Index
L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PrüfungsgegenstandLeitsatz
Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung einzelner Wortfolgen des Krnt AuftragsvergabeG 1997 betreffend eine Schwellenwertregelung wegen unzulässiger Abgrenzung des Prüfungsgegenstandes; keine hinreichend genaue und richtige Bezeichnung der aufzuhebenden Bestimmung; nicht ausreichend konkretisierter Aufhebungsantrag; Bedeutungs- und Sinnänderung auch bei fiktiver Reduzierung des AntragesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten (UVS) bringt vor, daß bei ihm eine Eingabe mit dem Antrag, im Vergabeverfahren der Marktgemeinde Maria Saal betreffend das Bauvorhaben "Abwasserbeseitigungsanlage Maria Saal, Bauabschnitt 10, Fertigteile, Pumpstation und nicht förderfähige Baumaßnahmen" ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten bzw. eine einstweilige Verfügung gemäß den §§81 ff. Kärntner Auftragsvergabegesetz 1997 (K-VergG) zu erlassen, eingelangt sei. Außer Streit stehe, daß sich das gegenständliche Vergabeverfahren auf einen Bauauftrag beziehe, dessen geschätzte Auftragssumme unterhalb des im K-VergG normierten Schwellenwertes liege.
2. a) Für die Erledigung eines Nachprüfungsantrages sei gemäß §80 Abs1 K-VergG der UVS für Kärnten zuständig. Im vorliegenden Fall sei es ihm jedoch verwehrt, ein Nachprüfungsverfahren gemäß den Bestimmungen des X. Abschnittes des K-VergG 1997 durchzuführen, "da der Schwellenwert von 5 Mio. Euro" unterschritten werde, das K-VergG 1997 in mehreren Textstellen die Anwendung des X. Abschnittes für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte aber ausschließe.
Angesichts dessen stellt der UVS gemäß Art140 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,
"1. im §1 Abs5 K-VergG 1997 idF der Gesetze LGBl Nr. 23/1999 und 23/2000 die Wortfolge 'der X. Abschnitt gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 und §7 genannten Schwellenwerte erreicht oder übersteigt' sowie
2. im §5 Abs1 leg. cit. die Wortfolge 'dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Mio. €
beträgt' und
3. im X. Abschnitt bei der Überschrift die Wortfolge 'oberhalb der Schwellenwerte' als verfassungswidrig auf[zu]heben".
b) In der Darlegung seiner Bedenken bezieht sich der UVS auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 16.027/2000, in dem der Verfassungsgerichtshof festgestellt habe, daß es sachlich nicht zu rechtfertigen sei, im Unterschwellenwertbereich Bewerbern und Bietern nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien einzuräumen und auf jede außenwirksame Regelung des Vergabeverfahrens, die im Oberschwellenbereich als erforderlich und notwendig angesehen werde, zu verzichten. Der Verfassungsgerichtshof habe in dieser Entscheidung ausgeführt, daß eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluß eines vergabespezifischen Rechtsschutzes für bestimmte Vergaben nicht erkennbar sei: Vergabespezifische Rechtsschutzinstrumentarien nur für Vergaben oberhalb bestimmter Schwellenwerte zur Verfügung zu stellen und bei Vergaben von Aufträgen geringeren Wertes auf einen solchen zu verzichten bzw. sich mit einem weniger effektiven Rechtsschutz zu begnügen, sei sachlich nicht zu rechtfertigen.
3. Die Kärntner Landesregierung hat zum vorliegenden Antrag des UVS eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung bzw. Abweisung des Antrags begehrt. Die vom UVS dargelegten Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen würden "ins Leere" gehen, da sich die Verfassungsrechtslage seit Erlassung des Erkenntnisses VfSlg. 16.027/2000 durch §126a des Bundesvergabegesetzes 1997 idF der Novelle BGBl. I 125/2000 grundlegend verändert habe. Der UVS würde zudem die Aufhebung von im Anlaßfall nicht präjudiziellen Bestimmungen des K-VergG beantragen.
II. Die maßgebliche Rechtslage im K-VergG 1997, LGBl. 65/1997 idF 23/2000, stellt sich wie folgt dar:
Das K-VergG enthält gesetzliche Regelungen über das Vergabeverfahren und die Vergabekontrolle für die Vergabe von Liefer-, Dienstleistungs-, Bau- und Baukonzessionsaufträgen durch öffentliche Auftraggeber des Landes Kärnten. Das Gesetz gliedert sich in zwölf Abschnitte, wobei in Abschnitt I. allgemeine Bestimmungen und in den Abschnitten II. und III. Grundsätze des Vergabeverfahrens sowie Bestimmungen zu Ausschreibung, Angebot und zum Zuschlagsverfahren enthalten sind. Der IV. Abschnitt enthält besondere Bestimmungen über die Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb bestimmter Schwellenwerte.
Hinsichtlich des sachlichen Geltungsbereiches des Gesetzes bestimmt §1 folgendes (die zur Aufhebung beantragte Wortfolge in Abs5 ist hervorgehoben):
"(1) Dieses Gesetz regelt die Vergabe von Lieferaufträgen, Bauaufträgen, Baukonzessionsaufträgen und Dienstleistungsaufträgen durch öffentliche Auftraggeber.
(1a) Dieses Gesetz gilt nicht für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionsaufträgen.
(2) Der IV. Abschnitt dieses Gesetzes gilt - unbeschadet des zweiten Satzes - nur für Vergaben von öffentlichen Auftraggebern iSd.
§9 Abs1 lita bis c, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer
a) bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen weniger als 200.000 Euro und
b) bei der Vergabe von Bau- und Baukonzessionsaufträgen weniger als fünf Millionen Euro beträgt.
Der IV. Abschnitt dieses Gesetzes gilt nicht für
a) die Beauftragung mit künstlerischen Leistungen,
b) Wettbewerbe, die zur Vergabe eines Auftrages iSd. Abs1 führen sollen,
c) Dienstleistungsaufträge iSd. Anlage 3 und der Kategorie Nr 6 der Anlage 2,
d) Aufträge, die ein Auftraggeber iSd. §9 Abs1 zum Zweck der Durchführung einer in §58 Abs2 beschriebenen Tätigkeit im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationsbereich vergibt.
(3) Der I., II., III. und XI. Abschnitt dieses Gesetzes gelten für
a) Vergaben von öffentlichen Auftraggebern iSd. §9 Abs1 lita bis c, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 genannten Schwellenwerte nicht erreicht, ausgenommen Vergaben und Wettbewerbe iSd. Abs2 zweiter Satz, und
b) Vergaben von öffentlichen Auftraggebern iSd. §9 Abs1, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 und §7 genannten Schwellenwerte erreicht oder übersteigt.
(4) Der V., VII., VIII. und IX. Abschnitt dieses Gesetzes gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 und in §7 genannten Schwellenwerte erreicht oder übersteigt, wobei der VII. Abschnitt nur für Lieferaufträge, der VIII. Abschnitt nur für Bauaufträge und Baukonzessionsaufträge und der IX. Abschnitt nur für Dienstleistungsaufträge und Wettbewerbe gilt.
(5) Der X. Abschnitt gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 und §7 genannten Schwellenwerte erreicht oder übersteigt, sowie für Aufträge, die den Bestimmungen des VI. Abschnittes unterliegen.
(6) Der VI. Abschnitt gilt nur für Vergaben im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationsbereich. Für Vergaben in diesen Bereichen gilt dieses Gesetz nur, soweit sich dies aus dem VI. und X. Abschnitt ergibt."
Der unter der Rubrik "Schwellenwerte bei Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen" stehende §5 normiert (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"(1) Die Abschnitte V, VIII und X gelten für die Vergabe von Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens fünf Millionen Euro beträgt.
(2) Besteht ein Bauwerk aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so muß bei der Errechnung des in Abs1 angegebenen Betrages der Wert eines jeden Loses berücksichtigt werden. Beläuft sich der kumulierte Wert der Lose auf den in Abs1 genannten Betrag oder einen höheren, unterliegen alle Lose den Abschnitten V, VIII und X. Dies gilt - unbeschadet der Bestimmungen der Abschnitte I bis IV und XI - nicht für Lose, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als eine Million Euro beträgt, sofern der kumulierte Auftragswert dieser Lose 20 Prozent des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. Als Lose iSd. Gesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten iSd. Anlage 1 (Gewerke).
(3) Bauaufträge, insbesondere die von diesen erfaßten Bauwerke, dürfen nicht in der Absicht aufgeteilt werden, sie der Anwendung der in Abs1 genannten Bestimmungen zu entziehen.
(4) Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes von Bauaufträgen ist außer dem Auftragswert auch der geschätzte Wert der Lieferungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Arbeiten erforderlich sind und dem Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden."
Die Abschnitte V. bis VIII. enthalten jeweils besondere Bestimmungen über die Vergabe bestimmter Arten von Aufträgen oberhalb der in den §§4 bis 7 festgelegten Schwellenwerte.
Im X. Abschnitt enthält das K-VergG Bestimmungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz sowie schadenersatzrechtliche Normen für die Vergabe von Aufträgen oberhalb der zitierten Schwellenwerte und im Sektorenbereich.
Der XI. Abschnitt enthält Schluß- und Übergangsbestimmungen.
Schließlich ist noch auf den unter der Rubrik "Rechtsschutz für die Vergabe von Aufträgen oberhalb der Schwellenwerte und im Sektorenbereich" stehende §80 Abs1 K-VergG zu verweisen, der wie folgt lautet:
"Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines Vertrages iSd. §1 Abs5 mit einem Auftraggeber behauptet, kann die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, wenn ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Über einen solchen Antrag entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten."
III. Der Antrag erweist sich als unzulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes unter anderem auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates. Anträge nach Art140 B-VG haben nicht nur im einzelnen zu begehren, das Gesetz "seinem ganzen Inhalte nach" oder in "bestimmte[n] Stellen" aufzuheben (§62 Abs1 erster Satz VfGG; VfSlg. 8552/1979, 9880/1983, 11.802/1988, 11.888/1988, 12.263/1990, 14.040/1995 uva.), sondern haben die gesetzlichen Bestimmungen auch genau und richtig zu bezeichnen. Weiters ist ein Antrag in der Weise zu formulieren, daß der zu prüfende und allenfalls aufzuhebende Teil eines Gesetzes derart abgegrenzt ist, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; jedenfalls muß ein Antrag geeignet sein, die konstatierte Verfassungswidrigkeit auch tatsächlich und vollständig zu beseitigen.
2. Diesen Anforderungen wird der vorliegende Antrag in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht:
Dem Antrag ist - abgesehen davon, daß er in der angefochtenen Wortfolge in §1 die Formulierung "5 Mio. €" verwendet, obgleich es im Gesetz "fünf Millionen Euro" heißt - zunächst entgegenzuhalten, daß bei Stattgabe und Aufhebung der angefochtenen Wortfolge in §1 Abs5 K-VergG ein Satztorso (", sowie für Aufträge, die den Bestimmungen des VI. Abschnittes unterliegen.") verbleiben würde, dem ein verständlicher Sinn nicht beigemessen werden könnte. Um zu vermeiden, daß bei einer Aufhebung ein sprachlich unverständliches Satzgefüge im Gesetzestext verbleibt, wäre es, selbst wenn der Verfassungsgerichtshof bloß zu einer um die Wortfolge "Der X. Abschnitt gilt" reduzierten Aufhebung gelangte, also bloß die Wortfolge "nur für Aufträge, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in Abs2 und §7 genannten Schwellenwerte erreicht oder übersteigt" aufheben würde, notwendig gewesen, auch die Aufhebung der Wendung ", sowie" zu beantragen.
Aber auch ein solcher, die Regeln der Grammatik beachtender Antrag erwiese sich als unzulässig: Eine Aufhebung bloß von Teilen des §1 Abs5 K-VergG führte bei Verbleib der (nicht angefochtenen) Bestimmung des §80 Abs1 K-VergG, der ausdrücklich auf Aufträge iSd.
§1 Abs5 verweist, nämlich dazu, daß der X. Abschnitt des Gesetzes - also die Bestimmungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz - nur für jene Aufträge gelten würde, die im verbleibenden Teil des §1 Abs5 angeführt sind. Dies wäre nicht nur ein dem Kärntner Vergabegesetzgeber nicht zusinnbares Regelungskonzept, sondern würde auch der mit dem Antrag des UVS verfolgten Zielsetzung - Gewährung vergabespezifischen Rechtsschutzes für (im klassischen Vergabebereich vergebene) Bauaufträge unterhalb bestimmter Schwellenwerte - zuwiderlaufen.
Um dem Verfassungsgerichtshof die Bereinigung der vom UVS für verfassungswidrig erachteten Rechtslage im Hinblick auf die bei ihm anhängige Nachprüfung eines im klassischen Vergabebereich vergebenen Bauauftrags zu ermöglichen, hätte der UVS vielmehr statt der unter I.2.a) als "1." und "2." wiedergegebenen Anträge die Aufhebung des §1 Abs5 K-VergG zur Gänze, der Wortfolgen "und X" jeweils in §5 Abs1 und - um des untrennbaren systematischen Zusammenhanges willen - §5 Abs2 K-VergG sowie der Wortfolge "iSd. §1 Abs5" in §80 Abs1 beantragen müssen.
Der vorliegende Antrag war sohin als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Vergabewesen, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G20.2001Dokumentnummer
JFT_09979374_01G00020_00