei Sendungen, die der ORF selbst gestaltet, Sache des ORF (VfSlg 13338/1993). Im gegenständlichen Fall liegt aber keine Auswahl oder Auslese von Ereignissen vor; vielmehr wird dem Erstbeschwerdeführer unterstellt, am 6. März 2000 eine Pressekonferenz zum Thema der Schulden der Zweitbeschwerdeführerin gehalten zu haben, obwohl der Erstbeschwerdeführer tatsächlich eine Pressekonferenz über die von Dr. Jörg Haider gegen ihn eingebrachte Privatanklage gehalten hat.

Im gegenständlichen Fall wurde gerade keine dem Objektivitätsgebot genügende Auswahl bzw. Gewichtung der Berichterstattung über die vom Erstbeschwerdeführer gehaltene Pressekonferenz innerhalb des Rundfunks verfassungsrechtlichen Rahmens vorgenommen. Die Rundfunkkommission stellte ausdrücklich fest:

'In den Sendungen ZIB 1 und ZIB 2 wurde zum Thema 'Kultusgemeinde in Geldnot' je ein Beitrag gebracht. Ein Hinweis auf das in der Pressekonferenz von 10.00 Uhr schwergewichtig behandelte Thema der Klageführung des Dr. Haider gegen Dr. Muzicant erfolgte nicht' ...

Weiters stellte die Rundfunkkommission fest:

'In der Folge der Sendungen ist bildlich zu erkennen, daß ein Teil der Dokumentation der Pressekonferenz des Erstbeschwerdeführers vom 6. März 2000 aufgenommen worden ist. Ein ausdrücklicher mündlicher Hinweis in der ZIB-Sendung auf die vom Beschwerdeführer abgehaltene Pressekonferenz fehlt jedoch in allen Beiträgen' ...

Durch diese Feststellungen verdeutlicht sich eine Tatsache:

Den Konsumenten der ZIB 1 und/oder der ZIB 2 Sendunq wurde vermittelt, daß der Erstbeschwerdeführer eine Pressekonferenz zum Thema 'Kultusgemeinde in Geldnot' abgehalten habe. Dies hat er nicht getan, sondern lediglich auf einer Pressekonferenz zum Thema 'Lasse mich nicht mundtot machen' auf die Frage eines Journalisten eine überaus kurze Antwort zu dem Thema 'Kultusgemeinde in Geldnot' gegeben.

Eine Verletzung des Objektivitätsgrundsatzes liegt dann vor, wenn die Dimension eines Ereignisses verzerrt wiedergeben wird (RfR 1978, 8). Dem Objektivitätsgebot wird im Gegensatz dazu entsprochen, wenn über ein Ereignis in einer Weise berichtet wird, daß der vermittelte Gesamteindruck dem Gesamteindruck entspricht, der bei einem durchschnittlichen Betrachter entstand (RfR 1991, 17). Da den Konsumenten der Sendungen ZIB 1 und ZIB 2 der unwahre Eindruck vermittelt wurde, der Erstbeschwerdeführer hätte eine Pressekonferenz zum Schuldenstand der Zweitbeschwerdeführerin gehalten, wurde das Ereignis der Pressekonferenz in einer Weise verzerrt, daß der vermittelte Gesamteindruck nicht mehr dem Eindruck entspricht, den Anwesende der Pressekonferenz hatten.

        Weiters ist zu beachten, daß die Rundfunkkommission der

unrichtigen Rechtsmeinung gefolgt ist, daß die Ausgewogenheit der

Berichterstattung anhand des gesamten einschlägigen Sendungsspektrums

zu beurteilen sei. Die Rundfunkkommission führte aus, daß bei der

Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit einer Berichterstattung nicht

allein und isoliert auf einzelne Sendungen oder Beiträge abzustellen

sei; es sei vielmehr auf die Gesamtheit der einschlägigen Sendungen

des in Frage kommenden Spektrums aufzubauen ... Die

Rundfunkkommission berief sich dabei auf Twaroch-Buchner,

Rundfunkrecht5, §2 RFG E 23 f. Es gibt ... zu dieser Rechtsfrage auch

gegenteilige Judikatur (RFK 18.11.1995, RfR 1991, 17; RFK 18.11.1985, RfR 1991, 17). Die Rundfunkkommission hat festgestellt, daß zur Beurteilung der Objektivität vorangegangene Sendungen nicht heranzuziehen sind, wenn die inkriminierten Sendungen - wie im vorliegenden Fall - eine in sich geschlossene Einheit bilden (RFK 5.8.1977, RfR 1978, 8). Außerdem ist zu beachten, daß die Sendung in ZIB 1 und ZIB 2 eine völlig andere Sendereichweite als die ZIB um 13.00 Uhr und die ZIB 3 sowie alle diesbezüglichen Radiosendungen haben. Die ZIB 1 ist unbestrittenermaßen das meistgesehene Fernsehprogramm Österreichs überhaupt. Auch wenn man möglicherweise allgemein von einer Gesamtbetrachtung ausgehen kann, kann eine solche nicht ausschlaggebend sein, wenn die Sendereichweite der beiden das Objektivitätsgebot verletzenden Sendungen die anderen, das Objektivitätsgebot nicht verletzenden Sendungen um ein vielfaches übertreffen und die nicht objektiv berichtenden Sendungen (ZIB 1 und ZIB 2) sowie die objektiv berichtenden Sendungen (ZIB 13 Uhr und ZIB 3) jeweils in sich eine geschlossene Einheit bilden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß durch den Bescheid der Rundfunkkommission ... das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Beschwerdeführer nach Artikel 10 MRK verletzt wurde. Dies dadurch, daß die Rundfunkkommission dem RFG einen der Rundfunkfreiheit und damit Artikel 10 MRK widersprechenden Inhalt unterstellt hat. Das Unterstellen eines rundfunkverfassungsrechtswidrigen Inhaltes geschah durch zweierlei:

Erstens dadurch, daß die Rundfunkkommission unrichtigerweise davon ausgegangen ist, daß die Auslese von Nachrichten innerhalb der rundfunkverfassungsrechtlichen Grenzen gelegen ist und somit keine unobjektive Berichterstattung vorgelegen habe. Dies ist insofern unrichtig, als mit der Unterstellung eines unrichtigen Pressekonferenzinhaltes die rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben überschritten worden sind. Zweitens wurde dem RFG auch dadurch ein verfassungswidriger, Art10 MRK widersprechender Inhalt unterstellt, daß die Rundfunkkommission der unrichtigen Rechtsmeinung gefolgt ist, daß es bei der Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit einer Berichterstattung ausnahmslos auf die Gesamtheit der einschlägigen Sendungen des in Frage kommenden Spektrums ankommt. Dies ist aber dann jedenfalls unzutreffend, wenn die Reichweite der das Objektivitätsgebot verletzenden Sendungen um ein Vielfaches größer ist als die Reichweite der Sendungen, die objektiv berichten.

... Verletzung von Artikel 7 Abs1 B-VG (Gleichheitssatz)

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrechtes liegt nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg 8823/1980) dann vor, wenn der bekämpfte Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür geübt hat.

Der gegenständlich bekämpfte Bescheid ist ein in das Gleichheitsrecht der Beschwerdeführer eingreifender Willkürakt.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das bereits in die Verfassungssphäre übergreift, liegt insbesondere in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, namentlich in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder mit der Außerachtlassung des konkreten Sachverhalts (z.B. VfSlg. 8808/1980 mit weiteren Nachweise; 10388/1985, 11213/1987). Ebenso wird die völlig unzureichende oder mangelhafte Begründung des Bescheides (VfSlg 11851/1988) sowie die begründungslose Feststellung eines wichtigen Teiles der Entscheidung (VfSlg 14661/1996) als Willkür qualifiziert. Gerade ein solcher Fall liegt hier vor. Denn: Es wurde nicht begründet, warum die für den Bescheid wesentliche Feststellung getroffen wurde, daß keine Intervention stattgefunden hat.

Die Rundfunkkommission stellte fest: 'Eine Intervention von Personen außerhalb des ORF zur Umgestaltung der Sendungen ZIB 1 und ZIB 2 gab es nicht' ... Eine Begründung für diese Feststellung fehlt. Hätte die Rundfunkkommission die Aussagen von Frau Dr. Möhring und Herrn Wagner richtig beurteilt, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Intervention der Grund dafür war, daß die Berichterstattung über die Pressekonferenz des Erstbeschwerdeführers vom 6. März 2000 in der ZIB 1 und ZIB 2 völlig anders war als die Berichterstattung über die selbe Pressekonferenz in der ZIB 13 Uhr und ZIB 3. In einem solchen Fall wäre aber das Objektivitätsverbot als verletzt anzusehen gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2000 sagte Frau Dr. Möhring zum Thema Intervention das folgende aus:

'Dittlbacher und Wagner haben die Position eingenommen, jene Thematik darzustellen, die dann tatsächlich Inhalt der ZIB 1 gewesen

war ... Meiner Erinnerung nach haben letztlich die verantwortlichen

beiden Herren die Entscheidung getroffen ... Ich habe keine

Intervention wahrgenommen. Ich habe später nur davon reden gehört, daß sich Ing. Westenthaler, der derzeitige Fraktionschef der Freiheitlichen Partei im Parlament, lobend über meinen Mittags-ZIB-Beitrag geäußert haben soll und nur den letzten Satz als

inhaltlich nicht richtig kritisiert habe ... sinnvollerweise werden

solche Gespräche nach der Sendung eines Berichts geführt ... soweit

ich es verstanden habe hat Herr Westenthaler gemeint, daß es falsch sei, die Äußerungen von Dr. Muzicant als 'freie Meinungsäußerung' zu bezeichnen.'

Herr Wagner, Chef vom Dienst der ZIB 1, gab in derselben mündlichen Verhandlung zum Thema Intervention an:

        'Es war aber jedenfalls so, daß sie (Anm.: Frau Dr. Möhring)

in etwa zum Ausdruck gebracht hat, daß dieses Thema (Anm.: Schulden)

bei der Pressekonferenz ein Nebenthema gewesen war ... Ich kann jetzt

nicht mehr sagen, ob schon bei der Redaktionskonferenz von einer

Äußerung des Fraktionsführers der FPÖ im Parlament die Rede gewesen

war. Mir ist das jetzt erst während der Aussage von Frau Dr. Möhring

in Erinnerung gekommen.... die Entscheidung in der ZIB 1 dann die

Schuldenproblematik zu behandeln, war sicher eine Entscheidung von

Herrn Dittlbacher und mir ... meiner Erinnerung war es in etwa so,

wie es Frau Dr. Möhring dargestellt hat. Ich habe mich nunmehr daran erinnert, daß sich Herr Westenthaler lobend über diesen Beitrag ausgesprochen haben soll. Ich habe keine Erinnerung mehr daran, ob am letzten Satz inhaltliche Kritik geübt worden ist.'

Wenn die Rundfunkkommission aufgrund dieser Aussagen, aus denen klar hervorgeht, daß es einen Anruf des Herrn Ing. Westenthaler bezüglich der ZIB 13.00 Uhr gegeben hat, bei dem sich Herr Westenthaler kritisch zumindest zu einem Teil der Sendung geäußert hat ('freie Meinungsäußerung') jede weitere Ermittlungstätigkeit unterläßt und gleichzeitig zu dem Ergebnis kommt, daß es keine Intervention gegeben hat, so ist der auf diesem Ergebnis des Beweisverfahrens stützende Bescheid ein verfassungswidriger Willkürakt der in das gemäß Artikel 7 Abs1 B-VG verbürgte Grundrecht der Beschwerdeführer eingreift. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, daß ORF-Angestellte nur unter schwerwiegenden Konsequenzen eine Intervention als 'Intervention' bezeichnen können. Was aber ein kritischer Telefonanruf anderes als eine 'Intervention' sein soll, ist unverständlich und wurde im bekämpften Bescheid auch nicht begründet. Ebenso entspricht es der Lebenserfahrung, daß es äußerst unwahrscheinlich ist, daß sich Ing. Westenthaler über einen Beitrag ausschließlich positiv geäußert haben soll, in dem der Erstbeschwerdeführer den Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, hart kritisiert hat, in dem außerdem dargestellt wird, daß nach der Meinung des Erstbeschwerdeführers die Aussagen des FPÖ-Politikers Peter Sichrovsky nicht mit der Präambel des Regierungsprogrammes vereinbar sind und in dem von der Möglichkeit ausgegangen wird, daß die Bezeichnung Dr. Haiders als 'rotzig, unverantwortlich und antisemitisch' unter das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung fällt oder sich das Verfahren durch einen Sachverständigenbeweis gewinnen läßt. Offenbar hat sich die Rundfunkkommission bei ihrer Entscheidung von derart unsachlichen Argumenten leiten lassen, die den Bescheid verfassungswidrig machen. Wenn die Rundfunkkommission trotz der Aussage von Herrn Wagner und Frau Dr. Möhring, daß ein Telefonanruf des Ing. Westenthaler stattgefunden hat, ohne weitere Begründung davon ausgeht, daß keine Intervention stattgefunden hat, so ist dies Willkür.

Die Rundfunkkommission hat durch die ohne weitere Begründung getroffene Feststellung, daß keine Intervention stattgefunden hat, den Bescheid völlig unzureichend und mangelhaft begründet (VfSlg 11851/1988) bzw hat einen wichtigen Teil der Entscheidung begründungslos getroffen (VfSlg 14661/1987) und hat auch jede weitere Ermittlungstätigkeit unterlassen. Dadurch wurde das Grundrecht der Beschwerdeführer nach Artikel 7 Abs1 B-VG verletzt.

... Verletzung von Artikel 83 Abs2 B-VG (Recht auf den gesetzlichen

Richter)

Die Verhandlung vor der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes am 2. Oktober 2000 wurde nur von vier Mitgliedern der Rundfunkkommission durchgeführt. Diese waren namentlich Dr. M, Dr. H, Dr. S und Dr. G. Dr. K K fehlte. Dr. K K war auch nicht durch ein Ersatzmitglied gemäß §28 Abs1 RFG vertreten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG auch durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 1136/1987, 12280/1990, 12957/1991). Daran anknüpfend hat der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß sogenannte Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B-VG, wie sie die Rundfunkkommission eine ist, angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind. Ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgetauscht werden. Das bedeutet zugleich, daß zur Sachentscheidung nur jene Kommissionsmitglieder berufen sind, die an der letzten Verhandlung teilgenommen haben (VfSlg. 11336/1987, 13756/1994). Da das Senatsmitglied Dr. K bei der Verhandlung am 20. [gemeint wohl:

2.] Oktober fehlte, bei der Bescheiderlassung selbst aber mitgewirkt hat, war an der Erlassung des Bescheides der Rundfunkkommission ein unrichtig zusammengesetzter Senat beteiligt. Dadurch wurde das Recht der Beschwerdeführer auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (VfSlg 13932 = RfR 2000/71)."

6.1. Mit Schreiben vom 30. März 2001 legte die Kommission als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und teilte mit, dass eine Gegenschrift nicht erstattet werde.

6.2. Mit Eingabe vom 23. März 2001 erstattete der ORF als beteiligte Partei eine Äußerung, in der er mit näherer Begründung für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintritt.

6.3. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurde auch eine Videoaufzeichnung der strittigen Sendungen vorgelegt.

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG erachten sich die Beschwerdeführer aus dem folgenden Grund als verletzt:

"Da das Senatsmitglied Dr. K bei der Verhandlung am 20. [gemeint wohl 2.] Oktober fehlte, bei der Bescheiderlassung selbst aber mitgewirkt hat, war an der Erlassung des Bescheides der Rundfunkkommission ein unrichtig zusammengesetzter Senat beteiligt"

1.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 11.336/1987, 12.280/1990, 12.957/1991). Daran anknüpfend sprach der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass sogenannte Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B-VG angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln wie kollegial besetzte Gerichte unterworfen sind. Ihre Mitglieder dürfen also jedenfalls in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden. Das bedeutet zugleich, dass zur Sachentscheidung nur jene Kommissionsmitglieder berufen sind, die an der letzten Verhandlung teilgenommen haben. Eine Auswechslung des einen oder anderen Mitgliedes nach Schluss der Verhandlung bloß zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung ist jedenfalls unzulässig, also auch dann, wenn nicht in der Verhandlung oder im Anschluss daran, sondern erst in einer späteren nichtöffentlichen Sitzung entschieden wird (vgl. VfSlg. 11.336/1987).

1.2.2. Die Kommission ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete kollegiale Verwaltungsbehörde. Gemäß §28 Abs1 RFG werden zur Entscheidung über die während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden jeweils zu Jahresbeginn - aus den insgesamt 17 Mitgliedern der Kommission (§25 Abs2 RFG) - Senate, bestehend aus fünf Mitgliedern, gebildet. Drei Mitglieder der Senate werden aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder der Kommission und je ein weiteres Mitglied wird aus dem Kreis der vom Zentralbetriebsrat sowie von der Hörer- und Sehervertretung vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission vom Vorsitzenden durch das Los bestimmt; für jedes Mitglied eines Senates ist nach dem gleichen Verfahren ein Ersatzmitglied zu bestellen, das im Falle der Verhinderung des Mitgliedes während des Verfahrens an dessen Stelle tritt. Gemäß §30 RFG ist auf das Verfahren der Kommission grundsätzlich das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden.

1.3. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich dazu Folgendes:

1.3.1. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Kommission in der hier in Rede stehenden Rechtssache am 28. April 2000 ergibt sich, dass dabei "als Mitglieder des Senates I/OO" die folgenden Personen anwesend waren:

"als Vorsitzender: Dr. E M

als weiteres richterliches Mitglied: Dr. H H als weiteres richterliches Mitglied: Dr. A S von der HSV [Hörer- und Sehervertretung] vorgeschlagenes Mitglied: Dr. K G

vom ZBR [Zentralbetriebsrat] vorgeschlagenes Mitglied: C B."

1.3.2. Zu Folge der Niederschrift über die nichtöffentliche mündliche Verhandlung der Kommission in dieser Rechtssache am 2. Oktober 2000 waren dabei "als Mitglieder des Senates I/00" anwesend:

"als Vorsitzender: Dr. E M

als weiters richterliches Mitglied: Dr. H H als weiteres richterliches Mitglied: Dr. A S von der HSV vorgeschlagenes Mitglied: Dr. K G."

Das fünfte, vom Zentralbetriebsrat vorgeschlagene Mitglied des Senates, Dr. K K, war hingegen nicht anwesend. In der Niederschrift ist dazu lediglich vermerkt:

"Festgehalten wird, dass das Senatsmitglied Dr. K bisher nicht erschienen ist."

1.3.3. Aus dem Protokoll über die Beratung und Beschlussfassung der Kommission zu der hier in Rede stehenden Rechtssache am 3. Oktober 2000 ergibt sich die Anwesenheit sämtlicher unter Pkt. 1.3.2. genannten Mitglieder des zuständigen Senates, also einschließlich des vom Zentralbetriebsrat vorgeschlagenen Mitgliedes Dr. K. Ferner ist dort Folgendes festgehalten:

"Im Hinblick auf d[ie] entschuldigte Abwesenheit Dr. K am 2.10.2000, wird v[om] Vorsitzenden d[er] Inhalt d[er] Verhandlung v[om] 28.4.2000 sowie jener v[om] 2.10.2000 dargetan.

Nach Besprechung d[er] Rechts- u[nd] Sachlage beschließt d[er] Senat einstimmig:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben."

Ein weiterer Vermerk in dem handschriftlich geführten Protokoll, wonach

"[f]estgehalten wird, d[ass] Dr. K an jener Verhandlung i[n] d[er] d[ie] inkriminierten Sendungsbeiträge besichtigt wurden, teilgenommen hat",

ist durchgestrichen.

1.4. Aus all dem ergibt sich, dass die hier entscheidende Kollegialbehörde in unrichtiger personeller Besetzung einschritt, weil zur Sachentscheidung nur jene Kommissionsmitglieder berufen gewesen wären, die auch an der letzten Verhandlung teilgenommen haben.

Die Beschwerdeführer wurden deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2. Der angefochtene Bescheid war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG 1953.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG 1953 ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Kollegialbehörde, Rundfunkkommission, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B228.2001

Dokumentnummer

JFT_09979374_01B00228_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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