TE Vwgh Erkenntnis 2007/4/25 2006/08/0235

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2007
beobachten
merken

Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;

Norm

ASVG §101;
ASVG §412;
BPGG 1993 §24;
BPGG 1993 §27 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner u. a., Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Juni 2006, Zl. SV(SanR)-414711/2-2006-J/Pü, betreffend Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 27 Abs. 5 BPGG (mitbeteiligte Partei: W in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt hat mit Bescheid vom 10. Jänner 2006 den Antrag des Mitbeteiligten vom 28. November 2005 auf rückwirkende Richtigstellung der mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 15. Jänner 1997 erfolgten Ablehnung der Zuerkennung des Pflegegeldes abgelehnt. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 Einspruch. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Einspruch Folge, hob den Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom 10. Jänner 2006 auf und gewährte dem Mitbeteiligten rückwirkend ab 1. November 1996 bis einschließlich März 2005 Pflegegeld in Höhe der Stufe 1.

Am 25. November 2005 sei zwischen dem Mitbeteiligten und der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt in einem über einen neuerlichen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahren ein Vergleich über die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. April 2005 geschlossen worden. Dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen vom 20. Juli 2005 zufolge sei bereits im Jahr 1996 ein Pflegebedarf des Mitbeteiligten von 60 Stunden und daher die Pflegestufe 1 vorgelegen. Diesen Feststellungen schließe sich die belangte Behörde (aus näher ausgeführten Gründen) an.

Gemäß § 27 Abs. 5 BPGG sei, wenn sich nachträglich ergebe, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehen zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht worden sei, mit Wirkung vom Tag der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen. Der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sei in dem das Pflegegeld ablehnenden Bescheid vom 15. Jänner 1997 ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt unterlaufen. Dieser Irrtum habe sich auf Grund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens nachträglich herausgestellt. Dem Einspruch sei Folge zu geben und der gesetzliche Zustand in der Form herzustellen, dass dem Mitbeteiligten rückwirkend Pflegegeld im angegebenen Umfang gewährt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Ausführung einer Gegenschrift. Sie merkte lediglich an, dass der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt "zuzustimmen ist, dass (die belangte Behörde) ... als eine für Leistungsstreitsachen unzuständige Behörde entschieden hat, soweit im Spruch des angefochtenen Bescheides der Ausspruch auf Pflegegeld ausgesprochen wird".

Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ergibt sich nachträglich, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist gemäß § 27 Abs. 5 BPGG mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen. Da die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, eine Verwaltungssache ist, die Herstellung dieses Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache, hat sich der mit Einspruch angerufene Landeshauptmann auf die Frage der Zulässigkeit der Herstellung des gesetzlichen Zustandes zu beschränken und dem Sozialversicherungsträger gegebenenfalls die Herstellung, dass heißt die Erlassung eines neuen Leistungsbescheides aufzutragen, wobei der den Auftrag zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes aussprechende Bescheid den abzuändernden Leistungsbescheid beseitigt (vgl. das zu § 101 ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2005/08/0034). Das gilt auch im Verfahren nach § 27 Abs. 5 BPGG.

Die gemäß § 24 BPGG iVm § 412 ASVG zuständige belangte Behörde hat im Spruch des in Beschwerde gezogenen Bescheides dem vom Mitbeteiligten erhobenen Einspruch Folge gegeben, den Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom 10. Jänner 2006 aufgehoben und dem Mitbeteiligten Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 rückwirkend ab 1. November 1996 bis einschließlich März 2005 gewährt. Die belangte Behörde hat somit der Sache nach den erstinstanzlichen Bescheid abgeändert und über die Leistungssache entschieden. Damit hat die nur für Verwaltungssachen zuständige belangte Behörde (vgl. § 24 BPGG iVm § 412 Abs. 1 erster Satz ASVG) aber ihre Zuständigkeit, die darauf beschränkt ist festzustellen, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder wegen eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, überschritten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. April 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080235.X00

Im RIS seit

23.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten