TE Vfgh Erkenntnis 2002/10/10 G229/02 ua, V55/02 ua

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Veröffentlicht am 10.10.2002
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Index

L3 Finanzrecht
L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc
FAG 1997 §15 Abs3 Z5
KanalabgabenO der Stadtgemeinde Bruck a, d. Mur vom 04.06.92 idF vom 10.12.98
MüllabfuhrO der Stadtgemeinde Bruck a, d. Mur vom 11.06.91 idF vom 10.12.98
Stmk AbfallwirtschaftsG §16 Abs5, Abs6
Stmk GdO 1967 §92
Stmk KanalabgabenG 1955 §6 Abs2

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des Stmk Kanalabgabengesetzes und des Stmk Abfallwirtschaftsgesetzes über die landesgesetzliche Ermächtigung zur Einhebung von Benützungsgebühren durch die Gemeinden infolge verfassungswidriger Beschränkung des durch das FAG 1997 eingeräumten Freiraumes; Aufhebung der Kanalgebührenordnung und der Müllabfuhrordnung der Stadt Bruck an der Mur mangels ordnungsgemäßer Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel

Spruch

I. §6 Abs2 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955 LGBl. Nr. 71 (in der Fassung der Kanalabgabengesetznovelle 1986 LGBl. Nr. 67) und §16 Abs5 und 6 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, Anlage zur Kundmachung LGBl. Nr. 5/1991, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann der Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Als gesetzwidrig werden aufgehoben:

1. die Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 4. Juni 1992, kundgemacht durch Auflage in einem Raum des Stadtamtes Bruck a.d. Mur vom 9. Juni 1992 bis zum 24. Juni 1992, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bruck a. d. Mur vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8510-1998/Ru, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. Dezember 1998 bis zum 28. Dezember 1998,

2. die Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 11. Juni 1991, kundgemacht durch Auflage in einem Raum des Stadtamtes Bruck a.d. Mur vom 13. Juni 1991 bis zum 27. Juni 1991, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8520-1998/Ru, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. Dezember 1998 bis zum 28. Dezember 1998.

Die Aufhebungen treten mit Ablauf des 31. März 2003 in Kraft.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die beschwerdeführende Kammer ist Eigentümerin einer Liegenschaft im Gebiet der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur und wird als solche für Kanalbenützungs- und für Müllabfuhrgebühren herangezogen. Aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt sich, daß die Liegenschaft der Beschwerdeführerin teils unbebaut, teils bebaut ist und daß das Gebäude für Wohn- oder betriebliche Zwecke bestimmt ist, es sich dabei aber nicht um einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handelt. Es ergibt sich daraus weiters, daß der Beschwerdeführerin für die Müllabfuhr ein Restmüllgefäß von 120 l zur Verfügung gestellt worden ist, das alle 14 Tage entleert wird.

Mit Bescheiden vom 5. Jänner 1999 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur der Beschwerdeführerin eine Kanalbenützungsgebühr von S 21.558,27 und eine Müllabfuhrgebühr von S 2.933,70 (jeweils einschließlich 10 % USt.) vor. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur gab der gegen diese beiden Bescheide gerichteten Berufung mit Bescheid vom 24. Juni 1999 (ausgefertigt unter dem Datum des 25. Juni 1999) keine Folge, nachdem bereits der Bürgermeister eine abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen hatte. Mit Bescheid vom 29. September 1999 wies die Steiermärkische Landesregierung eine Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Berufungsbescheid ab.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §6 Abs2 des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes 1955 LGBl. 71 (in der Fassung der Kanalabgabengesetznovelle 1986 LGBl. 67) und des §16 Abs5 und 6 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, Anlage zur Kundmachung LGBl. 5/1991 (in der Folge: StAWG), entstanden. Weiters sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit folgender Verordnungsbestimmungen entstanden:

1. des §3 Abs1 lita und c der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 4. Juni 1992 (in der Folge: KanalabgabenO), kundgemacht durch Auflage in einem Raum des Stadtamtes Bruck a.d. Mur vom 9. Juni 1992 bis zum 24. Juni 1992, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bruck a. d. Mur vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8510-1998/Ru, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. Dezember 1998 bis zum 28. Dezember 1998,

2. des §8 Abs2 der Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Bruck a. d. Mur vom 11. Juni 1991 (in der Folge: MüllabfuhrO), kundgemacht durch Auflage in einem Raum des Stadtamtes Bruck a.d. Mur vom 13. Juni 1991 bis zum 27. Juni 1991, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8520-1998/Ru, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. Dezember 1998 bis zum 28. Dezember 1998.

2.2. Die Steiermärkische Landesregierung hat davon abgesehen, eine Stellungnahme zu erstatten.

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur hat eine Äußerung erstattet, in der er die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen verteidigt und beantragt, die Verordnungsprüfungsverfahren einzustellen, in eventu, die Verordnungen nicht als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu - für den Fall der Aufhebung - eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

3.1. §15 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996 (in der Folge: FAG 1997) lautet auszugsweise:

"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. - 4. ...

5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

3.2.1. §92 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 (GemO) lautet auszugsweise:

"§92 Verordnungen der Gemeinde

(1) Verordnungen der Gemeinde bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung. Die Kundmachung ist vom Bürgermeister binnen 2 Wochen nach der Beschlußfassung durch Anschlag an der Amtstafel durchzuführen. Die Kundmachungsfrist beträgt 2 Wochen. Die Rechtswirksamkeit solcher Verordnungen beginnt, soweit nicht anderes bestimmt wird, mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tage. Bei Gefahr im Verzug kann in der Verordnung bestimmt werden, daß sie mit der Kundmachung rechtswirksam wird.

(2) Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zuläßt, sind im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufzulegen. Die Auflegung ist nach Abs1 kundzumachen.

(3) ..."

Durch die Novelle LGBl. 1/1999 wurde an §92 Abs1 GemO ein Satz angefügt, und zwar mit Wirkung ab 1. Feber 1999 (ArtII Abs1 der Novelle); er ist schon deshalb für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.

3.2.2. Das Steiermärkische KanalabgabenG 1955 lautet auszugsweise (der in Prüfung genommene Teil ist hervorgehoben):

"Kanalbenützungsgebühren.

§6. (1) Die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen (Kanalbenützungsgebühren) obliegt dem freien Beschlußrechte der Gemeinden.

(2) Die Kanalbenützungsgebühren dürfen das Jahreserfordernis für Instandhaltung und Betrieb der Kanalanlage, einschließlich zu leistender Annuitäten für die Rückzahlung von Darlehen, die für Errichtung, die Erweiterung, den Umbau oder die Erneuerung der technischen Einrichtungen der öffentlichen Kanalanlage aufgenommen worden sind, sowie die Bildung einer angemessenen Erneuerungsrücklage, nicht überschreiten.

(3) ...

Kanalabgabenordnung.

§7.(1) In jeder Gemeinde mit einer öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalabgabenordnung zu beschließen, welche zu enthalten hat:

a) ...

b) die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren (§6);

c) ...

d) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühren (§6), erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und Mischwasserkanäle;

e) die Zahlungstermine für die laufenden Kanalbenützungsgebühren.

(2) Die Kanalabgabenordnung sowie allfällige spätere Änderungen oder Ergänzungen sind nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung zwei Wochen hindurch öffentlich kundzumachen und treten, sofern nicht anderes bestimmt wird, mit dem dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Monatsersten in Kraft."

§6 Abs2 KanalabgabenG erhielt seine Fassung durch die Kanalabgabengesetznovelle 1986 LGBl. 67.

3.2.3. Das StAWG lautet auszugsweise (die in Prüfung genommenen Teile sind hervorgehoben):

"§15 Müllabfuhrordnung

Der Gemeinderat hat über die Besorgung der öffentlichen Müllabfuhr eine Müllabfuhrordnung auf Basis des Abfallwirtschaftsplanes nach §18 durch Verordnung zu beschließen, die insbesondere zu enthalten hat:

1. - 8. ...

9. die Höhe der Kostenersätze und die Einhebung der Müllabfuhr- und Abfallbehandlungsgebühren (§16);

10. ...

§16 Gebühren

(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der öffentlichen Müllabfuhr Gebühren einzuheben, wobei sich diese auch an den Grundsätzen der Abfallvermeidung zu orientieren haben.

(2) - (3) ...

(4) Die Berechnung der Höhe der Gebühr hat nach beigestelltem Behältervolumen und der Anzahl der Entleerungen oder gewichtsbezogen zu erfolgen, wobei in der Müllabfuhrordnung eine jedenfalls zu entrichtende Grundgebühr festzulegen ist. Für zusätzliche Leistungen bei der Abholung des Abfalls kann eine gesonderte Gebühr verrechnet werden.

(5) Die Benützungsgebühr ist so festzulegen, daß der voraussichtliche Jahresertrag das jährliche Erfordernis bedeckt (Kostendeckung). Zum Erfordernis zählen

a) die Maßnahmen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung einschließlich notwendiger Öffentlichkeitsarbeit (Abfallberatung),

b) die Erhaltung und der Betrieb der öffentlichen Müllabfuhr einschließlich der Abfallbehandlung,

c) die Schuldendienstleistungen für die für die jeweilige Einrichtung aufgenommenen Darlehen,

d) die Bildung von Instandhaltungs- und Erneuerungs- sowie allfälligen Erweiterungsrücklagen,

e) der Ausgleichsbeitrag, sofern ein solcher von der Landesregierung gemäß §6 Abs7 lite verordnet wurde.

(6) Die Gebühreneinnahmen dürfen insgesamt auf keinen Fall jene Kosten, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung ihrer Aufgaben erwachsen, übersteigen.

(7) - (9) ..."

3.3.1. Die KanalabgabenO lautet auszugsweise:

"Abgabenberechtigung

§1

Aufgrund des Gesetzes vom 28. Juni 1955 über die Erhebung der Kanalabgaben durch die Gemeinden des Landes Steiermark (Kanalabgabengesetz 1955), LGBl. Nr. 71/1955 i.d.g.F. erhebt die Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag), sowie laufende Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen (Kanalbenützungsgebühren).

Kanalisationsbeitrag

§2

(1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatzes (Abs2), wobei Dachgeschosse und Kellergeschosse je zur Hälfte eingerechnet werden;

Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßanzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet.

(2) ...

(3) Zu den vorstehend genannten Einheitssätzen gelangt noch die gesetzliche, vom Abgabepflichtigen zu tragende, Mehrwertsteuer zur Verrechnung.

Kanalbenützungsgebühr

§3

(1) Für die Berechnung der jährlichen Kanalbenützungsgebühr beträgt der Einheitssatz ohne Mehrwertsteuer

a) grundsätzlich S 11,22

b) für nicht Wohnzwecken dienende Gebäude (Gebäudeteile) land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und für die dazugehörigen Hofflächen, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt, S 5,61

c) für unbebaute Flächen mit künstlicher Entwässerung in die vffentliche Kanalanlage S 1,12

(2) Für die Berechnung der jährlichen Kanalbenützungsgebühr gilt das zu " 2 Abs1 ausgeführte sinngemäß.

(3) Der §2 Abs3 kommt zur Anwendung."

Vom 9. bis zum 24. Juni 1992 wurde an den Amtstafeln der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur eine "Öffentliche Kundmachung" angeschlagen, die sich auf §92 Abs1 und 2 GemO berief und im entscheidenden Teil wie folgt lautete:

"Der Gemeinderat der Stadt Bruck a.d. Mur hat in seiner ordentlichen und öffentlichen Sitzung vom 4.6.1992 unter Punkt 30) der Tagesordnung eine Neufassung der Kanalabgabenordnung beschlossen. Diese Kanalabgabenordnung tritt mit dem dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Monatsersten in Wirksamkeit und liegt vom 9.6.1992 bis einschließlich 23.6.1992 im Stadtamt Bruck a.d. Mur, Steuerabteilung, I. Stock, Zimmer 8, zur öffentlichen Einsicht auf."

In anderer Weise wurde die Stammfassung der KanalabgabenO nicht kundgemacht.

Die in §3 Abs1 KanalabgabenO genannten Tarife wurden in der Folge mehrmals angehoben, und zwar durch die Verordnungen vom 14. Dezember 1992 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. bis zum 30. Dezember 1992), vom 12. Dezember 1996 (angeschlagen vom 13. bis zum 27. Dezember 1996) und vom 10. Dezember 1998 (angeschlagen vom 11. bis zum 28. Dezember 1998). Mit Verordnung vom 7. April 1994 (angeschlagen vom 11. bis zum 26. April 1994) wurde auch der Text des §3 Abs1 litb KanalabgabenO geändert, sodaß er wie folgt lautet:

"für nicht Wohnzwecken dienende Gebäude (Gebäudeteile) land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, Hofflächen, und für Gebäude, die nicht für wohn- oder betriebliche Zwecke bestimmt sind, soferne deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt".

Bei dieser Neufassung wurde der Einheitssatz nicht angeführt; dies wurde - wie sich aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates ergibt - "wegen dessen laufender Änderung" für entbehrlich gehalten.

Die Verordnung vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8510-1998/Ru, lautet auszugsweise:

"Der Gemeinderat der Stadt Bruck a.d. Mur hat in seiner ordentlichen und öffentlichen Sitzung am 10.12.1998 unter Ziffer 28.) der Tagesordnung nachstehend angeführte Erhöhung der Kanalbenützungsgebühren beschlossen:

                                   ab 1.1.1999        ab 1.1.2000

a) grundsätzlich                   von dzt. S 13,21   von S 13,87

                                        auf S 13,87   auf S 14,56

b) für nicht Wohnzwecken dienende

   Gebäude (Gebäudeteile) land- und

   forstwirtschaftlicher Betriebe,

   Hofflächen, und für Gebäude, die

   nicht für wohn- oder betriebliche

   Zwecke bestimmt sind, soferne deren

   Entwässerung durch die öffentliche

   Kanalanlage erfolgt

                                   von dzt. S 6,60   von S 6,93

                                        auf S 6,93   auf S 7,28

c) für unbebaute Flächen mit

   künstlicher Entwässerung in die

   öffentliche Kanalanlage

                                   von dzt. S 1,31   von S 1,38

                                        auf S 1,38   auf S 1,45

Zu diesen Einheitssätzen kommt noch die jeweilige Mehrwertsteuer."

Mit Verordnung des Gemeinderates vom 16. November 2000 wurde die KanalabgabenO neuerlich novelliert; dies hat jedoch für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.

3.3.2. Die MüllabfuhrO lautet auszugsweise:

"§8

Gebühren

(1) Die Müllabfuhrgebühr berechnet sich nach dem beigestellten Behältervolumen für Restmüll und der Anzahl der Entleerungen. Eine Grundgebühr ist dabei insoferne berücksichtigt, daß im §4 Abs4 dieser Müllabfuhrordnung ein Mindestvolumen für Restmüllbehälter vorgeschrieben wird.

(2) Die Gebühr (Grundgebühr u. Abfuhrgebühr) beträgt S 0,35 exkl. MWSt. je Volumensliter, des zur Verfügung gestellten Restmüllbehälters und Entleerung. Dies ergibt bei

   80 l Restmüllgefäß-14-tägige Entleerung-S    732,-- exkl.MWSt.

   60 l Restmüllsack -wöchentl. Entleerung-S  1.404,--  - " -

   80 l Restmüllgefäß-   - " -            -S  1.452,--  - " -

  120 l - " -            - " -            -S  2.184,--  - " -

  240 l - " -            - " -            -S  4.368,--  - " -

  770 l - " -            - " -            -S 14.016,--  - " -

1.100 l - " -            - " -            -S 20.016,--  - " -

   60 l Restmüllsack (zusätzl. Sackabfuhr)-S     27,--  - " -

(3) ...

(4) Zu sämtlichen vorstehend angeführten Gebühren kommt noch die jeweils gültige gesetzliche Umsatzsteuer."

Vom 13. bis zum 27. Juni 1991 wurde an den Amtstafeln der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur eine "Öffentliche Kundmachung" angeschlagen, die sich auf §92 Abs1 und 2 GemO berief und im entscheidenden Teil wie folgt lautete:

"Der Gemeinderat der Stadt Bruck a.d. Mur hat in seiner ordentlichen und öffentlichen Sitzung am 11.6.1991 unter Punkt 6) der Tagesordnung mit Wirksamkeit 1.7.1991 eine Neuordnung der Müllabfuhrordnung beschlossen.

Die Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur vom 11.6.1991 liegt innerhalb der Kundmachungsfrist vom 13.6. - 27.6.1991 während der Amtsstunden im Stadtamt Bruck a.d. Mur, I. Stock, Zimmer Nr. 8, zur öffentlichen Einsicht auf."

In anderer Weise wurde die Stammfassung der MüllabfuhrO nicht kundgemacht.

Die Verordnung vom 9. Juni 1994 (kundgemacht durch Anschlag vom 13. bis zum 28. Juni 1994) enthielt als lite folgenden Text:

"§8 Abs2 hat zu lauten:

' Die Gebührensätze in §8 Abs2 haben wie folgt zu lauten:

   60 l Restmüllsack   14-tägige Entleerung ...... S  1.288,--

   80 l Restmüllgefäß        - " -          ...... S  1.330,--

  120 l Restmüllgefäß        - " -          ...... S  2.006,--

  240 l Restmüllgefäß        - " -          ...... S  4.002,--

  770 l Restmüllgefäß        - " -          ...... S 12.830,--

1.100 l Restmüllgefäß        - " -          ...... S 18.322,--

   60 l Restmüllsack   (zusätzl. Sackabfuhr)...... S     25,--

   60 l Biomüllsack    (einm. Abfuhr)       ...... S     23,--

Bei 4-wöchentlicher Abfuhr halbieren sich, bei wöchentlicher Abfuhr verdoppeln sich die vorangeführten Gebührensätze."

Die in §8 Abs2 MüllabfuhrO genannten Tarife wurden mehrmals angehoben, und zwar durch die Verordnungen vom 14. Dezember 1992 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 15. bis zum 30. Dezember 1992), vom 14. Dezember 1995 (angeschlagen vom 15. Dezember 1995 bis zum 2. Jänner 1996), vom 12. Dezember 1996 (angeschlagen vom 13. bis zum 27. Dezember 1996), vom 11. Dezember 1997 (angeschlagen vom 12. bis zum 29. Dezember 1997) und vom 10. Dezember 1998 (angeschlagen vom 11. bis zum 28. Dezember 1998).

Die Verordnung vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8520-1998/Ru, lautet auszugsweise:

"Der Gemeinderat der Stadt Bruck a.d. Mur hat in seiner ordentlichen und öffentlichen Sitzung am 10.12.1998 unter Ziffer 27.) der Tagesordnung nachstehend angeführte Erhöhung der Müllabfuhrgebühren beschlossen:

Die jährlichen Müllabfuhrgebühren ab 1.1.1999 betragen daher gerundet bei 14-tägiger Abfuhr:

                          Netto:      + 10%Mwst.   =  inkl. Mwst.        bisher

   60 l Restmüll-Sack   S   1.712,-  S    171,20   = S   1.883,20      S  1.793,00

   80 l Restmüll        S   1.766,-  S    176,60   = S   1.942,60      S  1.850,20

  120 l Restmüll        S   2.667,-  S    266,70   = S   2.933,70      S  2.794,00

  240 l Restmüll        S   5.324,-  S    532,40   = S   5.856,40      S  5.577,00

  770 l Restmüll        S  17.071,-  S  1.707,10   = S  18.778,10      S 17.883,80

1.100 l Restmüll        S  24.375,-  S  2.437,50   = S  26.812,50      S 25.535.40

   60 l Restmüllsack

     (zusätzl.Abfuhr)   S      33,64       3,36    = S      37,00      S     35,00

   60 l Biomüllsack

     (einmalige Abfuhr) S      34,55       3,45    = S      38,00      S     36,00

Bei vierwöchentlicher Abfuhr halbieren und bei wöchentlicher Abfuhr verdoppeln sich die vorangeführten Beträge."

Mit Verordnung des Gemeinderates vom 13. Dezember 2001 wurde die MüllabfuhrO neuerlich novelliert; dies hat jedoch für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. In seinem Einleitungsbeschluß nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig sei, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides §3 Abs1 lita und c KanalabgabenO und §8 Abs2 MüllabfuhrO angewandt habe und daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden habe.

Der Verfassungsgerichtshof nahm weiters vorläufig an, daß §3 Abs1 lita und c KanalabgabenO ihre gesetzliche Grundlage in §6 Abs2 KanalabgabenG hätten und daß er diese gesetzliche Bestimmung bei der Beurteilung der in Prüfung gezogenen Teile der KanalabgabenO anzuwenden habe (Hinweis auf VfSlg. 15395/1998, 15683/1999, 15887/2000).

Schließlich nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß §8 Abs2 MüllabfuhrO seine gesetzliche Grundlage in §16 Abs5 und 6 StAWG habe und daß er diese gesetzlichen Bestimmungen bei der Beurteilung der in Prüfung gezogenen Teile der MüllabfuhrO anzuwenden habe (wieder Hinweis auf VfSlg. 15395/1998, 15683/1999, 15887/2000).

1.2. In den Verfahren ist nichts vorgebracht worden oder sonst hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß diese Annahmen zutreffen.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Verordnung- und die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Zu den Gesetzesprüfungsverfahren:

2.1.1. Zu §6 Abs2 KanalabgabenG:

2.1.1.1. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof gegen '6 Abs2 KanalabgabenG das Bedenken, daß diese Bestimmung den der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren gemäß §15 Abs3 Z5 FAG 1997 bundesgesetzlich eingeräumten Freiraum in verfassungswidriger Weise beschränke. Diese Bestimmung ermächtigt die Gemeinden, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen auszuschreiben, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, und zwar bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 2001, B260/01, dargelegt, daß gegen diese Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, daß sie jedoch - verfassungskonform ausgelegt - zur Ausschreibung von Gebühren, deren mutmaßlicher Jahresertrag das einfache Jahreserfordernis übersteigt, nur dann ermächtigt, wenn dafür Gründe maßgeblich sind, die mit der betreffenden Einrichtung oder Anlage in einem inneren Zusammenhang stehen.

Wörtlich führte der Gerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß aus:

"Nach §6 Abs2 KanalabgabenG dürfen die Kanalbenützungsgebühren das einfache Jahreserfordernis nicht überschreiten (wenngleich das 'Jahreserfordernis' etwas abweichend von §15 Abs3 Z5 FAG 1997 umschrieben ist). Zwar ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine landesgesetzliche Ermächtigung zur Einhebung von Benützungsgebühren zusätzlich zur bundesgesetzlichen Ermächtigung zulässig, jedoch darf sie die bundesgesetzliche Ermächtigung nur konkretisieren und nicht einschränken (zB VfSlg. 2170/1951, 11294/1987, 15887/2000 mwN, 15914/2000, 16022/2000 mwN).

§6 Abs2 KanalabgabenG - der den jährlichen Gebührenertrag mit dem einfachen Jahreserfordernis zuzüglich einer Erneuerungsrücklage beschränkt - dürfte daher den der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren bundesgesetzlich eingeräumten Freiraum in verfassungswidriger Weise beschränken, da §15 Abs3 Z5 FAG 1997 die Gemeinden ermächtigt, Gebühren mit einem Jahresertrag bis zum doppelten Jahreserfordernis auszuschreiben."

2.1.1.2. Dieses Bedenken hat sich als zutreffend erwiesen: §6 Abs2 KanalabgabenG schränkt den Freiraum ein, den §15 Abs3 Z5 FAG 1997 der Gemeinde einräumt.

Der Verfassungsgerichtshof hatte sich jedoch der Frage zuzuwenden, ob diese Beschränkung zur Verfassungswidrigkeit des §6 Abs2 KanalabgabenG führt oder ob etwa die weitergehende bundesgesetzliche Ermächtigung vorgehe, sei es, daß sie der - älteren - landesgesetzlichen Vorschrift derogiert habe, sei es, daß die Gemeinde von zwei Ermächtigungen jedenfalls die weitergehende in Anspruch nehmen dürfe.

Diese Frage ist aufgrund der bisherigen Rechtsprechung eindeutig zu beantworten: Der Verfassungsgerichtshof hat in einer solchen Situation das Landesgesetz auch dann als verfassungswidrig angesehen, wenn es älter war als das jeweils heranzuziehende Finanzausgleichsgesetz (zB VfSlg. 2170/1951, 11294/1987, 15107/1998, 15887/2000). Das gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem das FAG 1997 sich inhaltlich von jenem Finanzausgleichsgesetz unterscheidet, das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des §6 Abs2 KanalabgabenG in Geltung stand, in dem die landesgesetzliche Vorschrift also erst aufgrund des Inkrafttretens der späteren bundesgesetzlichen Vorschrift (hier des Finanzausgleichsgesetzes 1993) verfassungswidrig wurde (invalidierte). Dieser Fall - in dem das Landesgesetz den Freiraum der Gemeinden beschränkt - ist von jenem Fall zu unterscheiden, in dem das Landesgesetz selbst nur einen Teil dieses Freiraums näher determiniert, ihn aber im übrigen unberührt läßt (wie in VfSlg. 8077/1977, S 493). Anders läge der Fall auch dann, wenn die landesgesetzliche Ermächtigung weiter reichte als die bundesgesetzliche: Denn dafür sieht §15 Abs3 FAG 1997 (ebenso wie die Vorgängerbestimmungen) einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten "weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung" vor (vgl. oben Pkt. I.3.1.).

§6 Abs2 KanalabgabenG ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.

2.1.2. Zu §16 Abs5 und 6 StAWG:

2.1.2.1. Gegen §16 Abs5 und 6 StAWG hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß auch diese Bestimmungen den der Gemeindevertretung bei der Ausschreibung von Benützungsgebühren gemäß §15 Abs3 Z5 FAG 1997 bundesgesetzlich eingeräumten Freiraum in verfassungswidriger Weise beschränkten. Dazu führte der Gerichtshof aus:

"§16 StAWG ermächtigt die Gemeinden, für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der öffentlichen Müllabfuhr Gebühren einzuheben (§16 Abs1 StAWG). Die Benützungsgebühr ist gemäß §16 Abs5 StAWG so festzulegen, daß der voraussichtliche Jahresertrag das jährliche Erfordernis bedeckt. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß damit nicht bloß eine Mindesthöhe des Jahresertrages normiert wird, sondern der (voraussichtliche) Jahresertrag der Gebühr so exakt bestimmt wird, wie dies bei einer Prognoseentscheidung möglich ist, daß mit dem Wort 'bedeckt' also eine genaue Deckung verlangt und eine Überdeckung verboten wird. §16 Abs5 StAWG dürfte daher den mutmaßlichen Jahresertrag mit dem einfachen Jahreserfordernis beschränken. §16 Abs6 StAWG scheint, indem er auf die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit abstellt, diese Einschränkung zu wiederholen.

Da §15 Abs3 Z5 FAG 1997 grundsätzlich Gebühren bis zum doppelten Jahreserfordernis zuläßt, hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß §16 Abs5 und 6 StAWG die bundesgesetzliche Ermächtigung in verfassungswidriger Weise einschränken und daher aus denselben Gründen verfassungswidrig sind, wie der Verfassungsgerichtshof dies für §6 Abs2 KanalabgabenG annimmt.

Aber auch wenn §16 Abs5 StAWG bloß eine Mindesthöhe des Jahresertrages normieren sollte - dies wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein -, hat der Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen §16 Abs6 StAWG: Dann dürfte es nämlich diese Bestimmung sein, die eine Höchstgrenze der Einnahmen festlegt, weil danach die Gebühreneinnahmen insgesamt auf keinen Fall jene Kosten übersteigen dürfen, die der Gemeinde bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung ihrer Aufgaben erwachsen.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß es für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung hat, ob diese in §16 Abs6 StAWG genannten Kosten dem einfachen Jahreserfordernis des §15 Abs3 Z5 FAG 1997 entsprechen oder in anderer Weise zu berechnen sind. Es scheint nämlich, daß der Landesgesetzgeber das freie Beschlußrecht der Gemeinde nicht in einer Weise beschränken darf, die sie daran hindert, von dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung in vollem Ausmaß Gebrauch zu machen ... und daher - den geforderten inneren Zusammenhang vorausgesetzt - Einnahmen bis zum doppelten Jahreserfordernis vorzusehen. §16 Abs6 StAWG dürfte die Gemeinde aber in genau dieser Weise hindern, weil es scheint, daß die darin genannten Kosten jedenfalls unter dem doppelten Jahreserfordernis liegen.

Da §15 Abs3 Z5 FAG 1997 grundsätzlich Gebühren bis zum doppelten Jahreserfordernis zuläßt, hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß §16 Abs6 StAWG die bundesgesetzliche Ermächtigung in verfassungswidriger Weise einschränkt und daher aus denselben Gründen verfassungswidrig ist, wie der Verfassungsgerichtshof dies für §6 Abs2 KanalabgabenG annimmt."

2.1.2.2. Auch die Bedenken gegen §16 Abs5 und 6 StAWG haben sich bestätigt:

Nach §16 Abs5 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes, LGBl. 7/1987, war die Höhe der Benützungsgebühr so festzulegen, "daß der mutmaßliche Jahresertrag das jährliche Erfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der öffentlichen Müllabfuhr, die Müllsammlung sowie die allfällige Müllbehandlung sowie für die Verzinsung, Amortisation und für die Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer für solche Einrichtungen entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt". Durch ArtI Z28 des Gesetzes, mit dem das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz und die Steiermärkische Bauordnung 1968 geändert werden, LGBl. 68/1990, erhielt §16 Abs5 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes jene Fassung, in der er 1991 - von einer geringfügigen stilistischen Änderung abgesehen - als §16 Abs5 StAWG wiederverlautbart wurde. Nach den "Bemerkungen" zur Regierungsvorlage zu dieser Novelle "erfolgte eine Neuordnung und Ergänzung der Erfordernisse" (98 BlgStmkLT 11. GP 20). Die "Bemerkungen" erläutern nicht, weshalb der Ausdruck "nicht übersteigt" durch das Wort "bedeckt" ersetzt wurde. Der Verfassungsgerichtshof zieht daraus den Schluß, daß dieser Ersetzung keine inhaltliche Bedeutung zukommt, daß somit §16 Abs5 StAWG (auch) eine Überdeckung verbietet. §16 Abs5 StAWG hat daher (weiterhin) den Inhalt, den Jahresertrag der Benützungsgebühr mit dem einfachen Jahreserfordernis zu beschränken. §16 Abs6 StAWG wiederholt diese Anordnung.

Diese Bestimmungen sind somit aus denselben Gründen wie §6 Abs2 KanalabgabenG verfassungswidrig und daher aufzuheben.

2.1.3. Der Ausspruch über die Verpflichtung des Landeshauptmanns der Steiermark zur unverzüglichen Kundmachung - hinsichtlich der aufgehobenen Bestimmungen beider Landesgesetze - stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG.

2.2. Zu den Verordnungsprüfungsverfahren:

2.2.1.1. Gegen §3 Abs1 lita und c der KanalabgabenO hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß diese Bestimmungen auf einer - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annahm - verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung beruhten, nämlich auf §6 Abs2 KanalabgabenG. Ebenso hegte der Verfassungsgerichtshof gegen §8 Abs2 der MüllabfuhrO das Bedenken, daß auch diese Bestimmung auf - wie der Verfassungsgerichtshof gleichfalls vorläufig annahm - verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen beruhe, nämlich auf §16 Abs5 und 6 StAWG.

Zu §8 Abs2 MüllabfuhrO führte der Gerichtshof weiter aus:

"Der Verfassungsgerichtshof deutet die Verordnung vom 9. Juni 1994 vorläufig dahin, daß sie die Einleitung des §8 Abs2 MüllabfuhrO unberührt gelassen hat. Er zieht §8 Abs2 MüllabfuhrO zur Gänze in Prüfung, weil präjudiziell der Einleitungssatz mit der Grundregel sowie jene Zeile des Tarifs sein dürften, die ein 120-l-Restmüllgefäß betrifft, weil aber der Rest des Absatzes mit dem Einleitungssatz anscheinend in untrennbarem Zusammenhang steht."

2.2.1.2. Diese Bedenken haben sich im Ergebnis nicht als zutreffend erwiesen:

Da §6 Abs2 KanalabgabenG und §16 Abs5 und 6 StAWG verfassungswidrig sind (s. oben Pkt. 2.1.1.2. und 2.1.2.2.), beruhen die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen zwar auf verfassungswidrigen Gesetzen. Der Verfassungsgerichtshof führte jedoch schon im Prüfungsbeschluß aus, es werde nach dem Ergebnis der Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein, welche Auswirkung eine allfällige Gesetzesaufhebung auf die Gesetzmäßigkeit der Verordnungen habe. Nach der Aufhebung des §6 Abs2 KanalabgabenG und des §16 Abs5 und 6 StAWG kann der Verfassungsgerichtshof sein Bedenken, §3 Abs1 lita und c der KanalabgabenO und §8 Abs2 der MüllabfuhrO beruhten auf verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen, nicht aufrecht erhalten. Die Verordnungsbestimmungen können sich in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf §15 Abs3 Z5 FAG 1997 stützen (vgl. VfSlg. 15107/1998).

2.2.2.1.1.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen §3 Abs1 lita und c der KanalabgabenO auch noch das Bedenken, daß die KanalabgabenO nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei. Denn an der Amtstafel sei nicht die Stammfassung der KanalabgabenO angeschlagen worden, sondern nur eine Kundmachung, in der darauf hingewiesen worden sei, daß der Text der KanalabgabenO in einem Zimmer des Stadtamtes zur Einsicht aufliege. Dazu führte der Gerichtshof aus:

"§7 Abs2 KanalabgabenG schreibt vor, daß die Kanalabgabenordnung 'nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung ... öffentlich kundzumachen' ist. Nach §92 Abs1 GemO müssen Verordnungen der Gemeinde öffentlich kundgemacht werden, und zwar durch Anschlag an der Amtstafel. Nach Abs2 dieser Bestimmung sind Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zuläßt, im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht aufzulegen.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß der Anschlag der geschilderten Kundmachung und die Auflage des Textes der KanalabgabenO in einem Raum des Stadtamtes nicht der Kundmachungsvorschrift des §92 Abs1 GemO, sondern nur jener des Abs2 dieser Bestimmung genügt. Er kann jedoch vorläufig nicht erkennen, daß die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle erfüllt gewesen wären, daß nämlich Umfang oder Art der kundzumachenden Verordnung den Anschlag an der Amtstafel nicht zugelassen hätte. In VfSlg. 14689/1996 hat er eine Kundmachung gemäß §92 Abs2 GemO für 'planerische Darstellungen größeren Umfangs' für zulässig gehalten, und zwar 'entweder wegen ihres Umfangs oder deshalb, weil die planliche Darstellung ihrer Art nach auf die Veranschaulichung größerer Zusammenhänge abzielt, die bei einem, zwangsläufig in mehreren Teilen erfolgenden Anschlag an der Amtstafel beeinträchtigt würde'. Ein Umfang von zwei A4-Seiten - im damaligen Fall - rechtfertigte eine Kundmachung nach §92 Abs2 GemO nicht. Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, daß auch die KanalabgabenO, die vier A4-Seiten umfaßt, ihrem Umfang und ihrer Art nach einen Anschlag an der Amtstafel zugelassen hätte, sodaß die von der Stadtgemeinde gewählte Art der Kundmachung nicht dem Gesetz entsprochen haben dürfte.

Die Verordnung vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8510-1998/Ru, die ihrem Inhalt nach den §3 KanalabgabenO novellierte, wird von diesem Bedenken nicht betroffen (ebenso auch nicht die Verordnung vom 7. April 1994, die den nicht präjudiziellen Teil des §3 KanalabgabenO änderte). Der Verfassungsgerichtshof geht jedoch davon aus, daß die ordnungsgemäße Kundmachung einer Novelle, die sich - wie hier - nur auf geringfügige Teile der Stammverordnung bezieht, den Kundmachungsmangel dieser Stammvorschrift nicht sanieren kann (VfGH 30.11.2001, V66/01)."

2.2.2.1.1.2. Diese Bedenken hegte der Verfassungsgerichtshof auch gegen §8 Abs2 der MüllabfuhrO, freilich mit der Maßgabe, daß das StAWG - anders als das KanalabgabenG - keine Vorschrift über die Kundmachung der Müllabfuhrordnung enthalte, sodaß nur §92 GemO als Maßstab für die ordnungsgemäße Kundmachung heranzuziehen sei. Die MüllabfuhrO umfasse sieben A4-Seiten; auch dieser Umfang dürfte, so meinte der Gerichtshof, eine Kundmachung nach §92 Abs2 GemO nicht rechtfertigen.

Abschließend führte der Gerichtshof aus:

"Die Verordnung vom 9. Juni 1994, durch die §8 Abs2 MüllabfuhrO teilweise neu gefaßt wurde, und die Verordnung vom 10. Dezember 1998, ZII/2/8520-1998/Ru, die ihrem Inhalt nach den §8 Abs2 MüllabfuhrO novellierte, werden von diesem Bedenken nicht betroffen. Ihre ordnungsgemäße Kundmachung dürfte jedoch den Kundmachungsmangel der Stammvorschrift nicht saniert haben. ..."

2.2.2.1.2. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur hielt den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegen, die Kundmachungsformen des §92 Abs1 und 2 GemO seien "als gleichrangig und gleichwertig zu betrachten, da in beiden Fällen die vom Gesetzgeber geforderte Publizitätswirkung erzielt" werde. Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, die Anwendung des §92 Abs2 GemO Verordnungen vorzubehalten, die einen bestimmten Umfang überschritten. Vielmehr müsse es der verordnungserlassenden Behörde vorbehalten bleiben, jene Publikationsform zu wählen, die dem vom Gesetz geforderten Publikationserfolg entspreche. Denn nur diese Behörde könne aufgrund der Auslastung der Amtstafel entscheiden, ob der benötigte Raum an der Amtstafel zum Anschlag der vollständigen Verordnungen vorhanden sei. Die verordnungserlassende Behörde habe jene Kundmachungsform zu wählen, die das Platzangebot an der Amtstafel zulasse. Diese Ansicht werde, so der Gemeinderat der Stadtgemeinde Bruck a.d. Mur, implizit vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 13310/1992 geteilt, in welchem er eine drei A4-Seiten umfassende Verordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf, die ebenfalls durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht im Stadtamt und Kundmachung der Auflegung kundgemacht worden sei, einer Prüfung unterzogen und in diesem Fall die Art der Kundmachung offenbar als gesetzeskonform erachtet habe.

Ausgehend vom zentralen Sinn der Kundmachung und da beide Kundmachungsformen den gleichen Publikationserfolg bewirkten, sei ein allfälliger Fehler in der Auswahl der Kundmachungsform derart geringfügig, daß er für das vorliegende Verfahren irrelevant sei.

2.2.2.2. Nach dem klaren Wortsinn des §92 Abs2 GemO ist die Kundmachung durch Auflage im Gemeindeamt nur bei "Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zuläßt", vorgesehen; von einer Gleichrangigkeit oder Gleichwertigkeit beider Kundmachungsformen bei allen Verordnungen - also ohne Rücksicht auf Art oder Umfang -, wie sie dem Gemeinderat vorzuschweben scheint, kann also keine Rede sein. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß durch beide Kundmachungsformen "der gleiche Publikationserfolg bewirkt" wird, wie der Gemeinderat ausführt. Die Annahme des Gemeinderates von der prinzipiellen Gleichwertigkeit beider Publikationsformen würde dem Relativsatz in §92 Abs2 GemO seinen normativen Sinn nehmen.

Dem Gemeinderat ist einzuräumen, daß das Platzangebot an der Amtstafel nicht beliebig vermehrt werden kann. Das enthebt die zur Kundmachung verpflichtete Behörde - das ist nach §92 Abs1 GemO der Bürgermeister - jedoch nicht der Verpflichtung, für eine ausreichend große Amtstafel zu sorgen, sodaß die üblicherweise erfolgenden Kundmachungen dort Platz finden. Die KanalabgabenO und die MüllabfuhrO gehen über einen solchen Umfang nicht hinaus.

In seinem Erkenntnis VfSlg. 13310/1992, auf das der Gemeinderat hinweist, hat der Verfassungsgerichtshof in der Tat eine Verordnung im Umfang von drei A4-Seiten nur teilweise aufgehoben, obwohl sie gemäß §92 Abs2 GemO kundgemacht worden war. In diesem Erkenntnis ist der Verfassungsgerichtshof jedoch mangels einschlägiger Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichtshofes auf die Frage der korrekten Kundmachungsform überhaupt nicht eingegangen, sodaß daraus keine Schlüsse gezogen werden können. Er hat jedenfalls in seinem Erkenntnis VfSlg. 14689/1996, auf das schon im Prüfungsbeschluß hingewiesen wurde, dargelegt, daß eine Verordnung geringen Umfanges - dort: zwei A4-Seiten - nicht nach §92 Abs2 GemO kundgemacht werden darf.

Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen sind daher nicht gehörig kundgemacht worden.

2.2.3. Nach Art139 Abs3 litc B-VG hat der Verfassungsgerichtshof, wenn er zur Auffassung gelangt, daß die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Da ein Hindernis im Sinne des letzten Satzes des Art139 Abs3 B-VG nicht vorliegt, hat der Verfassungsgerichtshof im Sinne dieser Vorschrift vorzugehen (vgl. ua. VfSlg.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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