TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/24 2007/21/0010

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Veröffentlicht am 24.04.2007
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
EURallg;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
FrPolG 2005 §9;
NAG 2005 §12;
NAG 2005 §46;
NAG 2005 §47;
NAG 2005 §49;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der S, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 16. Juni 2006, Zl. Fr-4250a-52/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß den §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin zur Erlangung eines Visums "C" bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara unrichtige Angaben gemacht habe, um sich die Einreise zu verschaffen. Sie habe nämlich am 13. Juli 2005 einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zweck "Besuch" gestellt und dabei erklärt, dass sie sich verpflichte, das Hoheitsgebiet der "Schengener Staaten" bei Ablauf des Visums zu verlassen. Daraufhin sei ihr ein Visum mit Gültigkeit vom 5. August bis 2. September 2005 erteilt worden. Die Beschwerdeführerin sei am 5. August 2005 (mit ihren Kindern Ayfer, geboren am 17. Oktober 1998, und Rasit, geboren am 29. August 1995) über Deutschland nach Österreich gereist und habe sich am 23. August 2005 in Vorarlberg angemeldet. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Einreisetitels sei die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und in Österreich geblieben. Am 30. August 2005 habe sie für sich und ihre Kinder Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gestellt. (Gegen die diese Anträge abweisenden Bescheide der Bundesministerin für Inneres wurden Beschwerden erhoben, die mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu den Zlen. 2006/21/0057, 0058, 0059 abgewiesen wurden.)

Es würde - so begründete die belangte Behörde den von ihr angenommenen Missbrauchstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG - gegen die Lebenserfahrung sprechen, einen so wichtigen Entschluss wie den Wohnsitzwechsel von der Türkei nach Österreich innerhalb der kurzen Aufenthaltszeit von einem Monat in Österreich zu fassen. Wegen dieses Missbrauchs sei gemäß § 60 Abs. 1 leg. cit. die Annahme indiziert, dass ein weiterer inländischer Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Überdies komme ihr keine begünstigte Stellung als Angehörige eines Gemeinschaftsbürgers zu und sie könne auch keine Rechte aus dem Assoziationsrecht (Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80) ableiten.

In Österreich halte sich ihr Ehemann auf, der "hier integriert sein dürfte". Da den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme, sei das Aufenthaltsverbot trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin dringend geboten.

Diese Maßnahme sei auch nach Interessenabwägung zulässig, weil die Beschwerdeführerin bisher den größten Teil ihres Lebens mit ihren Kindern in der Türkei gelebt und somit die Familie bereits früher jahrelang räumlich getrennt gelebt habe. Es bestehe "kein unüberwindlicher Hinderungsgrund", warum der Ehemann der Beschwerdeführerin nicht mit seiner Familie in die gemeinsame Heimat zurückgehen und auf diese Weise die Familieneinheit herstellen könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In Bestreitung der behördlichen Feststellungen bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie erst nach ihrer Einreise erkennen habe können, dass ihr Ehemann nur schwer mit der Trennung von seiner Ehefrau umgehen könne und ihm eine weitere Trennung nicht mehr zumutbar sei. Wegen der Unzumutbarkeit einer Ausreise habe sie ihre ursprünglichen Pläne geändert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 2004, Zl. 2004/21/0220), dass mit einer solchen Argumentation die behördliche Beweiswürdigung nicht als unschlüssig aufgezeigt werden kann, wenn die Ehefrau eines in Österreich integrierten Fremden mit ihren Kindern in das Bundesgebiet einreist und hier mit ihren Kindern um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ansucht. Die Aufgabe des Wohnsitzes der "Restfamilie" spreche nämlich deutlich für die Ansicht der belangten Behörde, dass ein derart wichtiger Entschluss nicht erst nach Verlassen des Heimatstaates während eines kurzen Zeitraumes gefallen sei.

Nicht zielführend ist in diesem Zusammenhang das Beschwerdeargument, dass die Beschwerdeführerin Ausreiseaufforderungen nicht habe nachkommen können, weil sie "zum Zeitpunkt der Androhung bzw. Erlassung" bereits hochschwanger gewesen sei. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen im Widerspruch zum behaupteten Motiv für einen Verbleib im Bundesgebiet steht, wird damit ein erst am 12. Juli 2006 geborenes Kind angesprochen. Mit einer fortgeschrittenen Schwangerschaft lässt sich somit nicht erklären, warum die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Gültigkeit des Visums im September 2005 in Österreich geblieben ist.

Ausgehend von den schlüssigen behördlichen Feststellungen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig. Dass aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG und auch eine Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG abzuleiten sind, keine Ansprüche aus dem Gemeinschaftsrecht und aus dem Beschluss des (durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten) Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, bestehen, der Vorwurf einer Verfassungswidrigkeit des § 9 FPG nicht zutrifft sowie für die in Zweifelsfällen geforderte Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates kein Raum bleibt, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa jüngst im Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0373, ausgesprochen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Dort hat der Gerichtshof auch dargelegt, dass in solchen Konstellationen das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei und dem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht entgegenstehe. Auch wenn im vorliegenden Fall behauptetermaßen neben dem Ehemann der Beschwerdeführerin auch deren Vater und Geschwister in Österreich leben und der Vater und der Bruder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, und auch wenn die älteren Kinder der Beschwerdeführerin hier in die Schule gehen, hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Richtigkeit der behördlichen Interessenabwägung. Zum einen wurden die Niederlassungsbewilligungsanträge auch der Kinder rechtskräftig abgewiesen, zum anderen kann wegen des kurzen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin samt ihrer (älteren) Kinder in Österreich in der Dauer von weniger als einem Jahr bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von einer maßgeblichen Integration keine Rede sein. Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch keine Hindernisse dafür auf, ein Familienleben in der Türkei zu führen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. April 2007

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht kein innerstaatlicher Anwendungsbereich EURallg7Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007210010.X00

Im RIS seit

30.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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