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E000 EU- Recht allgemein;Norm
21964A1229(01) AssAbk Türkei Art13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der N T, geboren 1978, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. September 2004, Zl. 140.260/2- III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 10. September 2004 wurde der von der Beschwerdeführerin, laut dem Beschwerdevorbringen eine türkische Staatsangehörige, am 30. Jänner 2001 über das "ÖGK" (offensichtlich gemeint: Österreichisches Generalkonsulat) Istanbul bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (Erstbehörde) gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 14 Abs. 3, § 18 Abs. 1a, § 19 Abs. 1 und § 22 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, iVm § 24 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG abgewiesen.
Die Erstbehörde habe diesen Antrag, basierend auf dem Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice von Oberösterreich (AMS) vom 2. April 2003 mit Bescheid vom 16. September 2003 abgewiesen, wogegen die Beschwerdeführerin Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet habe, dass sie bereits am 27. Oktober 2000 mit ihrem Vater einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der T. OEG (Gastgewerbe) geschlossen hätte und ihr Aufenthalt für den Fortbestand der Gesellschaft unbedingt erforderlich wäre.
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass es sich bei dem am 30. Jänner 2001 gestellten Antrag um einen solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung handle. Gemäß der mit 1. Jänner 2003 in Kraft getretenen FrG-Novelle 2002 dürften quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur mehr an Schlüsselkräfte erteilt werden. Der gegenständliche Antrag sei daher auf die Voraussetzungen (der Beschwerdeführerin) als selbständige Schlüsselkraft zu prüfen gewesen.
Mit Gutachten vom 2. April 2003 habe das AMS festgestellt, dass in der von ihr beabsichtigten Tätigkeit (Betreiben eines Cafes) kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen gesehen werden könnte, weshalb sie nicht als selbständige Schlüsselkraft gemäß § 24 AuslBG fungieren könnte. Dieser Sachverhalt sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin (zugestellt am 25. August 2004) zur Kenntnis gebracht worden und ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden. Gleichzeitig sei ihr die Absicht der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden, die Berufung nach den oben genannten Gesetzesbestimmungen abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung und in ihrer Stellungnahme vom 31. August 2004 zu der von ihr beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit angegeben, dass sie persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin der T. OEG wäre. Den Gesellschaftsvertrag über die Gründung einer OEG für den Betrieb eines Gastgewerbes (Cafe) hätte sie mit ihrem Vater bereits am 27. Oktober 2000 geschlossen. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wels vom 14. Dezember 2000 sei bestätigt worden, dass sie als selbständig Erwerbstätige im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG anzusehen sei und demgemäß nicht der Beschäftigungsbewilligungspflicht des AuslBG unterliege.
Die schlüssige Darstellung der von der Beschwerdeführerin beabsichtigten selbständigen Erwerbstätigkeit im Gutachten des AMS vom 2. April 2003 ergebe, dass die von ihr beabsichtigte Tätigkeit nicht als die einer selbständigen Schlüsselkraft anzusehen sei, zumal kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen in dieser Erwerbstätigkeit habe erblickt werden können. Auch für die belangte Behörde stehe nach Bewertung der Aktenlage und der Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Kriterien für selbständige Schlüsselkräfte fest, dass diese angestrebte Erwerbstätigkeit keinesfalls als die einer Schlüsselkraft angesehen werden könne, wobei sie nicht an die Feststellung des AMS gebunden sei. Als Schlüsselkräfte gälten Fremde, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügten. Zusätzlich müsse mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Die beabsichtigte Beschäftigung habe eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt, oder die beabsichtigte Beschäftigung trage zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei, oder der Fremde übe einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes aus (Führungskraft), oder die beabsichtigte Beschäftigung habe einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge.
Die belangte Behörde könne in der angestrebten selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG erkennen. Der Ausübung ihrer Tätigkeit als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der T. OEG, die sie gemeinsam mit ihrem Vater bereis im Jahr 2000 gegründet habe, komme kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG zu. Es seien weder ein Transfer von Investitionskapital nach Österreich noch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und eine qualifizierte Leistung ersichtlich.
Den öffentlichen Interessen habe gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin absolute Priorität eingeräumt werden müssen, weil die von ihr beabsichtigte selbständige Tätigkeit im Bundesgebiet keinesfalls der einer Schlüsselkraft entspreche.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. März 2005, B 1322/04-7, ablehnte und sie mit Beschluss vom 23. Mai 2005, B 1322/04-10, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2005/18/0525, mwN) ausgeführt hat, enthält die FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126, keine Bestimmung, wonach auf vor dem 1. Jänner 2003 gestellte Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung die bis dahin (oder bei Antragstellung) geltende Gesetzeslage anzuwenden wäre. Entgegen der Beschwerdeansicht hatte die belangte Behörde daher den vorliegenden Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht auf Grund der bei der Antragstellung geltenden Rechtslage, sondern nach Maßgabe der Rechtslage bei Erlassung des angefochtenen Bescheides - somit insbesondere nach dem FrG idF der genannten Novelle - zu beurteilen. Diesbezüglich - wie auch zur Darstellung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Im Hinblick darauf steht auch die Einholung eines Gutachtens des AMS mit dem Gesetz in Einklang (vgl. § 89 Abs. 1a FrG iVm § 24 AuslBG).
2. Wenn die Beschwerde weiters vorbringt, es habe der Landesrat A. bereits im August 2001 bestätigt, dass "die materiellen Voraussetzungen für eine positive Erledigung gegeben sind", so ist mit diesem Vorbringen schon deshalb nichts für den Beschwerdestandpunkt gewonnen, weil mit dieser behaupteten Äußerung des Landesrates noch keine positive Erledigung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erfolgt wäre. Gleiches gilt für das weitere Beschwerdevorbringen, der Magistrat der Stadt Wels habe mit Schreiben vom 3. September 2002 bekannt gegeben, dass "die Entscheidung gemäß § 22 FrG so lange aufgeschoben werde, bis sie in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf den Antrag Bedacht genommen werden könne".
3. Die belangte Behörde hat zu ihrer Beurteilung, dass die von der Beschwerdeführerin angestrebte selbständige Erwerbstätigkeit im Rahmen der T. OEG (zum Betreiben eines Cafes) nicht als die einer (selbständigen) Schlüsselkraft angesehen werden könne, ausgeführt, dass als Schlüsselkräfte Fremde gelten würden, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügten, wobei zusätzlich mindestens eine der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid näher angeführten Voraussetzungen (vgl. dazu I.1.) erfüllt sein müssten.
Aus § 24 AuslBG ergibt sich, dass für die Beurteilung, ob eine - beabsichtigte - selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, primär der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich ist. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dient (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0594, mwN).
Die Beschwerde bringt zur (beabsichtigten) Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Wesentlichen lediglich vor, dass diese beabsichtige, die Geschäftsführerfunktion für eine in Österreich ordnungsgemäß eingetragene (und tätige) Gesellschaft, die T. OEG, auszuüben. Sie stellt jedoch nicht in Abrede, dass - worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinweist - weder ein Transfer von Investitionskapital nach Österreich noch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auf Grund der beabsichtigten Tätigkeit der Beschwerdeführerin ersichtlich sei.
Im Hinblick darauf begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass der von der Beschwerdeführerin angestrebten Erwerbstätigkeit kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn des § 24 AuslBG zukomme, keinen Bedenken.
Ebenso ist der Beschwerdevorwurf, dass die belangte Behörde keine (weiteren) Ermittlungen und Feststellungen zum tatsächlichen Umfang der Geschäftstätigkeit und zu der Anzahl der Beschäftigten sowie der Bedeutung des Unternehmens getätigt habe, nicht zielführend, legt doch die Beschwerde nicht dar, welche Feststellungen die belangte Behörde diesbezüglich zu treffen gehabt hätte, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ersichtlich ist.
Die weitere Rüge, dass die Erstbehörde das Recht der Beschwerdeführerin auf Parteiengehör verletzt habe, geht schon deshalb fehl, weil ein solcher Verfahrensmangel durch die Gewährung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren geheilt wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0230, mwN).
4. Die Beschwerdeführerin vertritt - wie bereits in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 15. Juli 2005 die Auffassung, dass durch den angefochtenen Bescheid die im Firmenbuch eingetragene
T. OEG unsachlich benachteiligt werde und damit gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 7 B-VG iVm Art. I Abs. 1 des "B-VG Rassendiskriminierung" sowie gegen Art. 1 des 1. ZPEMRK verstoßen werde, wobei auch noch das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 StGG zu berücksichtigen sei.
Dieses Vorbringen ist bereits deshalb nicht zielführend, weil damit die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet wird, worüber zu befinden der Verfassungsgerichtshof zuständig ist. Im Übrigen waren diese aufgeworfenen Fragen bereits Gegenstand der in dieser Angelegenheit an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, sodass insoweit auf den zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes verwiesen wird.
5. Auch der - nicht weiter konkretisierte - Hinweis auf das am "12.09.93" geschlossene Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei - offensichtlich gemeint: das am 12. September 1963 von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnete Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) - ist nicht zielführend.
Sollte dieses Beschwerdevorbringen auf Art. 13 des Assoziierungsabkommens zielen, wonach die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Art. 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben, so ist auf das Urteil des EuGH vom 11. Mai 2000, C-37/98 (Abdulnasir Savas), hinzuweisen, worin ausgeführt wurde, dass Art. 13 dieses Abkommens keine in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbare Vorschrift des Gemeinschaftsrechtes darstellt.
Von daher bestand keine Veranlassung, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen und "die Vereinbarkeit der Bestimmung des § 22 FrG 1997 mit Europarecht (Verbot der Diskriminierung) und das zwischen der EWG und der Türkei am 12.09.93 geschlossene Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei prüfen zu lassen".
6. Aus § 19 Abs. 1 zweiter Satz iVm § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 1a FrG ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin beantragte Erstniederlassungsbewilligung nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden darf. Für diese Bewilligung ist nicht nur Voraussetzung, dass die für den beantragten Aufenthaltszweck (selbständige Schlüsselkraft) bestimmte Quote noch nicht ausgeschöpft ist, sondern vor allem, dass der Antragsteller überhaupt als selbständige Schlüsselkraft angesehen werden kann. Erfüllt der Antragsteller diese Kriterien nicht, dann ist der Antrag nicht zu bewilligen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2005/18/0209).
Dabei hat eine Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK nicht zu erfolgen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 30. November 2005, Zl. 2005/18/0650, mwN). Im Hinblick darauf ist das Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde sämtliche persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin hätte ermitteln müssen und eine Ermessensentscheidung hätte treffen müssen, nicht zielführend.
7. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Jänner 2007
Gerichtsentscheidung
EuGH 61998J0037 Savas VORABSchlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005180190.X00Im RIS seit
12.02.2007Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015