Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §8 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des A in M, geboren 1981, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Juli 2006, Zl. 257.213/10-V/15/06, betreffend § 8 Abs. 2 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Jänner 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Liberia, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. April 2005 gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab.
Über Beschwerde des Beschwerdeführers hob der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2005/01/0324, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes insoweit auf, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt worden war; im Übrigen gab wies er die Beschwerde als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde den Parteien am 30. Juni 2006 zugestellt.
Schon am 7. Juli 2006 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer - ohne weitere Ermittlungen - mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Liberia" aus. Begründend führte sie dazu - neben einer kurzen Darstellung des Verfahrensverlaufes und allgemeinen Rechtsausführungen zur Notwendigkeit einer zielstaatsbezogenen Ausweisung - fallbezogen lediglich aus, entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers lebe zumindest sein Vater in Liberia, und es würden ihn keinerlei persönliche oder sonstige Beziehungen an Österreich binden, zumal er über keine Verwandten oder Bekannten in Österreich verfüge. Dabei bezog sich die belangte Behörde erkennbar auf eine diesbezügliche Aussage des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 20. Oktober 2004 ("F (Frage(: Haben Sie Verwandte oder Bekannte in Österreich? A (Antwort(: Nein"). Die Ausweisung stelle daher - so die belangte Behörde weiter - "keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe "aufgrund der Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit" übersehen, dass der seit Juli 2004 in Östereich lebende Beschwerdeführer inzwischen eine tiefe persönliche und soziale Bindung zu seinem Aufenthaltsland gewonnen habe. Er habe mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind, das am 6. Jänner 2006 geboren worden sei. Die Familie lebe in Mistelbach und sei dort sozial sehr gut integriert. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer keine Kontaktpersonen mehr.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Im Hinblick auf den seit der Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 20. Oktober 2004 bis zur Erlassung der angefochtenen Entscheidung vergangenen Zeitraum von knapp zwei Jahren konnte die Asylbehörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich die sozialen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer vor Erlassung des Ersatzbescheides Gelegenheit zur allfällige Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanter Umstände zu geben (vgl. dazu bereits das hg. Erkenntnis vom 23. November 2006, Zl. 2005/20/0516). Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das (neue) Vorbringen in der Beschwerde nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der neu vorgebrachten Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung gelangen hätte können, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006010595.X00Im RIS seit
18.05.2007