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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2007/21/0164 2007/21/0167 2007/21/0166 2007/21/0165Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerden 1. der K,
2. des P, 3. der S, 4. der Ar und 5. der Al, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark jeweils vom 21. März 2007, Zlen. 2 F /560 /2006, 2 F /527 /2006, 2 F /563 /2006, 2 F /562 /2006 und 2 F /561 /2006, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer (Eltern und Kinder, Kosovo-Albaner serbischer Staatsangehörigkeit) gemäß den §§ 31, 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Die annähernd gleichlautenden Begründungen gehen dahin, dass Erst- und Zweitbeschwerdeführer (Eltern) gemeinsam mit der Fünftbeschwerdeführerin am 13. Juli 2003 illegal in einem Kombi versteckt nach Österreich gelangt seien. Sämtliche Asylverfahren der Familienmitglieder seien rechtskräftig mit Abweisung der Asylanträge beendet worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss vom 21. März 2006 (Zlen. 2004/01/0369 und 0370 betreffend Erst-, Zweit- und Fünftbeschwerdeführer) die Behandlung der Beschwerden gegen die letztinstanzlichen Asylbescheide abgelehnt.
Daraus folgerte die belangte Behörde, dass sich alle Beschwerdeführer seit 21. März 2006 unberechtigt im Bundesgebiet aufhielten, weil sie über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl- oder Fremdengesetz verfügten. Auch die beiden in Österreich geborenen Kinder seien derzeit illegal im Bundesgebiet. Der Aufenthalt der Familie werde im Rahmen der Grundversorgung des Sozialressorts des Landes Steiermark aus öffentlichen Mitteln finanziert. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Im Hinblick auf die nicht nur geringfügige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und wegen des Fehlens von Umständen, die gegen die Ausweisung sprächen, könne der Ansicht der Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, dass die Fremdenpolizeibehörde bei pflichtgemäßer Ermessensausübung von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen hätte.
Angesichts des noch keineswegs langen Aufenthaltes in der Dauer von ca. dreieinhalb Jahren seien die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass diese schwerer zu gewichten wären als das maßgebliche öffentliche Interesse. Daran ändere nichts, dass es einen schriftlichen Vertrag zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und dessen Vater gebe, wonach "diese Vater-Kind-Beziehung vertraglich aufgelöst" worden sei. Die Beschwerdeführer seien im Bundesgebiet weder sozial noch wirtschaftlich integriert. Weiters betreffe die aufenthaltsbeendende Maßnahme alle fünf Familienmitglieder gleichermaßen. Wenn auch mit der Ausweisung ein Eingriff in das in Österreich geführte Familienleben verbunden sei, sei die Ausweisung dringend geboten und zum Schutz bzw. zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens auch im Sinn von Art. 8 Abs. 2 EMRK jedenfalls erforderlich.
Wegen der derzeitigen Schwangerschaft der Erstbeschwerdeführerin sei dieser Situation mit der Erteilung von Abschiebungsaufschüben Rechnung zu tragen.
Die Erstbeschwerdeführerin habe die ihr angebotene psychotherapeutische Behandlung auf Kosten des Landes Steiermark nicht in Anspruch genommen und es habe sich ihre medizinische Behandlung und Betreuung in Österreich bisher ausschließlich auf die unter ärztlicher Kontrolle angeordnete Einnahme von speziellen Antidepressiva bzw. Psychopharmaka beschränkt. Diese Behandlung könne auch in ihrem Heimatland in dieser Form durchgeführt werden.
Dazu traf die belangte Behörde an Hand eines Berichtes vom 27. November 2006 des Bundesministeriums für Inneres (Staatendokumentation) Feststellungen über eine bestehende Grundversorgung der Bevölkerung im Kosovo und über eine, wenn auch auf niedrigem Niveau bestehende, medizinische Versorgung. Eine "rudimentäre Basisversorgung" sei in den öffentlichen Spitälern möglich. Alle gängigen Medikamente seien grundsätzlich verfügbar. Es gebe auch Abteilungen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass behandlungsbedürftige Personen auf Grund fehlender Therapieplätze tatsächlich nicht behandelt werden könnten und es habe die Volkszugehörigkeit auf die Erreichbarkeit von Therapieplätzen nur einen geringen Einfluss.
Somit seien die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ihr Heimatland keiner "Existenz- und Lebensbedrohung" ausgesetzt und es sei die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat im Verfahren betreffend die Ausweisung nicht zu prüfen. Die Asylbehörden hätten rechtskräftig festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Republik Serbien, Provinz Kosovo, zulässig sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG vorläge. Wegen der rechtskräftigen Beendigung der Asylverfahren bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG verwirklicht sei.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist eine Ausweisung nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die belangte Behörde wies zutreffend darauf hin, dass dem öffentlichen Interesse auf dem Gebiet des Fremdenwesens aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zlen. 2005/21/0305 und 0306). Umstände, die für eine Integration der Beschwerdeführer im Bundesgebiet sprächen, werden in den Beschwerden nicht vorgebracht. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer mit Sozialhilfe finanziert werde und eine berufliche Integration (der Eltern) nicht gegeben sei. Dem halten die Beschwerden lediglich entgegen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer "als finanziell abgesichert anzusehen ist". Da jedoch auf keine anderen Unterhaltsmittel als die besagte Sozialhilfe Bezug genommen wird, wird durch diese Behauptung das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme in keiner Weise abgeschwächt.
Zur Lebenssituation im Kosovo bringen die Beschwerdeführer vor, dass für sie kein Wohnraum existiere und die wirtschaftliche Gesamtlage im Kosovo als katastrophal anzusehen sei.
Auch dieses Vorbringen führt nicht zur Beurteilung der angefochtenen Bescheide als rechtswidrig. Es kann zwar die Abschiebung in einen Staat, in dem der Fremde keine Existenzgrundlage hätte, zu einer Gefährdung im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG führen (vgl. zur inhaltsgleichen Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2005, Zl. 2002/21/0071). Eine Bedrohungssituation im genannten Sinn ist jedoch nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zlen. 2005/21/0305 und 0306), sondern bei der Frage der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 8 AsylG 2005 bzw. § 50 FPG zu prüfen. Im Übrigen liegen unbestritten gegen Erst- , Zweit- und Fünftbeschwerdeführer rechtskräftige Aussprüche nach § 8 Asylgesetz 1997 vor.
Weiters verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin an posttraumatischen Symptomen leide, die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland eine entsprechende adäquate ärztliche Behandlung erhalten könne und wegen der psychischen Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin nicht nur ihr Leben, sondern auch das der anderen Familienmitglieder "auf das Gröbste gefährdet wäre".
In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch dem Umstand Bedeutung zukomme, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, und das Fehlen einer Aussicht, sich im Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der notwendigen Behandlung unterziehen zu können, eine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einem (unter Umständen auch nur vorübergehenden) Verbleib in Österreich darstellen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0165).
Die Beschwerdeführer berufen sich auf eine im Berufungsverfahren vorgelegte ärztliche Bestätigung vom 14. November 2006. Diese lautet auszugsweise:
"Heute erscheint zuerst der Gatte alleine und begehrt eine Bestätigung über die laufende Medikation. Der Gatte wurde gebeten mit der Patientin (= Erstbeschwerdeführerin) zu kommen, mit dem Hinweis darauf, dass ich schon beim Verdacht auf Gravidität … von der Medikamenteneinnahme abgeraten habe. Die Pat. wurde etwas später im Beisein des Dolmetschs untersucht und gibt Schlafstörungen sowie schlechte Träume (Männer würden sie mit Messern attackieren) und auch, dass sie unter den Erlebnissen aus dem Krieg noch immer leide.
Die Pat. ist in der Untersuchungssituation eher reserviert,
wirkt ztw auch unwirsch.
Diagnose: PTSD, F43.1
Therapievorschlag: Psychopharmaka in der Gravidität derzeit nicht empfohlen. Die Möglichkeit einer Psychotherapie habe die Pat. bisher nicht genützt… Bei der letzten Untersuchung am 29.8. gab der Gatte an, sie hätte im Beratungszentrum L keinen Termin bekommen können."
In der - mit den Beschwerden vorgelegten - Berufung des Zweitbeschwerdeführers vom 30. August 2006 war zum Krankheitsbild (lediglich) vorgebracht worden, dass "die Gattin des BW erkrankt ist und stets in medizinischer Behandlung steht". Zum Beweisthema, "inwieweit die Gattin des BW in Österreich einer entsprechenden ärztlichen Behandlung unterliegt, bzw. ob diese in ihrem Heimatland überhaupt die Möglichkeit hat, eine entsprechende adäquate ärztliche Behandlung zu erhalten", wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten beantragt. In der - gleichfalls mit den Beschwerden vorgelegten - Stellungnahme vom 20. November 2006 wurde diesbezüglich (nur) ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin "weiterhin an ihrem Krankheitsbild leidet, insbesondere sie keinerlei Möglichkeit hat, eine entsprechende ärztliche Versorgung in ihrem Heimatland zu erhalten".
In den Beschwerden werden keine sonstigen, die psychische Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin betreffende Umstände vorgebracht. Insbesondere unterlassen die Beschwerden auch jegliche Angaben, warum die Erstbeschwerdeführerin die ihr angebotene Psychotherapie nicht in Anspruch genommen bzw. ob sie einen anderen Behandlungstermin angestrebt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst (im Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2006/18/0107) ausgesprochen, dass es dem Fremden obliege, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher konkreter Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse iSd Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar.
Vorliegend wird nicht behauptet, dass im Verwaltungsverfahren ein substanziiertes Vorbringen zur Krankheit der Erstbeschwerdeführerin erstattet worden wäre. Gemäß der vorgelegten ärztlichen Bestätigung erschöpft sich deren Krankheitssituation darin, dass eine depressive Stimmung zwar erkennbar, jedoch nicht ausgeprägt ist, und die Möglichkeit einer Psychotherapie nicht genützt wurde. Davon ausgehend kann das private Interesse der Erstbeschwerdeführerin dem öffentlichen Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mit Erfolg entgegengestellt werden. Da die Beschwerden - wie bereits erwähnt - jegliche Konkretisierung der behaupteten psychischen Erkrankung und der erforderlichen Therapie unterlassen und somit die Relevanz allfälliger Verfahrensmängel (unterlassene Gutachtenseinholung) nicht dargetan wird, kann die Bewertung der Ausweisungen als dringend geboten nicht als rechtswidrig gesehen werden.
Es liegen auch keine Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, in Ausübung ihres Ermessens von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2007
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210163.X00Im RIS seit
06.08.2007Zuletzt aktualisiert am
07.11.2012