TE Vfgh Erkenntnis 2002/9/27 B1074/01

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Veröffentlicht am 27.09.2002
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0015 Unabhängiger Verwaltungssenat

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
Wr DienstO 1994 §26 Abs1
Wr DienstO 1994 §32 Abs1
Wr UVS-GO §3 Abs3
Wr UVS-G §11
Wr Verwaltungssenat-DienstrechtsG 1995 §6

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Ausspruch des Verlustes des Anspruches auf Diensteinkommen wegen Abwesenheit eines UVS-Mitglieds vom Dienstort; keine Verpflichtung der Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien zur Aufgabenerfüllung am Sitz der Behörde; kein Widerspruch der maßgeblichen Bestimmung der Geschäftsordnung zum Wr UVS-G; keine Geltung der Vorschriften der Wr Dienstordnung 1994 über das Erscheinen am Dienstort

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit EUR 2.143,68 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien. Am Freitag, dem 2. Juni 2000 (der 1. Juni 2000 war Feiertag), am Dienstag, dem 13. Juni 2000 (der 12. Juni 2000 war Pfingstmontag), am Montag, dem 3. Juli 2000, und am Montag, dem 24. Juli 2000, verrichtete der Beschwerdeführer seinen Dienst nicht am Amtssitz des UVS Wien. Er war an diesen Tagen auch nicht durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert, den Dienst zu versehen. Vielmehr verrichtete er - nach seinen Angaben - an diesen Tagen seinen Dienst an seinem Zweitwohnsitz, wobei er für diese Tage, jeweils im vorhinein, in dem in der Dienststelle aufliegenden "Absenzenbuch" den folgenden Vermerk angebracht hatte: "W.../Aktenbearbeitung Zweitwohnsitz/7.30-15.30 Uhr".

2.1. In der Folge wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Oktober 2000 ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß §6 Abs1 des Wiener Verwaltungssenat-DienstrechtsG 1995 (im Folgenden: WVS-DRG) iVm §32 Abs1 Dienstordnung 1994 (im Folgenden: DO) für diese vier Tage den Anspruch auf sein Diensteinkommen verloren habe.

2.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien (im Folgenden: Dienstrechtssenat) vom 18. Juni 2001 abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Gemäß §6 Abs1 des Wiener Verwaltungssenat-Dienstrechtsgesetzes 1995 - (WVS-DRG 1995), LGBl. Nr. 35 idF LGBl. Nr. 40/1999, gelten in bezug auf die Mitgliedschaft und Tätigkeit im Unabhängigen Verwaltungssenat, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, von der Dienstordnung 1994 nur §§18, 21, 23, 25 bis 29, 31, 32, 34 bis 36, 38, 39, 43 bis 50, 52 bis 56, §57 Abs1 bis 3, §§58 bis 63a, 66, 67, 115b und 115c sowie das Unfallfürsorgegesetz 1967 - UFG 1967, LGBl. für Wien Nr. 8/1969, sinngemäß. Dem Vorsitzenden des Unabhängigen Verwaltungssenates kommen neben den jedem Dienststellenleiter obliegenden Aufgaben die Vollziehung der in §§18, 21, 23, 25 bis 29, §31 Abs2, §§52 bis 56, §57 Abs1 bis 3 und §§58 bis 61 DO 1994 genannten Angelegenheiten zu (§6 Abs3 erster Satz leg. cit.).

Gemäß §26 Abs1 der Dienstordnung 1994 - (DO 1994), LGBl. Nr. 56 idgF, hat der Beamte die festgesetzte Arbeitszeit einzuhalten.

§31 Abs1 DO 1994 normiert unter der Überschrift 'Abwesenheit vom Dienst', dass der Beamte, wenn er durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert ist, den Dienst zu versehen, dies dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden hat.

Gemäß §32 Abs1 erster Satz DO 1994 verliert ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, für die Zeit einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen.

Gemäß §3 Abs3 der Geschäftsordnung des unabhängigen Verwaltungssenates Wien, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 14 vom 6. April 2000, haben die Mitglieder die ihnen nach Art129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben, soweit es zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich ist, am Sitz der Behörde zu erfüllen. Dazu ist ihnen der jederzeitige Zutritt zum Amtsgebäude zu gewährleisten.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, wonach die erstinstanzliche Behörde die Begriffe 'Dienstort' und 'Ort der Dienstverrichtung' verwechselt habe und weder §26 DO 1994 noch §31 DO 1994 eine Regelung über den Ort der Dienstverrichtung treffen, sondern sich eine derartige Regelung lediglich in §24 GOM finde, welche für den UVS Wien nicht anwendbar sei, ist zu entgegnen, dass §26 Abs1 DO 1994 mit der Normierung der Pflicht des Beamten zur Einhaltung der Dienstzeit auch die Verpflichtung zum Erscheinen des Beamten zum Dienst normiert. In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Dieser hat u.a. in seinen Erkenntnissen vom 26. Mai 1993, Zl. 92/12/0069, und vom 11. November 1988, Zl. 88/09/0119, ausgesprochen, dass die Pflicht des Beamten zur Einhaltung der Dienstzeit zunächst einmal voraussetzt, dass er den Dienst pünktlich antritt und ausdrücklich festgehalten, dass 'das regelmäßige und pünktliche Erscheinen zum Dienst' zu den elementaren Pflichten eines jeden Beamten gehört. Diese Aussage zeigt eindeutig, dass auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass die Einhaltung der Dienstzeit auch die Pflicht des Beamten zum Erscheinen am Dienstort umfasst, weil er ansonsten nicht von 'Erscheinen zum Dienst' sprechen würde. Dass §26 Abs1 DO 1994 nur in dem obgenannten Sinn verstanden werden kann, zeigt sich bei Betrachtung des §34 DO 1994, welcher kraft ausdrücklicher Anordnung des §6 WVS-DRG 1995 auch auf den UVS Wien Anwendung findet.

§34 Abs1 DO 1994 normiert unter anderem die Pflicht des Vorgesetzten für die Einhaltung der Arbeitszeit zu sorgen. Die Normierung dieser Verpflichtung wäre vollkommen sinnlos, würde man - wie der Berufungswerber - davon ausgehen, dass §26 DO 1994 keine Verpflichtung zum Erscheinen zum Dienst beinhalte, weil mangels einer derartigen Verpflichtung die Wahrnehmung der sich aus §34 Abs1 DO 1994 ergebenden und den Vorgesetzten treffenden Dienstpflicht, für die Einhaltung der Arbeitszeit zu sorgen, nicht möglich wäre. Das Nichterscheinen zum Dienst ist gemäß §31 Abs1 DO 1994 nur gerechtfertigt, wenn der Beamte durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person, betreffenden Grund verhindert ist, den Dienst zu versehen.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, aus §3 Abs3 der Geschäftsordnung des unabhängigen Verwaltungssenates Wien ergebe sich eindeutig, dass UVS-Mitglieder nur jene Dienstleistungen an ihrem Dienstort versehen müssten, die ihrer Natur nach nicht außerhalb ihres Dienstortes verrichtet werden können (wie zB Verhandlungen), während sie bei anderen Dienstleistungen (zB Aktenbearbeitung) den Ort ihrer Dienstleistung frei wählen könnten, ist zu erwidern, dass eine derartige Regelung in der Geschäftsordnung des UVS Wien, welche eine Durchführungsbestimmung zu §11 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. für Wien Nr. 53/1990 idgF, darstellt, mangels diesbezüglicher gesetzlicher Deckung gar nicht getroffen werden dürfte. Gemäß §11 leg. cit. sind in der Geschäftsordnung des UVS Wien, welche von der Vollversammlung erlassen wird, unter Bedachtnahme auf Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nur die näheren Bestimmungen für die Führung der den Mitgliedern übertragenen Geschäfte zu regeln, und zwar insbesondere hinsichtlich

1. Geschäftsgang in der Vollversammlung, in den Ausschüssen, in den Kammern und bei Verhandlungen vor Einzelmitgliedern;

2. Verfahren zur Wahl in den Personalausschuss und in den Geschäftsverteilungsausschuss;

3. Erstellung des jährlichen Tätigkeitsberichtes;

4. Verfahren in der Vollversammlung als Disziplinarkommission.

Diese in §11 leg. cit. in Form einer Generalklausel in Verbindung mit einer demonstrativen Aufzählung getroffene Festlegung des Regelungsbereiches der Geschäftsordnung des UVS Wien zeigt eindeutig, dass in der Geschäftsordnung lediglich organisatorische Regelungen hinsichtlich des Geschäftsganges, des Wahlverfahrens etc., nicht jedoch dienstrechtliche Bestimmungen wie etwa Festlegung der Arbeitszeit oder des Ortes der Dienstverrichtung getroffen werden können. Letztgenannte Regelungen bleiben dem Landesgesetzgeber vorbehalten. Der Vollversammlung kommt entgegen der vom Berufungswerber vertretenen Rechtsansicht keine derartige Regelungskompetenz zu. Würde man §3 Abs3 der Geschäftsordnung des UVS Wien im Sinne der vom Berufungswerber vertretenen Rechtsansicht verstehen, hätte die Vollversammlung mit der Erlassung dieser Bestimmung ihren durch §11 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien festgelegten Kompetenzbereich überschritten und wäre diese Bestimmung somit gesetzwidrig. Gemäß dem Gebot der gesetzeskonformen Interpretation kann §3 Abs3 der Geschäftsordnung des UVS Wien daher nur so verstanden werden, dass UVS-Mitglieder nur jene Dienstverrichtungen, die ihrer Natur nach nur außerhalb des Amtsgebäudes verrichtet werden können, wie etwa Lokalaugenscheine, außerhalb des Sitzes ihrer Behörde verrichten dürfen.

Zur Festsetzung der Dienstzeit für die Mitglieder des UVS Wien ist - wie sich aus §6 Abs3 WVS-DRG, wonach dem Vorsitzenden des UVS Wien u.a. die Vollziehung des §26 DO 1994 zukommt, ergibt - der Präsident des UVS Wien zuständig. In diesem Sinne wurde vom ersten Präsidenten des UVS Wien, Dr. G, im Einvernehmen mit der Personalvertretung gemäß §39 Abs2 Z4 W-PVG die Dienstzeit von 7.30 bis 15.30 Uhr festgesetzt. Diese Festlegung blieb auch unter dem zweiten Präsidenten des UVS Wien, Dr. M - wie sein Rundschreiben vom 4. Juni 1996, worin er ausdrücklich die Einhaltung der von Dr. G festgesetzten Dienstzeit einfordert, zeigt - und unter der jetzigen Präsidentin des UVS Wien, DDr. S, aufrecht. Mit dieser Festlegung der Dienstzeit ist - siehe die obigen Ausführungen - auch die Festlegung des Ortes der Dienstverrichtung verbunden.

Entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers kann auch aus der Existenz eines Absenzenbuches nicht der Schluss gezogen werden, dass Mitglieder des UVS Wien den Ort ihrer Dienstverrichtung frei wählen können, zumal die Existenz eines Absenzenbuches keine Besonderheit des UVS Wien darstellt, sondern gemäß §24 Abs3 GOM in allen Dienststellen des Magistrates Abwesenheitsverzeichnisse zu führen sind. Diese Verzeichnisse haben lediglich den Zweck, Abwesenheiten von der Dienststelle, wie zB infolge von Lokalaugenscheinen, Arztbesuchen, Fortbildungsveranstaltungen u.ä., zu dokumentieren, gewähren den Bediensteten jedoch nicht das Recht, den Ort ihrer Dienstverrichtung frei zu wählen. Ebenso wenig kann aus der Tatsache, dass die Präsidentin des UVS Wien den Berufungswerber erst Ende Juli 2000 auf seine Verpflichtung zur Anwesenheit an der Dienststelle aufmerksam gemacht hat, der Schluss gezogen werden, sie habe durch dieses Verhalten die Dienstverrichtung des Berufungswerbers an seinem Zweitwohnsitz stillschweigend gestattet.

Nach der einfachgesetzlichen Rechtslage sind somit auch die Mitglieder des UVS Wien verpflichtet, die festgesetzte Dienstzeit einzuhalten und diese am Dienstort zu verrichten."

Darüber hinaus sah sich der Dienstrechtssenat in der Begründung des bekämpften Bescheides jedoch auch noch veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

"Geht man davon aus, dass die den UVS-Mitgliedern in Art129b B-VG garantierte Weisungsfreiheit mit der richterlichen Unabhängigkeit gleichzusetzen und die richterliche Unabhängigkeit zugleich keine Bindung an feste Dienstzeiten zulässt, wäre §6 WVS-DRG, der die Anwendung des §26 DO 1994 und somit die Einhaltung einer festen Dienstzeit für die Mitglieder des unabhängigen Verwaltungssenates normiert, wegen Verstoßes gegen Art87 Abs1 iVm Art129b B-VG verfassungswidrig.

Da der Dienstrechtssenat der Stadt Wien zur Anfechtung von Gesetzen gemäß Art140 Abs1 B-VG nicht antragslegitimiert ist, war er trotz der dargestellten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §6 WVS-DRG an dessen eindeutigen - und somit einer verfassungskonformen Interpretation nicht zugänglichen - Wortlaut gebunden. Es muss dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten bleiben, die aufgezeigte Verfassungswidrigkeit anlässlich einer allfälligen Beschwerde nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG aufzugreifen."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §6 WVS-DRG, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die den UVS-Mitgliedern in Art129b B-VG garantierte Weisungsfreiheit mit der richterlichen Unabhängigkeit gleichzusetzen sei, die keine Bindung an feste Dienstzeiten zulasse. Daher sei §6 WVS-DRG, der eine Anwendung des §26 DO und somit die Einhaltung einer festen Dienstzeit für die Mitglieder des UVS normiere, wegen Verstoßes gegen Art87 Abs1 iVm Art129b B-VG verfassungswidrig.

Darüber hinaus sei der UVS Wien auch zur Kontrolle hoheitlicher Akte des Magistrates der Stadt Wien berufen. Ein derartiges verfassungsmäßig vorgegebenes Kontrollsystem erlaube keinen wie immer gearteten, effektiven Eingriff des kontrollierten Organes in die Funktion des Kontrollierenden. Sohin verstoße §6 WVS-DRG deshalb gegen Art129 B-VG, weil die genannte gesetzliche Bestimmung von der kontrollierten Behörde ausgehende Sanktionen nach §26 Abs1 DO iVm §32 Abs1 erster Satz DO gegen ein Mitglied des UVS Wien schon dann zulasse, wenn das Mitglied seine ihm nach Art129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben teilweise außerhalb des Sitzes der Behörde erfülle.

3.2. Der Dienstrechtssenat hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er - auf das Wesentliche zusammengefasst - ausführt, dass der Anspruch eines Beamten auf Diensteinkommen, weil er sich auf ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gründe, nicht dem Schutz des Art5 StGG unterliege. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer angeregten Gesetzesprüfungsverfahrens wird in der Äußerung des Dienstrechtssenates erneut auf die diesbezüglichen - oben wiedergegebenen - Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus auch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst sowie die Magistratsdirektion der Stadt Wien - Verfassungsdienst und Rechtsmittelangelegenheiten eingeladen, zu den in der vorliegenden Beschwerde auf geworfenen Bedenken, §6 WVS-DRG könnte verfassungswidrig sein, Stellung zu nehmen.

3.3.1. In der daraufhin erstatteten Äußerung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst wird im Wesentlichen die folgende Auffassung vertreten:

Weder der Wortlaut des Art87 Abs1 B-VG, noch der des Art129b Abs2 B-VG böten einen Anhaltspunkt dafür, dass die sachliche Unabhängigkeit der richterlichen Organe bzw. der Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate gebiete, diese von der Bindung an Dienstzeiten freizustellen. Wenn gemäß §60 RichterdienstG für Richter, mit Rücksicht auf die Eigenart des richterlichen Dienstes, keine bestimmte "Amtszeit" festgesetzt sei, so sei dies eine Frage des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes. Weiters vertritt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst die Auffassung, dass die bloße Tatsache, dass Mitglieder des UVS Wien an feste Dienstzeiten gebunden seien, den Eindruck eines unabhängigen Tribunals im Sinne des Art6 EMRK nicht zu beeinträchtigen vermöge, zumal die in Rede stehenden Dienstzeiten weder unüblich noch sonst schikanös seien.

Auch die in der Beschwerde vertretene Auffassung, §6 WVS-DRG widerspreche dem "Kontrollsystem des B-VG" wird vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nicht geteilt: Als Landesbedienstete unterlägen die Mitglieder des UVS der Diensthoheit der Landesregierung, deren Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten auf nachgeordnete Behörden übertragen werden könne. Diensthoheit umfasse sowohl die Erteilung von Weisungen als auch die Erlassung dienstrechtlicher Bescheide. Freilich seien die Mitglieder des UVS gemäß Art129b Abs2 B-VG sowohl bei der Entscheidung im Rahmen der rechtsprechenden Tätigkeit nach Art129a Abs1 B-VG als auch bei Besorgung der ihnen in Art129b B-VG ausdrücklich zugewiesenen organisatorischen Aufgaben weisungsfrei gestellt. Die aus der Diensthoheit folgende Zuständigkeit zur Erlassung dienstrechtlicher Bescheide werde hingegen nicht eingeschränkt. Insoweit bestünden daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Rede stehende Kompetenz des Magistrats der Stadt Wien zur Erlassung dienstrechtlicher Bescheide.

3.3.2. In der von der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Verfassungsdienst und Rechtsmittelangelegenheiten erstatteten Äußerung wird die Auffassung vertreten, dass eine Verfassungswidrigkeit des §6 WVS-DRG nicht vorliege. Den Mitgliedern des UVS Wien komme nämlich die richterliche Unabhängigkeit nicht zu. Ihre Bindung an feste Dienstzeiten bzw. an einen bestimmten Ort der Dienstverrichtung sei daher als zulässige Maßnahme im Rahmen der Diensthoheit anzusehen.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Bei Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist von folgender Rechtslage auszugehen:

4.1.1. Die §§6 und 7 WVS-DRG lauten:

"§6

(1) In bezug auf die Mitgliedschaft und Tätigkeit im Unabhängigen Verwaltungssenat gelten, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, von der Dienstordnung 1994 nur §§18, 21, 23, 25 bis 29, 31, 32, 34 bis 36, 38, 39, 43 bis 50, 52 bis 56, §57 Abs1 bis 3, §§58 bis 63a, 66, 67, 115b und 115 c sowie das Unfallfürsorgegesetz 1967 - UFG 1967, LGBl. für Wien Nr. 8/1969, sinngemäß.

(2) Anträge und Meldungen nach dienst-, besoldungs- und unfallfürsorgerechtlichen Bestimmungen sind, sofern §36 Abs3 DO 1994 nicht anderes bestimmt, im Weg des Vorsitzenden des Unabhängigen Verwaltungssenates einzubringen.

(3) Dem Vorsitzenden des Unabhängigen Verwaltungssenates kommen neben den jedem Dienststellenleiter obliegenden Aufgaben die Vollziehung der in §§18, 21, 23, 25 bis 29, §31 Abs2, §§52 bis 56, §57 Abs1 bis 3 und §§58 bis 61 DO 1994 genannten Angelegenheiten zu. Bei Vollziehung der in §25, §31 Abs2, §52 (soweit durch die Gewährung eines Sonderurlaubes ein Höchstausmaß an Sonderurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr überschritten wird) und §56 Abs3 DO 1994 genannten Angelegenheiten hat er vor der Entscheidung die Vollversammlung des Unabhängigen Verwaltungssenates zu hören. Gegen Entscheidungen des Vorsitzenden des Unabhängigen Verwaltungssenates ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

(4) Der Vorsitzende des Unabhängigen Verwaltungssenates hat unverzüglich

1. die von ihm getroffenen Entscheidungen, sofern dadurch der Tätigkeitsbereich auch anderer Dienststellen berührt wird, diesen Dienststellen bekanntzugeben und

2. Anträge, zu deren Behandlung er nicht zuständig ist, sowie Meldungen, die noch an andere Dienststellen zu ergehen haben, an die zuständigen Dienststellen weiterzuleiten.

(5) Soweit die Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates nicht in Ausübung ihres Amtes (§5 erster Satz) tätig sind, gilt auch §20 DO 1994.

§7

In bezug auf die anzuwendenden dienstrechtlichen Vorschriften gilt der Vorsitzende als Dienststellenleiter. Er übt die Dienstaufsicht über die übrigen Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenates und über das sonstige Personal aus."

4.1.2. Die §§26 sowie 31 und 32 DO 1994 lauten:

"§26

(1) Der Beamte hat die festgesetzte Arbeitszeit einzuhalten.

(2) Soweit in Abs3 und 4 oder in §30 nicht anderes bestimmt ist, beträgt die Normalarbeitszeit des Beamten 40 Stunden wöchentlich. Die wöchentliche Arbeitszeit ist unter Berücksichtigung der dienstlichen Erfordernisse möglichst gleichmäßig und bleibend auf die Tage der Woche aufzuteilen. Soweit nicht zwingende dienstliche oder sonstige öffentliche Interessen entgegenstehen, sind Sonntage, gesetzliche Feiertage und Samstage dienstfrei zu halten.

(3) Soweit nicht dienstliche oder sonstige öffentliche Interessen entgegenstehen, kann abweichend von Abs2 die gleitende Arbeitszeit vorgesehen werden. Unter gleitender Arbeitszeit ist jene Form der Arbeitszeit zu verstehen, bei der der Beamte den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit innerhalb festgesetzter Grenzen (Gleitzeit) selbst bestimmen kann und während des übrigen Teiles der Arbeitszeit (Blockzeit) jedenfalls Dienst zu versehen hat. Bei gleitender Arbeitszeit ist vorzusorgen, daß die wöchentliche Normalarbeitszeit im mehrmonatigen Durchschnitt erbracht wird.

(4) Für den Beamten, der im Turnus-, Wechsel- oder Schichtdienst verwendet wird, beträgt die Normalarbeitszeit 173 Stunden monatlich. Die Arbeitszeit ist durch eine Diensteinteilung möglichst regelmäßig und bleibend aufzuteilen.

(5) Der Beamte hat auf Anordnung über die Normalarbeitszeit hinaus Dienst zu versehen (Überstunden).

(6) Überstunden, die nach dem 31. Dezember 1993 geleistet werden, sind je nach Anordnung

1. im Verhältnis 1:1,5 in Freizeit auszugleichen oder

2. nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften abzugelten oder

3. im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen und zusätzlich nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften abzugelten.

Für Überstunden, die in der Nacht (22 Uhr bis 6 Uhr) oder an Sonn- und Feiertagen geleistet wurden, kommen nur Z2 oder 3 in Betracht. Ein Freizeitausgleich ist bis zum Ende des sechsten auf die Leistung der Überstunden folgenden Monats zulässig. Diese Frist kann mit Zustimmung des Beamten um bis zu weitere sechs Monate erstreckt werden.

(7) Abweichend von Abs6 sind Überstunden, in die regelmäßig und in erheblichem Ausmaß Arbeitsbereitschaft fällt, im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen oder nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften abzugelten. Zeiten einer von Beamten angestrebten Einarbeitung von Arbeitszeit (zB bei einem Diensttausch oder einer sonstigen Verlegung der Zeit der Dienstleistung) und Zeitguthaben aus der gleitenden Arbeitszeit sind ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen.

(8) Rufbereitschaft gilt nicht als Arbeitszeit. Wird ein Beamter im Rahmen einer Rufbereitschaft zum Dienst herangezogen, so gilt die Zeit, während der er Dienst versehen hat, als Arbeitszeit.

§31

(1) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert, den Dienst zu versehen, so hat er dies dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden. Der Beamte hat den Grund für die Dienstverhinderung unverzüglich zu bescheinigen, wenn es der Vorgesetzte verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei aufeinanderfolgende Kalendertage dauert. Die Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall ist durch eine ärztliche Bestätigung oder durch eine Aufenthaltsbestätigung einer Krankenanstalt zu bescheinigen.

(2) Ein wegen Krankheit, Unfall oder gemäß §62 vom Dienst abwesender Beamter hat sich auf Verlangen des Magistrats einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, an dieser Untersuchung, sofern es ihm zumutbar ist, mitzuwirken und sich gegebenenfalls einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen. Wurde auf Grund der ärztlichen Untersuchung die Dienstfähigkeit des Beamten durch einen Amtsarzt bescheinigt, so darf abweichend von Abs1 eine innerhalb der darauffolgenden vier Monate eintretende Dienstverhinderung wegen Krankheit nur durch einen Amtsarzt bescheinigt werden. Der Magistrat hat den Beamten unverzüglich nach Einlangen der Meldung über die Dienstverhinderung durch einen Amtsarzt untersuchen zu lassen.

(3) Der Beamte, der zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst nach dem Wehrgesetz 1990 einberufen oder zur Leistung des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986 zugewiesen wird, hat dies dem Magistrat innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Zustellung des Einberufungsbefehles oder des Zuweisungsbescheides oder nach der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung, spätestens aber am Tag vor dem Antritt des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes (des Zivildienstes) zu melden. Der Beamte hat ferner zu melden, wenn er im Anschluß an den Grundwehrdienst den Wehrdienst als Zeitsoldat gemäß §32 des Wehrgesetzes 1990 leistet. Für den Beamten, der Staatsangehöriger einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, besteht die Meldepflicht bei einem gleichartigen Dienst.

(4) Kommt der Beamte den sich aus Abs1 bis 3 ergebenden Verpflichtungen nicht nach, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.

§32

(1) Ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, verliert für die Zeit einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen. Der Beamte verliert den Anspruch auf sein Diensteinkommen auch für die Zeit, die er infolge Haft wegen eines strafgerichtlich zu ahndenden Verhaltens dem Dienst fern war. Auf die zu seinem Haushalt gehörenden schuldlosen Angehörigen (§1 Abs7 der Pensionsordnung 1995) ist für die Zeit, für die das Diensteinkommen entfällt, §55 der Pensionsordnung 1995 anzuwenden. Dem Beamten kann zur Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens ein zur Vermeidung dieses Schadens angemessener Unterhaltsbeitrag zuerkannt werden. Dieser darf zusammen mit der Leistung an den anderen Ehegatten den Monatsbezug nicht übersteigen, auf den der Beamte jeweils Anspruch hätte. Führt das Verfahren zu keiner Verurteilung, so sind die Monatsbezüge unter Aufrechnung des Geleisteten nachzuzahlen.

(2) Die Zeit des eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst in der Dauer von mehr als drei Tagen und die Zeit des Fernbleibens vom Dienst infolge Haft wegen eines strafgerichtlich zu ahndenden Verhaltens hemmen den Lauf der Dienstzeit. Sind die Monatsbezüge gemäß Abs1 nachzuzahlen, so erlischt auch rückwirkend die Hemmung des Laufes der Dienstzeit."

4.1.3. Mit an alle Mitarbeiter des UVS Wien gerichtetem Schreiben vom 29. Mai 1991 hatte der - damalige - Präsident des UVS Wien

"[a]us gegebenem Anlaß ... darauf hingewiesen, daß die Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr dauert und daß das Verlassen der Dienststelle während dieser Zeit nur zur Einnahme des Mittagsmahls im angemessenen Ausmaß, sonst aber nur aus begründetem Anlaß und mit Eintragung im Absenzenbuch möglich ist."

In seiner Sitzung vom 26. November 1991 hatte der Dienststellenausschuss des UVS Wien beschlossen, "dieser Weisung des Präsidenten ... nicht entgegenzutreten."

Am 4. Juni 1996 richtete der damalige Präsident des UVS an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Dienststelle das folgende Schreiben:

"Im Gegensatz zu der von einzelnen Senatsmitgliedern vertretenen Auffassung ist die Normalarbeitszeit beim UVS Wien derzeit mit 07.30 - 15.30 Uhr festgelegt. Die Festlegung erfolgte durch Prof. Dr. G und wurde vom damaligen Personalvertreter akzeptiert. Ein Wunsch nach Neufestsetzung wurde bisher an mich nicht herangetragen.

Aufgrund des großen Personalzuwachses aus Bundesdienststellen wurde in den letzten Jahren vermehrt der Wunsch nach anderen Beginnzeiten vorgebracht, doch erfolgte keine generelle Verlagerung der Normalarbeitszeit. Den Einzelwünschen wurde - soweit sie ausreichend konkretisiert waren - Rechnung getragen.

Seit dem Schreiben vom 28.5.1996 haben einige Kolleginnen und Kollegen von der Möglichkeit der individuellen Vereinbarung Gebrauch gemacht bzw. eine bestehende Vereinbarung erneuert, keineswegs jedoch alle die stillschweigend einen späteren Arbeitsbeginn gewählt haben. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, den Umfang der Mehrdienstleistungen jedes Jahr neu zu verhandeln, kann ... die Verpflichtung des Dienststellenleiters nicht übersehen werden, die Einhaltung der Normalarbeitszeit zu verantworten. Kolleginnen und Kollegen, die dem Dienststellenleiter die Wahrnehmung dieser Aufgabe aus welchen Gründen auch immer erschweren, gefährden damit sowohl die Verhandlungen um die Vergütung von Mehrdienstleistungen, als auch die Verhandlungen um zusätzliches Personal, aber auch Bestrebungen zur individuellen Förderung einzelner Senatsmitglieder.

Es wird daher zur Bekanntgabe allfälliger Sonderwünsche betreffend die Lagerung der persönlichen Arbeitszeit eine letzte Frist bis zum 14. Juni 1996 eingeräumt. Ab dem 17.6.1996 erfolgt die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit aufgrund der vorliegenden Vereinbarung."

Die amtierende Präsidentin traf in diesem Zusammenhang, so weit sich dies aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten ergibt, keine - anderweitige - Verfügung.

4.1.4.1. §11 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS-G)lautet:

"Geschäftsordnung

§11.

(1) Die Vollversammlung hat eine Geschäftsordnung zu beschließen.

(2) In der Geschäftsordnung sind unter Bedachtnahme auf Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit die näheren Bestimmungen für die Führung der den Mitgliedern übertragenen Geschäfte zu regeln, und zwar insbesondere hinsichtlich

1. Geschäftsgang in der Vollversammlung, in den Ausschüssen, in den Kammern und bei Verhandlungen vor Einzelmitgliedern;

2. Verfahren zur Wahl in den Personalausschuß und in den Geschäftsverteilungsausschuß;

3. Erstellung des jährlichen Tätigkeitsberichtes;

4. Verfahren in der Vollversammlung als Disziplinarkommission.

(3) Die Geschäftsordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen."

4.1.4.2. §3 der Geschäftsordnung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. März 2000, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 2000/14, lautet:

"Mitglieder

(1) Die Mitglieder entscheiden bei der Besorgung der ihnen nach Art129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben als Einzelmitglieder oder in Kammern.

(2) Die Fachaufsicht über das den Kammern zugeteilte sonstige Personal obliegt den der jeweiligen Kammer angehörenden Mitgliedern.

(3) Die Mitglieder haben die ihnen nach Art129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben, soweit es zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich ist, am Sitz der Behörde zu erfüllen. Dazu ist ihnen der jederzeitige Zutritt zum Amtsgebäude zu gewährleisten."

4.2. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, dass ein Bescheid das österreichischen Staatsbürgern verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür übt; Willkür wird von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ua. dann angenommen, wenn die Behörde die maßgebliche Rechtslage im besonderen Maße, gehäuft oder völlig verkennt (vgl. dazu etwa VfSlg. 15.574/1999)

4.3. Die belangte Behörde stützte ihren mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften (Berufungs-)Bescheid im Wesentlichen auf das folgende Argument:

Aus §26 DO ergebe sich, dass die Pflicht des Beamten zur Einhaltung der Dienstzeit auch die Verpflichtung zum "Erscheinen am Dienstort" bedeute.

Der Berufungswerber (der nunmehrige Beschwerdeführer) bringe nun vor, aus §3 Abs3 der Geschäftsordnung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ergebe sich eindeutig, dass UVS-Mitglieder nur jene Dienstleistungen an ihrem Dienstort versehen müssten, die der Natur nach nicht außerhalb ihres Dienstortes verrichtet werden könnten (wie zB Verhandlungen), während sie bei anderen Dienstleistungen (zB Aktenbearbeitung) den Ort ihrer Dienstleistung frei wählen könnten. Dem sei zu erwidern, dass eine derartige Regelung in einer Geschäftsordnung des UVS, die eine Durchführungsbestimmung zu §11 UVS-G darstelle, mangels diesbezüglicher gesetzlicher Deckung gar nicht getroffen werden dürfte. Gemäß §11 leg. cit. seien in der Geschäftsordnung des UVS Wien, die von der Vollversammlung des UVS zu erlassen sei, unter Bedachtnahme auf Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, nur die näheren Bestimmungen für die Führung der den Mitgliedern übertragenen Geschäfte zu regeln, u.zw. insbesondere hinsichtlich des Geschäftsganges in der Vollversammlung, in den Ausschüssen, in den Kammern und bei Verhandlungen vor Einzelmitgliedern, weiters für das Verfahren zur Wahl in den Personalausschuss und in den Geschäftsverteilungsausschuss sowie hinsichtlich der Erstellung des jährlichen Tätigkeitsberichtes und für das Verfahren in der Vollversammlung als Disziplinarkommission. Diese in §11 UVS-G in Form einer Generalklausel in Verbindung mit einer demonstrativen Aufzählung getroffene Festlegung des Regelungsbereiches der Geschäftsordnung zeige eindeutig, dass in der Geschäftsordnung lediglich organisatorische Regelungen hinsichtlich des Geschäftsganges, des Wahlverfahrens etc., nicht jedoch dienstrechtliche Bestimmungen, wie etwa Festlegung der Arbeitszeit oder des Ortes der Dienstverrichtung, getroffen werden könnten. Solche Regelungen blieben dem Landesgesetzgeber vorbehalten. Der Vollversammlung komme keine derartige Regelungskompetenz zu. Würde man §3 Abs3 der Geschäftsordnung des UVS Wien im Sinne der vom Berufungswerber vertretenen Rechtsansicht verstehen, dann hätte die Vollversammlung mit der Erlassung dieser Bestimmung ihren durch §11 UVS-G festgelegten Kompetenzbereich überschritten und wäre diese Bestimmung somit gesetzwidrig. Gemäß dem Gebot der gesetzeskonformen Interpretation könne §3 Abs3 der Geschäftsordnung des UVS Wien daher nur so verstanden werden, dass UVS-Mitglieder nur jene Dienstverrichtungen, die ihrer Natur nach nur außerhalb des Amtsgebäudes verrichtet werden könnten, wie etwa Lokalaugenscheine, außerhalb des Sitzes ihrer Behörde verrichten dürften.

Zur Festsetzung der Dienstzeit für die Mitglieder des UVS Wien sei - wie sich aus §6 Abs3 WVS-DRG, wonach dem Vorsitzenden des UVS Wien u.a. die Vollziehung des §26 DO 1994 zukommt, ergibt - der Präsident des UVS Wien zuständig. In diesem Sinne sei vom ersten Präsidenten des UVS Wien, im Einvernehmen mit der Personalvertretung, die Dienstzeit von 7.30 bis 15.30 Uhr festgesetzt worden. Diese Festlegung sei auch unter dem zweiten Präsidenten des UVS Wien und unter der jetzigen Präsidentin des UVS Wien aufrecht. Mit dieser Festlegung der Dienstzeit sei auch die Festlegung des Ortes der Dienstverrichtung verbunden.

4.4. Auf Grund der folgenden Erwägungen gelangt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die belangte Behörde die maßgebliche Rechtslage in einem besonderem Maße verkannt hat:

Ihre Argumentation ist insoferne widersprüchlich, als sie einerseits die Auffassung vertritt, der Vollversammlung des UVS käme es gemäß §11 UVS-G überhaupt nicht zu, in der Geschäftsordnung des UVS mit Bezug auf dessen Mitglieder Regelungen über die Festlegung der Arbeitszeit oder des Ortes der Dienstverrichtung zu treffen. Andererseits legt die belangte Behörde aber, im Sinne einer - wie sie meint - gesetzeskonformen Auslegung, dem §3 Abs3 der Geschäftsordnung die Bedeutung bei, dass UVS-Mitglieder (nur) jene Dienstverrichtungen, die ihrer Natur nach außerhalb des Amtsgebäudes verrichtet werde könnten, außerhalb des Sitzes ihrer Behörde verrichten dürften, und deutet damit diese Geschäftsordnungsbestimmung sehr wohl im Sinne einer Regelung über die Festlegung der Dienstzeit bzw. des Ortes der Dienstverrichtung.

Entscheidend ist aber das Folgende: Die belangte Behörde hat §3 Abs3 erster Satz der Geschäftsordnung - von der irrigen Rechtsmeinung ausgehend, dass diese Bestimmung "mangels diesbezüglicher gesetzlicher Deckung gar nicht getroffen werden dürfte" - bei Erlassung des bekämpften Bescheides schlechterdings ignoriert. Demgegenüber ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass auf Grund des eindeutigen Wortlautes dieser im vorliegenden Fall sehr wohl maßgeblichen Bestimmung die Mitglieder des UVS Wien sämtliche der ihnen gemäß Art129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben, (nur) insoweit am Sitz des UVS zu besorgen haben, als dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Aufgaben notwendig ist (zB zur Durchführung von Verhandlungen, für die notwendigen Kontakte mit der Geschäftsstelle, mit anderen Mitgliedern des UVS, mit Parteien und deren Vertretern udglm.). Daraus folgt weiters, dass sie im Übrigen nicht verpflichtet sind, diese Aufgaben am Sitz der Behörde zu besorgen und somit in dieser Hinsicht den Ort der Dienstverrichtung frei wählen können. Für das Ergebnis dieser Wortinterpretation spricht - in systematischer Auslegung - auch der folgende zweite Satz des §3 Abs3 der Geschäftsordnung, der ausdrücklich gebietet, den Mitgliedern des UVS - insoferne zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben deren Erbringung am Sitz des UVS erforderlich ist - der Zutritt zum Amtsgebäude "zu gewährleisten". Auch mit dieser Regelung ist die Annahme, die Mitglieder des UVS wären verpflichtet, ihre Aufgaben grundsätzlich am Sitz des UVS zu besorgen, nicht zu vereinbaren.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch nicht das Bedenken, dass §3 Abs3 der Geschäftsordnung des UVS Wien dem §11 UVS-G widerspräche. Vielmehr ist die Vollversammlung des UVS Wien auf Grund dieser allgemein formulierten gesetzlichen Regelung zuständig, für die Mitglieder des UVS Wien u.a. auch Regelungen über den Ort der Dienstverrichtung zu erlassen (arg.: "... die näheren Bestimmungen für die Führung der den Mitgliedern übertragenen Geschäfte ..."). Damit ist in dieser Hinsicht für die Mitglieder des UVS die Geltung der allgemeinen Vorschriften der DO über das "Erscheinen am Dienstort" ebenso ausgeschlossen wie die Kompetenz des Vorsitzenden des UVS als Dienststellenleiter iSd §6 Abs3 WVS-DRG zur Festsetzung der Arbeitszeit.

4.5. Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der bekämpfte Bescheid war daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von Euro 181,68 und Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327 enthalten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Dienstpflichten, Unabhängiger Verwaltungssenat, Geltungsbereich (persönlicher) eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1074.2001

Dokumentnummer

JFT_09979073_01B01074_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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